Heinrich Zillich als Konjunkturritter

Vom volksdeutschen Propagandisten zum ideologischen Exponenten des Hitlerreichs


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            Der „Zeitgeist“ der schwierigen 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts beruhte für einen „anständigen Deutschen“ auf bis aufs Äußerste überspannten Nationalfanatismus. Diese Befindlichkeit wurde mit dem Antritt der Nationalsozialisten unter Hitler zur existentiellen Konstante und zum Brennpunkt der deutschen Gesellschaft. Die deutschnationale Hysterie machte vor den mehrere Millionen zählenden „Volksdeutschen“ keinen Halt, im Einklang zu der nun zur Staatsraison erhobenen Doktrin des einen und unteilbaren „deutschen Volkskörpers“, die vor bestehenden Staatsgrenzen nicht zurückschreckte, sondern das Ziel verfolgte, die vom „Schanddiktat“ von Versailles ins Leben gerufene europäische Staatenordnung zu Gunsten eines Europa umspannenden „großgermanischen Reiches“ zu beseitigen. Der vom „Deutschen Reich“ entfesselte und bis zur Selbstzerstörung geführte Zweite Weltkrieg stellt den tristen Höhepunkt dieses nationalfaschistischen Projekts dar. Dieser Entwicklung verdankt auch Heinrich Zillich (1898-1988) seinen wohl größten Karrieresprung. Er zählt nämlich eindeutig zu den zahllosen Nutznießern des militärischen und ideologisch-propagandistischen NS-Expansionismus.

            Zillich verdankte in der Hauptsache zwei Stellen im kriegführenden Deutschland seinen Karriereknick; dem „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ des Dr. Goebbels und Richard Csaki, Leiter des „Deutschen Auslandinstituts“ (DAI) in Stuttgart. Der im Bundesarchiv Koblenz aufbewahrte Briefwechsel zwischen Zillich und Csaki gibt Aufschluss über Zillichs Karrieredenken. Seine bisherige Erfolgsstory als Schriftsteller in völkisch-volksdeutschen Belangen hatte Zillich gelehrt, dass der vom Reich Hitlers geführte Krieg ihm ungeahnte Möglichkeiten im Bereich der offiziellen Propaganda bot. Dass Zillich diese Chance frühzeitig erkannte, belegt das erste Schriftstück im Briefwechsel mit Richard Csaki, eine auf den 11. Dezember 1938 datierte Postkarte, die die „üblichen“ Neujahrswünsche von Haus zu Haus übermittelt.1

            Csakis Antwortschreiben vom 3. Januar 1939 belegt, dass er Zillichs Stoßrichtung erkannt hatte: „Der Aufstieg, den Sie genommen haben, ist ja auch für unser Volk von grosser Bedeutung“. Zillich antwortet am 18. Februar 1939: „[...] ich danke Ihnen herzlich für Ihren freundlichen Brief und Ihr Entgegenkommen“. Anlässlich des Deutschlandbesuchs seiner achtzigjährigen Eltern wendet sich Zillich am 4. August 1939 an Csaki mit der Bitte, es seinen Eltern durch Inanspruchnahme einer „Vergünstigung“ für Auslanddeutsche zu ermöglichen, den Nürnberger „Parteitag“ besuchen zu können.

            Zillichs ungestümer Drang, „bei den grossen Ereignissen, vor denen wir stehen, vielleicht genau so wie vor einigen Monaten und einem Jahr“ dabei zu sein, spricht aus dem Bedauern, das er Csaki gegenüber am 27. August 1939 ausspricht, „bloss als Zuschauer beteiligt“ sein zu müssen. Zillich möchte am liebsten bei der deutschen Armee sein, doch seine rumänische Staatsbürgerschaft verhindere ihn daran. Er wäre gern bereit, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Zillich bietet seine Dienste dem DAI an. Auch äußert er die Bitte um Ausstellung einer Bescheinigung des DAI, die es ihm ermöglichen soll, sich Ämtern gegenüber, die ihn nicht kennen, ausweisen zu können. Im Antwortschreiben des DAI vom 29. August 1939 betont Dr. Rüdiger, dass das Institut „eine militärische Stelle“ von Zillichs Dienstbereitschaft in Kenntnis gesetzt habe.

            Die am 29. August 1939 von Dr. Rüdiger in Vertretung von Dr. Csaki ausgestellte Bescheinigung betont, dass Zillich „durch seine Werke einer der hervorragendsten Künder des aussendeutschen Volkstums geworden“ sei, weil: „Seine Romane zählen zum meistgelesenen völkischen Schrifttum des großdeutschen Reiches.“ Zillich wurde auch mit dem Literaturpreis der „Reichshauptstadt“, mit dem „Volksdeutschen Schrifttumspreis der Stadt der Auslanddeutschen Stuttgart“ ausgezeichnet und habe den Doktortitel von der Universität Göttingen ehrenhalber bekommen.

            Am 14. September 1939 stellt Csaki fest, „wir alle, ob jünger oder älter, wollten am liebsten unmittelbar auf dem Kriegsschauplatz mittun dürfen. Für Sie als Dichter und Schriftsteller ist, auch auf weitere Sicht gesehen, das Erlebnismässige 2   die Hauptsache.“ Csaki glaubt, der angemessenste Ort für Zillich sei eine „Propagandastelle auf dem Kriegsschauplatz“.

            Angesichts der Möglichkeit, von der rumänischen Armee mobilisiert zu werden, betont Zillich am 15. September 1939 die Notwendigkeit, dass Csaki und auch er die Reichsbürgerschaft so rasch wie möglich bekommen. Dadurch würde gewährleistet, dass „man hier doch immerhin etwas für die Dinge schaffen könnte, die einem am Herzen liegen.“
In seinem zweiten Brief vom 15. September 1939 unterstreicht Zillich,
„dass es propagandistisch von grosser Bedeutung wäre, wenn Deutschland die sogenannten politischen Dichter über die es zum erstenmal verfügt, Leute, die wesentlichste Volksfragen in gültiger Form schon bisher behandelt und dadurch dem Volk bewusst gemacht haben, zum Einsatz brächte. Ich denke an Brehm, Hohlbaum, Pleyer, und als einzigen noch Volksdeutschen auch natürlich an mich“.

Zillich schließt:

„Ich bin der einzige unter den in Betracht kommenden, der noch Volksdeutscher ist und aus dem weiteren Osten stammt, und gerade deshalb glaube ich eine gewisse Sonderaufgabe erfüllen zu können, weil ich ja gesamtdeutscher sehe als manche andere und auch die Völker des Ostens mehr begreife.“
Csaki informiert Zillich am 18. September 1939, „mit militärischen Stellen“ über die Einsatzmöglichkeiten von Zillich gesprochen und gebeten zu haben, „eine Möglichkeit zu suchen“.

Von besonderer Tragweite darf Zillichs Brief vom 8. Oktober 1939 gelten. Er setzt ein:

„in der letzten Rede des Führers hat wohl auch Sie der Plan zur Umsiedlung der deutschen Volksgruppen im Osten und Südosten am meisten interessiert.“
Zillich meint, dass im Gegensatz zu den jüngeren Siedlungen wie die galizischen und wolhynischen, die Siedlungsgebiete,
 
„die nicht bloss aus ärmlichen Dorfanlagen bestehen, sondern Städte umfassen, mächtige Gemeinden und überdies seit sehr langer Zeit eine bis heute gültige Kulturaufgabe grössten Stils erfüllen“,
also die Siebenbürger Sachseen und Banater Schwaben nicht einfach zurückgezogen werden können, weil das
„den deutschen Einfluss auf den ganzen Südosten ungeheuer schwächen
würde. Es liege im deutschen Interesse,
„durch eine starke deutsche Volksgruppe den geographisch dazu am besten geeigneten Raum, eben den siebenbürgisch-banater Raum, unmittelbar in die Wagschale zu werfen und ihn selbst zu bestimmen.“
Im Südosten
„liegt in der Zukunft mehr als im Nordosten, wenn dort die jetzige Grenzlandsiedlung durchgeführt würde, deutsches Siedlungsland Siebenbürgen und Banat sind hierfür, wenn man sie ihrer Deutschen nicht entblösst, sondern möglichst viel Deutsche noch hineinsammelt, jetzt schon ein Vorwerk, das heute vom Reich machtpolitisch in dieser oder jener Form bereits besetzt werden kann.“
In Siebenbürgen und im Banat liege
„die deutsche Aufgabe weniger in der Zahl geschlossener deutscher Siedlungen, sondern in ihrem politischen und kulturellen Wert, sowohl zu Gunsten der gesamtdeutschen Bedeutung im Südosten wie in der friedlichen Zusammenarbeit der übrigen südöstlichen Völker“.
Dieser Sicht der „südöstlichen Frage“ stimmt Csaki am 13. Oktober 1939 voll zu. Er erwähnt, sich „vor einigen Tagen unter dem unmittelbaren Eindruck der Rede3   mit Hans Otto Roth in Pest“ ausgesprochen zu haben.4
„Wir sind zu den von Ihnen ausgeführten Schlüssen gekommen. Roth denkt an eine zukünftige Autonomie Siebenbürgens (in welchem Raum: Reich? Ungarn? Rumänien? ist natürlich unbestimmt), innerhalb deren eine gestärktes Deutschtum (Umsiedlung der Bessarabier und Buchenländer) unter dem Schutz des Reiches eine massgebende Rolle hätte.“
Ganz im Sinne seiner Überzeugung, als völkischer Propagandist dem „großdeutschen Reich“ Propagandadienste erweisen zu müssen, liest sich Zillichs Absicht, ein „volksdeutsches Anekdotenbuch“ zu realisieren, dessen Durchführung er „eine nicht geringe volkspolitische Bedeutung“ beimisst. Zillich führt aus:
„Wer selbst im Volkstumskampf steht oder stand, weiß im allgemeinen, ohne viel nachzusinnen, die Ereignisse zu nennen, in denen sich Deutsche in besonders rühmlicher Weise innerhalb des heimatlichen Umkreises bewährt haben“ (20. Dezember 1939).
Damit umreißt Zillich die aus heutiger Sicht erschreckende Einseitigkeit, Borniertheit und Sterilität der nationalfaschistischen deutschen Hybris jener Jahre.

Im Brief vom 15. März 1940 heißt es, Zillich sei für die von ihm angestrebte „südöstliche Lösung“, „zum Teil mit Fritz Fabritius,5   wo immer er konnte, eingetreten“. Doch Zillichs Hauptaugenmerk gilt weiterhin der deutschen Reichsbürgerschaft, die er verzweifelt erwerben möchte. Ein Dienst in der rumänischen Armee verbiete sich von selbst, weil Zillich „in dieser Zeit nicht für ein fremdes Volk und einen Staat dienen“ will,

„dem ich nichts mehr wünsche, als dass er sich auflöse. [...] Die Rumänen wissen natürlich, was ich schreibe und vertrete. Sie werden mich besonders ungern wieder freilassen, wenn sie mich einmal in der Gewalt haben. Aus all diesen Gründen übersiedelt auch Wittstock, der dabei dienstunfähig ist, nach Berlin. Aber wichtiger ist mir als diese Erwägung die erstgenannte: ich möchte für Rumänien unter keinen Umständen dienen.“
In seinem Antwortschreiben vom 18. März 1940 spricht sich Csaki im Namen einer spezifischen Auffassung über die Rolle des „Volksdeutschtums“ gegen die Erwerbung der Reichsbürgerschaft durch Zillich aus, weil dadurch die Gefahr gegeben sei,
„als volksdeutscher Dichter und Schriftsteller, gewissermassen als schöpferischer Verteidiger alles Volksdeutschen“, „nicht offiziell, sondern auch seelisch mehr und mehr ins Reichsdeutsche“ hinüber zu gleiten. Csaki besteht darauf, dass Zillich auch als „Reichsdeutscher“ – also nachdem er die Staatsbürgerschaft erworben hat,
„umso mehr die innere Kraft auf das Bewusstsein all der Werte intensiv hin(zu)lenke(n), die eben im Volksdeutschen liegen.“
Die Vorsprachen Zillichs beim Propagandaministerium führten schließlich zur langersehnten Einbürgerung. Das DAI und Dr. Csaki strengte Zillich nur noch in Verbindung mit seiner militär-propagandistischen Karriere an. Am 6. Juni 1940 bat er das DAI um die Ausstellung eines Gutachtens und gab bekannt, kürzlich die Reichszugehörigkeit erworben zu haben. Die gewünschte Bescheinigung wurde am 7. Juni 1940 ausgestellt und unterstreicht,
„Dr. Zillich kann für jede Arbeit zum Schutz von Volk und Reich eingesetzt werden“.
Am 30. Juni 1940 meldet Zillich, dass er vor einer Woche eingerückt sei und beim Oberkommando der Wehrmacht, Abteilung Inland II b 3 mit „kulturpolitischen Fragen, besonders des Ostens“ beschäftigt sei. Zillich hatte die angestrebte Stellung erreicht und verausgabte sich nach Kräften für die von der Heeresführung eingeforderte Begeisterung der im Feld stehenden Truppen für den Aggressions-, Annexions- und Vernichtungskrieg des Hitlerreichs. Damit war Zillich zu einem der einflussreichsten Strippenzieher der Kriegspropaganda Hitlers avanciert.


1. Bundesarchiv Koblenz (BAK), Deutsches Auslandsinstitut (DAI), Bestand R 57 neu/638). Alle hier behandelten   Dokumente entstammen diesem Bestand.
2.Hervorhebung im Original.
3. Rede von Hitler am 6. Oktobber 1939..
4. Die Stellungnahme von Hans Otto Roth zurdamals intensiv diskutierten und befürchteten Umsiedlung der Siebenbürger Deutschen im BAK; R 57 neu/42; jüngst veröffentlicht in »Akten um die "Deutsche Volksgruppe in Rumänien" 1940 - 1945. Eine Auswahl«, hg. von Klaus Popa, Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, Bern, berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2005, Nr. 52, S. 73-80.
5. Der gemäßigte Nationalsozialist Fritz Fabritius war damals schon entmachtet.

Datei: wort.htm    Erstellt: 20.10.2005    Geaendert: 02.11.2005               Autor und © Klaus Popa
 
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