DAS SYNDROM DER SIEBENBUERGEN-FORSCHUNG: DIE DIKTATUR DER "UEBERVAETER"

THE SYNDROM OF TRANSILVANIA-RESEARCH:
The Dictatorship of Patriarchal Chieftains

      Ein "Syndrom" bezeichnet laut Woerterbuch eine fuer eine Krankheit typische Gruppe von Krankheitszeichen. Die "Kritischen Blaetter" und die "Halbjahresschrift fuer suedosteuropaeische Geschichte, Literatur und Politik" haben bisher manches Krankheitszeichen oder Gebrechen der durch Bundesmittel gefoerderten Siebenbuergen-Forschung geortet und kritisch beleuchtet. Doch die bisher eroerterten Schwachpunkte beschraenkten sich ausschliesslich auf "sichtbare" Aspekte:

- auf die gestoerte und missratene Beziehung der "Forscher" zu ihrem Forschungsobjekt, welche Beziehung sich durch ein nichtobjektives Herantreten an Quellenaussagen und an die darin reflektierten Tatbestaende auszeichnet;

- auf den anmassenden Anspruch alleinig kompetent und deshalb ausschliesslich fuer die Siebenbuergenforschung zustaendig zu sein, was einem Alleinvertretungsanspruch und einer monopolistischen Einstellung zur Meinungsbildung entspricht;

- auf die Einbringung der politischen und ideologischen Argumentations- und Sichtweise der radikalsten Nationalsozialisten der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts in das, was die "Forscher" der Oeffentlichkeit als gediegene wissenschaftliche Forschung verkaufen, wobei sie nicht zurueckschrecken, sogar auf das politische Vokabular jener mehr denn fragwuerdigen Ideologie zurueckzugreifen.
 

        All das zeugt von Unreife auf allen Ebenen. Ihre "Forschung" gilt nicht der Aufdeckung und kritischen Vermittlung historischer Tatbestaende sondern der systematischen Verdeckung offenbarer nationalsozialistischer Uebertreibungen bei den Siebenbuerger Sachsen. Sie bedienen sich uebermaessiger Urkundenselektion, die nur jene Urkunden und Urkundenaussagen gelten laesst, welche sich in ihr aus ideologischer Voreingenommenheit fabriziertes Zwangsjackenmodell hineinzwaengen lassen. So wird eigentlich keine Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung, sondern eine

GESCHICHTENSCHREIBUNG

praktiziert. Ein Hauptgrund fuer diese Schieflage erblickten wir bisher in der systematischen Verweigerung das nationalsozialistische Treiben bis 1944 zu verarbeiten und zu bewaeltigen.Nun zeigt sich, dass eine weit gewichtigere Ursache, die eigentlich auch die kaum erfolgte Vergangenheitsbewaeltigung zu verantworten hat, naemlich die Allmacht der

"Uebervaeter"

dahinter steckt.

        Diese fuer das gesamte Geistesleben der Siebenbuerger Sachsen, auch fuer die Siebenbuergen-Forschung ueberaus schaedliche und kontraproduktive Institution trieb in den Nachkriegsjahren ihre "schoensten" Blueten, beispielsweise in der Person von Heinrich Zillich, und tut es leider auch heute noch. Hatten die Siebenbuerger Sachsen diese Sorte von  Identifikationsfiguren wirklich noetig und brauchen sie die auch heute noch? Allem Anschein nach ja, was der in der Form von Gedenkartikeln in den letzten Jahren in Gang getretene

Uebervaeterkult

belegt,ebenso die zu Ehren eines solchen juengst verstorbenen "Uebervaters" gehaltenen Grabreden.

        Welche Rolle erfuellten bzw. erfuellen diese "Uebervaeter", die auch als die "ungekroenten Hohepriester" oder als "Gemeinschaftsweise" angesprochen werden koennen? Ihre Hauptfunktion ist die der Fuehrung und Kontrolle im Stil "grauer Eminenzen". Sie steuern, beeinflussen und massregeln aus dem Hintergrund. Soziologisch nennt sich das

GERONTOKRATIE,

d.h. 'Herrschaft der Alten' (bzw. Weisen). Doch im siebenbuergisch-saechsischen Kontext handelt es sich um eine inoffizielle, nicht offen zur Schau tretende "Gerontokratie". Diese Geronten bilden die hoechste Entscheidungs- und Sanktionsinstanz und nichts darf ohne ihr Wissen geschehen und man darf nur nach ihren Vorgaben handeln und wandeln (auch in der Geschichtsforschung). Eine sonderbare Aeusserungsform patriarchalischer Strukturen!

        Das Bedauernswerte an dieser "Uebervaeter"-Institution ist, dass die Traeger dieser obersten

GEWISSENSINSTANZ

ideologisch nicht unbelastet sind. Und das ist der gravierende Punkt, weil die von den "Uebervaetern" konsequent praktizierte Gewissenszensur ausschliesslich nach Grundsaetzen der politischen Rechten funktioniert. Dass dem so ist, ist weiter nicht verwunderlich, weil saemtliche "Uebervaeter" eine nationalsozialistische Vergangenheit aufweisen. Und der zweite gravierende Punkt ist der, dass es nicht Prinzipien etwa der neuen Rechten sind, sondern der Rechten der 20er, 30er und 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts.

        Wenn die siebenbuergisch-saechsischen Printmedien diese "Uebervaeter" nun als niemals kaeuflich durch Moden oder Konjunkturen belobigen;wenn ihnen ein Licht zugeschrieben wird, das sie ausstrahlten und das selbst nach ihrem Ableben noch strahlt; wenn sie fuer saemtliche Sparten der Siebenbuergen-Forschung ob ihres Ratschlags als unabkoemmlich beschrieben werden; wenn ihnen die aussergewoehnliche Faehigkeit bezeugt wird junge Menschen zu begeistern, dann leuchtet es ein, wieso sich die "kompetenten" Siebenbuergen-Forscher aus dem Bann dieser Maenner nicht loesen koennen. Die Konsequenz davon ist, dass diese "Forscher" niemals das Stadium wissenschaftlicher Reife erreichen koennen, also auch niemals unabhaengig auftreten, sondern in alle Ewigkeit vom OK der "Uebervaeter" abhaengen. Und wo es keinen Ansatz unabhaengigen Auftretens gibt, besteht fuer die uebervaeterlichen Geronten zwar keine Gefahr der Autoritaetseinbusse, hingegen die Konsequenz, dass die bemutterten Zoeglinge weder die Faehigkeit zu kritischer Stellungnahme besitzen, noch auf Kritik offen reagieren koennen, woraus sich deren Dialogunfaehigkeit und Dialogunwillen ableitet.

        Und auch deshalb kann das, was diese uebervaeterlich abhaengigen "Forscher" in die Welt setzen, keine Wissenschaft sein, denn Wissenschaft lebt von Kritik und Dialog. Es wird also um das Gebaren des siebenbuergisch-saechsischen Gewissens, das in der Siebenbuergen-Forschung und im literarischen Betrieb seinen Niederschlag findet, solange schlecht bestellt sein, solange die Institution der strippenziehenden "Uebervaeter" weiterhin das Szepter schwingt.

        Wann werden zumindest die juengeren, in der Bundesrepublik geborenen und aufgewachsenen Generationen sich aus der Umklammerung durch die Geronten loesen, wann werden sie den Versuch unternehmen deren erdrueckende Allmacht zu brechen? Die Prognose sieht duester aus! Bisher gibt es keinerlei Anzeichen dafuer, dass dieser Augenblick naeher rueckt.


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Datei: Ueber.htm            Erstellt: 30.09.2000     Veraendert: 11.02.2002                         Autor und © Klaus Popa


 
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