„Heute ist sein Werk Gegenstand globaler Diskussion“1  oder Strategie der Exkulpierung und Apologie in biografischem Gewand
Zu:
Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, C.H. Beck München 2009


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        Es erfordert allerhöchste Sorgfalt der recht schwierigen Problematik „Carl Schmitt“ mit biografischen Mitteln gerecht zu werden. Die Belobigung mancher Rezensenten, Reinhard Mehring habe die bisher beste Biografie Schmitts geliefert, sollte zumindest auch genanntem Kriterium Genüge leisten. Es gelingt zwar Biograf Mehring durch die extensive Einflechtung von bisher unbekannten Einträgen aus Schmitts Tagebüchern bis 1933 den Menschen in seiner Widersprüchlichkeit zu vermitteln und auf diese Weise dessen professionelle Höhen und Tiefen in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Denn die Tagebuchangaben verdeutlichen den sprunghaften, zuweilen bei der Wahl seiner Partnerinnen bedenkenlosen Mann, der selbst, als er in zwei Ehen aufging, den lockeren Umgang mit dem anderen Geschlecht nicht aufgab. Diese eindeutige Unstetigkeit kompensierte Schmitt mit intellektuellen Fähigkeiten, die viele Zeitgenossen beeindruckten und überzeugten. Die treibende Kraft dabei war der im 42 Punkte umfassenden „Argumentenkatalog“ (S.311f.) an 27. Stelle stehende Punkt „Picaro-Argument“ für seinen Entschluss den Weg Hitlers zu gehen: „Ich bin ein «intellektueller Abenteurer», ein ironischer Spieler! Die Langeweile des Lebens ist nur aufzuhalten, wenn man es ins Spiel hebt!“ (S.312). Auf die privat-persönlichen Gründe für Schmitts Abdriften weist auch Verlagslektor Franz Blei hin (S.315), mit dem Schmitt bis zum Einzug des NS briefliche und publizistische Kontakte pflegte. Sein Hang zum „Spiel“ blieb leider nicht auf die sexuelle Ebene beschränkt; Schmitt lebte diesen Trieb vollends auf der Ebene seines juristischen Tun und Lassens mit fatalen Folgen aus. Er liebte es mit Begriffen zu spielen und vermeinte in den von ihm selbst geschaffenen juridischen Paradigmen und Konstrukten der politischen Realität der niedergehenden Weimarer Republik, aber vor allem der sich düster abzeichnenden NS-Diktatur und schließlich dem durch diese entfesselten Expansion- und Vernichtungskrieg gerecht zu werden.

           Biograf Mehring bemüht sich zwar, aufgrund zahlreicher intimer Tagebuchdetails Schmitt ein menschlich-allzu menschliches Erscheinungsbild zu verpassen, er greift auf üppiges, zum Teil bisher unbekanntes Korrespondenzmaterial zurück, illustriert seine Biografie mit Fotos einiger Emigranten, denen er aussagekräftige Zitate beigibt. Doch es darf ernsthaft bezweifelt werden, dass diese Biografie es insgesamt schafft die Sympathie des Lesers für Schmitt zu erwecken, weil die nähere Betrachtung des biografischen Verfahrens zum ernüchternden Ergebnis führt, dass Biograf Mehring durch seine zweigeleisige Verfahrensweise eine störende und verwirrende Zweideutigkeit auslöst. Der Biograf möchte den Eindruck erwecken, dass er den dokumentierten Aussagen und Fakten absoluten Vorrang einräumt, ihm also keinesfalls der Vorwurf gemacht werden könnte den Leser in irgendeiner Weise bevormunden, beeinflussen oder gar vorgefertigte Meinungen der Leserschaft bestärken zu wollen. In dieselbe Richtung zielen auch wiederholte Verweise auf Schmitts tief verwurzelten Antisemitismus (zuerst auf S.69, dann S.74, wo Schmitt mit seinem »jüdische[n] Komplex« zitiert wird; S.76,82,128,163167,170,188 u.ö.) und auf die undankbare Art, wie er seine jüdischen Kollegen nach der „Machtergreifung“ einfach fallen ließ und sich mit Leib und Seele dem radikalen antisemitischen Kurs der Nazis verschrieb. Im erwähnten „Argumentenkatalog“ macht sich Schmitts Zynismus Luft, als er in Punkt 23, „Die fehlende Alternative“, bemerkt: „Als deutscher Jurist kann ich nur in Deutschland arbeiten! Ich kann nicht emigrieren!“ (S.312) Die zynische Anspielung auf seine zahlreichen Anwaltskollegen und Verlegerfreunde jüdischer Herkunft, die bald nach der „Machtergreifung“ Deutschland verlassen mussten und dass zudem Schmitt selbst mit seiner juristischen Spitzfindigkeit es war, der maßgeblich dazu beigetragen hatte, hinterlässt einen schalen Geschmack und trägt in keiner Weise dazu bei, dem „Kronjuristen des (Dritten) Reiches“ Sympathiepunkte einzubringen.

1. Mehring, S.245.


        Kontraproduktiv erweisen sich die häufigen Textstellen der Biografie, die gezielt relativieren und somit den Eindruck gewollter Verharmlosung erwecken. Dahinter verbergen sich zweifelsohne mehrere Beweggründe: Mehring möchte Schmitts fragwürdige, rechtslastig-rechtsextremistische Tätigkeit in der Weimarer Republik und anschließend im „Dritten Reich“ den Stachel nehmen. Damit beschreitet der Biograf den Weg, die zweifelhaften juristischen Kniffe Schmitts im Dienste der republikfeindlichen und für eine Staatsdiktatur optierenden Kräfte schön zu färben und Schmitts Linientreue zum NS-Staat zu verharmlosen. So will Mehring in Verbindung mit „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1923) feststellen, dass Schmitt „das juristische Denken in eine historische Spannung zur Moderne“ gebracht habe. (S.160) Welche verheerende Qualität diese sogenannte „Spannung“ für die weitere Entwicklung der deutschen Rechtsgeschichte wie für den rapiden Niedergang Deutschlands besitzt, dazu äußert sich Biograf Mehring nicht. Dass es sich eigentlich um die schrittweise Demontage des Legalitäts- und Legitimitätsverständnisses der Weimarer Republik handelt, woran Schmitt tatkräftig Hand anlegte, wird auch nicht aus der beiläufigen Bemerkung Mehrings über „eine heterogene Gruppe von »Anti-Positivisten«, die die Differenz von Recht und Gerechtigkeit, Legalität und Legitimität neu entdeckte“ (S.166), ersichtlich. Im Gegenteil, Mehring adelt diesen begriffsspalterischen Komplex und dessen Vertreter , indem er ihm das Prädikat einer recht fragwürdigen „Neuheit“ anhängt. Dabei unterschlägt er, dass es sich um eine Verfahrensweise handelt, die sich ausschließlich willkürlicher Differenzierungen bedient, mit dem ausgewiesenen Ziel die historisch gewachsene, aber diesen Kräften unliebsame, ja unheimliche Demokratie der Weimarer Republik auf dekonstruktivistisch-zerstörerische Weise mit einer totalitären Staatsform abzulösen.

        Die Einstufung von Schmitts „Verfassungslehre“ (1927) als „magistrales Werk“ (S.206), ist kaum als Ablehnung zu verstehen. Und die Feststellung, Der „Begriff des Politischen“ (1927) entwickele „keine politische Philosophie“ (S.207), ist viel zu neutral gehalten, um die eigentliche Sprengkraft dieser Schrift zu verdeutlichen. Denn hier legt Schmitt die Grundlagen seiner „Totalität“ des Politischen fest, dem die sonst gültige, aber von ihm verworfene Einheit von Moral und Politik, Ethik und Ökonomie als Ballast hinderlich ist, was in späteren Schriften in der willkürlichen Auseinanderdividierung von Staat und Gesellschaft kulminiert (vgl. S.219, 248, 263, 297). Auf diesem Hintergrund kann die Bemerkung Mehrings „Dabei aber hielt er aber ein funktionierendes parlamentarisches System lange für wünschenswert“ (S.221) nur als weiterer Verharmlosungszug gedeutet werden.

        Der Distanzierungsvermögen und Objektivität voraussetzende Begriff „Beobachterperspektive“ erfährt im Verlauf der Schmitt-Biografie einen erstaunlichen Wandel. Zunächst heißt es, dass Schmitt mit seiner Programmschrift „Politische Theologie“ „die Beobachterperspektive verlässt und seine Positionen und Begriffe politisch engagiert“ einbringen wird. (S.124) Später heißt es, dass Schmitt sich in diesem Text auf eine Beobachterperspektive beschränkt und als politischer Theoretiker aus eben dieser Perspektive argumentiere. (S.207; S.212) Mehring will hier in verharmlosender Weise das eindeutige politische Engagement Schmitts, das sich in kriegstreiberischem und militantem Pathos erschöpft, ins Gegenteil umdeuten. Besonders störend wirken Textstellen, die sich einer ausgeklügelten euphemistischen Formulierungsweise bedienen. Die eindeutig antihumanistisch-antiuniversalistische Sichtweise Schmitts in „“Der Begriff des Politischen“ (1927) sei „anthropologischer Pessimismus“ (S.212). Auch in Schmitts Schrift „Der unbekannte Donoso Cortés“ (1928) handle es sich um diese Art Pessimismus. Donoso Cortés war für Schmitt von hervorragender Bedeutung, weil dieser nach der Revolution von 1848 eine Theorie der Diktatur aufgestellt hatte. Diesen Mann idealisiert Schmitt und belobigt ihn zudem - in eklatantem Widerspruch zum gesunden Menschenverstand - für seine „Humanität“. (S.225). Ausweichend verhält sich Mehring auch, wenn er die rechtsradikalen Gruppen, mit denen Schmitt in Weimar verkehrte und die er mit dem Begriff „neue Elite“ auszeichnet (S.270), „esoterische Zirkel“ nennt. Der „Privatdiskurs“ Schmitts sei laut Mehring ebenfalls „esoterisch“ gewesen. (S.276)

        Die geringe Neigung des Biographen sich von seinem Gegenstand zu distanzieren spricht auch aus der Behauptung, Schmitt habe in den publizistischen Kreisen der Weimarer Endzeit endlich „ein antibürgerliches Milieu“ gefunden, in dem er Avantgarde des Weltgeistes und «Gestalt» des 20. Jahrhunderts sein kann“ (S.269). Eindeutige Schwierigkeiten zu Schmitts Persönlichkeit kritische Distanz zu gewinnen belegt auch der unter dem Zeichen der „Verantwortlichkeit“ abgegebene langatmige Kommentar, dass es „Insbesondere in einer Krisenlage [...] geradezu staatsbürgerliche Pflicht“ ist, „eine solche Rolle
2  zu übernehmen. Von dieser politischen Berufung des Juristen lässt sich das Werk auch interpretieren“. (S.281) Diese Argumentationsweise erinnert an die Art und Weise, wie NS-Täter sich vor Gerichten zu exkulpieren versuchten, nach der stereotypen Floskel „man habe doch nur seine Pflicht getan“. Selbst wenn man das gelten ließe, steht es um Schmitt nun so, dass er weit über seine „Pflicht“ hinausgeschossen hat. Und welchen Gewinn bringt es, wenn Mehring auf den Seiten 301, 302, 305, 307, 308 in unterschiedlicher Nuancierung wiederholt betont, Schmitt sei Hitler und dem NS gegenüber zunächst ablehnend und zögerlich-reserviert gewesen, habe sogar den Versuch unternommen, die „Machtergreifung“ durch Hitler zu verhindern, wenn er am 27. April 1933 mit Wirkung vom 1. Mai 1933 in die NSDAP eintrat? Schmitts NSDAP-Mitgliedschaft ist eher als Outing seiner angestauten NS-Sympathie zu werten. Deshalb kann auch die vom Mehring spät angesetzte krasse Radikalisierung Schmitts nicht überzeugen. (S.309f.) Ebenso unhaltbar ist der Versuch des Biografen, Schmitts offene Option für den NS auf einen „Verlust an Alternativen“ zurückzuführen (S.310), wo Schmitt doch aus einer von tiefstem Judenhass genährten Überzeugung allein auf den totalitären „Präsidial-„ bzw. „Führerstaat“ setzte. Deshalb stimmt es auch nicht, dass Schmitt nach Januar 1933 mit seinen Entscheidungen „gerungen“ habe (S.310). Und was soll man davon halten, dass Mehring einfach zur Kenntnis nimmt, dass Schmitt den NS als „Revolution“ erkannte (S.313), ohne hinzuweisen, dass alle politischen Bewegungen, die sich in narzisstischer Weise als „revolutionär“ und messianisch überhöhen, der „revolutionäre“ Charakter grundsätzlich abzusprechen ist ?

2. Als politischer Berater.


        Unhaltbar ist auch die Behauptung, Schmitt habe im Gegensatz zu seinem Schüler Huber „kaum die nationalistische Karte“ gespielt. (S.319) Zwar thematisiert Schmitt in der „Politischen Theologie“ (1922) das moderne «Nationalbewusstsein», eine «organische» Metaphysik und ein organisches Staatsdenken, das den Übergang vom Absolutismus zur Demokratie markiere, (S.127), was nicht ausschließt, dass er damit das deutsche Nationalbewusstsein meint. Mit dem Adjektiv „genealogisch“ und dem Syntagma der „kulturellen Prägung3 euphemisiert Mehring die deutschnationale Einstellung Schmitts. Er möchte dessen Religionssoziologie von der Webers dadurch unterscheiden, dass sich Schmitt „auf die deutschen konfessionellen Verhältnisse, auf Judentum und Christentum“ konzentriert, aber „sich mit Weber in den hermeneutischen Innenraum seines Weltverhältnisses“ stellt und „die konfessionelle Prägung und Herkunft genealogisch“ betrachtet, mit dem Zusatz, dass „Schmitt keine «abstrakte» Humanität und keinen «neutralen» Stand jenseits der kulturellen Prägung“  kennt. (S.128) Schmitt vertritt den gediegensten Nationalismus, wenn er im 5. Kapitel von „Der Begriff des Politischen“ (1927) die Einheit von Staat, Volk und Nation postuliert. (S.211) Auch die Argumentsätze 23 und 34 (S.312) sind eindeutig national geprägt: „Als deutscher Jurist kann ich nur in Deutschland arbeiten. [...]“; „Das großdeutsche Argument: Hitler steht für die Zugehörigkeit Österreichs zur deutschen Nation!“ Und nichts kennzeichnet Schmitts Deutschzentriertheit so sehr, wie seine Tätigkeit an der vom späteren „Generalgouverneur“ Hans Frank bereits 1933 gegründeten „Akademie für Deutsches Recht“, wodurch klar wird, dass Schmitts „Sinn-„ und „Rechtsstiftung“ nach „deutscher Art“ eben diesem fiktiven „deutschen Recht“ galt, das bekanntlich so viel Unheil über die Völker Europas brachte. Und noch ein Punkt für Schmitts dezidierten Deutschnationalismus ist die lebenslange Beziehung zum späteren „Deutschen Bischof“ Oberheid, der jene extremistische Ausrichtung der evangelischen Kirche vertrat, die sich als „Deutsche Christen“ tituliert die Verschmelzung von Glaube und NS unter Verdammung des „Alten Testaments“ als „Judenwerk“ propagierte, in Jena ab 1939 das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ betrieb und einen messianischen Hitler-Kult im Sinne einer „Völkischen Theologie“ pflegte.

        Schmitt spricht unter Punkt 29 des „Argumentenkatalogs“ aus, dass die Rachsucht ein Bestandteil seines Charakters war: „Das Ressentimentgefühl: Alle missachten und betrügen mich! Jetzt schlage ich zurück!“ (S.312) Mit dieser Disposition möchte Mehring Schmitts Aufgehen im NS begründen; er soll sich nämlich in seiner Kölner Antrittsvorlesung vom 16. Juni 1933 „Reich-Staat-Bund“ „Mit den Nationalsozialisten“ „für seine Niederlage von 1932“4  rächen wollen. (S.321) Ebenso abwegig ist es, wenn Mehring in Verbindung mit dem polemischen, antisemitisch geladenen Artikel „Die deutschen Intellektuellen“ vom 31. Mai 1933 im Westdeutschen Beobachter davon spricht, dass Schmitt sich hier selbst „verleugnet“ (S.325), wo er auf Schmitts Antisemitismus mehrmals hingewiesen hatte. Auch bleibt es rätselhaft, wieso die von Schmitt herausgegebene Reihe „Der deutsche Staat der Gegenwart“ „wichtig“ ist (S.341), wo es sich um ein Sammelsurium von Schriften handelt, die mit ideologischer Verbohrtheit „Sinn“ im Geiste des NS „stiften“ wollten. 

        Die auf Schmitts Exkulpation hinzielende relativierend-verharmlosende Tendenz Mehrings erreicht ihren Höhepunkt dort, wo er mit dem Euphemismus „ironisch“ die eindeutige NS-Hypothek Schmitts in Distanznahme umfunktionieren möchte. So heißt es zu Zeitungsartikeln im Westdeutschen Beobachter im Mai und Juni 1933, die die NS-Revolution preisen, „Man könnte ein ironisches Programm der Entpolitisierung5  herauslesen, wäre da nicht der polemische Ton“ (S.324). In Verbindung mit „Disputation über den Rechtsstaat“ (1935) von Günther Krauss und Otto von Schweinichen in der von Schmitt herausgegebenen Reihe „Der deutsche Staat“ heißt es, dass Schmitt damit seine „juristisch-institutionelle Sinnanalyse einer nationalsozialistischen «Verfassung»“, die „an der destruktiven Dynamik des «Führerstaates» gescheitert“ sei, zu einem „doppelbödig-ironischen, mephistophelischen Abschluss“ gebracht habe. (S.355) Ebenfalls der Ablenkung dienen die im Unterkapitel „Die antisemitische Sinngebung“ (S.358-380) fallenden Bemerkungen des Biografen. Das absurde Ziel Schmitts den Antisemitismus zu „verwissenschaftlichen“ entlockt Mehring zunächst nur die geschmacklose Bemerkung: „Der ironische Spieler agierte wie eine Gestalt Shakespeares.“ (S.359) Der spätere Versuch Mehrings, seine vorherige Übertreibung mit der Aussage „Seine aberwitzige «Verwissenschaftlichung» des Antisemitismus [...]“ (S.361) zu neutralisieren, läuft eindeutig ins Leere.

3 Hervorhebungen K.P.
4 Als seine Versuche theoretisch für ein Präsidialsystem unter Schleicher einzutreten einfach von der großen Politik übergangen wurden. 
5 Hervorhebungen K.P.



        Zum «Gelöbnis der Teilnehmer der Tagung» „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ (Oktober 1936) der Reichsgruppe Hochschullehrer, deren Führung Schmitt damals noch inne hatte, fällt Mehring nur die Bemerkung ein: „An den Minister gesandt, dürfte es von einiger6  Verbindlichkeit gewesen sein“. (S.375) Und was möchte der Biograf mit der Feststellung ausdrücken, dass Schmitts „Polarität von jüdischem Chaos und jüdischer Gesetzlichkeit" „als «idealtypische» Fixierung von Polaritäten“ „ungeheuer wissenschaftlich“ klingt, um dann hinzuzufügen: „Ihr Sachgehalt tendiert aber gegen Null“ ? (S.376) Möchte Mehring damit den Objektbezug von Schmitts antisemitischer Rage in Frage stellen ? Angesichts dieser inkonsequent-verwirrenden Betrachtungsweise können die nachgeschobenen Beteuerungen „Sein [Schmitts] Werk ist an einem Tiefpunkt angekommen.“; „Das pseudowissenschaftliche Fazit ...“ und „[...] das persönliche Ressentiment“ (S.377) nicht überzeugen. Hier kommt auch die berechtigte Frage auf, ob Schmitts Werk jemals andere „Höhepunkte“ zu verzeichnen hatte als die Verleumdung und Verhöhnung hin bis zur Exekution all dessen, was ihm nicht genehm, undeutsch und jüdisch war !

        Absolut takt- und geschmacklos ist es, ahnungslos zu tun gegenüber einem Mann vom Kaliber Schmitts, der in seinem, krankhafte Züge annehmenden Geltungsdrang, gepaart mit Selbsteingenommenheit, in das Zentrum der politischen Macht drängte und sich dann als vielgefragter Ideologe des „Reiches“ bis nahe ans „Führer-Zentrum“ heranarbeitete. Es sei daran erinnert, dass es Schmitt bereits vor der „Machtergreifung“ gelungen war, sich im Gewand des Staatsrechtlers als geistiger Monopolist, also als Meinungsmacher zu etablieren, indem er sich eine eigene zentrale Stellung als politischer „Berater“ bzw. „Kronjurist des Reiches“ sicherte. Dabei war sein arrogantes Gehabe entscheidend. Im „Argumentenkatalog“ bezeichnet er sich als „deutscher Jurist“, der es als einziger „richten“ kann (Punkt 25), der der „Größte“ sei (Punkt 28) (S.312), der sich als Retter in Gestalt des Werte- und Wahrheitshüters in Szene setzt, wie das in „Legalität und Legitimität“ (1932) geschieht, wo er von der Notwendigkeit spricht, den „Gedanken eines deutschen Verfassungswerkes“ - im Gegensatz zur „jüdischen“ Herkunft und Ausrichtung der Weimarer Verfassung – zu verwirklichen. (S.287) Er hatte sich bereits 1923 mit der militärischen Besetzung des Rheinlandes und des Ruhrgebietes in die Pose des sendungsbewussten Retters geworfen, als er laut Mehring „es nun als seine Aufgabe betrachtete, die Machtverhältnisse auf den Begriff zu bringen und die Rechtsfrage zu stellen.“ (S.189) Schmitt maßte sich in der Folge in „Der Begriff des Politischen“ (1927) die Rolle des „Entfälschers“ des liberalen Gedankenkreises an, den er als „heuchlerische Verfälschung der politischen Welt“ und als „Verschleierung ökonomischer Absichten durch ethische Rhetorik“ abqualifiziert. (S.213) Den bereits von Schmitts Gegenspielern gebrachten Einwand, das entspräche einem „machtstaatlichen Anti-Universalismus“, will Mehring mit der Frage „Muss der politische Anti-Universalismus ein ethischer Antiuniversalismus zur Folge haben?“ nicht gelten lassen. (S.214) Daraus darf geschlossen werden, dass der Biograf entweder nicht Herr dieser Begriffe ist, oder die von Schmitt systematisch betriebene Abdrängung kulturellen Erscheinungsformen und Kernbegrifflichkeiten ins Nichts befürwortet.

        So verwundert es nicht, dass Mehring im nächsten Schritt den Humanismus- und Demokratiefeind Schmitt in den Gelehrtenstand erhebt, eben den Mann, der seine bellizistischen Ansichten bereits in „Der Begriff des Politischen“ auf Grund des „Freund-Feind“-Stereotyps entwickelte; den Mann, der mit dem Bericht über „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegbegriff“ im Zuge des „Anschlusses“ Österreichs prompt die Rechtfertigungsbegriffe „Raumrevolution“ bzw. „Grossraumordnung“ für den territorialen Expansionshunger des Nazireiches theoretisch untermauerte. So soll Schmitt in dem als «Kampf gegen den jüdischen Geist in der Rechtswissenschaft» und als «Kampf gegen die jüdische Verfälschung des Christentums» intendierten „Leviathan“-Buch (1938) „gelehrte Ausflüge jenseits der polemischen Frontenbildung“ unternehmen. (S.386) Doch welchen Wert kann eine Gelehrtheit haben, welche die rassistisch-antisemitischen Kultur- und Staatsauffassung des NS vertritt und juristisch legitimiert, welchen Stellenwert hat ein Gelehrtentum, das den Völkermord ermöglichte? Ebenso zwielichtig wirkt auch die Etikettierung „gelehrt“ von „Das «allgemeine deutsche Staatsrecht» als Beispiel rechtswissenschaftlicher Systembildung“. (S.405)

        Zu den wiederholten Einwürfen Mehrings, die eine angebliche Distanznahme Schmitts zum NS mit Beginn des Zweiten Weltkrieges suggerieren wollen, kann nur bemerkt werden, dass es sich um den aussichtslosen Versuch handelt, Schmitt davor zu verwahren, als Spitzennazi den Expansions- und Vernichtungskrieg des NS-Staates legitimiert zu haben. Was kann nun die im breiteren Kontext der „Großraumlehre“ fallende Behauptung Mehrings für eine Glaubwürdigkeit haben, Schmitt habe unter dem Eindruck des Krieges „nicht mehr ungebrochen zum Hakenkreuz“ gestanden (S.402), wo Schmitt die Großraumlehre 1940 in zahlreichen Vorträgen weiter vertrat? (S.404) Wie steht es um Mehrings Wahrheitssinn, wenn er der Erörterung des „Leviathan“-Buches, das sich durch virulenten Antisemitismus und Englandfeindlichkeit auszeichnet, die Bemerkung vorausschickt, dass Schmitt Ende 1942 mit „Land und Meer“ in literarischer Form Abstand zum NS nimmt? (S.406) Eben diesem Text bemüht sich Mehring „idyllische“ Züge abzugewinnen, also den darin enthaltenen ideologischen Ballast in den Bereich des Ästhetischen zu entrücken. Eine Stelle dieses Schmitt-Textes lautet: «Auch in dem grausamen Krieg alter und neuerer Kräfte entstehen gerechte Maße und bilden sich sinnvolle Proportionen.» (S.427) Damit ist Schmitts unverrückbarer Glaube an die Notwendigkeit von Kriegen ausgedrückt, um aus dem Lot Geratenes angeblich wieder auszugleichen.

        Statt einzuräumen, dass Schmitt mit der Sammlung „Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum“ das Thema der „Auflösung des neuzeitlichen europäischen Völkerrechts“ zugunsten der Raumgewinnungspolitik des Hitlerreiches in einem eigens entworfenen Rechtfertigungsdiskurs reichsmythologischer und -ideologischer Akzentsetzung zuspitzt, zieht es Mehring vor, diesen Moment in einen vorgeblich nach 1939 von Schmitt inszenierten „literarischen Abschied“ vom »Reich« zu platzieren (S.429, 431) und in ästhetisierender Manier zu behaupten, dass „Der Nomos der Erde ...“ sich zu „Land und Meer“ wie das „Epos zur Idylle“ verhält. (S.431) Ferner: Mehring sanktioniert doch mit der Titelgebung des 6. Kapitels „Recht zur Macht ? Großraumordnung als Reichsbildung“ (S.389-397) die von Schmitt mit der „Großraumordnung“ vorgenommene Intensivierung des Reichsbegriffes. Folglich ist es tatsachenwidrig, wenn Mehring das 7. Kapitel (S.397-424) als „Carl Schmitts Abschied vom «Reich» überschreibt. Statt auf die in der Sammlung „Positionen und Begriffe“ (1939) vorliegenden Beiträge genauer einzugehen, begnügt sich Mehring Schmitts Rede „Völkerrechtliche Grossraumordnung“ (1939) näher zu untersuchen und die anderen 5 Texte, die selbstredende Titel tragen (Totaler Feind, totaler Krieg, totaler Staat (1937); Das neue Vae Neutris! (1938); Völkerrechtliche Neutralität und völkische Totalität (1938); Großraum gegen Universalismus (1939))7  mit der absurden Bemerkung zu quittieren: „Die Verknüpfung einer Zeitenwende mit der Hoffnung auf einen neuen Weltherrscher scheint8  hier den Nationalsozialismus zu legitimieren.“ (S.397) Wie schwer kann nun die abschließende Bemerkung des III. Teils, „Nationalsozialistisches Engagement und Enttäuschung“ wiegen: „Erst nach 1939 sind vorsichtig distanzierende Signale erkennbar. Schmitt trat nicht mehr als nationalsozialistischer Eiferer und Apologet auf“? (S.436)

6 Hervorhebung K.P.
7 Die Titel werden von Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903-1989, Bonn 19963, Anm.66, S.601 ausgewiesen.
8 Hervorhebung K.P.



        Zu Schmitts Antworten in der Nürnberger Haft fällt Mehring nur die süffisante Bemerkung ein: „Schmitts Ausführungen sind differenziert und glaubwürdig“ (S.451), ohne darauf einzugehen, dass die zeitweiligen Schwierigkeiten, die Schmitt seitens der SS erfuhr, im Zuge der sich 1936/37 abzeichnenden Vormachtstellung der SS auf politischem und geistigem Gebiet zu lokalisieren sind. Es ging schlicht und einfach um die Aufteilung von NS-Pfründen, wo die älteren nationalistisch-nationalsozialistisch orientierten Kräfte, zu denen der Sicherheitsdienst der SS auch Schmitt zählte, in der Machthierarchie auf den zweiten Platz verwiesen wurden. Schmitt übertreibt die ihm von Seiten der SS entstandenen Nachteile bewusst zum eigenen Vorteil. Dass er aber den Scharfmachern der SS in nichts nachstand, darüber wird kein Wort verloren. Im Gegenteil, bereits im 4. Unterkapitel betitelt Mehring den letzten Abschnitt „Sturz in der Ämterhierarchie“ (S.378f.), wo es sich eigentlich nur um den Verlust der Führung der Fachgruppe Hochschullehrer im „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ handelt.

        Auch die Tatsache, dass der Begriff „Ideologie“ erst in Verbindung mit Schmitts Kritik der „Nachkriegskonzepte“ auftaucht, (S.458) entlockt Mehring nicht die geringste Überlegung, nur den kryptischen Satz: „Stets zielt Schmitt durch Ideologiekritik hindurch auf einen offenen Blick“. (S.460) Es ist in der Tat die einfachste Lösung, das, was Schmitt nach dem verlorenen Krieg nun in seine Schablone der „Gegnerschaft“ einzwängte, nämlich die USA und den Rechtsstaat Bundesrepublik, mit dem Scheltwort „Ideologie“ zu belegen, um den Verdacht eigener Ideologielastigkeit von sich weisen zu können. Ähnliches gilt für Schmitts Postulat in seinem Gedankentagebuch „Glosssarium“, dass die Deutschen deshalb nicht „erobert“ seien, weil nur derjenige erobern kann, „der seine Beute besser kennt als sich selbst“. (S.459) Dass diese Einforderung eigentlich in krassem Gegensatz zur eigenen Unfähigkeit steht, sich zu Selbstreflexion und Selbsterkenntnis aufzuraffen, fällt Mehring ebenfalls nicht auf. Ebenso nicht, dass Schmitt nach 1945 die alten Stereotype, mit dem sogenannten „jüdischen Geist“ an der Spitze, unermüdlich auf und ab variiert und sich darüber in seinen zahlreichen Notizbüchern in ironisch-pointierten Eintragungen und Reimereien abreagiert. Das ist jedenfalls keine Ironie, die der Klärung, sondern der eindeutigen Verklärung und dem „Nur-weiter-so“ eines unbeugsamen Schmitt dient. Der Vorwurf gegen die „Emigranten und Remigranten“, die nach 1945 aus nachvollziehbaren Gründen gegen Schmitt Stellung beziehen, vom „Ressentiment“ geleitet zu sein (Anm.123, S.703), ist kennzeichnend für Uneinsichtigkeit und Verknöcherung eines in seinen eigenen ressentimentgespeisten ideologischen Stereotypen befangenen Menschen, der seinem programmatischen Antihumanismus und Antisemitismus der Zwischenkriegs- und Kriegszeit weiterhin ungebrochen weiterfrönt.

        So wie Schmitts Diskursweise sich nach 1945 nicht wesentlich ändert, so verbissen hält sich auch der Mythos des „Propheten“ Schmitt, den sein Schüler Ernst Rudolf Huber in Verbindung mit der Rede auf der Tagung der Reichsfachgruppe Hochschullehrer am 1. April 1938 über „Völkerrechtliche Großraumordnung“ lancierte: Schmitt nehme nämlich kommende Entwicklungen vorweg. (S.396) Ähnlich äußerte sich Huber 1939, als er hervorhebt, dass Schmitt „die innere Situation der Zeit in einem Augenblick“ bestimmt, „in dem die wahre Struktur noch von Schutt und Abraum verdeckt ist“. (S.419) In „Positionen und Begriffe“ (1941) hebt Huber hervor, dass Schmitt „den modernen, «hegemonialen Imperialismus» als politisches Faktum aufgedeckt habe und zur «Konzeption eines neuen Völkerrechts» gelangt sei. (S.421) Von diesem lobhudelnden Bazillus bleibt auch Biograf Mehring nicht verschont. So soll Schmitt mit „Land und Meer“ (1941) eine „kriegsgeschichtliche Diagnose“ geliefert haben. Auch ist ernsthaft zu bezweifeln, dass Schmitt damit den «totalen» Vernichtungskrieg nur „pointiert“ habe. (S.428) Dahinter verbirgt sich eher die Begeisterung Schmitts, dass nun den „Judäo-Bolschewisten“ kräftig eingeheizt wird, dass sie also vom Hitlerreich entsprechend „abgestraft“ werden. Ebenso beweihräuchernd klingt Mehrings Feststellung: „Schmitt sieht sich durch das Grundgesetz in seiner frühen Prognose einer Entwicklung zum grundrechtlich fundierten Justizstaat bestätigt“. (S.506) Oder ähnlich: Nach 1949 soll die Rückkehr zum «bürgerlichen Rechtsstaat» übereinstimmen mit Schmitts „Diagnose des Verfassungswandels zum Justiz- und Verwaltungsstaat der Industriegesellschaft“. (S.508) Ähnlich schwammig klingt die Feststellung in Verbindung mit Schmitts von der „Freund-Feind“-Dogmatik durchtränkten Schrift „Die Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen“ (1963), dass „Diese Erzeugung von Feindschaft aus der Nötigung,9  der Technik einen Sinn zu geben, [...] zu seinen beruhigenden Diagnosen“ gehöre. (S.530) Als ob Schmitt jemals zu „beruhigenden Diagnosen“ fähig war ! Ebenfalls der Freund-Feind-Dogmatik entspringt das, was Mehring fälschlicherweise als Schmittsche Prognose in „Politische Theologie II“ (1966) bezeichnet: der «Neue Mensch» der säkularisierten Neuzeit wird neue Feindschaften entwickeln. (S.552)

        Auch die Kommentierung der Broschüre „Hamlet oder Hekuba. Der Einbruch der Zeit in das Spiel“ (1956) greift viel zu kurz, weil auf die Feststellung „Der strittige Titel bezieht sich kunstontologisch auf das Spiel im Spiel“ (S.502) nur Paraphrasen folgen. Schmitt unterscheide „bloße «Anspielungen» und zeitgeschichtliche «Spiegelungen» von «echten» «Einbrüchen der Zeit ins Spiel»“ usw. usf. (S.502f.) Es sei an die grundlegende Aussage erinnert, die der ehemalige Schmitt-Schüler, Hans Franzen, über Schmitts Vorlesungen machte: „Das Spiel mit den Gedanken und mit den sie scheinbar artikulierenden Menschen war manchmal atemberaubend, oft auch unheimlich“ (S.399). Das liegt ganz auf der Linie des 27. Punkts des „Argumenten-Katalogs“: „Ich bin ein «intellektueller Abenteurer», ein ironischer Spieler! Die Langeweile des Lebens ist nur auszuhalten, wenn man es ins Spiel hebt!“ (S.312) Damit im Zusammenhang muss auf den spielerischen Umgang Schmitts mit Begriffen hingewiesen werden, was in nachhaltiger Mythisierung und Ideologisierung ausartete. Die Begriffsspielerei erreicht den ersten Höhepunkt in „Der Begriff des Politischen“ (1927), wo das „Politische“ mit dem Attribut „totalitär“ versehen wird, wodurch es absolutisiert und ins Mythisch-Mystische entrückt wird. Schmitt deutet Begriffe nicht nur nach seinem Dafürhalten und/oder nach ideologischen Vorstellungen und Zielen um, sondern er „dekonstruiert“, d.h. er drängt Begriffe durch Zerstörung in die Lächerlichkeit und Abseitigkeit ab. Die folgenschwerste „Dekonstruktion“ ist die systematisch betriebene Aufhebung der in Schmitts Augen „positivistischen“ Einheit von Staat und Gesellschaft (S.248,263,297). Mit dieser willkürlichen, eliminatorischen Vorgehensweise, schafft sich Schmitt spekulative Freiräume und entledigt sich des ihm verhassten „Moralisierens“ der positivistisch-normativen Weimarer „Gesellschaft“, allerdings mit verheerenden geistesgeschichtlichen und politischen Folgen.

        Mehring komplimentiert das gegen jede Vernunft und normales moralisches Empfinden gerichtete Zerstörungsprogramm Schmitts, dessen eindeutig nihilistisches Treiben, mit der fragwürdigen Bemerkung, „Die Annäherungen [Schmitts] an eine Staatslehre stehen faktisch im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Präsidialsystems und konzentrieren sich ganz auf die Rekonstruktion10   der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft“. (S.263) Mit anderen Worten: Schmitts Zerstörungswerk als „Wiederaufbau“ verklärt! Dass es sich um den willkürlichen Versuch Schmitts handelt das Rad der Geschichte auf einen vormodernen Stand zurückzudrehen, dass Schmitt seinen Ruf nach einem autoritären Staats- und Führungssystem durch konsequenten Rückgriff auf historisch längst abgeschriebene Vorbilder legitimíert, ist Mehring keiner Erwähnung wert. Mit seiner in Verbindung zu Schmitts Broschüre „Hugo Preuss. Sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre“ (1930) getanen Bemerkung, Schmitt wolle „die Verfassungsgeschichte der Neuzeit nicht zurückdrehen“, (S.263), versucht der Biograf die betonte Rückwärtsgewandtheit Schmitts ungeschehen zu machen. Zudem führt Mehring Schmitts destruktiv-nihilistisches Programm in der Weimarer Zeit nicht auf die vom Freund-Feind-Schema regierte Wunschsituation zurück, die von den rechten Kräften mit realitätsfremden Erwartungen überfrachtet wurde. Schmitt begriff sich in diesem Zusammenhang als Angreifer und „Kämpfer“ auf Seite derer, die sich selbstgefällig zu „Revolutionären“ hochstilisierten und das etablierte politische System der Weimarer Republik mit „totalen“ Mitteln um jeden Preis zerstören wollten. Aus der willkürlichen Zertrümmerung der geschichtlich gewachsenen Einheit von Staat und Gesellschaft als Voraussetzung einer „absolut“ verfassten, autonom gehandhabten Staatslehre leitet sich auch das eigentliche Verständnis des Rechts als „moralisierungsfreier“ Raum ab. Wenn Schmitt nun in seinem Beitrag „Die Tyrannei der Werte“, den er im Ebracher Seminar am 23. Oktober 1959 vortrug, „die Moralisierung des Rechts“ kritisiert (S.520), so bewegt er sich ganz auf der bekannten Linie der Weimarer Zeit. Schmitt behandelt in „Der Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft als Beispiel einer zweigliedrigen Unterscheidung. Betrachtungen zur Struktur und zum Schicksal solcher Antithesen“ (1960) (Anm.93, S.715) die willkürlich konstruierte Trennung und Opposition von „Gemeinschaft“ und Gesellschaft, woraus er seine Ablehnung historisch gewachsener und gesellschaftlich definierter Werte ableitet. Auf dieser Grundlage will er die eigentlichen, in der Zivilgesellschaft verankerten, geschichtlich gewachsenen Werte mit von der „Gemeinschaft“ vorgegebenen „Werten“ abgelösen. Dass letztere das nationale bzw. NS-Vorzeichen tragen, dürfte einleuchten. Ebenso dekonstruktiv-nihilistisch verfährt Schmitt in „Die Tyrannei der Werte ...“ (1967) (S.522), die zugleich eine Abrechnung mit seinem Weimarer Gegenspieler Rudolf Smend darstellt. All diese Schriften belegen, wie Schmitt weiterhin nach eben den antidemokratischen und antihumanistischen Strickmustern funktionierte, die er bereits gegen die Weimarer Republik ausgereizt hatte.

        Dem vom Schmittianer Koselleck am 21. Januar 1953 brieflich abgegebenen zustimmenden Kommentar bezüglich des in Verbindung mit der „Notwehr“ im Ausnahmezustand formulierten Postulats, dass alles Recht «Situationsrecht» sei (Politische Theologie, 1922) (S.125), entlockt Mehring die beipflichtende Aussage: „Diese Zeilen lesen sich heute geradezu als Forschungskeim und Lebensthema“. (S.512) Zu der ebenfalls brieflich mitgeteilten Meinung Kosellecks zu „Politische Theologie II“ (1970), Schmitt löse die Grundfrage, ob es überhaupt eine Theologie gibt, „die bündig jeder Schwelle begegnen könnte, jenseits derer politische Positionen theologisch zu bezeichnen wären [...] [...] zugunsten der jeweiligen Situationsfrage,11  wie sich Theologie und Politik von Epoche zu Epoche uns aufeinander zuordnen“ (S.553), will sich Biograf Mehring nicht äußern. Er hält zwar fest, dass Schmitt hier „eine religiös indifferente, wissenschaftliche Theologie für möglich“ hält und „auf der eigenen Haltung“ insistiert (ebenda), es entgeht ihm aber, dass Schmitt hier sein Steckenpferd einer „politischen Theologie“ nun einfach in eine „wissenschaftliche Theologie“ ummünzt. Auch die einleuchtende Tatsache, dass es sich bei Schmitts „Theologie“-Begriffen eigentlich nur um IDEOLOGIE handelt, bleibt Mehring verschlossen. Schmitt bietet also in seinem Alterwerk nichts Neues, bloß Variationen schon bekannter Themen!

9 Eine Abwandlung des Postulats, das bereits in „Die Diktatur. Von den Anfängen des modernen Souveränitätsgedankens bis zum proletarischen Klassenkampf“ (1921) im Begriff der «Tathandlung» der Notwehr (S.125) und als Leitmotiv in der „Politischen Theologie“ (1922) vorliegt: Wer sich unter den Bedingungen des politischen Ausnahmenzustandes zu einem Akt der Notwehr entschließt, steckt mitten in der Situation (ebenda).
10 Hervorhebung K.P.
11 Hervorhebung K.P.



        So verhält es sich auch mit den Stereotypen „Freund-und-Feind“ und „Krieg“, die, weil auch nach 1945 in allen möglichen Farben von Schmitt abgesungen, ein konstanter Bestandteil Schmittscher Dogmatik sind. Bereits in „Begriff des Politischen“ (1927) lautet der 2. Kernsatz: „Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind.“(S.208) In Verbindung mit Schmitts 6. Kernsatz führt Mehring aus, dass „Völkerrechtlich eingeschränkte Souveränität keine echte Freiheit mehr“ sei. „Wenn der Krieg nicht als Mittel der Politik anerkannt ist, gibt es eigentlich keine «echte», von moralisierenden und juridischen Verfälschungen freie Politik.“ (S.211) Womit der „Krieg“ im Sinne Schmitts als jenseits jeder gängigen Moral und die Kriegspolitik als echte Politik eingestuft wird. In „Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum“ (1943) betrachtet Schmitt den «gerechten Krieg» als «ideologisches Begleitphänomen der industriell-technischen Entwicklung» . (S.433) Auch „Die Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen“ (1963) thematisiert die Freund-Feind-Beziehung über Clausewitz, den Kalten Krieg, den Marxismus eines Lenin und Mao-Tse-tung hin zum Preußentum bis hin zu einer angeblich „sauberen“ Wehrmacht. (S.530) Interessant ist die Behauptung Schmitts, dass absolute Feindschaft einen «Abgrund der totalen Entwertung» entzünde. Wie steht es um seine eigene Rechtsdogmatik, die durch ihre kriegsverherrlichenden Akzente doch einen „Abgrund totaler Entwertung“ aufreißt? Dasselbe Vorzeichen trägt auch Schmitts Behauptung, der Krieg habe seinen „humanen“ Sinn erst in der Feindschaft. (S.530) Hier zeigt sich, wie seine Dogmatik das Menschliche platt walzt, indem es in die absolute Abhängigkeit von Feindschaft und Krieg gezwängt und damit auf die tiefste Stufe verwiesen wird. Hier wird die Heuchelei des in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als „Entfälscher“ angetretenen Schmitt in ihrer eigentlichen Abgründigkeit fassbar, weil nun einleuchtet, dass er kein Durchschnittsspieler, sondern ein FALSCHSPIELER der übelsten Sorte war. Biograf Mehring fällt zum Spiel Schmitts mit „Krieg“ und „Humanität“ nur ein, dass „Das Spätwerk [...] die frühen Hoffnungen auf einen Feindbegriff, der einen neuen Nomos der Erde tragen könnte“, „detruiert“. (S.530) Das Freund-Feind-Stereotyp büßt auch in der „Politischen Theologie II“ (1969) seine Intensität nicht ein, weil Schmitt Christus als einen «prometheischen» Rebell Gottes betrachtet und «das Problem der Politischen Theologie unter die Frage nach dem Feind zu stellen» ein «Beispiel christologischer Einsicht» nennt. (S.552)

        Der Begriff „Nomos“ belegt wohl wie kein anderer, in welch opportunistischer Weise Schmitt es verstand seine theoretischen Aussagen der jeweiligen politischen Zielrichtung anzupassen. In der 1933 erschienenen revidierten Fassung von „Der Begriff des Politischen“ verbindet Schmitt den Begriff  mit der Rechtfertigung kaiserlicher Diktaturgewalt im Kampf gegen den „Antichrist“, bei gleichzeitiger antisemitischer Umdeutung des sogenannten „ludus de antichristo“ (S.276), was die heilsgeschichtliche Auslegung und Legitimierung der Diktaturgewalt und den Missbrauch theologischer Stichworte für politisch-apologetische Zwecke darstellt. In seiner Rede „Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts“ am 3. Oktober 1933 auf der 4. Reichstagung des Bundes nationalsozialistischer deutscher Juristen setzt Schmitt ein Istgleichzeichen zwischen «nomos» und «Willen des Führers». (S.333) Der Wille des „Führers“ ist also die Quelle konkreter Ordnungssetzung. In der Abhandlung „Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens“ (1934) erscheint der Nomos-Begriff dahingehend erweitert, dass das «Volk» vom «konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken» her die «konkrete Ordnung» als «Nomos» bekommt. Der «Nomos» sei laut Schmitt eine Art «Urwort» des Rechts. (S.346) Es dürfte einleuchten, dass mit dem „Volk“ die Deutschen und mit dem „Recht“ das „deutsche Recht“ gemeint ist. Mehring bemerkt, dass Schmitt seit 1942 nicht mehr vom «Reich», sondern vom «Nomos» spricht. (S.430f.) Was darauf hindeutet, dass Schmitt nun diesen Begriff in Synonymie zu „Reich“ setzt. Aus den Ausführungen Mehrings zu „Der Nomos der Erde“ (1943) darf entnommen werden, dass der Nomos-Begriff nun ausgedehnt wird auf die Realitäten des vom „Großdeutschen Reich“ kriegerisch besetzten „Grossaum“. Zwar thematisiert Schmitt die spanische „Landnahme“ in der neuen Welt, die eine Voraussetzung für die relative Ordnung des europäischen Staatensystems jener Zeit gewesen sei (S.432), meint aber in Analogie dazu die „stabilisierende Ordnung“, die vom deutschen Raumgewinn, sprich von territorialer Expansion, für Europa ausgehen würde. In der erweiterten Neuauflage von 1950 befindet Schmitt, dass mit dem Aufstieg der USA nur eine Zerstörung des Gleichgewichtsystems und des gemeineuropäischen «Verfassungsstandard» der europäischen Staatenordnung erfolgt sei, wobei kein neuer „Nomos“ etabliert wurde. (S.432f.) Diese Wirkungsbeschränkung seines „Nomos“ nur auf Europa bzw. auf einen aus Europa ausgehenden Willen den europäischen bzw. den globalen Raum zu ordnen, veranschaulicht erneut, wie Schmitt seine Begriffsschöpfungen nach Belieben mit Inhalten erfüllte und von unliebsamen Bezugsgrößen und den damit verbundenen politischen und geistesgeschichtlichen Inhalten abschottete – hier die Schmitt verhasste USA und deren liberalistisches Zivilisationsmodell. Damit ist die grundsätzliche Tendenz Schmitts angesprochen, nicht nur ihm missliebige Werte, Wertvorstellungen und Personen bzw. Personengruppen auszugrenzen und sich selbst davon abzugrenzen, sondern im gleichen Zug auch seine Begriffsschöpfungen mit einer exklusivistisch-diskriminatorisch-eliminatorischen Bannmeile zu umgeben. All das entlockt Mehring nur Feststellungen der Art „[Schmitt][...] argumentiert demnach überaus hermetisch“ (S.553).
12

        So verwundert es nicht, dass Mehring auch die beiden hauptsächlichen Widersprüche Schmittscher „Gelehrsamkeit“ verborgen bleiben, die in den Grundlagen seiner politisch-juristischen Systematik und in seiner begriffsspielerischen Methode angesiedelt sind. In seinem vernichtenden Schlag gegen die Weimarer Verfassung, die Schmitt als Werk des „jüdischen Geistes“ ansah, führte er in der „Politischen Theologie“ (1922) den sogenannten „personalistischen Dezisionismus“ gegen den Normativismus der Verfassung ins Feld. Dieser Dezisionismus entscheide faktisch im Ausnahmezustand über das Recht. Das „Wesen der staatlichen Souveränität“ zeige sich deshalb „als Entscheidungsmonopol“. Alles Recht sei «Situationsrecht» und von der autoritären Entscheidung her Befehl. Der juristische Dezisionimsus sei nur im Rahmen eines «personalistischen» Weltbildes begründet, das allein einer individuellen Entscheidung personale «Autorität» und «Würde» verleihen könne. (S.124-126) Schmitt gelangt zum Postulat, dass „die politische Autorität nur im Rahmen eines theistisch13 -personalistischen Weltbildes gesichert ist.“ (S.128) Mit solchen Forderungen und unter solchen Voraussetzungen vermeint Schmitt die Handlungsunfähigkeit des Weimarer Staates beseitigen zu können, der auf der Überzeugung gründete, dass die Legalität = Gesetzmäßigkeit mit gesetzlichen Normen gesichert werden kann. Die Konsequenzen dieser Schmittschen Konstruktion sind vielfältig. Alle Entscheidungsgewalt wird auf der Ebene des Staates in der Hand eines Einzelnen und/oder einer politischen Gruppe individualisiert bzw. personalisiert, was einer Führer- und/oder Einparteiendiktatur entspricht. Damit liefert Schmitt den rechtstheoretischen Rahmen und legitimiert das endweimarer Präsidialsystem sowie den totalitären NS-Staat. Solche Systeme versagen dem Bürger die persönliche Würde, das Recht auf politischen und auf allgemein-gesellschaftlichen Individualismus und Personalismus, was praktisch der Abschaffung der zivilen Gesellschaft in Deutschland entspricht, die auf demokratischen Freiheitsidealen beruht. Damit ist der erste grundlegende Widerspruch der Schmittschen Theorie benannt. Die Folgen dieser von Schmitt mit soviel Zielstrebigkeit und Verbissenheit betriebenen Entmündigung der deutschen Zivilgesellschaft dürften hinreichend bekannt sein.

12 Schmitts Begriffsspielerein konnten von seinen Schülern und Anbetern an der Universität Bielefeld unverblümt weitergeführt werden. Dabei bleiben die „Systeme“ Kosellecks und Luhmanns keinen Deut hinter dem Einfallsreichtum ihres Meisters Schmitt zurück.
13 Die individuelle Entscheidung wird in der Weise „Gottes“ gefällt und diese politische Autorität fungiert wie ein „Gott“.



        Schmitt macht 1927 in „Der Begriff des Politischen“ das „Politische“ an der „Unterscheidung von Freund und Feind“ fest, erhebt es in den Stand des „Totalen“ und postuliert, dass es immer die Gruppierung bestimmt, die sich an dem Ernstfall orientiert (S.208-210). Auf diese Weise verleiht er den selbsterklärten „Rettern Deutschlands“ einen Sonderstatus im Kampf gegen die Weimarer Republik und deren „jüdischen Geist“. Es gilt das Weimarer Mehrparteiensystem zu zertrümmern, weil es laut „Der Hüter der Verfassung“ (1931) ein Hort sogenannter „Politisierung“ ist, die dadurch, dass sie Parteigehorsam fördere, zum einen verhindere, dass «Treue gegen den Staat und seine Verfassung» geübt wird, zum anderen die „Neutralität“ der Beamtenschaft verhindert würde und schließlich Parlamentarismus und Wirtschaftsstaat unvereinbar seien. (S.258f.). Hierin liegt der zweite grundlegende Widerspruch von Schmitts destruktivem Ansinnens. Zum einen spricht Schmitt in elitärer Zuspitzung den republikfeindlichen Kräften den ausschließlichen politischen Status zu, unter gleichzeitiger Entrechtung des republiktragenden Parteienspektrums, dem er das Recht auf Politik abspricht. Zum anderen erweist sich die als Vorbedingung für die sogenannte „Entpolitisierung“ intendierte politische „Neutralität“ als weiterer Vorwand, weil die Machtkonzentration - im autoritären Präsidialstaat in der Person des Reichspräsidenten und im totalitär verfassten und funktionierenden NS-Staat in der Person des „Führers“ und seiner NSDAP- einer zweiten mythisierten und mystifizierten Größe, dem (deutschen) „Volk“ eine von der totalitären NS-Ideologie kontrollierte politische Rolle zubilligt. Wie „neutral“ und „unpolitisch“ die NS-Beamtenschaft in dem von Schmitts erträumten und dann verwirklichten totalitären „Volks-Staat“ war, belegen die zahlreichen von eben diesen Beamten verübten und von Schreibtischtätern wie Schmitt ermöglichten Verbrechen. Einen Hinweis auf diese beiden Hauptwiedersprüche Schmittscher Dogmatik bleibt Biograf Mehring ebenfalls schuldig.

        So gesehen raubt das zwiespältige Verhältnis des Biografen Mehring zu Schmitt den wenigen Stellen, die kritische Töne vernehmen lassen (S.277, 345, 347, 377, 445, 505), die Glaubwürdigkeit. So soll Schmitt „seine Verfehlungen allenfalls einem Gott“ gebeichtet haben (S.483), was zur dringenden Frage zwingt, wo Gott geblieben war, als Schmitt den NS juristisch untermauerte? Und wenn „Seine Mitwelt [ihm] zwar manche Eskapaden“ verzieh und „ihn den Glückspilz – bisweilen gar kindlich und einfältig“ fand (ebenda), so entspricht das dem verharmlosenden Image eines „bösen Buben“, wodurch die anschließenden Bemerkungen ins Leere laufen: „Das aggressive Ressentiment, mit dem er seine Rolle nach 1945 dann verdrängte und verleugnete, verprellte manchen Weggenossen.“ Ebenso, dass Schmitt „eiserne Rituale der Tabuisierung“ entwickelte, seine Rolle „schönte“  oder seine Mitwelt auf „apologetische Legenden und Lesarten“ einschwor und „sich in eine hermetische Interpretation“ einsponn. (ebenda)

        Mehrings „Biografie“ gliedert sich somit nahtlos in den etwa seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts aufgekommenen Schmitt-Kult bestimmter Kreise, die sich dem fragwürdigen Ziel verschrieben haben die überaus problematische und von Widersprüchlichkeiten durchlöcherte Persönlichkeit und Rechtsdogmatik des „Kronjuristen“ und sein antidemokratisch und antihumanistisch geprägtes Gedankengut wieder in Umgang zu bringen, selbst mit der Absicht „globaler Diskussion“. Dabei scheint weder die fundamental antiuniversalistische, also eigentlich auch antiglobalistische Zielrichtung der Schmittschen Ideologie zu stören, noch, die Notwendigkeit als zwingend empfunden zu werden, beim Umgang mit NS-Gedankengut - Schmitt war schließlich nicht irgendein Nationalsozialist - Distanzierungsvermögen und Objektivität mitzubringen. Da, wo also besondere Vorsicht walten sollte, wird mit Schmitt als Spitzenexponent des NS kokettiert. Im selben Zug wird fragwürdigem Gedankengut durch die Hintertür wieder Salonfähigkeit verschafft.



        Aufschluss über Schmitts politischen und geistigen Extremismus sowie über einige Fehleinschätzungen des Biografen bieten die vom Rezensenten für manche Seiten der Schmitt-Biografie formulierten
Seitenübertitelungen:

S. 125: Willkürliche Ordnung; Das aus dem Ausnahmezustand geborene Recht; Legitimität vor Legalität
S.126; Das Entscheidungsmonopol setzt die Macht voraus; Im Ausnahmezustand muss Recht geschaffen werden
S,187: Schmitt, der Alles- und Besserwisser! Er maßt sich an, der Wahrheit letzten Schluss zu besitzen
A.188: Einkreisungspsychose; Anmaßung, die Patentrezepte zu besitzen, quasi ein Gralshüter und Erlöser zu sein
S.189: Der Sendungsbewusste, der Retter
S.192: Realität mit Begriffen in den Griff bekommen
S.193: Welch große Werte! Schmitt zielt sehr hoch
S.194: Der Judenentlarver
S.197: Der Historiker Meinecke als „Feind“
S.198: Was Schmitt nicht in den Kram passt, ist „Mythos“
S.199: Außerordentlichkeit – Ausnahmezustand; Dekonstruktion – destruktiv
S.203: Enge Beziehung zu den „Deutschen Christen“
S.207: angeblich aus „Beobachterperspektive“
S.208: Der Staat beruht auf Freund-Feindunterscheidung; Der „totale“ Staat
S.209: Totalitarismus
S.210: Reinheit (Absolutheit) des Krieges = Purismus; der Kriegsbegriff darf nicht durch pazifistischen Moralismus verunreinigt werden
S.211: Spezifische „Totalität“ des Politischen = Konstrukt
S.212: Anspruch auf Restitution der vom Liberalismus „denaturierten“ staatlichen und politischen Vorstellungen = Anmaßung
S.214: Schmitt, der „Entfälscher“; Liberalismus = Heuchelei und Verfälschung
S.216: Schmitt stülpt Deutschland die Totenmaske über
S.225: Schmitt, der Diktaturbesessene; Anti-Humanität gilt bei Schmitt als Humanität
S.235: Begrifflich-theoretische Verwirrungen gehen einher mit sexuellem Durcheinander
S.236:Don-Juanismus; krankhafter Schmitt – krankhafte Theorie
S.237: Der sexbesessene Schmitt
S.239: Gefahrenpsychose
S.240: Demokratieretter ?
S.242: Schmitt sorgt sich um die Demokratie !!!
S.245: Schmitt als Mitglied der „neuen Elite“
S.248: Schmitts Willkür bei der Handhabung von Begriffen
S.249: Reduktionismus; Begriffliche Vergewaltigung der Realität, nicht Klärung !
S.250: Schmitt treibt Ideologie
S.251: Schmitts Staatsbesessenheit
S.252: Der herrschaftszentrierte Schmitt
S.255: Stereotyp „natürliche Ordnung“
S.258: Staatsbesessenheit – Spekulation
S.259: Stabilisierung durch Machtkonzentration – Illusion der Entpolitisierung ! Verengung hin zur politischen Enggleisigkeit und Enge
S.260: 1930 – Schmitt warnt vor „gefährlichen Experimenten“
S.261: 1931 – Schmitt spricht die Überflüssigkeit von Grundrechten aus
S.262: Weimar – der „Privilegienstaat“ – Kritik am Weimarer „Justizstaat“
S.265: Spiel mit Begriffen
S.267: „Positiver“ Verfassungsbegriff öffnet der politischen Willkür das Tor
S.268: Schmitts „Basta“-Orientierung; Schmitts Geltungsbedürfnis
S.269: Schmitt als kaltblütiger Henker von Begriffen und Gesellschafssystemen mittels Begriffen, die er zu Konstrukten verdichtet
S.273: Der rachsüchtige Schmitt
S.275: Die Geschichte, das Leben, die Gesellschaft sind kein mittelalterliches Spiel !
Schmitt und seine Schüler – der neue Erlöser und seine Jünger
S.276: Kampf als Oberbegriff; Schmitt als theoretischer/ideologischer Heilsbringer; Apologet der (Präsidial)Diktatur
S.278: Schmitt stilisiert „Randphänomene“ hoch zu zentralen Fragen
S.279: Gerechtfertigte Reaktion jüdischer Denker auf Schmitts Kahlschlag
S.280: Jung: Schmitt „lockert“ auf.
S.281: Schmitt als „graue Eminenz“
S.282: Schmitt ist nur im Vorhof der Macht ?
S.284: Mit dem Begriff der „Legitimität“ als Gegenbegriff zu „Legalität“ öffnet Schmitt der Willkürlichkeit Tor und Tür
S.287: Das „deutsche“ Verfassungswerk – Schmitt, der gewollte Wert- und Wahrheitsmonopolist
S.289: Einseitige Begründung des „Preußenschlags“
S.290: Schmitt als zentraler Akteur bei der Festigung des diktatorischen Staates – Missbrauch immer nur auf der Seite des missliebigen politischen Gegners
S.291: „Notstandsplan“ unter Schmitts Federführung zustande gekommen, dient nur der Zeitgewinnung
S.292: Schmitt soll Verfassungsentwurf erstellen
S.293: Eindeutiges Kokettieren mit dem NS
S.294: Gegen den Parteienstaat, aber nicht gegen die NSDAP
S.295: Schmitt kommt mit seiner „Reichs“-Anhänglichkeit nicht zu weit – Die Diktatur des Reichspräsidenten muss zurückstecken
S.297f. Klare Richtung: Schmitt wirbt bei der Großindustrie für den Diktaturstaat
S.298: Umgestaltung von oben = der totale Staat
„Krisenmanager“ = Strippenzieher
S.300 Der „Kämpfer“ Schmitt.
S.301: Schmitt wieder keine eindeutigen Worte gegen Hitler oder die NSDAP
S.305: Schmitt ganz auf Hitlers Seite
S.306: Schmitt findet sich eigentümlich schnell im NS-Jargon zurecht
S.307: Schmitt, der Apostel des Un- und Antirechts
S.309: „Ein anderer Mythos muß her!“
Schmitt ist von sich selbst eingenommen – Überschätzung
S.321: Schmitt als Legitimator und ideologischer rechtfertiger des NS
S.323: Schmitt hat sein Ziel erreicht !
S.324: Völkischer Rechtsbegriff
S.340: Der Sinnstifter, deren es damals nur so wimmelte
S.346: Normativismus versus „konkrete Ordnung“ / Nomos
S.347: Ideologisierung
S.350: zu Anm. 43: Der mit dem Verbrechen paktiert hat
S.352: Schmitt rechtfertigt jedes NS-Unrecht
Die entfesselte Willkür
S.355: Der Führer Schmitt
S.359: Antisemitische Stoßrichtung als Ersatz – Schmitts Texterei hatte niemals Niveau
S.361: „Verwissenschaftlichung“ des Antisemitismus
S.365: Schmitt in der internationalen Diskussion
S.367: Rechtsbegriff Mensch verworfen – Unmenschlichkeit
S.368: Schmitt begutachtet die Besetzung von Lehrstellen
S.371: Antisemitische Veranstaltung – Schmitt, der NS-Scharfmacher
S.373: Erforschung des „jüdischen Geistes“
S.374: Höhepunkt der Ideologisierung
S.381: Totaler Staat von „Politisierung“ zu trennen
S.382: Petersen: Totalisierung ist Mythisierung
Philosophische Begründung der Totalität
S.385: Der offen mythisierende Schmitt
S.387: Was hätte Schmitt getan, wenn es den ewigen Juden nicht als Sündenbock/Hassobjekt der Abreaktion gegeben hätte ?
S.390: Schmitt legitimiert den Krieg
S.391: Schmitt, der Mythenklopfer
S.392: Der Reichsanbeter
S.396 Der „Prophet“ Schmitt
S.401: Der „deutsche Geist“
S.404: Großraumlehre
S.407: Annäherung an Jünger
S.408: Schmitt teilt mit Jünger den Symbolismus als spielerische Ablenkung
S.409: Keine effektive Distanznahme, sondern Nachdenklichkeit
S.419: Nationalistische Revision der Verfassungsgeschichte soll nur Schmitts Schüler Huber betrieben haben
S.441: Schmitt lehnt alle Konsequenz ab
S.446-450: Der würdelose Schmitt
S.451: Schmitt schlägt aus der Mehrstufigkeit/-gradigkeit des NS-Fanatismus Kapital
Der nicht böse Bube Schmitt
S.452: Schreibtischtätertum
S.455: Schmitt fällt sein Urteil über andere schnell
S.457: Schmitts ideologische Konsequenz zur NS-Zeit entspricht Fanatismus, seine Inkonsequenz der Nachkriegszeit seinem Opportunismus
S.483: Wo blieb Gott, als Schmitt den NS juristisch untermauerte ?
S.501: Höhepunkt der Mystifizierung/Mythisierung der eigenen Person
S.503: Spiel im Spiel mit Mitteln der Anspielung, Andeutung, Understatement
S.529: Freund-Feind-Dogmatik

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Text verfasst: 23.04.2010  Datei: Schmitt.html                    Erstellt: 23.04.2010               Geaendert:                                             Autor und © Klaus Popa