Ein ekklektisches Stückwerk aus allzu viel Kompromissbereitschaft

Vorläufige Bestandsaufnahme von

Paul Milata, Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu. Rumäniendeutsche in der Waffen-SS
(StudiaZTransylvanica, Bd.34, Köln Weimar Wien 2007)




        Die Ansprüche eines Buches, das sich der grundlegenden Problematik der Rumäniendeutschen in der Waffen-SS   annimmt, auf allgemein vertretene Standards wissenschaftlicher Forschung, - Verfasser erhebt den Anspruch , hier den ersten "wissenschaftlich anspruchsvollen Beitrag" zur Thematik verfasst zu haben (S.2) - dürfte wohl nichts Ungewöhnliches sein. Doch bereits die Eingansseiten (Einleitung S.1-9) lassen erahnen, dass Verfasser Erwartungen erwecken will, die er nur zum Teil bzw. in einigen Aspekten der Problematik überhaupt nicht erfüllen kann/will/wird.

        Warum diese Konditionierung in Richtung Können bzw. Möglichkeiten und Freiheiten/Absichten sowie Ergebnissen ? Weil der Verfasser sich zum einen die Realisierung postulierter Wissenschaftlichkeit schier unmöglich macht, indem er Texte als vertrauens- und glaubwürdige Quellen behandelt, die eindeutig Zweifel erwecken - es handelt sich um die systematische Gleichstellung mit über jedem Zweifel stehenden Archivinformationen und die Gleichbehandlung von Zeitzeugenberichten und manchen im Milieu der Vertriebenen und der Landsmannschaften entstandenen "Studien". Zum anderen steigert die Lesart, mit der Verfasser die problematischen Unterlagen bedenkt, in keiner Weise seine vorausgesetzte Wissenschaftlichkeit, sondern beeinträchtigt diese erheblich. Verfasser übersieht geflissentlich, dass Zeugnisse, die von Zeitzeugen stammen, so sehr von Subjektivität triefen, dass dergleichen nicht das geringste mit der Objektivität einer wissenschaftlichen Abhandlung zu tun haben können. Dass diese ominösen Unterlagen auf Schritt und Tritt Falsch- und Fehlinformationen enthalten könnten, beschäftigt Milata überhaupt nicht. Es darf festgestellt werden, dass er die betreffenden Aussagen als bare Münze auffasst. Das Hauptergebnis dieser Falscheinschätzung und Falscheinstufung ist, dass Milata die Schlüssigkeit seines gesamten Diskurses  bis hin zur Unglaubwürdigkeit amputiert.

        Welches nun die Gründe für diese Verfahrensweise gewesen sein mögen, läßt sich erahnen, wenn man die Publikationsgepflogenheiten des "Siebenbürgen-Instituts" in Gundelsheim am Neckar und der mit diesem auf Gedeih und Verderb verbundenen Bundesinstitutionen (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien in Köln; Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte in Oldenburg) kennt - (vgl.

DIE LOBBY von KULTURFUNKTIONAEREN  und MINISTERIALBUEROKRATEN..
Wie der Kluengel landsmannschaftlich ausgerichteter "Kultur"-Funktionaere und von Ministerialbuerokraten, die das "Kulturverstaendnis" der "Vertriebenen" vertreten, die Finazierung der Dokumentensammlung »Akten um die "Deutsche Volksgruppe in Rumaenien" 1937-1945« verhinderten )

        Der Dissertationstext Milatas belegt auf Schritt und Tritt, dass Verfasser, um sich dieses Themas überhaupt annehmen und auch veröffentlichen zu könnnen die von Gundelsheim gestellten Bedingungen ohne Abstrich befolgt. Denn ohne Einbeziehung der auf landsmannschaftlichem Boden gewachsenen Rechtfertigungsliteratur  und -aussagen - Milata befragte auch etliche ehemalige SS-Männer - hätte es keine Dissertation und auch keine Buchpublikation - sprich die in Aussicht gestellten Bundesmittel - gegeben. Das Ergebnis dieses Deals ist nun, dass außer den Teilen des Buches, die auf Archivunterlagen beruhen - zumindest die insgesamt 24  Tafeln und einige Textabschnitte, alle jene Textpassagen, die das verfälschende Material aus Zeitzeugenfeder und des im Dunstkreis des "Siebenbürgen-Instituts" in Gundelsheim enstandenen Schrifttums

 (wie Wolfgang Miege, Das Dritte Reich und die Deutsche Volksgruppe in Rumänien 1933-1938, 1972; Hans-Werner Schuster, Die Rumäniendeutschen in der Waffen-SS, Ein Literaturbericht  (1988); Ders., Rumäniendeutsche in der Waffen-SS, in: Südostdt. Vierteljahresbll. 1987, S.147-151; Karl M. Reinerth, Fritz Cloos, Zur Geschichte der Deutschen in Rumänien 1935-1945. Beiträge und Berichte, 1988; die insgesamt 5 herangezogenen Beiträge von Rolf Reiser (1986-1996); Emil Henning, Die "Tausend-Mann-Aktion",1994 etc.)

heranziehen und wortgetreu in den Diskurs einarbeiten,  nicht nur problematisch, sondern bar jeder Wissenschaftlichkeit sind. Weil sie keinerlei positive Erkennntis, sondern höchstens kräftige Schönfärbung, also Verzerrung und eigentliche Verdunkelung, nicht Beleuchtung des umstrittenen Waffen-SS-Einsatzes der Rumäniendeutschen erbringen. So darf ernsthaft bezweifelt werden, dass in den letzten beiden Kapiteln "die derzeit bestmöglichen Erkenntnisse" in Verbindung mit den Erwartungen der SS-Männer vor ihrem SS-Eintritt  (S.2f.) herausgearbeitet wurden.

       Die Kapitel 8 (Die Ausbildung) und 9 (Der Einsatz) sollen  nur das "Datengerüst für spätere Untersuchungen" der SS-Einsatzzeit  darstellen (S.5). Warum eigentlich ? Warum wird der Einsatz als eigentlich springender Punkt des SS-Engagements der Rumäniendeutschen nur auf 35 Seiten behandelt, während beispielsweise den "Verhandlungen zur SS-Massenrekrutierung 1943" und der "Durchführung der SS-Massenrekrutierung 1943" insgesamt 93 Seiten, also etwa ein Viertel des Buches, gelten ?

     Recht bedenklich ist es, dass Verfasser dem ideologischen Moment keinerlei Bedeutung schenkt, weder der eindeutig ideologischen Motivation der Einreihung in die SS, die bis hin zum NS-Fanatismus reichte, noch die ideologische Schulung der Waffen-SS entsprechend würdigt, statdessen sich mit der Pauschalaussage seines Gewährsmanns Reiser begnügt, während der dreimonatigen Grundausbildung habe es keine "Weltanschauliche Schulung" gegeben (S.240).

       Ein weiteres Gebrechen der Arbeit, das der bereits in der "Einleitung" angeführten programmatischen Berücksichtigung des "Blickwinkels der Rekruten" (S.5) zu verdanken ist,  ist die schablonhaft-schematisierende Darstellung der SS-Männer rumäniendeutscher Herkunft als OPFER. Sie sollen systematisch benachteiligt und diskriminiert worden sein, was bei ihnen "Minderwertigkeitsgefühle" verursacht habe (S.73); ihre Ausbildung soll von schlechter Qualität gewesen sein (S.239-245); sie sollen als "Walachen" beschimpft worden sein (S.241-242). Der "Diskriminierung" widmet Verfasser ein ganzes Unterkapitel (S.246-253) , wo er zu den Pasuschalurteilen gelangt:

Für die meisten Rumäniendeutschen war eine herablassende Behandlung aufgrund ihrer Herkunft während der Ausbildung an der Tagesordnung. (S.247)

Die zahlreichen, identischen, selbst in der SS-apologetischen Literatur nur zu gut bekannten Berichte über schlechte Behandlung der "germanischen" Freiwilligen untermauern die Annahme einer systematischen Diskriminierung durch reichsdeutsche. (S.248)

       Auch ist es hoch hergeholt, wenn Verfasser die von der SS-Verwaltung vorgenommenen Dreifächerung der SS-Männer und SS-Einheiten als ein Ausdruck von Diskriminierung betrachtet (S.252).  Dass diese Dreiteilung der SS-Verbände erst spät (13.04.1944) aktenkundig ist (ebenda), bereitet Milata keinerlei Kopfzerbrechen. Damit ist eine weitere Schwäche seines "Handwerks" angesprochen: Verfasser unterläßt es, die für die sachgerechte Einstufung und  Abschätzung eines Ereignisses, einer Maßnahme oder eines Vorgangs unabdingbaren chronologischen Querverbindungen herzustellen und die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen zu ziehen.

        Zudem will Milata sein "Diskriminierungs"-Argument noch damit erhärten, dass »"Die Beifügung des Adjektivs "Freiwillig"« zu einem SS-Divisionsnamen angeblich "eine Division zweiter Klasse erkennen" liesse (S.252). Dass diese Hierarchie von der SS-Verwaltung nicht aus diskriminatorischen, sondern ausschließlich aus technisch-pragmatischen, also rein organisatorisch-verwaltungsmässigen Gründen vorgenommen wurde, fällt Milata selbstverständlich nicht auf. Und dass der FREIWILLIGEN-Begriff, ob nun in der Titulatur einer Division wie die der Division "Prinz Eugen", oder im allgemeinen SS-Sprachgebrauch, vor allem in Verbindung mit der Rekrutierung von "Volksdeutschen", gar nichts mit "Minderwertigkeit" oder Diskriminierung zutun hat, ignoriert Milata systematisch.  Zwar versucht er in der "Einleitung" sein Verständnis des Begriffs "Freiwilligkeit" zu erklären (S.6)

       Weiterhin fällt auf, dass Verfasser bereits aus der Verwertung von Archivbeständen gewonnene Erkenntnisse systematisch ignoriert, so die von Dr. Johann Böhm in seinen drei Bänden über die "Deutsche Volksgruppe in Rumänien" (1919-1945) niedergelegten Forschungsergebnisse. Das gilt nicht nur für die engere SS-Thematik, wo beispielsweise die tabellarische Erfassung der SS-Rekrutierung 1943 (S.303-305) nicht einmal ansatzweise anführt, dass Böhm eine solche Aufstellung bereits in seinem Band "Die Gleichschaltung der Deutschen Volksgruppe in Rumänien  und das 'Dritte Reich' 1941-1944" (2003), S. 458-462 bringt. Und in seinen Ausführungen über das politische Geschehen der Jahre 1918-1940 (1. und 2. Kapitel) erhebt es Milata zur Systematik, die von Dr. Böhm und in der "Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik" bereits niedergelegten Erkenntnisse systematisch zu unterschlagen. Stattdessen bezieht er sich auf Böhm nur dann, wenn es gilt einen Seitenhieb auszuteilen: So kanzelt Milata die Behauptung Böhms, mit der 1000-Mann-Aktion habe die Volksgemeinschaft  sich der Opposition entledigen sollen, einfach ab (S.74 u. Anm.145 daselbst). Hingegen räumt Verfasser der geschichtsrevisionistischen Rechtferrtigungsliteratur rumäniendeutscher Herkunft und ebenso positionierter  Historikern (Roth, Miege, Reinerth, Schuster, Wien, Weber, Gündisch, Schödl, Spannenberger) sowie anderen (bundesrepublikanischen und ausländischen) Histiorikern (Höhne, Hesse, Kolar, Stein, Wegener, Ciobanu), ebenso den Erklärungen ehemaliger SS-Angehörigen (Coulin,  Reiser, Bruckner) eine  recht breiten Referenzrahmen ein.


Zu Schödls  problematischer Sichtweise und Methodik, den nazifizierungsprozess der Rumäniendeutschen zu bagatellisieren vgl.
Die zeitgeschichtlichen Sandkastenspiele Günter Schödls
Wahrheitsfindung und geschichtswissenschaftliche Wahrhaftigkeit verbieten einseitige Experimente


Zu Roths durchgehenden Fehleistungen in "Politische Strukturen und Strömungen bei den Siebenbürger Sachsen 1919-1933" vgl.
Terminologische und politische Blindheit

            Ein weitere Anzahl von Unterlassungen, weist der bibliografische Abschnitt auf: im Abkürzungsteil sind nicht alle Abkürzungen aufgenommen worden: so fragt sich der verdutzte Leser, was denn die Abkürzung SODT bedeutet, die in vervielfachter Weise im Buch vorliegt, ebenso die  Buchstabengruppe SI. Die bibliografische Liste wird unter der irreführenden Titulatur "Veröffentlichtes Quellenmaterial" geführt, wo üblicherweise die Quelleneditionen gesondert von der Sekundärliteratur ausgewiesen werden. Dabei werden einige grundlegende Quellenkorpora vermisst. z.B. das ADAP (Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik), das zahlreiche Urkunden zur rumänisch-rumäniendeutschen Thematik enthält. Auch fehlen in der Liste manche Werke, die im Verlauf des Textes hernagezogen werden: worauf bezieht sich beispielsweise Schödl 1995 ? Auch werden grundlegende Arbeiten der Sekundärliteratur einfach unterschlagen, so der für die Vorbereitungszeit von Andreas Schmidt und seiner Gruppe radikaler Nationalsozialisten in Deutschland 1938-1940 aufschlussreiche Band von Hans Wolfram Hockl "Deutscher als die Deutschen", der mehrere recht aufschlußreiche Briefe von Andr. Schmidt, vor allem an seinen späteren Stabschef Andreas Rührig, aber auch Antwortbriefe von Rührig enthält. Auch fällt auf, dass Milata Sydnor nur in der englischsprachigen, nicht aber in der deutschsprachigen Ausgabe von 2002 kennt.

       Und schließlich die TÄTERPROBLEMATIK, die bei Milata eindeutig unterbelichtet ist. Auch die recht üppige Literatur dieser Sparte, die nicht nur eine ausgezeichnete Handhabe für die Thematik liefert, sondern auch kennzeichnende Angaben über die Volksdeutschen, auch die Rumäniendeutschen in der SS bereithält, sucht man vergeblich in Milatas Literaturaufstellung.

        Die eingangs angesprochene Ausgangslage rechtfertigt es, dieses Werk  als Kompromissprodukt zu bezeichnen. Als solches ist es ein Stückwerk, das heisst, der Text mutet zuweilen recht ekklektisch an, zumal dort, wo in verstärktem Masse die Rechtfertigungsliteratur und Zeitzeugenaussagen eingebunden werden. Hinzu gesellen sich noch die recht häufigen und durchgehenden handwerklich-methodischen Mängel des Verfassers. Der Band bringt zwar etwas mehr Licht in das bisherige Dunkel der rumäniendeutschen SS-Problematik,  wird aber den vom Autor vorgegebenen hehren Zielen nur teilweise und bedingt gerecht.



Bei Zitation bitte folgende URL verwenden: http://.freenet-gomepage.de/Transsylvania/Milata.html


Vergleich:   Akten der "Deutschen Volksgruppe in Rumaenien" 1940-1944

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                            Datei: Milata.html              Angelegt: 09.09.2007           Geaendert:                                       Autor und ©opyright  Klaus Popa