Babydirk's Kurzgeschichten

Schwules zum Schmunzeln


Das Imperium schlägt zurück

Ich lag allein in meinem Bett, denn Jean war beruflich in Hamburg. Frustriert wälzte ich mich hin und her, als das Telephon klingelte. Es war halb eins.
"Jean?"
"Ach, nein, Schätzchen, ich bin's nur, Charlotte, deine beste Freundin! Ach, Schätzchen, das tut mir ja soooo leid!"
Oh nein, nicht Charlotte, nicht jetzt!
"Was tut dir leid? Daß du mich aus meinen süßen Träumen reißt?"
"Aber nein, Schätzchen, das mit dir und Jean! Ihr wart ein so nettes Paar! Wie richtige kleine Turteltäubchen! Und nun das!"
"Was meinst du denn? Gut, Jean ist für ein paar Tage in Hamburg, das ist ja nicht so schlimm!"
(Schlimm genug allerdings)
"Ja, aber das weiß ich doch! Ich bin ja selbst in Hamburg. Und als ich heute abend in der Sauna war, da traf ich Jean, und nachher dachte ich halt, es wäre aus zwischen euch!"
"Nachher?" Ich hatte ganz plötzlich ein sehr ungutes Gefühl in der Magengrube (das ist allerdings bei Charlotte nicht ungewöhnlich, ist sie doch meine beste Feindin). Und wieso Sauna?
"Uuuuups, habe ich jetzt vielleicht etwas gesagt, was besser ungesagt geblieben wäre?"
"Nach was, Charlotte?"
"Naja, ich traf eben Jean, und wir kamen ins Gespräch. Er ist ja auch wirklich zu süß, dein kleiner Franzose!"
"Belgier! Ihr kamt also ins Gespräch, und dann?"
"Naja, da wir sonst keinen kannten... Also du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schnell sich die Szene verändert!"
"Charlotte, bitte!"
"Ist ja gut, ist ja gut, Schätzchen. Nun, wir kamen uns dann noch ein bißchen näher, sehr nahe, um genau zu sein. Na, du verstehst schon. Eine Dame genießt und schweigt."
Spätestens in diesem Moment durchschlug mein Magen die Matratze und wahrscheinlich auch den Fußboden. Ich konnte nur noch denken: Contenance, meine liebe, contenance! Warum ich auf einmal französisch dachte, weiß ich nicht, es muß an Charlotte gelegen haben, denn als die Personifizierung einer Tunte hatte sie einen nicht unbeträchtlichen französischen Wortschatz, den sie bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten anzubringen wußte.
"Ihr habt also..."
"Ja, und es war toll, magnifique (hi hi)! Was der Kleine nicht alles drauf hat! Hat er das von dir? Da mußt du ja eine ganze Menge hinzugelernt haben! Und gut gebaut ist er! Naja, wem sage ich das? Wie direkt vom Olymp herabgestiegen. Und sein bestes Stück! Sag' mal, wo tust du das eigentlich hin? Der hat ja mindestens 28 Zentimeter!"
"Sechsundzwanzig! Und du schämst dich überhaupt nicht?" Jetzt wurde ich doch ein bißchen lauter.
"Aber Schätzchen, ich wußte ja nicht... Naja, und überhaupt! Du kannst ja ganz ruhig sein! Glaubst du vielleicht, ich hätte nicht erfahren, daß du behauptet hast, meine Haare seien ge färbt? Laß' dir das gesagt sein: Ich habe lediglich die natürliche Färbung etwas unterstützt! Nach deinen Verleumdungen konnte ich mich wochenlang nirgends mehr sehen lassen! Ich mußte in die Provinz flüchten - nach München!"
Aha, Retourkutsche! Charlottes "natürliche Färbung" liegt irgendwo zwischen kackbraun und straßenköterblond sie tritt aber immer wasserstoffgebleicht in Erscheinung, wenn sie nicht irgendeine ihrer zahllosen Perücken trägt.
"Aber ich bin ja schließlich nicht nachtragend! (Oh nein!). Sagen wir, wir sind jetzt quitt!"
Ich unterdrückte eine ganze Reihe von Verwünschungen, die ich ihr entgegenschleudern wollte und versuchte, relativ ruhig zu bleiben.
"Und Jean? Was hat der gesagt?"
"Nun, er hat halt erzählt, daß er ein paar Tage in Hamburg zu tun hat, und daß er frustriert ist wegen der Trennung von dir. Das mit der Trennung muß ich wohl mißverstanden haben, er drückt sich ja manchmal ein bißchen komisch aus, n'est-ce pas? Und danach kamen wir halt nicht mehr zum reden, noch nicht einmal ich, und das will was heißen, bei meinem Plapper mäulchen! Aber ich hatte buchstäblich den Mund voll!"
Sie kann ja so witzig sein, die Gute!
"Charlotte, bitte! Ich möchte keine Einzelheiten hören!"
"Ist ja schon gut! Mein Gott, was sind wir heute wieder spießig! Nimm das ganze doch nicht so schwer! Unsere Freundschaft wird sowieso viel länger halten, als diese affaire zwischen dir und dem Kleinen."
Damit hatte sie allerdings recht - unsere "Freundschaft" hält heute noch.
"Und außerdem... Vielleicht kann ich ja noch was retten. Ich weiß nämlich, wo dieses Zucker stückchen wohnt. Laß' mal die gute Charlotte machen. Sie ist in diplomatischen Dingen un übertroffen!"
"Nein Charlotte, laß' mal. Ich glaube, du hast genug angerichtet!"
"Nein, nein, nein, nein. Versprochen ist versprochen. Wenn dir so viel an dem Kleinen liegt, dann will die gute Tante Charlotte auch alles unternehmen, um euch wieder zu versöhnen!"
Klack! Tante Charlotte hat aufgelegt.



Copyright 1996 by Dirk Kurz


zum dritten Teil...

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Last updated July, 12th, 1996