Der Lebenslauf von Gertrud May, meiner Oma

Die ersten 25. Jahre


Im Rahmen dieses Jubiläums möchte ich der Bruder über einen spannende Lebensgeschichte von Gertrud May geb. Weidner, die vom N/Schlesien bis nach Nord-Hessen reicht berichten.
In Gertrud`s 75 Jahren geht es über viele bedrückende, aber auch über viele beglückende Geschichten zu berichten.
Unsere Hauptperson wurde als 1. Kind in der Familie Weidner hineingeboren. Die Familie war ein altes Bauerngeschlecht, deren Wurzeln bis in das 15. Jahrh. (genau 1488) zurückreichen und gehörte somit dem besser gestellten Bürgertum an.
Die Eltern, die mit auf dem immer größer werdenden Bauernhof sehr beschäftigt waren, überließen was erziehung und Aufbewahrung anbetraf, dies weitesgehend den Großeltern an.
Im Jahre 1929 wird Schwester Hildegard geboren.
Mit Eintritt in die Schule 1934 wurde die Familie mit der Gebrut von Manfred vergrößert und zugleich auch abgeschlossen.
Aus der Schule wußte man nur Gutes zu berichten. Ganz nach dem Rat des Großvaters, bald möglichst die Nr.1 zu werden, ließ nicht lange auf sich warten. Auch nach der Schließung der Louisdorfer Schule und dem Umzug nach Heydau, konnte Gertrud, trotz größerer Konkurenz, ihren 1. Platz behaupten.
In das kleine, etwa 200 Einwohner zählende, , abseits idyllisch, wie in einem Dornröschenschlaf gelegene Louisdorf, kam mit der Wende 1933 uns einem , strammen , braunen Bürgermeister endlich neuer Wind.
Gertrud wurde ,als sie 10 jahre alt war , in die neu gegründete Jung-Mädchen-Gruppe aufgenommen nd stieg alsbald zur Gruppenführerin auf.
Mit 14 Jahren in den Bund-Deutscher-Mädchen (B.D.M.) ;Auch hier waren ihre Führungsqualitäten schnell erkannt und sie war schließlich für alle umliegenden Dörfer , die 100 B.D.M. umfaßten, verantwortlich.
Aber auch ihre berufliche Karriere hatte Gertrud nicht aus den Augen verloren.
Zunächst besuchte sie eine Schule für Haushaltsführung ,welche sie als Prüfungsbeste abschloß. Dann sollte sich eine mehrjährige Ausbildung als Landwirtschaftsführerin anschließen.
Diese mußte abrupt durch den plötzlichen Zusammenbruch der Ostfront abgebrochen werden.
Förmlich im letzten Augenblick erreichte Gertrud gerade noch ihr Heimatdorf, welches bereits auf gepackten Koffern saß. Durch die Nähe der Ostrfront zählte Louisdorf zur Verteidigungslinie.
Nach einem vereinbarten Signal, mit dem Läuten der Glocken, war es nun Wirklichkeit geworden. Bei klirrender Kälte , tief-verschneiten Straßen , versammeten sich Anfang Januar 1945 gegen Mitternacht fast alle Dorfbewohner zum Aufbruch gen Westen.
Zurück bleiben durften nur sehr alte Menschen; So u.a. die lieben Großeltern 85 und 89 Jahre alt.
Unweit des Dorfes auf der Hauptstraße Breslau/Berlin spielten sich nei für möglich gehaltene Dramen ab.
Endlose Trecks gemischt mit Militäkolonnen. Ein Bild des Grauens. - die Straßengräben gefüllt mit liegen gebliebenen Fahrzeugen, toten Tieren, abgelegten alten Menschen und ganz jungen Babys, für die es keine ZEit gab, ein Grab zu schaufeln.
Um diesem Chaos zu entrinnen, gab es nur eins, ausweichen auf eine der Nebenstraßen. Eine dieser Straßen führte in ein tiefverschneites Seitental zu einem kleinen Dorf. Gut untergebracht wollte man erstmal abwarten. Gertrud, gerademal 17 Jahre jung ,ungeduldig , sicherlich auch besorgt um ihre Großeltern und den zurückgelassenen Viehbestand ,machte sich gegen den Willen der Eltern auf ,zurück nach Louisdorf.
Mit dem Parteiabzeichen fest aufs Revers ,bemerkte Gertrud nicht die große Gefahr dervielen feindlichen Blicke der zurückgeblieben Fremdarbeiter ,die ihr entgegenschlugen ; Denn schließlich war sie als einzige junge Nationalsozialisten verblieben.
Auch als der Geschützdonner immer heftiger wurde, harte GErtrud weiter aus. Erst als immer mehr Soldaten die Ortschaft durchzogen ,waren es drei von denen ,die Gertrud unmißverständlich aufforderten ,ihre letze Chance wahrzunhemen und mit ihnen zu gehen ,denn in wenigen Stunden könnten die Russen einziehen.
Um VErgewaltigung ,Verstopfung oder Tod zu entgehen ,folgte Gertrud diesen drei Soldaten. An Hand eines Kompass wurde Naumburg am Bober ausgepeilt.
So ging es über tiefverschneite Wälder und Felder. Eine der kurzen SChlafpausen wurde ihnen bald zum VErhängnis. Durch den Lärm rusischer Panzer aus dem SChlaf gerissen , konnten sie soeben noch aus dem rückwertigen Fenster entkommen.
Trotz aller Widrigkeiten wurde Naumburg erreicht. Dass sie ihre Eltern unter den abertausenden von Flüchtlingen treffen könnte, erfühlte sich leider nicht.
Gertrud hatte nur vage Vorstellungen über ihr Ziel Gebersdorf.
Viele Nachfragen muß es gegeben haben, um den kleinen Ort Gebersdorf ausfindig zu machen.
Es war noch eine lange Wegstrecke von Naumburg. Viele Tage zu Fuß ,aber stückweise mit der Bahn. Ständig bedroht von den Tieffliegern und dem plagenden Hunger.
Es war zu mitternächtlicher Stunde ,als der Zug auf dem Frielendorfer Bahnhof ankam. Gertrud muß sich sehr verlassen vorgekommen sein. Die wenigen Menschen waren schnell in der Dunkelheit verscwunden. Aber als der Mond einen Augenblick die Wolkendekce durchbrach ,konnte Gertrud ein unmittelbar vor ihr gehendes Ehepaar ausmachen.
Sie war erst vorsichtig noch etwas abstand haltend , dann mutig des Weges fragend: "Ja ,sie solle sich nur anschließen". Entgegnete ihr der seriöse Herr. Wieder etwas später; neugierig geworden, "wehn sie wohl aufsuchen wolle?" Gertrud:" Die Familie Dilcher." und spontane Antwort:" Ja ,Kind das sind wir doch."
Gertrud wurde freundlich wie ein Familien mitglied aufgenommen. Hier erlebte sie auch den Einmarsch der Amerikaner. Die Sorge alsbald ein Lebenszeichen von ihren Familienangehörigen zu bekommen, sollte sichn leider erst nach 2 Jahre später erfüllen.
Um unabhänig zu sein , verdingte sich Gertrud auf einem Bauernhofin Hebel. (Familie Weissing, Fr. Weissing war wiederum eine Schwester des K. Dilcher).
Es muß Feb.`47 gewesen sein ,als Gertrud unverhoft ein Lebenszeichen durch einen eingeschmuggelten Breif von ihrer Mutter erhielt. Sofort machte sie sich ohne das derzeitige Risiko zu scheuen, auf ,jum inndie von Russen besetzte Zone nach Cottbus zu gelangen. Ihre Mutter und die zwei Geschwister wollte sie da besuchen.
Der Vater galt zu diesem Zeitpunkt noch als verschollen. Die Großeltern waren inzwischen verstorben.
Wieder zurück gekehrt , leitete sie alle notwendigen Formalitäten ein ,um schnellstmöglichst ihre Angehörigen nochzuholen. Dank der liebvollen Aufnahme durch die Verwandten Dilcher ,war die Integration schnell geschaft.
Zwischenzeitlich hatte Gertrud auch Glück, ihren Vater über das Rote Kreuz ausfindig zu machen.
Sie war noch nicht einmal 19 Jahre ,als sie von einer langanhaltenden ,schmerzhaften Krankheit heimgesucht wurde.
Wieder genesen. bekam sie ein Stellte bei der Familie Haas (schwalmstädter Brauerrei). Hier genoss sie eine Ausbildung ,was Haushaltsführung betraf ,aller erster Güte. Noch heute sind dessen Spuren spürbar.
Der bis dahin gelebte Lebensabschnitt von 25 Jahren ,hatte esin sich.
Der Verlust der Heimat schmerzt immer noch.
Die GEschichte der WEidners ,die nachweislich vor über 500 Jahren in N/Schlesien bgeann ,wurde durch politische Fehleinschätzungen in wenigen Jahren beendet.
Die Folge: 6 Millionen Schlesier wurden aus ihrer Heimat vertrieben.
Das Wahrzeichen ,der Louisdorfer Glockenturm ,steht nicht mehr. Trotz allem ist der Klang der den Umzug einläutete ,nicht verklungen. Erwird wohl bis ans Lebensende in Erinnerung bleiben.

Dieser Teil wurde von ihrem Bruder Manfred Weidner verfast und vorgetragen

Die letzten 50 Jahre

Dieses ist die Fortsetzung der Geschichte.
Nicht viel Zeit verging und eine sehr weitreichende Begebenheit trug sich zu. Die Gertrud lernte den Herbert May kennen. Er war ein gut aussehender junger Bursche, der bei den jungen Damen viele Chancen hatte, doch seine Wahl fiel auf Gertrud.Die beiden verliebten sich ineinander und im Dezember 1954 wurde geheiratet. Die Hochzeit wurde in sehr bescheidenem Rahmen gefierert, denn das Geld war knapp. Als Postbeamter hatte der Herbert zwar eine gesicherte Einnahmequelle, doch konnte seine Mutter uns eine bescheidene Rente zum täglichen Auskommen beisteurn. Und so zog die Gertrud in das kleine Fachwrkhaus in der Hundsgasse, in dem Herbert und seine Mutter wohnten, mit ein.
Jeder weiß ,jung und alt zusammen unter einem Dach ,und das bei sehr beengten und ungewohnten Verhältnissen, daß bringt so manche Schwierigkeiten mit sich. Für die Gertrud war das Zusammenleben nicht leicht ,denn sie war es gewöhnt unabhänig und selbstständig zu sein und mußte sich nun den Anordnungen der Schwiegermutter fügen, doch mit etwas gutem Willen von allen Sieten klappte das Miteinander dann ganz gut.
Im Juli 1955 wurde ich schließlich geboren, wie damals üblich zu Hause, denn ein Krankenhaus mit Entbindungsstation ,gab es auch nicht. Heutzutage sind wir bequem und an viele Annehmlichkeiten gewöhnt. Damals gab es nur kaltes Wasser aus einer Leitung, die im Winter zufror ,ein Badezimmer war nicht vorhanden , und die Toilette befand sich außerhalb des Hauses im sChuppen. Als dann 1,1/2 Jahre nach mir meine kleine schwester Christine das Licht der WElt erblickte ,wurde das Häuschen in der Hundsgasse endgültig zu eng und die junge Familie war froh in der Stettinerstr. , in einem Wohnblock ein neues zu Hause gefunden zu haben. Die Wohnung war zwar auch sehr klein ,ohne Kinderzimmer. Ich schlief bei meinen Eltern im Schlafzimmer ,meine SChwester im Wohnzimmer ,denn dieses wurde nur zu Geburstagen benutzt. Einmal in der Woche wurde im Bad der Badeofen angeheizt ,an den anderen Tagen wurden wir in einem kleinen Wännchen in der Küche abgeschrubt.
Wir Kinder haben etwaigen Luxus nicht vermißt. Zum spielen gingen wir auf die Wiese hinter dem Haus und unsere Mutter machte oft Kreisspiele mit uns und sämtliche Nachbarskinder machten auch mit. Im Winter ,wenn es früh dunkel wurde ,saßen wir in der gemütlichen Küche vor dem Kohleofen und hielten die kalten Füße vors Feuer. Wir lauchsten den Geschi9chten ,die unsere Mutter uns oft vorlas ,denn die Bücherei in Treyser hatte nämlich einen schier unerschöpflichen Fundus. War unsere Mutter nicht da ,hielten wir mit unserem Vater Dämmerstündchen und bauten aus Tüchern unter dem Küchentisch eine Wohnung. Unsere Mutter war schon damals eine sehr vielseitige und vielbeschäftigte Frau. Da das Gehalt unseres Vaters für eine 4 köpfige Familie ,nicht gerade übermäßig war ,trug unsere Mutter auch zum Lebensunterhalt bei. Dadurch wurde uns Kindern so manches ermöglicht , was nicht selbstverständlich war. So gingen wir zum Balettunterricht. In der dunklen Jahreszeit nahmen wir Lampingions mit ,die uns den Nachhauseweg beleuchteten und wir sangen Laternenlieder. Auch unsere Freundinnenfanden das toll , weil sie so etwas von zu Hause nicht kannten.
Als wir etwas älter waren und schon in die sChule gingen ,erhilten wir über viele Jahre Flöten und Klavieruntericht. Acuh mit kulturellen Ereignissen wurden wur vertraut gemacht. Wir besuchten Konzerte und zur Karnevallszeit nähte unsere Mutter due tollsten Kostüme ,damit wir unsere Freude hatte.
Besonders schön fanden wir es immer ,wenn usere Oma aus der Hundsgasse zu Besuch kam. Das war der Fall ,wenn alle 6 Wochen große Wäsche angesagt war. Dazu wurde innder Waschküche der große Kessel angeheizt und die beidenm Frauen hatten ihre LAst diese Schwerarbeit zu erledigen. Oma blieb dann übr Nacht bei uns und ich durfte mit ihr in einem Bett schlafen, was ich sehr genoß.
Oma war auch sonst immer da ,wenn man sie brauchte. Unsere Mutter konnte ganz beruhigt ihrer Arbeit nachgehen ,denn sei wuste uns bei der Oma immer gut aufgehoben ,wenn wir nach der sChule dort hin gingen , um nicht vor verschlossener Tür warten zu müssen. Unsere Eltern hatten mitlerweile große Pläne ,die viel Geld kosten würden. Sie wollten ein neues Haus bauen. Somit nutzte unsere Mutter jede Gelegenheit ,das Familienbugjé aufzubessern. Doch die sehr sparsame Haushaltsführung , allerdings ohne Verzicht auf wirklich wichtige Dinge ,hatten unsere Eltern mit der Zeit so viel Geld gespart ,daß man Pläne entwerfen konnte ,wie das neue Haus nun werden sollte.
Auch unsere Oma sollte mit einziehen. Ihr Haus in der Hundsgasse wurde verkauft und trug zur Baufinanzierung bei.
Schließlich rückte der Bagger an und bald konnten wir einziehen. Rund ums Haus gab es noch viel zu tun. Gertrud bewies viel Elan und unerschöpflicher Energie verwandelte sie den ehemaligen Acker in einen gepflegten Park , der von vielen immer wieder bewundert wird. Unser Vater half nach Kräften mit ,aber er ist nicht so ein Gartenfan gewesen. er kümmerte sich mehr um die Bürokratischen Dinge. So vergingen die Jahre. Meine Schwester und ich gründeten eigene Familien und Enkel sorgten für Trubel. Das große haus und der weitläufige Garten eigenten sich besonders fürs Spielen und Toben ,vorzugweise mit Oma.
Mit ihr die abenteuerlichen Spiele zu veranstalten und alle möglichen Streiche aus zu hecken ,war für die Enkel das allergrößte Vergügen. Auch nahm sie sich immer Zeit unsere Kinder auf jede erdenkliche Weise zu verwöhnen und ihre Sorgen an zu hören. Nun sind die Enkel heran gewachsen. Spielen wollen sie nicht mehr, aber sie besuchen die Oma oft um zB. über Politik zu diskutieren. Die Freude über die Enkel wurde leider durch die Krankheit unserers Vaters getrübt. Es war eine schwere Zeit und Gertrud fuhr täglich nach Marbrug bzw. später Bad Wildungen ,um unseren Vater zu besuchen. Auch als er nach Hause kam ,war sie aufopfernd immer für ihn da ,um ihm die verbleibende Zeit zu erleichtern. Wir waren froh ,daß wir ihn nach siener schweren Herzoperation noch etwas haben durften. und er hinterließ eine große Lücke , als er ging. Es wäre schön gewesen ,hätte er noch ein paar Jahre leben können ,aber wir können nicht alles bestimmen ,das Leben geht weiter. Gertrud hat sich nicht unterkriegen lassen. Bleiben in Jungen Jahren die eigenen Interessen zu Gunsten der Familie und später auf Grund der Fürsorge für unseren Vater auf der Strecke ,so holt Gertrud jetzt vieles nach. So ist sie im Geschichtsverein tätig und bei den Wanderen aktiv ,geht zur Volkstanzgruppe und besucht alle möglichen Vorträge. Das Leben bietet eine Fülle von Möglichkeioten und Gertrud versucht stets ,aus allem das Beste zu machen.
Im Leben gibt es beides: Trauriges und Fröhliches, Schlechtes und Gutes. Es kommt darauf an ,beides an zu nehmen ,aber dem Positiven mehr Gewicht zu geben. Wir wünschen Dir , liebe Mutter , daß Dein weiteres Leben zu deiner Zufriedenheit verläuft und sich viele deiner Wünsche erfüllen und die glücklichen Momente überwiegen.

Dieser Teil wurde von Susanne Hagenauer verfast und vorgetragen.

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