„Heute ist sein Werk Gegenstand globaler Diskussion“1
oder Strategie der Exkulpierung und Apologie in biografischem Gewand
Zu:
Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie,
C.H. Beck München 2009
VA Hospital Counter
mailto:[email protected]
Es erfordert allerhöchste Sorgfalt der recht
schwierigen Problematik „Carl Schmitt“ mit biografischen Mitteln
gerecht zu werden. Die Belobigung mancher Rezensenten, Reinhard Mehring
habe die bisher beste Biografie Schmitts geliefert, sollte zumindest
auch genanntem Kriterium Genüge leisten. Es gelingt zwar Biograf
Mehring durch die extensive Einflechtung von bisher unbekannten
Einträgen aus Schmitts Tagebüchern bis 1933 den Menschen in
seiner Widersprüchlichkeit zu vermitteln und auf diese Weise
dessen professionelle Höhen und Tiefen in einem neuen Licht
erscheinen zu lassen. Denn die Tagebuchangaben verdeutlichen den
sprunghaften, zuweilen bei der Wahl seiner Partnerinnen bedenkenlosen
Mann, der selbst, als er in zwei Ehen aufging, den lockeren Umgang mit
dem anderen Geschlecht nicht aufgab. Diese eindeutige Unstetigkeit
kompensierte Schmitt mit intellektuellen Fähigkeiten, die viele
Zeitgenossen beeindruckten und überzeugten. Die treibende Kraft
dabei war der im 42 Punkte umfassenden „Argumentenkatalog“ (S.311f.) an
27. Stelle stehende Punkt „Picaro-Argument“ für seinen Entschluss
den Weg Hitlers zu gehen: „Ich bin ein «intellektueller
Abenteurer», ein ironischer Spieler! Die Langeweile des Lebens
ist nur aufzuhalten, wenn man es ins Spiel hebt!“ (S.312). Auf die
privat-persönlichen Gründe für Schmitts Abdriften weist
auch Verlagslektor Franz Blei hin (S.315), mit dem Schmitt bis zum
Einzug des NS briefliche und publizistische Kontakte pflegte. Sein Hang
zum „Spiel“ blieb leider nicht auf die sexuelle Ebene beschränkt;
Schmitt lebte diesen Trieb vollends auf der Ebene seines juristischen
Tun und Lassens mit fatalen Folgen aus. Er liebte es mit Begriffen zu
spielen und vermeinte in den von ihm selbst geschaffenen juridischen
Paradigmen und Konstrukten der politischen Realität der
niedergehenden Weimarer Republik, aber vor allem der sich düster
abzeichnenden NS-Diktatur und schließlich dem durch diese
entfesselten Expansion- und Vernichtungskrieg gerecht zu werden.
Biograf Mehring
bemüht sich zwar, aufgrund zahlreicher intimer Tagebuchdetails
Schmitt ein menschlich-allzu menschliches Erscheinungsbild zu
verpassen, er greift auf üppiges, zum Teil bisher unbekanntes
Korrespondenzmaterial zurück, illustriert seine Biografie mit
Fotos einiger Emigranten, denen er aussagekräftige Zitate beigibt.
Doch es darf ernsthaft bezweifelt werden, dass diese Biografie es
insgesamt schafft die Sympathie des Lesers für Schmitt zu
erwecken, weil die nähere Betrachtung des biografischen Verfahrens
zum ernüchternden Ergebnis führt, dass Biograf Mehring durch
seine zweigeleisige Verfahrensweise eine störende und verwirrende
Zweideutigkeit auslöst. Der Biograf möchte den Eindruck
erwecken, dass er den dokumentierten Aussagen und Fakten absoluten
Vorrang einräumt, ihm also keinesfalls der Vorwurf gemacht werden
könnte den Leser in irgendeiner Weise bevormunden, beeinflussen
oder gar vorgefertigte Meinungen der Leserschaft bestärken zu
wollen. In dieselbe Richtung zielen auch wiederholte Verweise auf
Schmitts tief verwurzelten Antisemitismus (zuerst auf S.69, dann S.74,
wo Schmitt mit seinem »jüdische[n] Komplex« zitiert
wird; S.76,82,128,163167,170,188 u.ö.) und auf die undankbare Art,
wie er seine jüdischen Kollegen nach der „Machtergreifung“ einfach
fallen ließ und sich mit Leib und Seele dem radikalen
antisemitischen Kurs der Nazis verschrieb. Im erwähnten
„Argumentenkatalog“ macht sich Schmitts Zynismus Luft, als er in Punkt
23, „Die fehlende Alternative“, bemerkt: „Als deutscher Jurist kann ich
nur in Deutschland arbeiten! Ich kann nicht emigrieren!“ (S.312) Die
zynische Anspielung auf seine zahlreichen Anwaltskollegen und
Verlegerfreunde jüdischer Herkunft, die bald nach der
„Machtergreifung“ Deutschland verlassen mussten und dass zudem Schmitt
selbst mit seiner juristischen Spitzfindigkeit es war, der
maßgeblich dazu beigetragen hatte, hinterlässt einen schalen
Geschmack und trägt in keiner Weise dazu bei, dem „Kronjuristen
des (Dritten) Reiches“ Sympathiepunkte einzubringen.
1. Mehring, S.245.
Kontraproduktiv erweisen sich die häufigen
Textstellen der Biografie, die gezielt relativieren und somit den
Eindruck gewollter Verharmlosung erwecken. Dahinter verbergen sich
zweifelsohne mehrere Beweggründe: Mehring möchte Schmitts
fragwürdige, rechtslastig-rechtsextremistische Tätigkeit in
der Weimarer Republik und anschließend im „Dritten Reich“ den
Stachel nehmen. Damit beschreitet der Biograf den Weg, die
zweifelhaften juristischen Kniffe Schmitts im Dienste der
republikfeindlichen und für eine Staatsdiktatur optierenden
Kräfte schön zu färben und Schmitts Linientreue zum
NS-Staat zu verharmlosen. So will Mehring in Verbindung mit „Die
geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1923)
feststellen, dass Schmitt „das juristische Denken in eine historische
Spannung zur Moderne“ gebracht habe. (S.160) Welche verheerende
Qualität diese sogenannte „Spannung“ für die weitere
Entwicklung der deutschen Rechtsgeschichte wie für den rapiden
Niedergang Deutschlands besitzt, dazu äußert sich Biograf
Mehring nicht. Dass es sich eigentlich um die schrittweise Demontage
des Legalitäts- und Legitimitätsverständnisses der
Weimarer Republik handelt, woran Schmitt tatkräftig Hand anlegte,
wird auch nicht aus der beiläufigen Bemerkung Mehrings über
„eine heterogene Gruppe von »Anti-Positivisten«, die die
Differenz von Recht und Gerechtigkeit, Legalität und
Legitimität neu entdeckte“ (S.166), ersichtlich. Im Gegenteil,
Mehring adelt diesen begriffsspalterischen Komplex und dessen Vertreter
, indem er ihm das Prädikat einer recht fragwürdigen
„Neuheit“ anhängt. Dabei unterschlägt er, dass es sich um
eine Verfahrensweise handelt, die sich ausschließlich
willkürlicher Differenzierungen bedient, mit dem ausgewiesenen
Ziel die historisch gewachsene, aber diesen Kräften unliebsame, ja
unheimliche Demokratie der Weimarer Republik auf
dekonstruktivistisch-zerstörerische Weise mit einer
totalitären Staatsform abzulösen.
Die Einstufung von Schmitts
„Verfassungslehre“ (1927) als „magistrales Werk“ (S.206), ist kaum als
Ablehnung zu verstehen. Und die Feststellung, Der „Begriff des
Politischen“ (1927) entwickele „keine politische Philosophie“ (S.207),
ist viel zu neutral gehalten, um die eigentliche Sprengkraft dieser
Schrift zu verdeutlichen. Denn hier legt Schmitt die Grundlagen seiner
„Totalität“ des Politischen fest, dem die sonst gültige, aber
von ihm verworfene Einheit von Moral und Politik, Ethik und
Ökonomie als Ballast hinderlich ist, was in späteren
Schriften in der willkürlichen Auseinanderdividierung von Staat
und Gesellschaft kulminiert (vgl. S.219, 248, 263, 297). Auf diesem
Hintergrund kann die Bemerkung Mehrings „Dabei aber hielt er aber ein
funktionierendes parlamentarisches System lange für
wünschenswert“ (S.221) nur als weiterer Verharmlosungszug gedeutet
werden.
Der Distanzierungsvermögen
und Objektivität voraussetzende Begriff „Beobachterperspektive“
erfährt im Verlauf der Schmitt-Biografie einen erstaunlichen
Wandel. Zunächst heißt es, dass Schmitt mit seiner
Programmschrift „Politische Theologie“ „die Beobachterperspektive
verlässt und seine Positionen und Begriffe politisch engagiert“
einbringen wird. (S.124) Später heißt es, dass Schmitt sich
in diesem Text auf eine Beobachterperspektive beschränkt und als
politischer Theoretiker aus eben dieser Perspektive argumentiere.
(S.207; S.212) Mehring will hier in verharmlosender Weise das
eindeutige politische Engagement Schmitts, das sich in
kriegstreiberischem und militantem Pathos erschöpft, ins Gegenteil
umdeuten. Besonders störend wirken Textstellen, die sich einer
ausgeklügelten euphemistischen Formulierungsweise bedienen. Die
eindeutig antihumanistisch-antiuniversalistische Sichtweise Schmitts in
„“Der Begriff des Politischen“ (1927) sei „anthropologischer
Pessimismus“ (S.212). Auch in Schmitts Schrift „Der unbekannte Donoso
Cortés“ (1928) handle es sich um diese Art Pessimismus. Donoso
Cortés war für Schmitt von hervorragender Bedeutung, weil
dieser nach der Revolution von 1848 eine Theorie der Diktatur
aufgestellt hatte. Diesen Mann idealisiert Schmitt und belobigt ihn
zudem - in eklatantem Widerspruch zum gesunden Menschenverstand -
für seine „Humanität“. (S.225). Ausweichend verhält sich
Mehring auch, wenn er die rechtsradikalen Gruppen, mit denen Schmitt in
Weimar verkehrte und die er mit dem Begriff „neue Elite“ auszeichnet
(S.270), „esoterische Zirkel“ nennt. Der „Privatdiskurs“ Schmitts sei
laut Mehring ebenfalls „esoterisch“ gewesen. (S.276)
Die geringe Neigung des
Biographen sich von seinem Gegenstand zu distanzieren spricht auch aus
der Behauptung, Schmitt habe in den publizistischen Kreisen der
Weimarer Endzeit endlich „ein antibürgerliches Milieu“ gefunden,
in dem er Avantgarde des Weltgeistes und «Gestalt» des 20.
Jahrhunderts sein kann“ (S.269). Eindeutige Schwierigkeiten zu Schmitts
Persönlichkeit kritische Distanz zu gewinnen belegt auch der unter
dem Zeichen der „Verantwortlichkeit“ abgegebene langatmige Kommentar,
dass es „Insbesondere in einer Krisenlage [...] geradezu
staatsbürgerliche Pflicht“ ist, „eine solche Rolle2 zu übernehmen. Von dieser
politischen Berufung des Juristen lässt sich das Werk auch
interpretieren“. (S.281) Diese Argumentationsweise erinnert an die Art
und Weise, wie NS-Täter sich vor Gerichten zu exkulpieren
versuchten, nach der stereotypen Floskel „man habe doch nur seine
Pflicht getan“. Selbst wenn man das gelten ließe, steht es um
Schmitt nun so, dass er weit über seine „Pflicht“ hinausgeschossen
hat. Und welchen Gewinn bringt es, wenn Mehring auf den Seiten 301,
302, 305, 307, 308 in unterschiedlicher Nuancierung wiederholt betont,
Schmitt sei Hitler und dem NS gegenüber zunächst ablehnend
und zögerlich-reserviert gewesen, habe sogar den Versuch
unternommen, die „Machtergreifung“ durch Hitler zu verhindern, wenn er
am 27. April 1933 mit Wirkung vom 1. Mai 1933 in die NSDAP eintrat?
Schmitts NSDAP-Mitgliedschaft ist eher als Outing seiner angestauten
NS-Sympathie zu werten. Deshalb kann auch die vom Mehring spät
angesetzte krasse Radikalisierung Schmitts nicht überzeugen.
(S.309f.) Ebenso unhaltbar ist der Versuch des Biografen, Schmitts
offene Option für den NS auf einen „Verlust an Alternativen“
zurückzuführen (S.310), wo Schmitt doch aus einer von
tiefstem Judenhass genährten Überzeugung allein auf den
totalitären „Präsidial-„ bzw. „Führerstaat“ setzte.
Deshalb stimmt es auch nicht, dass Schmitt nach Januar 1933 mit seinen
Entscheidungen „gerungen“ habe (S.310). Und was soll man davon halten,
dass Mehring einfach zur Kenntnis nimmt, dass Schmitt den NS als
„Revolution“ erkannte (S.313), ohne hinzuweisen, dass alle politischen
Bewegungen, die sich in narzisstischer Weise als „revolutionär“
und messianisch überhöhen, der „revolutionäre“ Charakter
grundsätzlich abzusprechen ist ?
2. Als
politischer Berater.
Unhaltbar ist auch die Behauptung, Schmitt habe im
Gegensatz zu seinem Schüler Huber „kaum die nationalistische
Karte“ gespielt. (S.319) Zwar thematisiert Schmitt in der „Politischen
Theologie“ (1922) das moderne «Nationalbewusstsein», eine
«organische» Metaphysik und ein organisches Staatsdenken,
das den Übergang vom Absolutismus zur Demokratie markiere,
(S.127), was nicht ausschließt, dass er damit das deutsche
Nationalbewusstsein meint. Mit dem Adjektiv „genealogisch“ und dem
Syntagma der „kulturellen Prägung“3 euphemisiert Mehring die deutschnationale
Einstellung Schmitts. Er möchte dessen Religionssoziologie von der
Webers dadurch unterscheiden, dass sich Schmitt „auf die deutschen
konfessionellen Verhältnisse, auf Judentum und Christentum“
konzentriert, aber „sich mit Weber in den hermeneutischen Innenraum
seines Weltverhältnisses“ stellt und „die konfessionelle
Prägung und Herkunft genealogisch“ betrachtet, mit dem Zusatz,
dass „Schmitt keine «abstrakte» Humanität und keinen
«neutralen» Stand jenseits der kulturellen
Prägung“ kennt. (S.128) Schmitt vertritt den gediegensten
Nationalismus, wenn er im 5. Kapitel von „Der Begriff des Politischen“
(1927) die Einheit von Staat, Volk und Nation postuliert. (S.211) Auch
die Argumentsätze 23 und 34 (S.312) sind eindeutig national
geprägt: „Als deutscher Jurist kann ich nur in Deutschland
arbeiten. [...]“; „Das großdeutsche Argument: Hitler steht
für die Zugehörigkeit Österreichs zur deutschen Nation!“
Und nichts kennzeichnet Schmitts Deutschzentriertheit so sehr, wie
seine Tätigkeit an der vom späteren „Generalgouverneur“ Hans
Frank bereits 1933 gegründeten „Akademie für Deutsches
Recht“, wodurch klar wird, dass Schmitts „Sinn-„ und „Rechtsstiftung“
nach „deutscher Art“ eben diesem fiktiven „deutschen Recht“ galt, das
bekanntlich so viel Unheil über die Völker Europas brachte.
Und noch ein Punkt für Schmitts dezidierten Deutschnationalismus
ist die lebenslange Beziehung zum späteren „Deutschen Bischof“
Oberheid, der jene extremistische Ausrichtung der evangelischen Kirche
vertrat, die sich als „Deutsche Christen“ tituliert die Verschmelzung
von Glaube und NS unter Verdammung des „Alten Testaments“ als
„Judenwerk“ propagierte, in Jena ab 1939 das „Institut zur Erforschung
und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche
kirchliche Leben“ betrieb und einen messianischen Hitler-Kult im Sinne
einer „Völkischen Theologie“ pflegte.
Schmitt spricht unter Punkt 29
des „Argumentenkatalogs“ aus, dass die Rachsucht ein Bestandteil seines
Charakters war: „Das Ressentimentgefühl: Alle missachten und
betrügen mich! Jetzt schlage ich zurück!“ (S.312) Mit dieser
Disposition möchte Mehring Schmitts Aufgehen im NS begründen;
er soll sich nämlich in seiner Kölner Antrittsvorlesung vom
16. Juni 1933 „Reich-Staat-Bund“ „Mit den Nationalsozialisten“
„für seine Niederlage von 1932“4
rächen wollen. (S.321) Ebenso abwegig ist es, wenn Mehring in
Verbindung mit dem polemischen, antisemitisch geladenen Artikel „Die
deutschen Intellektuellen“ vom 31. Mai 1933 im Westdeutschen Beobachter
davon spricht, dass Schmitt sich hier selbst „verleugnet“ (S.325), wo
er auf Schmitts Antisemitismus mehrmals hingewiesen hatte. Auch bleibt
es rätselhaft, wieso die von Schmitt herausgegebene Reihe „Der
deutsche Staat der Gegenwart“ „wichtig“ ist (S.341), wo es sich um ein
Sammelsurium von Schriften handelt, die mit ideologischer Verbohrtheit
„Sinn“ im Geiste des NS „stiften“ wollten.
Die auf Schmitts Exkulpation
hinzielende relativierend-verharmlosende Tendenz Mehrings erreicht
ihren Höhepunkt dort, wo er mit dem Euphemismus „ironisch“ die
eindeutige NS-Hypothek Schmitts in Distanznahme umfunktionieren
möchte. So heißt es zu Zeitungsartikeln im Westdeutschen
Beobachter im Mai und Juni 1933, die die NS-Revolution preisen, „Man
könnte ein ironisches Programm der Entpolitisierung5 herauslesen, wäre da
nicht der polemische Ton“ (S.324). In Verbindung mit „Disputation
über den Rechtsstaat“ (1935) von Günther Krauss und Otto von
Schweinichen in der von Schmitt herausgegebenen Reihe „Der deutsche
Staat“ heißt es, dass Schmitt damit seine
„juristisch-institutionelle Sinnanalyse einer nationalsozialistischen
«Verfassung»“, die „an der destruktiven Dynamik des
«Führerstaates» gescheitert“ sei, zu einem
„doppelbödig-ironischen, mephistophelischen Abschluss“ gebracht
habe. (S.355) Ebenfalls der Ablenkung dienen die im Unterkapitel „Die
antisemitische Sinngebung“ (S.358-380) fallenden Bemerkungen des
Biografen. Das absurde Ziel Schmitts den Antisemitismus zu
„verwissenschaftlichen“ entlockt Mehring zunächst nur die
geschmacklose Bemerkung: „Der ironische Spieler agierte wie eine
Gestalt Shakespeares.“ (S.359) Der spätere Versuch Mehrings, seine
vorherige Übertreibung mit der Aussage „Seine aberwitzige
«Verwissenschaftlichung» des Antisemitismus [...]“ (S.361)
zu neutralisieren, läuft eindeutig ins Leere.
3 Hervorhebungen
K.P.
4 Als seine Versuche theoretisch für ein
Präsidialsystem unter Schleicher einzutreten einfach von der
großen Politik übergangen wurden.
5 Hervorhebungen K.P.
Zum «Gelöbnis der Teilnehmer der
Tagung» „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ (Oktober 1936)
der Reichsgruppe Hochschullehrer, deren Führung Schmitt damals
noch inne hatte, fällt Mehring nur die Bemerkung ein: „An den
Minister gesandt, dürfte es von einiger6 Verbindlichkeit
gewesen sein“. (S.375) Und was möchte der Biograf mit der
Feststellung ausdrücken, dass Schmitts „Polarität von
jüdischem Chaos und jüdischer Gesetzlichkeit" „als
«idealtypische» Fixierung von Polaritäten“ „ungeheuer
wissenschaftlich“ klingt, um dann hinzuzufügen: „Ihr Sachgehalt
tendiert aber gegen Null“ ? (S.376) Möchte Mehring damit den
Objektbezug von Schmitts antisemitischer Rage in Frage stellen ?
Angesichts dieser inkonsequent-verwirrenden Betrachtungsweise
können die nachgeschobenen Beteuerungen „Sein [Schmitts] Werk ist
an einem Tiefpunkt angekommen.“; „Das pseudowissenschaftliche Fazit
...“ und „[...] das persönliche Ressentiment“ (S.377) nicht
überzeugen. Hier kommt auch die berechtigte Frage auf, ob Schmitts
Werk jemals andere „Höhepunkte“ zu verzeichnen hatte als die
Verleumdung und Verhöhnung hin bis zur Exekution all dessen, was
ihm nicht genehm, undeutsch und jüdisch war !
Absolut takt- und geschmacklos
ist es, ahnungslos zu tun gegenüber einem Mann vom Kaliber
Schmitts, der in seinem, krankhafte Züge annehmenden
Geltungsdrang, gepaart mit Selbsteingenommenheit, in das Zentrum der
politischen Macht drängte und sich dann als vielgefragter Ideologe
des „Reiches“ bis nahe ans „Führer-Zentrum“ heranarbeitete. Es sei
daran erinnert, dass es Schmitt bereits vor der „Machtergreifung“
gelungen war, sich im Gewand des Staatsrechtlers als geistiger
Monopolist, also als Meinungsmacher zu etablieren, indem er sich eine
eigene zentrale Stellung als politischer „Berater“ bzw. „Kronjurist des
Reiches“ sicherte. Dabei war sein arrogantes Gehabe entscheidend. Im
„Argumentenkatalog“ bezeichnet er sich als „deutscher Jurist“, der es
als einziger „richten“ kann (Punkt 25), der der „Größte“ sei
(Punkt 28) (S.312), der sich als Retter in Gestalt des Werte- und
Wahrheitshüters in Szene setzt, wie das in „Legalität und
Legitimität“ (1932) geschieht, wo er von der Notwendigkeit
spricht, den „Gedanken eines deutschen Verfassungswerkes“ - im
Gegensatz zur „jüdischen“ Herkunft und Ausrichtung der Weimarer
Verfassung – zu verwirklichen. (S.287) Er hatte sich bereits 1923 mit
der militärischen Besetzung des Rheinlandes und des Ruhrgebietes
in die Pose des sendungsbewussten Retters geworfen, als er laut Mehring
„es nun als seine Aufgabe betrachtete, die Machtverhältnisse auf
den Begriff zu bringen und die Rechtsfrage zu stellen.“ (S.189) Schmitt
maßte sich in der Folge in „Der Begriff des Politischen“ (1927)
die Rolle des „Entfälschers“ des liberalen Gedankenkreises an, den
er als „heuchlerische Verfälschung der politischen Welt“ und als
„Verschleierung ökonomischer Absichten durch ethische Rhetorik“
abqualifiziert. (S.213) Den bereits von Schmitts Gegenspielern
gebrachten Einwand, das entspräche einem „machtstaatlichen
Anti-Universalismus“, will Mehring mit der Frage „Muss der politische
Anti-Universalismus ein ethischer Antiuniversalismus zur Folge haben?“
nicht gelten lassen. (S.214) Daraus darf geschlossen werden, dass der
Biograf entweder nicht Herr dieser Begriffe ist, oder die von Schmitt
systematisch betriebene Abdrängung kulturellen Erscheinungsformen
und Kernbegrifflichkeiten ins Nichts befürwortet.
So verwundert es nicht, dass
Mehring im nächsten Schritt den Humanismus- und Demokratiefeind
Schmitt in den Gelehrtenstand erhebt, eben den Mann, der seine
bellizistischen Ansichten bereits in „Der Begriff des Politischen“ auf
Grund des „Freund-Feind“-Stereotyps entwickelte; den Mann, der mit dem
Bericht über „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegbegriff“ im
Zuge des „Anschlusses“ Österreichs prompt die
Rechtfertigungsbegriffe „Raumrevolution“ bzw. „Grossraumordnung“
für den territorialen Expansionshunger des Nazireiches theoretisch
untermauerte. So soll Schmitt in dem als «Kampf gegen den
jüdischen Geist in der Rechtswissenschaft» und als
«Kampf gegen die jüdische Verfälschung des
Christentums» intendierten „Leviathan“-Buch (1938) „gelehrte
Ausflüge jenseits der polemischen Frontenbildung“ unternehmen.
(S.386) Doch welchen Wert kann eine Gelehrtheit haben, welche die
rassistisch-antisemitischen Kultur- und Staatsauffassung des NS
vertritt und juristisch legitimiert, welchen Stellenwert hat ein
Gelehrtentum, das den Völkermord ermöglichte? Ebenso
zwielichtig wirkt auch die Etikettierung „gelehrt“ von „Das
«allgemeine deutsche Staatsrecht» als Beispiel
rechtswissenschaftlicher Systembildung“. (S.405)
Zu den wiederholten
Einwürfen Mehrings, die eine angebliche Distanznahme Schmitts zum
NS mit Beginn des Zweiten Weltkrieges suggerieren wollen, kann nur
bemerkt werden, dass es sich um den aussichtslosen Versuch handelt,
Schmitt davor zu verwahren, als Spitzennazi den Expansions- und
Vernichtungskrieg des NS-Staates legitimiert zu haben. Was kann nun die
im breiteren Kontext der „Großraumlehre“ fallende Behauptung
Mehrings für eine Glaubwürdigkeit haben, Schmitt habe unter
dem Eindruck des Krieges „nicht mehr ungebrochen zum Hakenkreuz“
gestanden (S.402), wo Schmitt die Großraumlehre 1940 in
zahlreichen Vorträgen weiter vertrat? (S.404) Wie steht es um
Mehrings Wahrheitssinn, wenn er der Erörterung des
„Leviathan“-Buches, das sich durch virulenten Antisemitismus und
Englandfeindlichkeit auszeichnet, die Bemerkung vorausschickt, dass
Schmitt Ende 1942 mit „Land und Meer“ in literarischer Form Abstand zum
NS nimmt? (S.406) Eben diesem Text bemüht sich Mehring
„idyllische“ Züge abzugewinnen, also den darin enthaltenen
ideologischen Ballast in den Bereich des Ästhetischen zu
entrücken. Eine Stelle dieses Schmitt-Textes lautet: «Auch
in dem grausamen Krieg alter und neuerer Kräfte entstehen gerechte
Maße und bilden sich sinnvolle Proportionen.» (S.427) Damit
ist Schmitts unverrückbarer Glaube an die Notwendigkeit von
Kriegen ausgedrückt, um aus dem Lot Geratenes angeblich wieder
auszugleichen.
Statt einzuräumen, dass
Schmitt mit der Sammlung „Der Nomos der Erde im Völkerrecht des
Jus Publicum Europaeum“ das Thema der „Auflösung des neuzeitlichen
europäischen Völkerrechts“ zugunsten der
Raumgewinnungspolitik des Hitlerreiches in einem eigens entworfenen
Rechtfertigungsdiskurs reichsmythologischer und -ideologischer
Akzentsetzung zuspitzt, zieht es Mehring vor, diesen Moment in einen
vorgeblich nach 1939 von Schmitt inszenierten „literarischen Abschied“
vom »Reich« zu platzieren (S.429, 431) und in
ästhetisierender Manier zu behaupten, dass „Der Nomos der Erde
...“ sich zu „Land und Meer“ wie das „Epos zur Idylle“ verhält.
(S.431) Ferner: Mehring sanktioniert doch mit der Titelgebung des 6.
Kapitels „Recht zur Macht ? Großraumordnung als Reichsbildung“
(S.389-397) die von Schmitt mit der „Großraumordnung“
vorgenommene Intensivierung des Reichsbegriffes. Folglich ist es
tatsachenwidrig, wenn Mehring das 7. Kapitel (S.397-424) als „Carl
Schmitts Abschied vom «Reich» überschreibt. Statt auf
die in der Sammlung „Positionen und Begriffe“ (1939) vorliegenden
Beiträge genauer einzugehen, begnügt sich Mehring Schmitts
Rede „Völkerrechtliche Grossraumordnung“ (1939) näher zu
untersuchen und die anderen 5 Texte, die selbstredende Titel tragen
(Totaler Feind, totaler Krieg, totaler Staat (1937); Das neue Vae
Neutris! (1938); Völkerrechtliche Neutralität und
völkische Totalität (1938); Großraum gegen
Universalismus (1939))7
mit der absurden Bemerkung zu quittieren: „Die Verknüpfung einer
Zeitenwende mit der Hoffnung auf einen neuen Weltherrscher scheint8 hier den
Nationalsozialismus zu legitimieren.“ (S.397) Wie schwer kann nun die
abschließende Bemerkung des III. Teils, „Nationalsozialistisches
Engagement und Enttäuschung“ wiegen: „Erst nach 1939 sind
vorsichtig distanzierende Signale erkennbar. Schmitt trat nicht mehr
als nationalsozialistischer Eiferer und Apologet auf“? (S.436)
6 Hervorhebung
K.P.
7 Die Titel werden von Ulrich Herbert, Best.
Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und
Vernunft 1903-1989, Bonn 19963, Anm.66, S.601 ausgewiesen.
8 Hervorhebung K.P.
Zu Schmitts Antworten in der Nürnberger Haft
fällt Mehring nur die süffisante Bemerkung ein: „Schmitts
Ausführungen sind differenziert und glaubwürdig“ (S.451),
ohne darauf einzugehen, dass die zeitweiligen Schwierigkeiten, die
Schmitt seitens der SS erfuhr, im Zuge der sich 1936/37 abzeichnenden
Vormachtstellung der SS auf politischem und geistigem Gebiet zu
lokalisieren sind. Es ging schlicht und einfach um die Aufteilung von
NS-Pfründen, wo die älteren
nationalistisch-nationalsozialistisch orientierten Kräfte, zu
denen der Sicherheitsdienst der SS auch Schmitt zählte, in der
Machthierarchie auf den zweiten Platz verwiesen wurden. Schmitt
übertreibt die ihm von Seiten der SS entstandenen Nachteile
bewusst zum eigenen Vorteil. Dass er aber den Scharfmachern der SS in
nichts nachstand, darüber wird kein Wort verloren. Im Gegenteil,
bereits im 4. Unterkapitel betitelt Mehring den letzten Abschnitt
„Sturz in der Ämterhierarchie“ (S.378f.), wo es sich eigentlich
nur um den Verlust der Führung der Fachgruppe Hochschullehrer im
„Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ handelt.
Auch die Tatsache, dass der
Begriff „Ideologie“ erst in Verbindung mit Schmitts Kritik der
„Nachkriegskonzepte“ auftaucht, (S.458) entlockt Mehring nicht die
geringste Überlegung, nur den kryptischen Satz: „Stets zielt
Schmitt durch Ideologiekritik hindurch auf einen offenen Blick“.
(S.460) Es ist in der Tat die einfachste Lösung, das, was Schmitt
nach dem verlorenen Krieg nun in seine Schablone der „Gegnerschaft“
einzwängte, nämlich die USA und den Rechtsstaat
Bundesrepublik, mit dem Scheltwort „Ideologie“ zu belegen, um den
Verdacht eigener Ideologielastigkeit von sich weisen zu können.
Ähnliches gilt für Schmitts Postulat in seinem
Gedankentagebuch „Glosssarium“, dass die Deutschen deshalb nicht
„erobert“ seien, weil nur derjenige erobern kann, „der seine Beute
besser kennt als sich selbst“. (S.459) Dass diese Einforderung
eigentlich in krassem Gegensatz zur eigenen Unfähigkeit steht,
sich zu Selbstreflexion und Selbsterkenntnis aufzuraffen, fällt
Mehring ebenfalls nicht auf. Ebenso nicht, dass Schmitt nach 1945 die
alten Stereotype, mit dem sogenannten „jüdischen Geist“ an der
Spitze, unermüdlich auf und ab variiert und sich darüber in
seinen zahlreichen Notizbüchern in ironisch-pointierten
Eintragungen und Reimereien abreagiert. Das ist jedenfalls keine
Ironie, die der Klärung, sondern der eindeutigen Verklärung
und dem „Nur-weiter-so“ eines unbeugsamen Schmitt dient. Der Vorwurf
gegen die „Emigranten und Remigranten“, die nach 1945 aus
nachvollziehbaren Gründen gegen Schmitt Stellung beziehen, vom
„Ressentiment“ geleitet zu sein (Anm.123, S.703), ist kennzeichnend
für Uneinsichtigkeit und Verknöcherung eines in seinen
eigenen ressentimentgespeisten ideologischen Stereotypen befangenen
Menschen, der seinem programmatischen Antihumanismus und Antisemitismus
der Zwischenkriegs- und Kriegszeit weiterhin ungebrochen
weiterfrönt.
So wie Schmitts Diskursweise sich
nach 1945 nicht wesentlich ändert, so verbissen hält sich
auch der Mythos des „Propheten“ Schmitt, den sein Schüler Ernst
Rudolf Huber in Verbindung mit der Rede auf der Tagung der
Reichsfachgruppe Hochschullehrer am 1. April 1938 über
„Völkerrechtliche Großraumordnung“ lancierte: Schmitt nehme
nämlich kommende Entwicklungen vorweg. (S.396) Ähnlich
äußerte sich Huber 1939, als er hervorhebt, dass Schmitt
„die innere Situation der Zeit in einem Augenblick“ bestimmt, „in dem
die wahre Struktur noch von Schutt und Abraum verdeckt ist“. (S.419) In
„Positionen und Begriffe“ (1941) hebt Huber hervor, dass Schmitt „den
modernen, «hegemonialen Imperialismus» als politisches
Faktum aufgedeckt habe und zur «Konzeption eines neuen
Völkerrechts» gelangt sei. (S.421) Von diesem lobhudelnden
Bazillus bleibt auch Biograf Mehring nicht verschont. So soll Schmitt
mit „Land und Meer“ (1941) eine „kriegsgeschichtliche Diagnose“
geliefert haben. Auch ist ernsthaft zu bezweifeln, dass Schmitt damit
den «totalen» Vernichtungskrieg nur „pointiert“ habe.
(S.428) Dahinter verbirgt sich eher die Begeisterung Schmitts, dass nun
den „Judäo-Bolschewisten“ kräftig eingeheizt wird, dass sie
also vom Hitlerreich entsprechend „abgestraft“ werden. Ebenso
beweihräuchernd klingt Mehrings Feststellung: „Schmitt sieht sich
durch das Grundgesetz in seiner frühen Prognose einer Entwicklung
zum grundrechtlich fundierten Justizstaat bestätigt“. (S.506) Oder
ähnlich: Nach 1949 soll die Rückkehr zum
«bürgerlichen Rechtsstaat» übereinstimmen mit
Schmitts „Diagnose des Verfassungswandels zum Justiz- und
Verwaltungsstaat der Industriegesellschaft“. (S.508) Ähnlich
schwammig klingt die Feststellung in Verbindung mit Schmitts von der
„Freund-Feind“-Dogmatik durchtränkten Schrift „Die Theorie des
Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen“ (1963), dass
„Diese Erzeugung von Feindschaft aus der Nötigung,9
der Technik einen Sinn zu geben, [...] zu seinen beruhigenden
Diagnosen“ gehöre. (S.530) Als ob Schmitt jemals zu „beruhigenden
Diagnosen“ fähig war ! Ebenfalls der Freund-Feind-Dogmatik
entspringt das, was Mehring fälschlicherweise als Schmittsche
Prognose in „Politische Theologie II“ (1966) bezeichnet: der
«Neue Mensch» der säkularisierten Neuzeit wird neue
Feindschaften entwickeln. (S.552)
Auch die Kommentierung der
Broschüre „Hamlet oder Hekuba. Der Einbruch der Zeit in das Spiel“
(1956) greift viel zu kurz, weil auf die Feststellung „Der strittige
Titel bezieht sich kunstontologisch auf das Spiel im Spiel“ (S.502) nur
Paraphrasen folgen. Schmitt unterscheide „bloße
«Anspielungen» und zeitgeschichtliche
«Spiegelungen» von «echten»
«Einbrüchen der Zeit ins Spiel»“ usw. usf. (S.502f.)
Es sei an die grundlegende Aussage erinnert, die der ehemalige
Schmitt-Schüler, Hans Franzen, über Schmitts Vorlesungen
machte: „Das Spiel mit den Gedanken und mit den sie scheinbar
artikulierenden Menschen war manchmal atemberaubend, oft auch
unheimlich“ (S.399). Das liegt ganz auf der Linie des 27. Punkts des
„Argumenten-Katalogs“: „Ich bin ein «intellektueller
Abenteurer», ein ironischer Spieler! Die Langeweile des Lebens
ist nur auszuhalten, wenn man es ins Spiel hebt!“ (S.312) Damit im
Zusammenhang muss auf den spielerischen Umgang Schmitts mit Begriffen
hingewiesen werden, was in nachhaltiger Mythisierung und
Ideologisierung ausartete. Die Begriffsspielerei erreicht den ersten
Höhepunkt in „Der Begriff des Politischen“ (1927), wo das
„Politische“ mit dem Attribut „totalitär“ versehen wird, wodurch
es absolutisiert und ins Mythisch-Mystische entrückt wird. Schmitt
deutet Begriffe nicht nur nach seinem Dafürhalten und/oder nach
ideologischen Vorstellungen und Zielen um, sondern er „dekonstruiert“,
d.h. er drängt Begriffe durch Zerstörung in die
Lächerlichkeit und Abseitigkeit ab. Die folgenschwerste
„Dekonstruktion“ ist die systematisch betriebene Aufhebung der in
Schmitts Augen „positivistischen“ Einheit von Staat und Gesellschaft
(S.248,263,297). Mit dieser willkürlichen, eliminatorischen
Vorgehensweise, schafft sich Schmitt spekulative Freiräume und
entledigt sich des ihm verhassten „Moralisierens“ der
positivistisch-normativen Weimarer „Gesellschaft“, allerdings mit
verheerenden geistesgeschichtlichen und politischen Folgen.
Mehring komplimentiert das gegen
jede Vernunft und normales moralisches Empfinden gerichtete
Zerstörungsprogramm Schmitts, dessen eindeutig nihilistisches
Treiben, mit der fragwürdigen Bemerkung, „Die Annäherungen
[Schmitts] an eine Staatslehre stehen faktisch im Zusammenhang mit der
Rechtfertigung des Präsidialsystems und konzentrieren sich ganz
auf die Rekonstruktion10 der Unterscheidung von Staat
und Gesellschaft“. (S.263) Mit anderen Worten: Schmitts
Zerstörungswerk als „Wiederaufbau“ verklärt! Dass es sich um
den willkürlichen Versuch Schmitts handelt das Rad der Geschichte
auf einen vormodernen Stand zurückzudrehen, dass Schmitt seinen
Ruf nach einem autoritären Staats- und Führungssystem durch
konsequenten Rückgriff auf historisch längst abgeschriebene
Vorbilder legitimíert, ist Mehring keiner Erwähnung wert.
Mit seiner in Verbindung zu Schmitts Broschüre „Hugo Preuss. Sein
Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre“ (1930)
getanen Bemerkung, Schmitt wolle „die Verfassungsgeschichte der Neuzeit
nicht zurückdrehen“, (S.263), versucht der Biograf die betonte
Rückwärtsgewandtheit Schmitts ungeschehen zu machen. Zudem
führt Mehring Schmitts destruktiv-nihilistisches Programm in der
Weimarer Zeit nicht auf die vom Freund-Feind-Schema regierte
Wunschsituation zurück, die von den rechten Kräften mit
realitätsfremden Erwartungen überfrachtet wurde. Schmitt
begriff sich in diesem Zusammenhang als Angreifer und „Kämpfer“
auf Seite derer, die sich selbstgefällig zu „Revolutionären“
hochstilisierten und das etablierte politische System der Weimarer
Republik mit „totalen“ Mitteln um jeden Preis zerstören wollten.
Aus der willkürlichen Zertrümmerung der geschichtlich
gewachsenen Einheit von Staat und Gesellschaft als Voraussetzung einer
„absolut“ verfassten, autonom gehandhabten Staatslehre leitet sich auch
das eigentliche Verständnis des Rechts als „moralisierungsfreier“
Raum ab. Wenn Schmitt nun in seinem Beitrag „Die Tyrannei der Werte“,
den er im Ebracher Seminar am 23. Oktober 1959 vortrug, „die
Moralisierung des Rechts“ kritisiert (S.520), so bewegt er sich ganz
auf der bekannten Linie der Weimarer Zeit. Schmitt behandelt in „Der
Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft als Beispiel einer
zweigliedrigen Unterscheidung. Betrachtungen zur Struktur und zum
Schicksal solcher Antithesen“ (1960) (Anm.93, S.715) die
willkürlich konstruierte Trennung und Opposition von
„Gemeinschaft“ und Gesellschaft, woraus er seine Ablehnung historisch
gewachsener und gesellschaftlich definierter Werte ableitet. Auf dieser
Grundlage will er die eigentlichen, in der Zivilgesellschaft
verankerten, geschichtlich gewachsenen Werte mit von der „Gemeinschaft“
vorgegebenen „Werten“ abgelösen. Dass letztere das nationale bzw.
NS-Vorzeichen tragen, dürfte einleuchten. Ebenso
dekonstruktiv-nihilistisch verfährt Schmitt in „Die Tyrannei der
Werte ...“ (1967) (S.522), die zugleich eine Abrechnung mit seinem
Weimarer Gegenspieler Rudolf Smend darstellt. All diese Schriften
belegen, wie Schmitt weiterhin nach eben den antidemokratischen und
antihumanistischen Strickmustern funktionierte, die er bereits gegen
die Weimarer Republik ausgereizt hatte.
Dem vom Schmittianer Koselleck am
21. Januar 1953 brieflich abgegebenen zustimmenden Kommentar
bezüglich des in Verbindung mit der „Notwehr“ im Ausnahmezustand
formulierten Postulats, dass alles Recht «Situationsrecht»
sei (Politische Theologie, 1922) (S.125), entlockt Mehring die
beipflichtende Aussage: „Diese Zeilen lesen sich heute geradezu als
Forschungskeim und Lebensthema“. (S.512) Zu der ebenfalls brieflich
mitgeteilten Meinung Kosellecks zu „Politische Theologie II“ (1970),
Schmitt löse die Grundfrage, ob es überhaupt eine Theologie
gibt, „die bündig jeder Schwelle begegnen könnte, jenseits
derer politische Positionen theologisch zu bezeichnen wären [...]
[...] zugunsten der jeweiligen Situationsfrage,11 wie sich Theologie und
Politik von Epoche zu Epoche uns aufeinander zuordnen“ (S.553), will
sich Biograf Mehring nicht äußern. Er hält zwar fest,
dass Schmitt hier „eine religiös indifferente, wissenschaftliche
Theologie für möglich“ hält und „auf der eigenen
Haltung“ insistiert (ebenda), es entgeht ihm aber, dass Schmitt hier
sein Steckenpferd einer „politischen Theologie“ nun einfach in eine
„wissenschaftliche Theologie“ ummünzt. Auch die einleuchtende
Tatsache, dass es sich bei Schmitts „Theologie“-Begriffen eigentlich
nur um IDEOLOGIE handelt, bleibt Mehring verschlossen. Schmitt bietet
also in seinem Alterwerk nichts Neues, bloß Variationen schon
bekannter Themen!
9 Eine Abwandlung
des Postulats, das bereits in „Die Diktatur. Von den Anfängen des
modernen Souveränitätsgedankens bis zum proletarischen
Klassenkampf“ (1921) im Begriff der «Tathandlung» der
Notwehr (S.125) und als Leitmotiv in der „Politischen Theologie“ (1922)
vorliegt: Wer sich unter den Bedingungen des politischen
Ausnahmenzustandes zu einem Akt der Notwehr entschließt, steckt
mitten in der Situation (ebenda).
10 Hervorhebung K.P.
11 Hervorhebung K.P.
So verhält es sich auch mit den Stereotypen
„Freund-und-Feind“ und „Krieg“, die, weil auch nach 1945 in allen
möglichen Farben von Schmitt abgesungen, ein konstanter
Bestandteil Schmittscher Dogmatik sind. Bereits in „Begriff des
Politischen“ (1927) lautet der 2. Kernsatz: „Die spezifisch politische
Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive
zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und
Feind.“(S.208) In Verbindung mit Schmitts 6. Kernsatz führt
Mehring aus, dass „Völkerrechtlich eingeschränkte
Souveränität keine echte Freiheit mehr“ sei. „Wenn der Krieg
nicht als Mittel der Politik anerkannt ist, gibt es eigentlich keine
«echte», von moralisierenden und juridischen
Verfälschungen freie Politik.“ (S.211) Womit der „Krieg“ im Sinne
Schmitts als jenseits jeder gängigen Moral und die Kriegspolitik
als echte Politik eingestuft wird. In „Nomos der Erde im
Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum“ (1943) betrachtet Schmitt
den «gerechten Krieg» als «ideologisches
Begleitphänomen der industriell-technischen Entwicklung» .
(S.433) Auch „Die Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff
des Politischen“ (1963) thematisiert die Freund-Feind-Beziehung
über Clausewitz, den Kalten Krieg, den Marxismus eines Lenin und
Mao-Tse-tung hin zum Preußentum bis hin zu einer angeblich
„sauberen“ Wehrmacht. (S.530) Interessant ist die Behauptung Schmitts,
dass absolute Feindschaft einen «Abgrund der totalen
Entwertung» entzünde. Wie steht es um seine eigene
Rechtsdogmatik, die durch ihre kriegsverherrlichenden Akzente doch
einen „Abgrund totaler Entwertung“ aufreißt? Dasselbe Vorzeichen
trägt auch Schmitts Behauptung, der Krieg habe seinen „humanen“
Sinn erst in der Feindschaft. (S.530) Hier zeigt sich, wie seine
Dogmatik das Menschliche platt walzt, indem es in die absolute
Abhängigkeit von Feindschaft und Krieg gezwängt und damit auf
die tiefste Stufe verwiesen wird. Hier wird die Heuchelei des in den
20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als „Entfälscher“
angetretenen Schmitt in ihrer eigentlichen Abgründigkeit fassbar,
weil nun einleuchtet, dass er kein Durchschnittsspieler, sondern ein
FALSCHSPIELER der übelsten Sorte war. Biograf Mehring fällt
zum Spiel Schmitts mit „Krieg“ und „Humanität“ nur ein, dass „Das
Spätwerk [...] die frühen Hoffnungen auf einen Feindbegriff,
der einen neuen Nomos der Erde tragen könnte“, „detruiert“.
(S.530) Das Freund-Feind-Stereotyp büßt auch in der
„Politischen Theologie II“ (1969) seine Intensität nicht ein, weil
Schmitt Christus als einen «prometheischen» Rebell Gottes
betrachtet und «das Problem der Politischen Theologie unter die
Frage nach dem Feind zu stellen» ein «Beispiel
christologischer Einsicht» nennt. (S.552)
Der Begriff „Nomos“ belegt wohl
wie kein anderer, in welch opportunistischer Weise Schmitt es verstand
seine theoretischen Aussagen der jeweiligen politischen Zielrichtung
anzupassen. In der 1933 erschienenen revidierten Fassung von „Der
Begriff des Politischen“ verbindet Schmitt den Begriff mit der
Rechtfertigung kaiserlicher Diktaturgewalt im Kampf gegen den
„Antichrist“, bei gleichzeitiger antisemitischer Umdeutung des
sogenannten „ludus de antichristo“ (S.276), was die heilsgeschichtliche
Auslegung und Legitimierung der Diktaturgewalt und den Missbrauch
theologischer Stichworte für politisch-apologetische Zwecke
darstellt. In seiner Rede „Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts“ am
3. Oktober 1933 auf der 4. Reichstagung des Bundes
nationalsozialistischer deutscher Juristen setzt Schmitt ein
Istgleichzeichen zwischen «nomos» und «Willen des
Führers». (S.333) Der Wille des „Führers“ ist also die
Quelle konkreter Ordnungssetzung. In der Abhandlung „Über die drei
Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens“ (1934) erscheint der
Nomos-Begriff dahingehend erweitert, dass das «Volk» vom
«konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken» her die
«konkrete Ordnung» als «Nomos» bekommt. Der
«Nomos» sei laut Schmitt eine Art «Urwort» des
Rechts. (S.346) Es dürfte einleuchten, dass mit dem „Volk“ die
Deutschen und mit dem „Recht“ das „deutsche Recht“ gemeint ist. Mehring
bemerkt, dass Schmitt seit 1942 nicht mehr vom «Reich»,
sondern vom «Nomos» spricht. (S.430f.) Was darauf
hindeutet, dass Schmitt nun diesen Begriff in Synonymie zu „Reich“
setzt. Aus den Ausführungen Mehrings zu „Der Nomos der Erde“
(1943) darf entnommen werden, dass der Nomos-Begriff nun ausgedehnt
wird auf die Realitäten des vom „Großdeutschen Reich“
kriegerisch besetzten „Grossaum“. Zwar thematisiert Schmitt die
spanische „Landnahme“ in der neuen Welt, die eine Voraussetzung
für die relative Ordnung des europäischen Staatensystems
jener Zeit gewesen sei (S.432), meint aber in Analogie dazu die
„stabilisierende Ordnung“, die vom deutschen Raumgewinn, sprich von
territorialer Expansion, für Europa ausgehen würde. In der
erweiterten Neuauflage von 1950 befindet Schmitt, dass mit dem Aufstieg
der USA nur eine Zerstörung des Gleichgewichtsystems und des
gemeineuropäischen «Verfassungsstandard» der
europäischen Staatenordnung erfolgt sei, wobei kein neuer „Nomos“
etabliert wurde. (S.432f.) Diese Wirkungsbeschränkung seines
„Nomos“ nur auf Europa bzw. auf einen aus Europa ausgehenden Willen den
europäischen bzw. den globalen Raum zu ordnen, veranschaulicht
erneut, wie Schmitt seine Begriffsschöpfungen nach Belieben mit
Inhalten erfüllte und von unliebsamen Bezugsgrößen und
den damit verbundenen politischen und geistesgeschichtlichen Inhalten
abschottete – hier die Schmitt verhasste USA und deren liberalistisches
Zivilisationsmodell. Damit ist die grundsätzliche Tendenz Schmitts
angesprochen, nicht nur ihm missliebige Werte, Wertvorstellungen und
Personen bzw. Personengruppen auszugrenzen und sich selbst davon
abzugrenzen, sondern im gleichen Zug auch seine
Begriffsschöpfungen mit einer
exklusivistisch-diskriminatorisch-eliminatorischen Bannmeile zu
umgeben. All das entlockt Mehring nur Feststellungen der Art
„[Schmitt][...] argumentiert demnach überaus hermetisch“ (S.553).12
So verwundert es nicht, dass
Mehring auch die beiden hauptsächlichen Widersprüche
Schmittscher „Gelehrsamkeit“ verborgen bleiben, die in den Grundlagen
seiner politisch-juristischen Systematik und in seiner
begriffsspielerischen Methode angesiedelt sind. In seinem vernichtenden
Schlag gegen die Weimarer Verfassung, die Schmitt als Werk des
„jüdischen Geistes“ ansah, führte er in der „Politischen
Theologie“ (1922) den sogenannten „personalistischen Dezisionismus“
gegen den Normativismus der Verfassung ins Feld. Dieser Dezisionismus
entscheide faktisch im Ausnahmezustand über das Recht. Das „Wesen
der staatlichen Souveränität“ zeige sich deshalb „als
Entscheidungsmonopol“. Alles Recht sei «Situationsrecht»
und von der autoritären Entscheidung her Befehl. Der juristische
Dezisionimsus sei nur im Rahmen eines «personalistischen»
Weltbildes begründet, das allein einer individuellen Entscheidung
personale «Autorität» und «Würde»
verleihen könne. (S.124-126) Schmitt gelangt zum Postulat, dass
„die politische Autorität nur im Rahmen eines theistisch13 -personalistischen Weltbildes
gesichert ist.“ (S.128) Mit solchen Forderungen und unter solchen
Voraussetzungen vermeint Schmitt die Handlungsunfähigkeit des
Weimarer Staates beseitigen zu können, der auf der
Überzeugung gründete, dass die Legalität =
Gesetzmäßigkeit mit gesetzlichen Normen gesichert werden
kann. Die Konsequenzen dieser Schmittschen Konstruktion sind
vielfältig. Alle Entscheidungsgewalt wird auf der Ebene des
Staates in der Hand eines Einzelnen und/oder einer politischen Gruppe
individualisiert bzw. personalisiert, was einer Führer- und/oder
Einparteiendiktatur entspricht. Damit liefert Schmitt den
rechtstheoretischen Rahmen und legitimiert das endweimarer
Präsidialsystem sowie den totalitären NS-Staat. Solche
Systeme versagen dem Bürger die persönliche Würde, das
Recht auf politischen und auf allgemein-gesellschaftlichen
Individualismus und Personalismus, was praktisch der Abschaffung der
zivilen Gesellschaft in Deutschland entspricht, die auf demokratischen
Freiheitsidealen beruht. Damit ist der
erste grundlegende Widerspruch der Schmittschen Theorie benannt.
Die Folgen dieser von Schmitt mit soviel Zielstrebigkeit und
Verbissenheit betriebenen Entmündigung der deutschen
Zivilgesellschaft dürften hinreichend bekannt sein.
12 Schmitts
Begriffsspielerein konnten von seinen Schülern und Anbetern an der
Universität Bielefeld unverblümt weitergeführt werden.
Dabei bleiben die „Systeme“ Kosellecks und Luhmanns keinen Deut hinter
dem Einfallsreichtum ihres Meisters Schmitt zurück.
13 Die individuelle Entscheidung wird in der Weise
„Gottes“ gefällt und diese politische Autorität fungiert wie
ein „Gott“.
Schmitt macht 1927 in „Der Begriff des Politischen“
das „Politische“ an der „Unterscheidung von Freund und Feind“ fest,
erhebt es in den Stand des „Totalen“ und postuliert, dass es immer die
Gruppierung bestimmt, die sich an dem Ernstfall orientiert (S.208-210).
Auf diese Weise verleiht er den selbsterklärten „Rettern
Deutschlands“ einen Sonderstatus im Kampf gegen die Weimarer Republik
und deren „jüdischen Geist“. Es gilt das Weimarer
Mehrparteiensystem zu zertrümmern, weil es laut „Der Hüter
der Verfassung“ (1931) ein Hort sogenannter „Politisierung“ ist, die
dadurch, dass sie Parteigehorsam fördere, zum einen verhindere,
dass «Treue gegen den Staat und seine Verfassung»
geübt wird, zum anderen die „Neutralität“ der Beamtenschaft
verhindert würde und schließlich Parlamentarismus und
Wirtschaftsstaat unvereinbar seien. (S.258f.). Hierin liegt der zweite grundlegende Widerspruch von
Schmitts destruktivem Ansinnens. Zum einen spricht Schmitt in
elitärer Zuspitzung den republikfeindlichen Kräften den
ausschließlichen politischen Status zu, unter gleichzeitiger
Entrechtung des republiktragenden Parteienspektrums, dem er das Recht
auf Politik abspricht. Zum anderen erweist sich die als Vorbedingung
für die sogenannte „Entpolitisierung“ intendierte politische
„Neutralität“ als weiterer Vorwand, weil die Machtkonzentration -
im autoritären Präsidialstaat in der Person des
Reichspräsidenten und im totalitär verfassten und
funktionierenden NS-Staat in der Person des „Führers“ und seiner
NSDAP- einer zweiten mythisierten und mystifizierten Größe,
dem (deutschen) „Volk“ eine von der totalitären NS-Ideologie
kontrollierte politische Rolle zubilligt. Wie „neutral“ und
„unpolitisch“ die NS-Beamtenschaft in dem von Schmitts erträumten
und dann verwirklichten totalitären „Volks-Staat“ war, belegen die
zahlreichen von eben diesen Beamten verübten und von
Schreibtischtätern wie Schmitt ermöglichten Verbrechen. Einen
Hinweis auf diese beiden Hauptwiedersprüche Schmittscher Dogmatik
bleibt Biograf Mehring ebenfalls schuldig.
So gesehen raubt das
zwiespältige Verhältnis des Biografen Mehring zu Schmitt den
wenigen Stellen, die kritische Töne vernehmen lassen (S.277, 345,
347, 377, 445, 505), die Glaubwürdigkeit. So soll Schmitt „seine
Verfehlungen allenfalls einem Gott“ gebeichtet haben (S.483), was zur
dringenden Frage zwingt, wo Gott geblieben war, als Schmitt den NS
juristisch untermauerte? Und wenn „Seine Mitwelt [ihm] zwar manche
Eskapaden“ verzieh und „ihn den Glückspilz
– bisweilen gar kindlich und einfältig“ fand (ebenda), so
entspricht das dem verharmlosenden Image eines „bösen Buben“,
wodurch die anschließenden Bemerkungen ins Leere laufen: „Das
aggressive Ressentiment, mit dem er seine Rolle nach 1945 dann
verdrängte und verleugnete, verprellte manchen Weggenossen.“
Ebenso, dass Schmitt „eiserne Rituale der Tabuisierung“ entwickelte,
seine Rolle „schönte“ oder seine Mitwelt auf „apologetische
Legenden und Lesarten“ einschwor und „sich in eine hermetische
Interpretation“ einsponn. (ebenda)
Mehrings „Biografie“ gliedert
sich somit nahtlos in den etwa seit Anfang der 90er Jahre des vorigen
Jahrhunderts aufgekommenen Schmitt-Kult bestimmter Kreise, die sich dem
fragwürdigen Ziel verschrieben haben die überaus
problematische und von Widersprüchlichkeiten durchlöcherte
Persönlichkeit und Rechtsdogmatik des „Kronjuristen“ und sein
antidemokratisch und antihumanistisch geprägtes Gedankengut wieder
in Umgang zu bringen, selbst mit der Absicht „globaler Diskussion“.
Dabei scheint weder die fundamental antiuniversalistische, also
eigentlich auch antiglobalistische Zielrichtung der Schmittschen
Ideologie zu stören, noch, die Notwendigkeit als zwingend
empfunden zu werden, beim Umgang mit NS-Gedankengut - Schmitt war
schließlich nicht irgendein Nationalsozialist -
Distanzierungsvermögen und Objektivität mitzubringen. Da, wo
also besondere Vorsicht walten sollte, wird mit Schmitt als
Spitzenexponent des NS kokettiert. Im selben Zug wird fragwürdigem
Gedankengut durch die Hintertür wieder Salonfähigkeit
verschafft.
Aufschluss über Schmitts
politischen und geistigen Extremismus sowie über einige
Fehleinschätzungen des Biografen bieten die vom Rezensenten
für manche Seiten der Schmitt-Biografie formulierten Seitenübertitelungen:
S. 125: Willkürliche Ordnung; Das aus dem Ausnahmezustand geborene
Recht; Legitimität vor Legalität
S.126; Das Entscheidungsmonopol setzt die Macht voraus; Im
Ausnahmezustand muss Recht geschaffen werden
S,187: Schmitt, der Alles- und Besserwisser! Er maßt sich an, der
Wahrheit letzten Schluss zu besitzen
A.188: Einkreisungspsychose; Anmaßung, die Patentrezepte zu
besitzen, quasi ein Gralshüter und Erlöser zu sein
S.189: Der Sendungsbewusste, der Retter
S.192: Realität mit Begriffen in den Griff bekommen
S.193: Welch große Werte! Schmitt zielt sehr hoch
S.194: Der Judenentlarver
S.197: Der Historiker Meinecke als „Feind“
S.198: Was Schmitt nicht in den Kram passt, ist „Mythos“
S.199: Außerordentlichkeit – Ausnahmezustand; Dekonstruktion –
destruktiv
S.203: Enge Beziehung zu den „Deutschen Christen“
S.207: angeblich aus „Beobachterperspektive“
S.208: Der Staat beruht auf Freund-Feindunterscheidung; Der „totale“
Staat
S.209: Totalitarismus
S.210: Reinheit (Absolutheit) des Krieges = Purismus; der Kriegsbegriff
darf nicht durch pazifistischen Moralismus verunreinigt werden
S.211: Spezifische „Totalität“ des Politischen = Konstrukt
S.212: Anspruch auf Restitution der vom Liberalismus „denaturierten“
staatlichen und politischen Vorstellungen = Anmaßung
S.214: Schmitt, der „Entfälscher“; Liberalismus = Heuchelei und
Verfälschung
S.216: Schmitt stülpt Deutschland die Totenmaske über
S.225: Schmitt, der Diktaturbesessene; Anti-Humanität gilt bei
Schmitt als Humanität
S.235: Begrifflich-theoretische Verwirrungen gehen einher mit sexuellem
Durcheinander
S.236:Don-Juanismus; krankhafter Schmitt – krankhafte Theorie
S.237: Der sexbesessene Schmitt
S.239: Gefahrenpsychose
S.240: Demokratieretter ?
S.242: Schmitt sorgt sich um die Demokratie !!!
S.245: Schmitt als Mitglied der „neuen Elite“
S.248: Schmitts Willkür bei der Handhabung von Begriffen
S.249: Reduktionismus; Begriffliche Vergewaltigung der Realität,
nicht Klärung !
S.250: Schmitt treibt Ideologie
S.251: Schmitts Staatsbesessenheit
S.252: Der herrschaftszentrierte Schmitt
S.255: Stereotyp „natürliche Ordnung“
S.258: Staatsbesessenheit – Spekulation
S.259: Stabilisierung durch Machtkonzentration – Illusion der
Entpolitisierung ! Verengung hin zur politischen Enggleisigkeit und Enge
S.260: 1930 – Schmitt warnt vor „gefährlichen Experimenten“
S.261: 1931 – Schmitt spricht die Überflüssigkeit von
Grundrechten aus
S.262: Weimar – der „Privilegienstaat“ – Kritik am Weimarer
„Justizstaat“
S.265: Spiel mit Begriffen
S.267: „Positiver“ Verfassungsbegriff öffnet der politischen
Willkür das Tor
S.268: Schmitts „Basta“-Orientierung; Schmitts Geltungsbedürfnis
S.269: Schmitt als kaltblütiger Henker von Begriffen und
Gesellschafssystemen mittels Begriffen, die er zu Konstrukten verdichtet
S.273: Der rachsüchtige Schmitt
S.275: Die Geschichte, das Leben, die Gesellschaft sind kein
mittelalterliches Spiel !
Schmitt und seine Schüler – der neue Erlöser und seine
Jünger
S.276: Kampf als Oberbegriff; Schmitt als theoretischer/ideologischer
Heilsbringer; Apologet der (Präsidial)Diktatur
S.278: Schmitt stilisiert „Randphänomene“ hoch zu zentralen Fragen
S.279: Gerechtfertigte Reaktion jüdischer Denker auf Schmitts
Kahlschlag
S.280: Jung: Schmitt „lockert“ auf.
S.281: Schmitt als „graue Eminenz“
S.282: Schmitt ist nur im Vorhof der Macht ?
S.284: Mit dem Begriff der
„Legitimität“ als Gegenbegriff zu „Legalität“ öffnet
Schmitt der Willkürlichkeit Tor und Tür
S.287: Das „deutsche“ Verfassungswerk – Schmitt, der gewollte Wert- und
Wahrheitsmonopolist
S.289: Einseitige Begründung des „Preußenschlags“
S.290: Schmitt als zentraler Akteur bei der Festigung des
diktatorischen Staates – Missbrauch immer nur auf der Seite des
missliebigen politischen Gegners
S.291: „Notstandsplan“ unter Schmitts Federführung zustande
gekommen, dient nur der Zeitgewinnung
S.292: Schmitt soll Verfassungsentwurf erstellen
S.293: Eindeutiges Kokettieren mit dem NS
S.294: Gegen den Parteienstaat, aber nicht gegen die NSDAP
S.295: Schmitt kommt mit seiner „Reichs“-Anhänglichkeit nicht zu
weit – Die Diktatur des Reichspräsidenten muss zurückstecken
S.297f. Klare Richtung: Schmitt wirbt bei der Großindustrie
für den Diktaturstaat
S.298: Umgestaltung von oben = der totale Staat
„Krisenmanager“ = Strippenzieher
S.300 Der „Kämpfer“ Schmitt.
S.301: Schmitt wieder keine eindeutigen Worte gegen Hitler oder die
NSDAP
S.305: Schmitt ganz auf Hitlers Seite
S.306: Schmitt findet sich eigentümlich schnell im NS-Jargon
zurecht
S.307: Schmitt, der Apostel des Un- und Antirechts
S.309: „Ein anderer Mythos muß her!“
Schmitt ist von sich selbst eingenommen – Überschätzung
S.321: Schmitt als Legitimator und ideologischer rechtfertiger des NS
S.323: Schmitt hat sein Ziel erreicht !
S.324: Völkischer Rechtsbegriff
S.340: Der Sinnstifter, deren es damals nur so wimmelte
S.346: Normativismus versus „konkrete Ordnung“ / Nomos
S.347: Ideologisierung
S.350: zu Anm. 43: Der mit dem Verbrechen paktiert hat
S.352: Schmitt rechtfertigt jedes NS-Unrecht
Die entfesselte Willkür
S.355: Der Führer Schmitt
S.359: Antisemitische Stoßrichtung als Ersatz – Schmitts Texterei
hatte niemals Niveau
S.361: „Verwissenschaftlichung“ des Antisemitismus
S.365: Schmitt in der internationalen Diskussion
S.367: Rechtsbegriff Mensch verworfen – Unmenschlichkeit
S.368: Schmitt begutachtet die Besetzung von Lehrstellen
S.371: Antisemitische Veranstaltung – Schmitt, der NS-Scharfmacher
S.373: Erforschung des „jüdischen Geistes“
S.374: Höhepunkt der Ideologisierung
S.381: Totaler Staat von „Politisierung“ zu trennen
S.382: Petersen: Totalisierung ist Mythisierung
Philosophische Begründung der Totalität
S.385: Der offen mythisierende Schmitt
S.387: Was hätte Schmitt getan, wenn es den ewigen Juden nicht als
Sündenbock/Hassobjekt der Abreaktion gegeben hätte ?
S.390: Schmitt legitimiert den Krieg
S.391: Schmitt, der Mythenklopfer
S.392: Der Reichsanbeter
S.396 Der „Prophet“ Schmitt
S.401: Der „deutsche Geist“
S.404: Großraumlehre
S.407: Annäherung an Jünger
S.408: Schmitt teilt mit Jünger den Symbolismus als spielerische
Ablenkung
S.409: Keine effektive Distanznahme, sondern Nachdenklichkeit
S.419: Nationalistische Revision der Verfassungsgeschichte soll nur
Schmitts Schüler Huber betrieben haben
S.441: Schmitt lehnt alle Konsequenz ab
S.446-450: Der würdelose Schmitt
S.451: Schmitt schlägt aus der Mehrstufigkeit/-gradigkeit des
NS-Fanatismus Kapital
Der nicht böse Bube Schmitt
S.452: Schreibtischtätertum
S.455: Schmitt fällt sein Urteil über andere schnell
S.457: Schmitts ideologische Konsequenz zur NS-Zeit entspricht
Fanatismus, seine Inkonsequenz der Nachkriegszeit seinem Opportunismus
S.483: Wo blieb Gott, als Schmitt den NS juristisch untermauerte ?
S.501: Höhepunkt der Mystifizierung/Mythisierung der eigenen Person
S.503: Spiel im Spiel mit Mitteln der Anspielung, Andeutung,
Understatement
S.529: Freund-Feind-Dogmatik
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Kritische
Blaetter zur Geschichtsforschung und Ideologie
Die
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Text verfasst: 23.04.2010 Datei:
Schmitt.html
Erstellt: 23.04.2010
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Autor und ©
Klaus Popa