Dokumentation des 27. Kongresses für Frauen in Naturwissenschaft und Technik

 

Alwine Witte

 

Film: Mondblut

Oder: Wie die Züricherinnen zu ihren Menstruationshütten kamen

Samstag, 10.30 Uhr

Es waren ca. 30 Teilnehmerinnen anwesend

 

Abstract/ Einleitung

In der ersten halben Stunde wurde der Film, eine Fiktion über die Einrichtung von Menshütten, gezeigt, danach gab es eine angeregte Diskussion. Die Schwerpunkte lagen neben dem Filminhalt beim Thema Öffentlichkeit: Vor allem die Aktion einer Frau, die ihre blutigen Tampons am Balkon aufgehängt hatte, interessierte alle. Es ging anschließend um Öffentlichkeit am Arbeitsplatz und in der Familie:

- die Menarche der Töchter feiern,

- Einbeziehung der Männer und Jungen,

- ein arbeitsfreier Menstag.

Abschließend tauschten sich die Teilnehmerinnen darüber aus, wie es ihnen geht und was sie sich für ihre Menstruation wünschen.

 

 

 

Gibt es wirklich irgendwo Menshütten?

 

Direkt im Anschluss an den Film ging es um Menshütten selbst bzw. einen Raum für die Menstruation.

Von allen Teilnehmerinnen wurde angeregt über den Sinn einer Menstruationshütte diskutiert: Menstruation öffentlich zu machen. Außerdem ging es um das Innere einer Menstruationshütte, das bei dem Film nicht gezeigt wurde: Wie viele passen da rein? Wie lange kann eine bleiben?

Eine Frau beschrieb eine Menshütte namens "Mondzelt" auf einem Frauenkongress 2000 bei Berlin mit Starhawk und Heide Göttner-Abendroth. Sie und andere Frauen waren sehr begeistert. Das Zelt war "weich" eingerichtet, mit Polstern und Tüchern, es gab Massagen u.a.

Auf dem FrauenLesbenWiderstandscamp in den 80/90ger Jahren hatten Frauen unter Obstbäumen einen Mensplatz eingerichtet.

Eine andere erzählte von einem Workshop, bei dem sie "nach innen gespürt" hat. Es ging um Fragen wie: Was spüre ich, was will ich spüren, was wünsche ich mir, was wünsche ich den anderen? Hierbei war ihr wichtig, einen Ort und Zeit für ihr Inneres zu haben.

 

 

Öffentlichkeit – Privatheit

 

Wo und wie machen wir öffentlich, dass wir menstruieren?

Formen von Öffentlichkeit

Eine erzählte von einer außergewöhnlichen Form der Sichtbarmachung des Blutes: Nach einer Auseinandersetzung mit einer Nachbarin hängte sie ihre blutigen Tampons auf den Balkon an der Rückseite des Hauses, als Abgrenzung ihres Raumes ("das ist meine Markierung – so wie Männer und Hunde pinkeln."). Das leuchtende Rot hat ihr im grauen Winter gut gefallen. Von Schnee und Regen werden sie ausgewaschen und tropfen dann Rot. Ab und zu erneuert sie die Tampons. Auch im Sommer gibt es keine Gerüche oder Fliegen, sie trocknen dann einfach. Diese Ausstellung ergab witzige Gespräche und Reaktionen von "total klasse" bis "iiiiih". Die inneren Spannungen der Freundinnen traten zutage. Sogar zwei Männer kamen vorbei, nur um sich das anzusehen. Diese Ausstellung erforderte von ihr selbst innere Stärke und Bereitschaft zum Dialog, z. B. bei Fragen: Was ist eklig, was spürst du dabei?

Die Distanz zu der Nachbarin haben die Tampons gebracht, von dieser Seite kam nichts mehr.

 

In einer Firma tragen die Frauen ein rotes Schmuckstück während ihrer Blutung.

Eine Frau fragt extra laut nach Binden oder Tampons, dann zucken alle zusammen.

 

Den einen war es zu anstrengend, ihre Periode zu thematisieren:

Keine würde erwähnen, wenn Männer anwesend sind, dass sie menstruiert. Einigen geht es währenddessen so schlecht, oder sie sind so genervt, dass sie nur noch ihre Ruhe wollten und sich nicht auch noch mit Öffentlichkeit und den daraus folgenden Reaktionen auseinandersetzen könnten.

Die anderen fanden gerade das Verbergen und Verschweigen der Mens, vor allem bei starker Blutung und anderen heftigen Beschwerden, anstrengend.

Fazit:

Vielen ist Öffentlichkeit peinlich und darum zuviel—aber es geht gerade um eine Umbesetzung dieses Gefühls, und zwar durch Öffentlichkeit!

 

Inwieweit und auf welche Weise sollen Jungen und Männer einbezogen werden?

Eine Mutter erwähnte, das sie einmal – unbewusst - Binden offen hat liegen lassen und sich ihre Söhne darüber aufgeregt hatten. Sie erwiderte: "Daraus seid ihr entstanden, da könnt ihr auch hin gucken." Diesen Teil von sich wollte sie nicht verstecken.

Eine andere Mutter erzählte, dass ihr Sohn auch immer so was haben will, wenn sie menstruiert. Sie hatte ihm mit 3 eine Slipeinlage gegeben, mit 6 eine Binde, und fragte sich jetzt, ob er wohl Schwierigkeiten bekommen wird, wenn andere das mitbekommen. Die meisten Anwesenden fanden es wichtig, das Kinder überhaupt erst mal gute Erfahrungen mit dem Thema Menstruation machen.

Was wäre, wenn Männer menstruieren würden...

Männerinteressen, z.B. Fußball, nehmen einen riesigen Raum in der Öffentlichkeit ein, und ein Menstruationszelt ist im Vergleich zu einem Fußballplatz winzig. Es wäre schön, wenn es öffentlichen Raum, bezahlt von Steuer(-Männer!)geldern, für das Menstruieren gäbe.

 

Menarchefeiern von Töchtern

Diese Feiern waren den anwesenden Müttern sehr wichtig, um die Töchter beim Übergang zur Frau und dem Finden ihrer Rolle zu unterstützen. Die Menstruation soll schön sein und kein Schreckgespenst, denn die Erlebnisse rund um die erste Menstruation können das Erleben der Blutungszeit für das ganze Leben prägen.

Eine Mutter berichtete, wie es ihr geholfen hat, dass ihre Mutter sie in den Arm nahm, und feierte mit ihrer Jahresritualgruppe ein Ritual zur Aufnahme ihrer menstruierenden Tochter.

Eine weitere Frau bekam ihre eigene Menarche in der Schule und hatte sich sehr gefreut, dass ihre Lehrerin das gefeiert hat. Ihre Mutter reagierte entsetzt: "Oh Gott, geh ins Bett, du bist krank." Für ihre 11-jährige Tochter organisierte sie ein Fest mit deren Freundinnen, auf dem die "Alte" Schwarz trug und die Tochter einen Minirock. Die Männer mussten draußen bleiben, die Reaktionen der Freundinnen waren gemischt, und zum Schluss überreichte sie ihrer Tochter einen Ring.

Eine Mutter war sehr enttäuscht, dass ihre Tochter auf keinen Fall feiern wollte. Eine andere hatte sich auf eine große Party gefreut, aber die Tochter wollte nur ein kleines persönliches Fest.

 

Die Teilnahme von Männern und Jungen wurde kontrovers diskutiert. Jungenarbeit ist für die einen genauso wichtig wie Mädchenarbeit, auch Männer müssten ihren Umgang mit Menstruation finden. Andere fühlen sich von der Anwesenheit von Männern eingeschränkt, wenn z.B. in dieser Diskussionsrunde Männer sitzen würden, würden sie nicht so reden wie jetzt.

 

Es ist also sehr wichtig, über die Vorstellungen zu sprechen, die Mütter und ihre Töchter von Menarchefeiern haben.

 

Erschaffen wir eine Frauenrolle, die wir abschaffen wollten?

Es gab einen Beitrag zur Dekonstruktion im Sinne von Judith Butler:

Dekonstruktivismus: Durch Mensfeiern, vor allem ausschließlich unter Frauen, erneuerten Frauen ihre Rolle als Frau, das bedeute, sie konstruierten sich damit als ‚das Andere'. Die Rednerin strebt die Dekonstruktion an, die komplette Auflösung der Kategorie "Frau", und deswegen sollten Männer auch an Mensfeiern teilnehmen.

Eine andere Teilnehmerin antwortete, auch Dekonstruktion sei eine Konstruktion – statt "Frau" zu dekonstruieren sollte die Metapher von "Mens = Krankheit" aufgebrochen werden.

 

Freier Menstag

Es soll es in anderen Ländern einen freien Tag pro Monat geben, aber keine wusste etwas genaues. Es wäre aber toll, wenn es hier frei gäbe. Manche ziehen sich gerne zurück und nehmen sich ihre freie Zeit dann am Wochenende.

 

Ungelöste Fragen zum Umgang mit der Öffentlichkeit:

Was ist Vergangenheit – wo will ich hin?

Was mache ich als Frau, was kann ich Neues machen?

 

 

Austausch über Befindlichkeit während der Tage

 

2 Teilnehmerinnen haben Fragen an alle anderen gestellt.

Einer ist aufgefallen, dass im Film eine Frau erzählt hat, sie hätte so viel Energie während der Mens, aber ihr selbst gehe es leider nicht so. Sie wollte wissen, wie es den anderen Frauen gehe:

 

1. Antwort: Mir geht es schlecht, Bewegung tut mir gut.

2. A: Mir geht es auch nicht gut, ich schlafe nicht viel, bin schreckhaft. Aber allein darüber sprechen können bewirkt schon, dass es mir besser geht – es ist toll, wenn ich das toll finde.

3. A: Ich lege mich oft ins Bett, peinlicherweise, ohne Schmerzen zu haben, eher als Rückzug. Dann habe ich mit viel Zeit und Mühe für den Wiener Marathon trainiert, und dann hatte ich gleichzeitig meine Mens und dachte: "Scheiße!!" - "Die Schmerzen gehen vielleicht nach 2-3km weg – ich kann doch nicht 43 km laufen!" Aber dann bin ich doch sogar eine gute Zeit gelaufen, habe aber schon Angst gehabt.

4. A: Ich spüre keine Schmerzen, wenn ich Yoga mache.

5. A: Wenn ich viel leisten muss, vergesse ich meine Regel.

 

Die Nächste fragte, welche Erfahrungen andere mit PMS (prämenstruellem Syndrom) hätten, bei ihr wäre das stark ausgeprägt.

1. Antwort: Ich bin viel ärgerliche und viel aggressiver.

2. A: Ich bin auch aggressiver, habe Hunger auf Schokolade, aber während Regel bin ich schon aktiv ohne weitere Probleme.

3. A: PMS gibt es so gar nicht, es ist ein kulturelles Konzept, dass wir verinnerlicht haben, und darum fühlen wir uns dann auch entsprechend.

4. A: Das ist alles Unsinn. Frauen und Männer wollen immer die gleiche Stimmung haben, immer gut aufgelegt, immer gleich leistungsfähig sein, aber es gibt Zyklen. Das wird dann gleich zu einem krankhaften Syndrom.

5. A: Eine Forscherin hat mal in New Yorker Büros einen Fragebogen ausgeteilt, der sonst zur Feststellung von PMS verwendet wird, er enthielt Fragen nach 150 sog. "Befindlichkeitsstörungen". Die Männer haben mehr Beschwerden angekreuzt als die Frauen! (Geo 11/1997, S. 77: "Es stellte sich heraus, dass auch echte Kerle zyklischer Reizbarkeit, Depression und Energieverlust ausgeliefert sind – sie berichteten sogar über mehr Probleme als die Frauen!")

 

Tabubruch und öffentliche Reaktion

Es wurde von einer Lehrerin in Wien berichtet, die wegen ihrem Unterricht über Menstruation und Menarchefeiern bis in die staatliche Schulbehörde angefeindet und gekündigt wurde.

 

Die Veranstaltung schloss mit der Idee, auf dem nächsten Kongress einen Mensraum zu kreieren und die Wirkung auszuprobieren. An der Organisation Interessierte können sich an mich wenden!

 

Alwine Witte, Studentin der Geographie, 4jährige Mitarbeit in der Koryphäenredaktion. Bei der Koryphäe gibt es auch meine 97 erschienen kommentierte Bücherliste zur Menstruation.

mail: [email protected]

 

 

 

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