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Meine hier vorgestellte Arbeit über die etymologischen Wurzeln vieler schulbezogener Begriffe erschien erstmals im von mir redaktionell betreuten Jahresbericht 1994/95 des Elsterschloß-Gymnasiums Elsterwerda in Brandenburg, an dem ich von 1992 bis 1997 tätig war.
Penne, Schule, Gymnasium?! Eine etymologische
Betrachtung Wie vielen unserer Schüler
ist das Wort ,,Penne“ als Bezeichnung unserer Bildungsanstalt aus verständlichen
Gründen1 geläufig. Es kommt aber von lat. pinna/penna
,,Feder“. Ferner gab es im Mittelalter eine pennale ,,Federbüchse“,
was dann auf das gesamte Gymnasium bezogen wurde. Jedoch war das gymnasion im
Altertum zunächst ein vormilitärischer Ring- und Tummelplatz, der seit dem
4. Jhdt. v. Chr. auch zur geistigen Ausbildung der männlichen Jugend
herangezogen wurde. ,,Turnhalle“ bezeichnet es in seiner französischen und
englischen Gestalt bis heute, während es in Deutschland zur höheren Schule
schlechthin wurde. Schule, aus griechisch scholé
,,Rast“, ,,Muße“, mag dem einen oder anderen Schüler
als Bezeichnung für das Gymnasium nicht mehr recht passend erscheinen. Nun sind wir schon mitten in
der Etymologie, von griech. etymos ,,echt“, ,,wahr“,
,,ursprünglich“, d.h. der Lehre von der Wortbedeutung und
-ableitung. Schauen wir uns einige
Schulfächer an: 1.
Viele Wege führen nach Rom, das ja nicht an einem Tag erbaut wurde,
sondern dank Romulus sagenhafterweise ,,7-5-3 aus dem Ei kroch“.
Schon Jahrhunderte vorher wohnten in
der Landschaft Latium die Latini. Auch die römischen Kinder mußten sich in der Schule auf den
Hosenboden setzen. Diese hieß ludus, was unglaublicherweise auch
,,Spiel“ bedeuten konnte. Ein discipulus (vgl. engl. pupil) hatte sich
nolens volens der disciplina unterzuordnen, die
der magister ludi, der Schulmeister, aufrechtzuerhalten bemüht war. Mit einem stilus ,,,Griffel“ lernten die discipuli im rechten ,,Stil“ eine littera
(vgl franz. la lettre, engl. letter) nach der anderen in ihre tabula cerata, die ,,Wachstafel“ mehr
einzuritzen (vgl. engl. to write) als zu ,,schreiben“, lat. scribere.zu
griech. graphein ,,ritzen“ und ,,schreiben“ gesellen sich gramma ,,Buchstabe“,
,,Schrift“ sowie téchne grammatiké die Schreib- und Lesefertigkeit. 2.
Gut 60 Generationen
trennen das an der Schule gelehrte ,,klassische“ Latein vom heutigen Französisch. 3.
Von den Schulsprachen gilt Englisch sehr zu Unrecht als die leichteste.
Denn auch hier erweist sich die Grammatik vielen Schülern als Stolperstein.
Unseren geplagten Schülern sei zum Trost gesagt, daß Grammatik
bereits den Menschen im Mittelalter nicht ganz geheuer war. Grammatica (lat.)
erwarb in der entstellten französichen Form grimoire die Bedeutung
,,Zauberbuch" und entsprechend bezeichnen engl. gramarye und geläufiger glamour einen Zauberbann, von dessen Ursprung sich manches glamour
girl nichts träumen läßt. 4.
Im vereinten Europa am meisten gesprochen wird unsere Muttersprache
Deutsch. Das althochdeutsche Adjektiv diutisk ist von diot ,,Volk“
abgeleitet. In Skandinavien hießen wir Tysk, und die Italiener nennen
uns Tedeschi. Für Franzosen, Spanier und Portugiesen sind wir allesamt
Allemannen, während uns Russen und die übrigen slawischen Völker Nemcy nennen,
wahrscheinlich zu nemój ,,stumm" Das wirft ein nicht gerade gutes
Licht auf ihre Bemühungen, mit uns in unserer Sprache kommunizieren (lat. communicare
,,gemeinsam haben; teilen; sich verständigen“) zu können, was übrigens
auch für die englischsprachigen Völker gilt. Sie bezeichnen
interessanterweise nicht mehr uns, sondern unsere niederländischen Nachbarn
mit Dutch. Für sie
ist double Dutch eben Kauderwelsch, Dutch courage der Mut, den
man erst nach einem Glas zuviel beweist, und Dutch treat ein
gemeinsames Essen, bei dem jeder seine eigene Zeche bezahlen muß. 5.
Den Gegensatz zur Geschichte,
der Historie (griech. historéo ,,ich erforsche“ und ,,ich
erzähle“), bildet das Reich der Fabel, die Erfundenes dichterisch ausgestaltet. Lat. fari
,,sprechen“ - ein infans, frz. enfant, engl. infant
,,Kind“ ist der Sprache noch nicht mächtig - verbirgt sich in der fabula. 6.
Die Geographie, von griech. ge ,,Erde“ und graphein ,,beschreiben“
hat es im Laufe der Zeit geschafft, fast alle weißen Flecken auf dem globus
lat. ,,Kugel“ zu tilgen und Neuentdeckungen auf der Karte - von griech. chártes
,,Papierblatt“ - einzuzeichnen. Wir verdanken ihr also die Weltkarte
lat. mappa mundi, frz. le mappemonde, engl. map (keineswegs
card!).
7. Auch 2 Teildisziplinen der
Mathematik (zu griech.. manthanein ,,lernen“ und
mathema ,,Lehre,Wissenschaft“), nämlich
Weitere wichtige Schulfächer müßten behandelt werden, um den Kreis (griech.
kyklos), die Enzyklopädie schulischen Lehrens und Lernens, zu schließen.. Vor allem die (engl.) sciences (lat. scientia zu
scire ,,wissen“)
Naturwissenschaften sind unverdienterweise gegenüber den Sprachen in den
Hintergrund getreten, doch bereits jetzt ist deutlich geworden, daß
grundlegende und zentrale Begriffe, die auch für unsere Zeit charakteristisch
sind, besonders gern mit Hilfe des griechischen und lateinischen Wortbestandes
benannt werden, wie auch das lateinische Erbe in den Tochtersprachen weiterlebt.
Somit werden die angeblich toten Sprachen zu einem Spiegel europäischen Denkens
und europäischer Kultur.
Michael Hesse
1 ,,Pennen“=“Schlafen“ |