Als das Chamäleon Zillich sich halbherzig outete ....
Oder: Das Bekenntis des Heinrich Zillich zum Nationalsozialismus

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FRITZ KLEIN, der rumänienedeutsche Ausschwitz-Arzt, zusammen mit den Haupttätern des Vernichtungslagers aufgelistet

Originalseite: AUSCHWITZ PERPETRATORS - Auschwitztäter

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         Das hier vorgestellte Dokument legt in doppelter Weise davon Zeugnis ab, wie zählebig die Gewissenlosigkeit auch 36 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sein konnte. Heinrich Zillich (1898-1988), der langjährige Politik- und Kulturpapst der bundesrepublikanischen Siebenbürger Sachsen, veröffentlichte in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern 1981, S.46f., deren Schriftleiter er 1959-1980 war, unter dem Titel Ein Siebenbürger Opfer der Siegerjustiz. Dr. med. Fritz Klein (1)  den Abschiedsbrief dieses Ende 1945 hingerichteten Auschwitz-Arztes. Der Zeitpunkt der Drucklegung ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Er erfolgte just in der Folge der „Vierteljahresblätter“, in der Zillich sich als Schriftleiter verabschiedet.

         Wie begründet Zillich seinen Publikationsentschluss? Dr. Hans Kaufmes (2),  der damals in Nordamerika wohnende zweite Schwiegervater des Volksgruppenführers Andreas Schmidt, ein Verwandter Kleins und Freund Zillichs, soll ihm kurz vor seinem Tod den Wortlaut dieses Abschiedsbriefes geschickt haben, damit „Kleins letzte Worte zu geeigneter Stunde“ veröffentlicht werden (3) . Dass Zillich dieses ausgerechnet anlässlich seines Ausscheidens aus der Schriftleitung tat, sollte die Gewichtung des Kleinschen Textes unterstreichen und dessen Wirkung auf die Leserschaft verschärfen. Da das nicht irgendein Abschiedsbrief ist, sondern der eines vorgeblichen Märtyrers, der ein Opfer der "Siegerjustiz" geworden war, wollte und sollte auch Zillichs Person und langjährige Tätigkeit bei den „Vierteljahresblättern“ zumindest den Hauch der märtyrerhaften Aura von Fritz Klein abbekommen. Zillich beabsichtigte also, seinem redaktionellen Abgang einen pathetischen Anstrich zu geben, der in einem inszenierten, forciert-falschen Pathos ausartete: der Leitgedanke ist der, dass er wie der zum Symbol hochstilisierte Fritz Klein immer und ausschließlich im „Dienste seines heißgeliebten deutschen Volkes“ (4) gestanden hat und das auch weiter tun werde. Es leuchtet also ein, dass Zillich Kleins Brief zum Anlass nahm, auch ein eigenes Bekenntnis abzulegen.

         Es ist ein indirektes Bekenntnis zum Nationalsozialismus und zur SS, die bekanntlich die Verwaltung und den Betrieb der KZ besorgte und der auch Fritz Klein angehörte. Zillich treibt kein Distanzierungs-, sondern der heißeste Identifizierungswunsch. Ganz anders der im Monat September 1998 verstorbene Hans Wolfram Hockl, der 1980 in Offene Karten. Dokumente zur Geschichte der Deutschen in Rumänien. 1930-1980 seine nationalsozialistische Vergangenheit mit deren Fehlern offen zugab (5). Zillich bekennt sich durch die Veröffentlichung des Klein-Briefes nicht nur zur nationalsozialistischen Ideologie, sondern auch zu dem von ihm bis zum Lebensende rührig betriebenen Revisionismus. Ein Armutszeugnis, aber auch unverblümte Uneinsichtigkeit und Gewissenlosigkeit!



1  Über ihn Stefan Mazgareanu, In nationalsozialistische Verbrechen verstrickt. Anmerkungen zu einer Forschungslücke, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, Jg. 18. (89.), Heft 2/1995, S.189f., mit der Belegung der zwischen Zillich und Andreas Möckel entstandenen Kontroverse über die Richtigkeit der Angaben Zillichs.
2  Der "Bauernführer" in der NS-Volksgruppenzeit (1941-1944).
3  Südostdeutsche Vierteljahresblätter 1981, S.47.
4  Eine Paraphrasierung von Floskeln, die im Brieftext von Klein vorliegen.
5  Zillich selbst war es, der auf das Buch in der 4. Folge 1980, S.319-322 der „Vierteljahresblätter“ in einem als Rezension getarnten Text ausschließlich auf die Punkte eingeht, in denen er vermeinte, von Hockl persönlich angegriffen worden zu sein. Dass Zillich die Konfrontation mit der Wahrheit nicht verkraften konnte, belegen Formulierungen wie „Moraltante“, „Jaucheguß des Übelwollens“, „Tugendbold“, „Spion“, „geistig Kranke“ usw. Die Enthüllungen Hockls scheinen mit dazu beigetragen zu haben, dass Zillich sich entschloss, die Schriftleitung der „Vierteljahresblätter“ aus der Hand zu geben.

         Zillichs und Kleins Bekenntnis zum Nationalsozialismus bedeutet die Ignorierung der christlichen Botschaft, der Nächstenliebe, des christlichen Menschlichkeitsverständnisses, also des mit Schuld, Sühne und Erlösung eng verbundenen Gewissens. Der Nationalsozialismus substituiert dem christlichen Schuldbewusstsein (6) ein aufs deutsche Volk fixiertes Menschenverständnis, in das nur der "Volksgenosse" und die "Volksgemeinschaft" eingeschlossen waren.  Die furchtbarste Folge nationalsozialistischer Trennungsmanie war die Einengung des Gewissens bis hin zur Abtötung. Die nationalsozialistische Weltanschauung und Mentalität lässt ein auf allgemeine Menschlichkeit zugeschnittenes Gewissen nicht zu, weil sämtliche Handlungen und Unternehmungen weder der abstrakten Kategorie Mensch, noch dem Menschen in seiner individuellen Vielfalt, nur dem Menschen als "Volksgenosse" und der Menschengemeinschaft als Volksgemeinschaft vorbehalten sind.

             In der militanten nationalsozialistischen Phase wurde der Schwerpunkt von der Gewissensebene in die Gesinnungs- bzw. Bewusstseinsebene verlagert. Nicht Verinnerlichung, Reflexion, christliche Nächstenliebe, sondern Handeln und bis zum Paroxysmus getriebener Aktionismus waren an der Tagesordnung. Die Tagespolitik des NS-Staates forderte zum völkisch-bewussten Einsatz von "Treue", "Pflicht", "Gehorsam", "Dienst" und (Unter)"Ordnungssinn". Für die in Deutschland geschulten, aber auch für die in Siebenbürgen lebenden, vornehmlich jungen und im mittleren Alter stehenden Siebenbürger Sachsen, war diese auf der einfachen Maxime „Wer nicht für das deutsche Volkstum ist, ist gegen uns“ aufgebaute Ideologie ebenso leicht zugänglich wie für ihre binnendeutschen Zeitgenossen. So nimmt es kein Wunder, dass Fritz Kleins Abschiedsbrief vollgespickt ist mit nazistischen Gemeinplätzen, die um die Begriffe „Volk“, „Deutschtum“, „Arbeit“, „Dienen“, „Pflicht“, „Kämpfen“, „Glauben“, „Verantwortung“, „Opfer“ kreisen. Auch die Wahrheit, die Freiheit und die Zukunft kommen nicht zu kurz.

So schreibt Klein über seine Tätigkeit:

„Und die schönen Stunden der Arbeit, des Dienens und Helfens im Berufe, des Kämpfens und Wirkens im Dienste meines Volkes zähle ich zu den höchsten, heiligen meines Lebens.“ Ferner:
„[..] ich fühle mich schuldlos, habe immer und in allem nur meine Pflicht (7) getan, erhaltene Befehle durchgeführt und fürchte darum den Tod nicht, [...].“
 Kämpferisch äußert sich Klein auch über seinen Tod, den er in Ehrenhaftigkeit verklärt:
„Ich halte meinen Tod für ebenso ehrenvoll, als wenn ich an der Front, vor dem Feinde in der ersten Linie gefallen wäre“.
Dem Volks- und Deutschtumsgedanken gelten folgende Abschnitte:
„So bin ich denn froh und stolz, daß ein scheinbar grausames Schicksal mich auserwählt hat, als Opfer für mein heißgeliebtes Volk, für mein aufrechtes Deutschtum zu sterben:“ Oder:
„[...] bin aber ebenso gern bereit, für mein deutsches Volk zu sterben, wenn es sein soll.-“
Über seinen vorgeblichen Opfertod schreibt er auch:
„Millionen Opfer hat der Krieg verlangt. Warum soll nicht auch eins aus unserer engsten Familie darunter sein?“


6  Über Schuld, Schuldbewusstsein und Gewissen vgl. Bischof Viktor Glondys, Offenbarung und Weltanschauung (Sonderabdruck aus dem Sammelband Protestantismus. Zeugnisse der Gegenwart, hg. von Dr. Gerhard Ohlemüller), Berlin 1939, S.7f.
7 Viktor Glondys schreibt in Bemerkungen zu E. Sprangers „Weltfrömmigkeit“, in: Luthertum Juli/August 1942, Leipzig, S. 101 über die heroische Haltung des diesseitsfrommen Menschen, der „sich’s an der Pflichterfüllung genügen läßt“, womit die Nazis gemeint sind.


        Zur Überhöhung des falschen Pathos sind hehre Sprüche über Wahrheit, Freiheit und Zukunft in den Text eingeflochten:
„»Lieber mit der Wahrheit fallen, denn mit der Lüge siegen. Wer mit der Wahrheit fällt, fällt in Gottes Arme«„ , und:
„Die Not muß ganz, ganz groß sein, die unser »stirb oder werde!« bewirkt, eine große heilige Not, aus der die neue deutsche Zukunft geboren wird. Die Freiheit fällt nicht vom Himmel, sie will verdient, hart und zäh erkämpft werden.“
         Aus dem Bekenntnis eines so überzeugten Nationalsozialisten darf Fichte, ein Wegbereiter des deutschen Nationalismus, nicht fehlen. Den Brief beschließt ein achtzeiliger Ausspruch Fichtes, wo man ermahnt wird, an Deutschlands Zukunft und „An deines Volkes Auferstehen“ zu glauben und unter keinen Umständen diesen Glauben aufzugeben. Fichte ermahnt auch zu einem übersteigerten Verantwortungsgefühl:
„Und handeln sollst du so, als hinge
Von dir und deinem Tun allein
Das Schicksal ab der höchsten Dinge
Und die Verantwortung wäre dein ... .“
         Die bisher zitierten Stellen verdeutlichen, wie zerstörerisch sich der NS-Volkstumsdogmatismus aufs Einzelbewusstsein ausgewirkt hat: die Gehirnwäsche, gefolgt von NS-Indoktrination pervertierte Menschen, leider auch Siebenbürger Sachsen, zu faselnden Phantasten, die vermeinten, mit ihrem krankhaft-obsessiven Deutschtumsglauben der Wahrheit, Freiheit und Zukunft zu dienen. Die Nationalsozialisten glaubten, die Maxime Fichtes sei eine Vorgabe und Aufforderung zu dem ihnen eigenen blinden Aktionismus, sie fordere die absolute Tat, die eigentlich jenseits jeder Gewissenszensur, jenseits jeder Verantwortung, außer der für ein mythisiertes "deutsches Volk",  angesiedelt ist. Dieser Tat-Fetischismus bedurfte in nationalsozialistischer Sicht keiner besonderen Berechtigungsprüfung. Doch Fichte hatte eigentlich das auf sich gestellte, zu eigenen Entscheidungen und Eigenverantwortung fähige Individuum vor Augen, keinesfalls den abgerichteten Executanten wie ein Klein, ein Zillich oder Gesinnungsgenossen, die nur ihre „Pflicht“ zu tun vermeinen und nur erhaltene Befehle ausführen. Von richtigen Nationalsozialisten wurde nur blinder Aktionismus erwartet, der unter dem Zeichen des „als ob“ von Fichte stand (8). Also eine entschieden un- und antichristliche Option. (9)

         Der Mensch Klein geht in diesem „Brief“ ganz unter im unverbesserlichen Fanatismus eines „Frontsoldaten“, der im „Dienste“ seines Volkes kämpft und wirkt, der „tapfer“ und „treu“ bis zum letzten Atemzug ist; der immer und in allem nur seine „Pflicht“ getan, erhaltene Befehle durchgeführt hat; der lieber mit der „Wahrheit“ fallen will. Der KZ-Arzt Klein ist ein zum Instrument degradierter, monströser Todesengel. Gott, der Christenglaube, sind bei solch einem Retortengeschöpf nur Sprechblasen: der Verbrecher Klein wähnt, in Gottes Arme zu fallen, weil er für die „Wahrheit“ fällt. Ein weder göttliches, noch christliches, sondern zynisches Wahrheits- und Freiheitsverständnis spricht aus seinen Aussagen, der Mensch halte unglaublich viel aus, "wenn er nur richtig will" (10), ferner dass die Freiheit "verdient, hart und zäh erkämpft werden" will.

         Dieses Gefasel um Durchhaltevermögen und Freiheit, die angeblich von der Präsenz des „Willens“ abhängen, ist ein Hohn auf alle NS-Opfer. Der KZ-Aufenthalt wird ganz in SS-Manier zum Bewährungsfeld deklariert, wo nur die „Willensstarken“ eine Chance hätten.



8  Die „Als-ob“-Option erkannte der Erziehungswissenschaftler Eduard Spranger (1882-1963) als Wesenszug der „Weltfrömmigkeit“ und der „Diesseitsfrömmigkeit“, die nicht nur die Deutschen Christen, sondern auch den Nationalsozialismus kennzeichnet.
9  Man vergleiche Viktor Glondys, der in seinem Aufsatz Bemerkungen zu E. Sprangers „Weltfrömmigkeit“ (wie Anm.7, S.103) den Standpunkt Sprangers vertritt, dass die Weltfrömmigkeit als Diesseitsfrömmigkeit es nur bis zu einem „Als-ob“ bringen kann, während das christliche „Glaubens-daß“ jenseits ihres Bereiches liegt.
10  Unsere Hervorhebung.

         Es sei abschließend noch der Verdacht ausgesprochen, dass Kleins Brief apokryph ist, d.h. nachträglich verschönt und ergänzt wurde. Verdächtig sind gerade die ideologisch überfrachteten Passagen. Dafür spricht Zillichs Angabe, er habe „den Wortlaut“ des Abschiedsbriefes, also nicht die Originalunterlage, von Kaufmes  erhalten. Auch die von Zillich erwiesenermaßen willkürlich konstruierte Beziehung des ehemaligen Diplomaten Werner Otto von Hentig zu Fritz Klein (11) erhärtet die Hypothese, dass der Klein-Brief ein Machwerk ist. (12)


11  Wie Anm.4, S.46.
12   Einzelheiten bei Magareanu (wie Anm.1). S.190.

Heinrich Zillich als Konjunkturritter
Vom volksdeutschen Propagandisten zum ideologischen Exponenten des Hitlerreichs

Heinrich Zillichs Gedankenwelt anhand von Texten. Ausgewählt und kommentiert von Klaus Popa

Kritische Blätter zur geschichtsforschung und Ideologie


Datei: Zillich2.html                Erstellt: 28.07.2006                Geändert: 23.11.2006                          Autor und © Klaus Popa


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