Babydirk's Kurzgeschichten

Schwules zum Schmunzeln


Krieg der Sterne

Jean und ich sa�en eines sch�nen Abends gem�tlich auf der Couch und h�rten eine meiner zahlreichen Shirley Bassey-Platten an, als es Sturm klingelte. Seufzend stand ich auf und �ffnete die T�r.
"Hall�chen, mein Schatz, die gute Charlotte mu� doch einfach mal wieder bei euch 'reinschauen! Was treibt ihr denn so? Ach, ich Dummerle, bl�de Frage, ich habe euch doch nicht gest�rt?"
Obwohl meine beste Freundin Charlotte, eigentlich Karl Ich-wei�-nicht-was, dies in atemberaubender Schnelligkeit herunterspulte, schaffte sie es, in Sekundenschnelle an mir vorbei ins Wohnzimmer zu schweben und ebenfalls auf der Couch Platz zu nehmen.
"Gute G�te, was jault hier denn so? Habt ihr den Pudel von der alten Tante unter euch in der Mikrowelle eingesperrt?"
"Liebste Charlotte, das ist Shirley Bassey!" sagte ich im Ton tiefster Entr�stung.
"Ach, Shirley the Basset! Ich f�rchte, Sch�tzchen, du hast den gleichen schlechten Geschmack wie dein Onkel, der liebe Rick. Shirley Bassey! Also wirklich!"
"Was hast du gegen Shirley?"
"Ich verstehe einfach nicht, was du und so viele unserer Mit-Schwestern an ihr finden! �berhaupt, diese Mumienverehrung allenthalben! Schrecklich! Nur Liza Minelli ist doch ein echter Star!"
"Ist Liza Minelli etwa keine Mumie?"
"Sch�tzchen, Liza Minelli ist eine G�ttin! Ich habe sie erlebt, live im Madison Square Garden, New York! Es war eine Offenbarung!"
"Hat sie auch gleich den dazugeh�rigen Eid geleistet?"
"Mon Dieu, bist du heute wieder witzig!"
Dieses Streitgespr�ch ging noch eine ganze Weile weiter, keiner konnte den bzw. die andere(n) �berzeugen, und schlie�lich rauschte Charlotte genervt von dannen.

Einige Tage sp�ter klingelte mein Telephon.
"Tilly, ma belle, Charlottchen hier! Hast du schon geh�rt? Shirley the Basset gibt in vier Wochen ein Konzert auf der Waldb�hne! Als ich das gelesen habe, mu�te ich doch gleich an dich denken! Ist das nicht lieb von mir? Also, du besorgst die Karten - nat�rlich drei, ich will diese Blamage um keinen Preis verpassen! (...)"
Nach diesem ziemlich langen Monolog Charlottes mu�te ich ihr wirklich beipflichten, sie war (und ist) ein echter Schatz. Nat�rlich machte ich mich gleich daran, drei Karten zu bestellen, was mir auch gelang. Nun fieberte ich dem Auftritt meiner geliebten Shirley entgegen, und die n�chsten vier Wochen wurden zur Ewigkeit!

Am Abend des gro�en Ereignisses klingelte es p�nktlich halb sieben. (Ich hatte Charlotte gesagt, sie solle um sechs bei mir sein, ich bestelle sie grunds�tzlich eine halbe Stunde fr�her ein, damit wir nicht zu sp�t kommen!) Ich �ffnete die T�r, und vor mir stand - Liza Minelli!
"Na, da schaust du, was? Falls der guten Shirley zuf�llig die Stimme versagen sollte, kann ich immer noch den Auftritt retten, die Leute sollen ja schlie�lich ihr Eintrittsgeld nicht umsonst bezahlt haben!"
Alles insistieren meinerseits hatte keinen Erfolg, ich mu�te mit Jean und Liza Minelli zu diesem Konzert gehen. Allerdings sah Charlotte perfekt aus: schwarzer Hosenanzug, paillettenbesetzter Top, schwarze High Heels, riesige Strass-Ohrgeh�nge, wunderbar geschminkt, mit typischer Liza-Minelli-Frisur. Die Leute in der S-Bahn staunten nicht schlecht, als Liza Minelli mit zwei offensichtlich homosexuellen Elementen einstieg und sich, als w�re es das normalste auf der Welt, auf einen freien Platz setzte. Ich beobachtete ein Touristen-P�rchen (mit Stadtplan und Photoapparat bewaffnet), das sich aufgeregt unterhielt, immer wieder auf Charlotte, Verzeihung: Liza, deutend. Endlich �berwand das Weibchen seine nat�rliche Scheu und kam mit gez�cktem Stift und Notizblock auf uns zu:
"Sorry, madam, would you give me a autogramm?" (Das Englisch war furchtbar!)
"Oh, yes, my sweetheart! What's your name?"
"Rosie." Das Weibchen err�tete stark.
Liza nahm Stift und Zettel schrieb und murmelte vor sich hin:
"For my dear friend Rosie, Liza Minelli"
Gl�cklich huschte das Weibchen von dannen.
"Also Charlotte, wie kannst du nur! Das grenzt ja beinahe an Urkundenf�lschung! Einfach mit Liza Minelli zu unterschreiben!"
"Wieso denn? Das habe ich doch gar nicht!"
"Ich habe doch ganz deutlich das gro�e L und M gesehen!"
"Stimmt. Ich habe geschrieben: For the ugly bitch Rosie, Leck Mich!"
Ich verdrehte die Augen.

Auch in der Waldb�hne erregte Liza einiges Aufsehen. Sie verteilte gro�z�gig Handk��chen und niemand erkannte ihre wahre Identit�t, und das sollte was hei�en, denn etwa die H�lfte der Leute waren ganz offensichtlich zumindest potentielle Lover von ihr. Ich hatte ihretwegen aber vor allem Shirleys wegen ganz verschwitzte H�nde und hielt mich krampfhaft zum einen an meinem geliebten Jean, zum anderen an der roten Rose, die ich Shirley auf die B�hne werfen wollte, fest. Endlich begann das Konzert. Shirley erschien. Jubel aus tausenden meist M�nnerkehlen.
"Ich gebe zu, ihr Fummel ist nicht schlecht!" erkannte Liza gro�z�gig an.
Dies war f�r die n�chsten anderthalb Stunden ihre letzte �u�erung. Shirley legte eine Show hin, die ihr so schnell niemand nachmachen konnte. Meistens war ich ja von ihr in den Bann gezogen, manchmal erlaubte ich mir aber einen Seitenblick auf die stumme Liza neben mir, die ebenfalls ganz versunken auf die B�hne schaute. Bei "All by myself" meinte ich ein paar Tr�nen in ihren Augen zu erkennen, und bei Shirleys Abschiedslied "Who wants to live forever" sagte sie pl�tzlich:
"Ich halte es einfach nicht mehr aus!"
Sie stand auf, entri� mir die Rose und st�rmte Richtung B�hne. Ich witterte eine Katastrophe! Gl�cklicherweise hatte Shirley es geschafft, rechtzeitig fertig zu werden, bevor Liza die B�hne erreicht hatte, und die tosende Begeisterung �berdeckte Lizas verzweifelte Versuche, die Show an sich zu rei�en. Doch wieder mu�te ich fest stellen: Ich hatte Charlotte untersch�tzt! Irgendwie hatte sie sich durch die Massen von Fans geboxt und stand pl�tzlich mitten auf der B�hne. Shirley war sichtlich erstaunt, so unerwartet Liza Minelli gegen�berzustehen, diese jedoch hielt ihr mit der rechten Hand meine Rose hin, w�hrend sie mit der linken abwechselnd perfekte Togal- und Dekollet�griffe vollf�hrte. Die beiden Stars unterhielten sich kurz, und aus der Ferne erkannte auch ich meine Charlotte nicht mehr. Der Jubel hatte inzwischen nur noch frenetischere Formen angenommen, und nat�rlich mu�te Shirley eine Zugabe geben. Es erklangen die ersten Takte von "New York, New York". Es kam, wie es kommen mu�te: Diese Hymne an die Gro�stadt und den Starkult wurde von beiden, Shirley und Liza, in Szene gesetzt, und zwar, wie ich zugeben mu�, von beiden so gekonnt, da� auch ich mich in den allgemeinen Trubel hineingezogen f�hlte und wie wild applaudierte. Dieses denkw�rdige Duett kam so gut an, da� noch einige Zugaben aus dem gemeinsamen Repertoire folgten, bevor sich die beiden Showgr��en endg�ltig gemeinsam hinter die B�hne zur�ckzogen. Ich wartete noch eine Stunde auf Charlotte, aber sie blieb verschwunden.
Der Neid kochte in mir, und frustriert fuhr ich mit Jean nach hause.

Tags darauf war in der Zeitung eine Kritik des Konzerts zu lesen, wo nat�rlich der geheimnisvolle Auftritt von Liza Minelli nicht unerw�hnt blieb: "Wer ist diese perfekte Liza-Minelli- Imitatorin? Aus gut unterrichteter Quelle haben wir erfahren, da� sich die echte Liza Minelli in New York aufh�lt, wo sie derzeit am Broadway auf der B�hne steht...."
Gleich um zw�lf fuhr ich zu Charlotte. (Fr�her durfte man bei ihr nicht erscheinen, wollte man es sich nicht mit ihr verscherzen!) Sie hatte sich weder abgeschminkt noch umgezogen, nur die High Heels lagen irgendwo in einer Ecke. Shirley Basseys Stimme schwebte durch die Wohnung, auf dem Wohnzimmertisch war eine Art Schrein aufgebaut: umrahmt von sicherlich zwanzig zum Teil schon abgebrannten Kerzen prangte eine Autogrammkarte von Shirley, auf der zu lesen stand: "For my dearest friend, Liza Charlotte Minelli, the Queen of Show in Berlin, in admiring love, Shirley".
Und Charlotte sagte mit vertr�umtem Blick: "Till, du hattest recht. Sie ist eine G�ttin!"


Copyright 1996 by Dirk Kurz


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Last updated July, 6th, 1996