Karl Kurt Klein und die Problematik der Ansiedlung der Siebenbürger
Sachsen
von
Klaus Popa - Meschede
©Klaus Popa 1997
INHALTSÜBERSICHT
Kleins Geschichtsauffassung und -methodik S. 1-2
Die Herkunftsfrage der Siebenbürger Sachsen als zentrales Thema in
Kleins Geschichtsforschung S. 3
Kleins Schriften der 30-er Jahre zur Herkunftsfrage S. 3-5
Kleins Schriften der 50-er Jahre zur Herkunftsfrage S. 6-14
Die priores Flandrenses S.7-9
Die Ansiedlungsproblematik des Schäßburger Raumes S.10-12
Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie S.12-14
Die Arbeiten des letzten Lebensjahrzehnts S.15-26
Latini und Flandrenses in Siebenbürgen S.16-20
Luxemburg und Siebenbürgen S.20-23
Das Gyepü-Problem; Andere Aufsätze der letzten Jahre S.23-26
Kleins mundartgeschichtliche Argumentation in der Siedlungsfrage aus der
Sicht heutiger Sprachwissenschaft S.27-28
Schlußbetrachtungen S.29
Rezumat (Zusammenfassung in rumänischer Sprache) S.29-30
Die Beschäftigung mit Karl Kurt Klein, dem zweifelsohne bedeutendsten
Gelehrten der Siebenbürger Sachsen in unserem Jahrhundert, dürfte
anläßlich seines 100. Geburtstages die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
und der Forschung auf sein bevorzugtes Forschungsthema, die Siedlungsproblematik,
aber auch auf die Geistesgeschichte seines Zeitalters lenken und zu vertiefter
Auseinandersetzung damit führen. Denn Kleins Element war das geistige
Schaffen, in einer Zeit zunehmender weltanschaulicher Konfliktsituationen,
die auch das intellektuelle Klima Siebenbürgens bzw. Deutschlands
mitbestimmt und in Mitleidenschaft gezogen haben.
Wir meinen, daß nur ein analytisch und synthetisch angelegter
Rahmen der Würdigung des Gelehrten K.K. Klein gerecht wird. Deshalb
beschränken wir uns im Folgenden nicht lediglich auf eine expositive
Bestandsaufnahme der Kleinschen Auffassung über die Herkunfts- und
Ansiedlungsproblematik, sondern bemühen uns, den Werdegang des Kleinschen
Gedankengebäudes sachgerecht nachzubilden und die Aktualität
bestimmter Punkte abzufragen.
KLEINS GESCHICHTSAUFFASSUNG UND -METHODIK
KLEIN stand bereits vor dem Durchgreifen des totalitär-nazistischen
Ungeistes in Siebenbürgen „im anderen Lager“. Sein in der Auseinanderstzung
mit dem Mediascher Arzt Dr. Heinrich SIEGMUND 1932 verfaßter Aufsatz
Methodenfragen
der Geschichtswissenschaft an einem siebenbürgischen Beispiel erläutert1
darf als programmatisch gelten für Kleins methodisches und geistiges
Credo, dem er mit bewundernswerter Konsequenz treu blieb. Siegmund, dem
dann auch der Raketenpionier Hermann Oberth beipflichtete, war ein Vertreter
völkisch-rassenbiologischen Gedankenguts, das auf dem Hintergrund
eines überspitzten Szientismus (Positivismus) der damaligen Naturwissenschaften,
schließlich sozialdarwinistisch ausartete und in der Rassenideologie
der Nazis gipfelte.KLEIN trat für die entschiedene Trennung von Kultur-
und Geisteswissenschaften - zu denen auch sein Forschungsfeld, die Geschichtswissenschaft,
zählt - von den Naturwissenschaften ein. Denn die Geschichte als Kette
einmaliger Momente kann nicht in die Zwangsjacke von Gesetzen bzw. Typen
gedrängt werden2 . In der Geschichtswissenschaft wird dem
Individuellen, der Individualität, Vorrang gegeben, im Gegensatz zum
naturwissenschaftlichen Schema, das das Individuelle als
1) Erstdruck in Heft 4/1932 („Friedrich Teutsch-Heft“) der „Siebenbürgischen
Vierteljahrsschrift“ (fortan Sbg. Vjschr.), das als Festgabe zum 80. Geburtstag
des Vorsitzenden des „Siebenbürgischen Landeskundevereins“ erschien,
unter dem Titel Geisteswissenschaft und naturwissenschaftliche Pseudohistorie,
S.315-328; Saxonica Septemcastrensia (fortan SS.),
Marburg 1971, S. 77-85.
2) SS, S. 78f.
Seite 2‘unwesentlich’ ausscheidet3.
Die totalitäre Tendenz der Siegmundschen Forschungsmethode widerstrebt
KLEIN. Er betont, daß sein „Begriff der Wissenschaft„ „auf dem der
geistigen Freiheit“ beruht, er lehnt jede Bestimmung der Wissenschaft durch
Zwecke und Absichten von außen her ab4. Anders angelegte
Bemühungen führen zur „Vergewaltigung“. KLEIN benötigt in
seiner Forschung die Freiheit, spekulativ zu denken und frei kombinieren
zu können5.In seiner Antwort auf eine aus ungarischer nationalistischer
Ecke im „Besztercei Hirlap“ anonym erschienenen Artikelreihe, die aus dem
von Elemér MÁLYUSZ redigierten Sammelwerk Siebenbürgen
und seine Völker übernimmt6, fordert KLEIN,
daß die Forschung „in unvoreingenommener Arbeit die Wahrheit feststellt.
Als selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, daß die Forscher,
unabhängig davon, in welchem völkischen Lager sie stehen, der
unvoreingenommenen Erkenntnis und ihrer Verkündigung, auch wenn sie
gegen den eigenen Vorteil oder frühere Überzeugungen gerichtet
ist, die Ehre geben.“7KLEIN vertraut der Uneingenommenheit des
wahren Wissenschaftlers: “Ein Mann der Wissenschaft - Scharlatane und Dilettanten
scheiden aus unserer Betrachtung aus - wird sich niemals zu Schiebungen
und Beugungen der Wahrheit hergeben“8. Hier wird abermals deutlich,
wie sehr KLEIN „totalitäre“ Äußerungen mißbilligte,
die auch die ungarische Geschichtswissenschaft jener Jahre aufzeigt. Dieselben
Entgleisungen erkennt er auch auf rumänischer Seite in der Person
von Iosif SCHIOPUL, der die burzenländer Urkunden des Deutschen Ordens
in Frage stellte was einer „übertont vaterländischen Haltung“
gleichkommt, die auch MÁLYUSZ an den Tag legt. Das war „Pseudowissenschaft“9.Die
Freiheit des Geistes war in KLEINS Augen das höchste menschliche Gut
und die unabdingbare Voraussetzung echter Wissenschaftlichkeit. Vorgaben
verabscheute er zutiefst, und in den Nationalismen der Kriegsjahre erblickte
er eine große Gefahr. Er betont folgerichtig, daß die Erforschung
siebenbürgisch-sächsischer Themen von keiner Stelle vorgegeben
werden kann, weder von der Klausenburger Universität, noch von Budapest
oder Berlin oder sonstwelchen anderen Instituten oder Menschen10.
3) SS, S.78.
4) SS, S.82.
5) Dieser Wesenszug seiner Methodik kommt vornehmlich in den letzten Aufsätzen
(ab 1966) zur Geltung. Nicht von ungefähr bemerkt der Mediävist
Dietrich KURZE, Zur historischen Einordnung der kirchlichen Bestimmungen
des Andreanums (Vortrag auf der Arbeitstagung des Arbeitskreises in
Aachen 1969); jetzt in: Dietrich KURZE, Klerus, Ketzer, Kriege und Propheten.
Gesammelte Aufsätze, hg. von Jürgen SARNOWSKY, Marie-Luise
HECKMANN und Stuart JENKS, Fahlbusch Verlag Warendorf, 1996, S.125, Anm.
3: „die Arbeiten von K.K. Klein sind oft zu hypothetisch.“
6) KLEINS Antwort Siebenbürgen und seine Völker. Deutsche
Feststellungen zu einer ungarischen Artikelreihe erschien ursprünglich
in der „Bistritzer Deutschen Zeitung“ am 14. Januar 1943 und in verkürzter
Form in SS, S.36-43.
7) SS., S.40.
8) SS., S.42.
9) SS., S.40f.
10) Wie Anm. 8. Mit „sonstwelchen anderen Instituten“ meint KLEIN offensichtlich
das zuvor von der Deutschen Volksgruppe in Rumänien errichtete „Forschungsinstitut“
in Hermannstadt.
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DIE HERKUNFTSFRAGE DER SIEBENBÜRGER SACHSEN ALS ZENTRALES THEMA IN
KLEINS GESCHICHTSFORSCHUNG
KLEINS Auseinandersetzung mit der Ansiedlungs- bzw. Herkunftsfrage der
Siebenbürger Sachsen wurzelt in der seit der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts wissenschaftlich betriebenen Beschäftigung mit diesem
Problemkreis. Auf persönlicher Ebene verknüpfte er mit der Beantwortung
bzw. Lösung der Frage die Überwindung der Identitätskrise,
die die siebenbürgisch-sächsischen Intelektuellen seit der Eingliederung
Siebenbürgens ins rumänische Königreich durchlebten. Während
im ‘gegnerischen’ Lager der ‘Nationalgesinnten’ diese Krisenstimmung Schriften
wie die von KLEIN vehement angegriffene Deutschen=Dämmerung
in Siebenbürgen (Verdrängung oder Vernichtung?) (1931)
von Heinrich SIEGMUND11 produzierte, verfaßte KLEIN Finis
Saxoniae? - Nein!12, ein Titel, der verhaltenen Optimismus
ausstrahlt. Die Kernsätze dieses Aufsatzes lauten: „Unsere Geschichte
ist kein beständiges Verlieren und Zurückgedrängtwerden
gewesen“ und „... so gewinnen wir auf MÜLLERS Spuren13
gerade aus der Geschichtsbetrachtung neue Zuversicht für unseren Bestand
in der Zukunft“14.
KLEINS SCHRIFTEN DER 30-ER JAHRE ZUR HERKUNFTSFRAGE
I. Die Philologica-Historica. Bemerkungen zu Stand und Methoden
der siebenbürgisch-deutschen Sprach- und Herkunftsforschung
(1933)
Diese Arbeit veröffentlichte KLEIN als Aufsatzreihe (in drei Folgen)
in der von ihm herausgegebenen „Siebenbürgischen Vierteljahrsschrift“15.
Im ersten Teil dieser Schrift (Gustav KISCH und die Herkunftsfrage)
distanziert sich KLEIN von seinem Lehrer, der ein Vertreter der jungrammatischen
Dialektologie war. Er wirft KISCH vor, daß er in seinem Werk Siebenbürgen
im Lichte der Sprache die verfehlte Gleichung „Sprache=Volk“16
für den Winkel zwischen Mosel und Rhein samt ganz Luxemburg und Siebenbürgen
aufstellt17. Auch wirft er Kisch „das Trügerische des unmittelbaren
Ziehens geschichtlicher Schlüsse aus dem Ortsnamenstoff“ vor18.
Denselben Fehlschluß leistet Kisch auch im Vergleichenden Wörterbuch19.
11) Vgl. oben, S. 1.
12) Erstdruck in : Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt Nr. 17.818 vom
27. August 1932, Jg. 39, S.1; SS., S.12-14.
13) Es ist der Hermannstädter Stadtpfarrer Friedrich MÜLLER gemeint,
an dessen Vortrag auf den Sächsisch-Reener Vereinstagen KLEIN anknüpft.
14) Wie Anm. 12, S. 14.
15) Sbg. Vjschr., 56. Jg., April/September 1933, Nr. 2/3, S.165-188; 56.
Jg., Oktober/Dezember 1933, Heft 4, S.346-358; 57. Jg., April/September
1934, Nr. 2/3, S.186-192. Die ersten beiden Teile erschienen als gesonderte
Beiträge in Transsylvanica. Gesammelte Abhandlungen und Beiträge
zur Sprach- und Siedlungsforschung der Deutschen in Siebenbürgen
(fortan Transs.), München 1963, S.165-188; 81-90.
16) KLEIN schreibt diesbezüglich: "Hat man die H e r k u n f t im
Auge, dann ist die Grundfrage: "Wo spricht man außerhalb Siebenbürgens
dem Siebenbürgisch-Sächsischen am ähnlichsten?" Das setzt
die Gleichung Sprache=Volk voraus, was von der Wissenschaft nicht aufrechtzuerhalten
ist." (Transs., S.27).
17) Ebenda., S.20-21.
18) Ebenda, S. 22. Klein kritisiert hier die wortgeographische Forschungsweise,
die er in den Endfünfziger Jahren, als die Arbeiten am Siebenbürgisch
Deutschen Sprachatlas unter seiner Federführung zügig vorankamen,
wieder in den Vordergrund sprachgeschichtlicher Forschung rückt. 19)
Ebenda, S. 23.
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KLEIN teilt mit dem Petersbergurger Sprachforscher Viktor SCHIRMUNSKI
(Sprachgeschichte und Siedlungsmundarten), das Forschungsprinzip:
„Nur anhand geschichtlicher Zeugnisse über die Auswanderung ist der
komplizierte Mechanismus der Mischungsprozesse zu verfolgen“20.
Dieses Prinzip wurde zum Grundpfeiler seiner Herkunftsforschung.
In Gustav Kisch und die Herkunftsfrage spricht KLEIN zum
ersten Mal den Gedanken aus, daß moselfränkische Lokatoren oder
rheinische Adlige (Erbgräven) in der Besiedlung eine hervorragende
Rolle gespielt haben können21.
Den mit SCHIRMUNSKI geteilten Vorrang der Siedlungsgeschichte vor der
Sprachgeschichte wiederholt KLEIN in Die Mundart der Sachsen von
Hermannstadt (der zweite Teil der Philologico-Historica): "die
Sprachvergleichung erwartet von der Siedlungsgeschichte die Klärung
grundlegender, sprachgeschichtlicher Fragen" was eine "Umkehrung der bisherigen
Anschauung in aller Form" bedeutet22. Damit krempelt KLEIN die
siebenbürgische Herkunftsforschung um. Außer dieser Prioritäts-
bzw. Schwerpunktverlagerung fordert KLEIN auch interdisziplinarische
Einstellung: "Zur Klärung der Urheimat- und Ansiedlungsfrage werden
die historischen Disziplinen aller Lebensgebiete zusammenwirken, die der
Siedlungs-, Agrar-, Stadt-, Rechts-, Verfassungs-, Sitten-, Rassen-, Kirchen-,
Kunst-, Literatur- und Wirtschaftsgeschichte usw."23. Die hier
entworfene Forschungsmethodik konnte KLEIN erst in den frühen fünfziger
Jahren praktisch umsetzen24.Der zweite Teil der Philologico-Historica
ist dafür bedeutsam, daß Die Mundart der Sachsen von Hermannstadt
(1928) von Andreas SCHEINER den Anlaß dazu lieferte. KLEINS aufrichtige
Bewunderung des Menschen Scheiner und dessen Forschungsansätze, die
KLEIN zeitlebens hegte, manifestiert sich in dieser ersten Schaffensphase
darin, daß er den Grundsatz Scheiners übernahm, "daß jeder
methodische Wissenschaftszweig in seiner Forschung selbst vorzugehen und
erst die gefundenen Ergebnisse mit denen der anderen zu vergleichen habe"25.
20) Ebenda, S. 28.
21) Ebenda, S. 23. Diesen Ansatz erweiterte Klein in Verbindung mit der
Pivilegialurkunde für Krakau, Crapundorph und Rumes (1206), die er
‘Adligenprivileg’ nannte. Die von Otto MITTELSTRASS in Beiträge
zur Siedlungsgeschichte Siebenbürgens im Mittelalter, München
1961, aufgestellte Maxime "Deutsche Siedler folgen den deutschen Grundherren"
bestärkte Klein in seiner Sichtweise.
22) Transs., S.353.
23) Ebenda, S.354.
24) Der erste Niederschlag dieser komplex angelegten Forschungsmethode
ist der Beitrag Das ‘Rätsel der siebenbürgischen Sprachgeschichte’.
Die Goten-Geten-Daken-Sachsengleichung in der Sprachentwicklung der Deutschen
Siebenbürgens, in: Südost.Forschungen, Jg. 1946-52, Bd. XI,
S.84-154; Transs., S.90-139).
25) Wie Anm. 23. KLEIN bemerkt ferner, daß SCHEINER mit seiner Mundart
der Hermannstädter Sachsen ein Forschungsfeld abgesteckt hat,
„dessen Umfang nach der Tiefe und Breite noch für Generationen Arbeit
bietet“ (Transs., S.356-57). Die Wesensverwandtschaft KLEINS und
SCHEINERS besteht u.E. in der historischen Perspektive, die beide ihren
Sprachforschungen zugrunde legten und in der freien Kombinatorik ihrer
jeweiligen Methode. Der letztere Wesenszug läßt SCHEINERS Entwicklungsschema
des "siebenbürgisch-deutschen Sprachgefühls" aus heutiger Sicht
recht hypothetisch und spekulativ erscheinen (Seit 1929: 1. Rheinische
Grundlegung der siebenbürgischen Mundartlandschaft nach 1141 (Regierungsantritt
Geysas II.). 2. Obersächsische, d.i. ostmitteldeutsche Überdachung
der rheinischen Mundarten Siebenbürgens nach 1241 (Tatarensturm).
3. Neuhochdeutsche Gärung der siebenbürgisch-deutschen Sprachstände
nach 1536 (Reformationszeit, Luthersprache im selbständigen Fürstentum
Siebenbürgen). 4. Mundartliche "Besinnung und Klärung" der Sprachlandschaft
im 16./17. Jahrhundert, d.h. Wiederauftauchen der alten Bauernmundarten
aus dem Untergrund in der Form einer großlandschaftlichen Verkehrssprache
("Gemeine Landsprache") (Vgl. KLEIN, Siebenbürgische Mundarten
(Berichte sächsiche Akademie der Wissenschaften, Bd.104, Heft 3),
Berlin 1959, S. 26f.).
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II. More nobilium se gerentes26
Dieser Aufsatz KLEINS wirft ein Forschungsthema der siebenbürgisch-sächsischen
Frühgeschichte auf, das der Gelehrte wiederholt besonders in den Arbeiten
der 50-er und 60-er Jahre in breitere Forschungskontexten einfließen
läßt. Ausgehend von Stefan KISS von Rugonfalvas Abhandlung Az
egységes magyar nemesi rend kifeljödése, Universitätsdruckerei
Debrecen 1932, die der Entwicklung des 1351 durch König Ludwig I.
vereinheitlichten ungarischen Adelsstandes nachgeht, bringt KLEIN die aus
einer Urkunde des Jahres 1291 stammende Bezeichnung des sächsischen
Adels more nobilium se gerentes ins Gespräch und gelangt zum
Ergebnis, daß sowohl die naturales servientes ultra Dravam constituti,
die naturales regni Chroatie nobiles, die siebenbürgischen
Szekler, die kumanischen, jazygischen, petschenegischen Adligen sowie die
more
nobilium se gerentes Saxones Nationalitätenadel waren, „der in
den ungarischen Geschlechteradel noch nicht hereingewachsen bzw. noch nicht
aufgenommen war“27. KLEIN sieht die Notwendigkeit, die Frage
der sächsischen Gräfen in und außerhalb der Volksgemeinschaft
wieder aufzuwerfen und neu zu behandeln28.
III. Nordsiebenbürgische Flurnamengeographie
In der Besprechung der Herkunft der Nordsiebenbürger Deutschen
im Lichte der Flurnamengeograpghie von Ernst M. WALLNER (1936)29
hebt KLEIN hervor, daß der Autor die Herkunftsfrage als geschichtliche
Frage anerkennt, ein Fortschritt zu seinem Lehrer Gustav KISCH30.
Doch KLEIN stellt fest, daß WALLNER das Axiom von der Beständigkeit
der Laute in der Herkunftsforschung anwendet, das schon auf falsche Fährten
geführt hat. Deshalb lehnt KLEIN die Arbeit insgesamt ab31.
26) Erschienen in Sbg. Vjschr., 59. Jg., Januar/Juni 1936, S. 108-113.
27) Ebenda, S.112.
28) Ebenda, S.113.
29) Die Arbeit WALLNERS erschien als Heft 30 des „Rheinischen Archivs“,
Bonn 1936. Erstdruck der Besprechung von KLEIN in: Sbg. Vjschr., 1938,
Jg. 61, S.285-291; Transs., S.259-264.
30) Transs., S. 260.
31) Ebenda, S. 263f.
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KLEINS SCHRIFTEN DER 50-ER JAHRE ZUR HERKUNFTSFRAGE
Im Vortrag Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen in
europäischer Sicht32 charakterisiert KLEIN die
mittelalterliche „Ostkolonisation“ als „eine der größten Leistungen
des deutschen Volkes. ... Den größten Gewinn hatten Europa und
der christlich-abendländische Gedanke. ...“ (33). Außerdem soll
die Sachsensiedlung in Siebenbürgen „eine großdeutsche Tat gewesen“
sein34. Diese betont nationalistisch gefärbten Formulierungen
sind ungewöhnlich bei KLEIN. Sie wiederspiegeln zweifelsohne die traurige
Einsicht, die inzwischen zur schmerzlichen Gewißheit geworden war,
daß er sein geliebtes Siebenbürgen nie mehr wiedersehen würde.
KLEIN fand glücklicherweise bald zu seiner ausgewogenen wissenschaftlichen
Begriffssprache zurück.KLEIN äußert im genannten Vortrag
zum ersten Mal den Gedanken, daß "die siebenbürgischen Siedler
gegen Zusicherung sehr hoher Sonderrechte (Privilegien) zuerst nur auf
"Königsboden" angesiedelt" wurden. "Erst nach und nach errangen auch
die ungarischen Grundbesitzer, Hochadlige, Barone und Magnaten, ebenfalls
das Recht, Siedler anzusetzen. Auch sie mußten ihnen ungewöhnliche
Sonderrechte zubilligen"35.In Mönchsdorf. Geschichte
aus der Kunstgeschichte36 versucht KLEIN, dem Geheimnis
des in Nordsiebenbürgen, selbst in Siebenbürgen, einzigartigen
Kirchenbaus in Mönchsdorf auf die Spur zu kommen. Hier äußert
er die brisante Meinung, daß nicht Einheit am Beginn der sächsischen
Volksgeschichte steht, sondern Vielheit: "Eine Vielheit der Zeit, der Sprache,
der Rechte, des Herkommens, der Siedlung, der Aufgaben, der Lebensformen".
Er stellt ferner fest, daß die Betrachtung der Mönchsdorfer
Kirche noch ein Weiteres lehrt: "Wir können unser Sächsisches
Volksgeschick aus dem der mit- und umwohnenden Völker nicht herauslösen."37Am
8.9.1955 präsentierte KLEIN auf dem Ersten Internationalen Germanistenkongreß
in Rom den Vortrag Hochsprache und Mundart in den deutschen Sprachinseln38.
Er liefert hier neue Anhaltspunkte für die Ansiedlungs- bzw. Herkunftsproblematik
aus sprachsoziologischer Sicht. Er unterscheidet zunächst „echte“
und „Grenzlandsprachinseln“. Zu den ersteren ist Siebenbürgen zu zählen.
Die Problematik der echten Sprachinseln ist sprachsoziologischer und geschichtlicher
Natur. Bezüglich der geschichtlichen Komponente stellt er fest, daß
„vertiefte Urkundenforschung der letzten Jahrzehnte“ „ein überraschend
anderes Bild der tatsächlichen Vorgänge enthüllt und zur
Annahme einer überaus bewegten deutschen Sprach- und Volksgeschichte
in Siebenbürgen genötigt hat“39.
32) Gehalten auf der Studientagung der Landsmannschaft der Siebenbürger
Sachsen in Deutschland am 31.6.1953; SS., S.53-61.
33) SS., S.58.
34) SS., S.59.
35) SS., S.58f.
36) Südostdeutsche Heimatblätter, München 1954, Jg.3, S.141-149;
Transs.,
S.189-198.
37) Transs., S.190.
38) Transs., S.311-339.
39) Transs., S. 311, 317, 318, letzteres Zitat S.321.
Seite 7
KLEIN bringt die von Walter MITZKA für das Nordostdeutsche
entwicklelte Sprachhorsttheorie (1937)40 erstmals mit
der Sprachinselforschung in siebenbürgischen Belangen in Verbindung.
In seinen späteren Beiträgen zur Herkunftsforschung und Siedlungsgeschichte
wird dieser Aspekt wiederholt zur Sprache kommen. Auch die sprachsoziologische
Sicht, die KLEIN von A. SCHEINER übernimmt (im römischen Vortrag
erwähnt er die Auffassung Scheiners von der Verschiedenheit sprachsoziologischer
Ebenen, auf denen sich die Geschichte des siebenbürgischen Deutsch
vollzogen hat)41, wird er weiterhin vertreten.
Die priores Flandrenses
Der erste ausschließlich siedlungsgeschichtliche Aufsatz KLEINS erschien
im Siebenbürgisch-sächsischen Hauskalender 1956 in populärwissenschaftlicher
Aufmachung. Daß er das siebenbürgische Publikum in Deutschland
erstmals anspricht, entsprang seiner Überzeugung, daß die Auswirkung
einer Lehre ins Leben eingreifen sollte42. Solche Arbeiten dienten
KLEIN zweifelsohne auch als Vorarbeiten zu späteren Beiträgen,
wo er die zunächst skizzenhaft vermittelten Erkenntnisse wissenschaftlich
verarbeitete.Bedeutsam für die Siedlungsproblematik ist nicht die
von KLEIN errechnete Zahl von ursprünglich 2500 priores Flandrenses,
die um Hermannstadt 13 primäre Siedlungen gegründet haben sollen,
sondern seine Deutung der priores Flandrenses der sogenannten "Legatenurkunde"
von 1191 oder bald danach als "früher angesiedelte Flanderer" und
der alii Flandrenses als "später gekommene". Diese Auslegung
stellt eine zeitliche Differenzierung her, die auch Aufschluß über
die jeweils von den beiden Kolonistengruppen besiedelten Territorien gibt.
KLEIN begnügt sich mit der Feststellung der zeitlichen Aufeinanderfolge
der Gruppen, übersieht indessen, daß die priores Flandrenses
(in der Urkunde heißt es eigentlich Flandrensibus prioribus)
jene Kolonisten waren, denen als erste Siedler überhaupt in der siebenbürgischen
Siedlungsgeschichte ein als "Desertum" in königlichem Besitz befindlicher
Raum zur Besiedlung freigegeben wurde. Das heißt ferner, daß
hier erstmals Königsboden an Siedler vergeben wurde, während
die bisherigen Siedlergruppen ausschließlich auf Komitatsboden angesiedelt
worden waren. Nur die Flandrensibus prioribus, denen König
Geysa II. ein Desertum zugewiesen hatte, sollten zur neugegründeten
Hermannstädter Propstei gehören, nicht auch die alii Flandrenses,
die in anderen Deserta saßen. Dafür spricht jedenfalls der Urkundenpassus
Flandrenses
... qui tunc erant in illo solo deserto, quod gloriose memorie G(eysa)
rex Flandrensibus concessit, ... , ebenso die Stelle quos de nullis
aliis Flandrensibus intelleximus nec alios prepositure supposuimus, nisi
dumtaxat illos, qui tempore, quo ipsam preposituram constituimus, in illo
tantum habitabant, et erant habitaturi deserto, quod Geisa rex Flandrensibus
prioribus concessit. In kirchenrechtlicher Beziehung blieben die alii
Flandrenses, obwohl sie auf Königsboden siedelten, unter der Botmäßigkeit
von Weißenburg43.KLEIN erwähnt in seinem Aufsatz
Die Zahl der priores Flandrenses auch die Siedlergruppe um
Broos und Weißenburg, die in einer Urkunde des Jahres 1206 primi
hospites regnigenannt wird. Diese sind zeitlich vor den priores
Flandrenses anzusetzen (44) und auf diese Gruppe kommt KLEIN
wiederholt zu sprechen im Rahmen der Diskussion um den Saxones-Namen und
um die Adligenverfassung, die ihnen 1206 durch Andreas II. zugebilligt
wurde.
40) Grundzüge nordostdeutscher Sprachgeschichte.
41) Transs., S. 321.
42) So Andreas MÖCKEL, Nachruf auf Karl Kurt Klein, in: Korrespondenzblatt
des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde, 1.Jg., Heft
3, 1971, S.65-74, hier S.72. MÖCKEL erwähnt, daß KLEIN
zum Zweck der Popularisierung seiner Lehre auch in Publikationsorganen
veröffentlichte, „die in der vornehmen akademischen Welt wenig beachtet
werden.“ (Ebenda).
43) Zur Problematik der Flandrensibus prioribus vgl. Klaus POPA,
Kreuzzüge
als Quelle einer Ansiedlung in Siebenbürgen (ursprünglicher
Titel: Die Kreuzzüge als Quelle der Ansiedlung der Siebenbürger
Sachsen), in: Forschungen zur Volks- und Landeskunde (FVLK), Bd. 32, Nr.1,
1989, S.111-116. Die internationalen Bezüge der Ansiedlung von Flandrenses
behandelt jüngst Harald ZIMMERMANN,
Die deutsch-ungarischen Beziehungen
in der Mitte des 12.Jahrhunderts und die Berufung der Siebenbürger
Sachsen, in: Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte,
hg. von Sönke LORENZ und Ulrich SCHMIDT, Sigmaringen 1995, S. 151-165.
Der Aufsatz ist auch in der FestgabeSiebenbürgen und seine Hospites
Theutonici. Vorträge und Forschungen zur südostdeutschen Geschichte
(Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Bd. 20), hg. von Konrad
GÜNDISCH, Köln Weimar Wien 1996, S.83-101 abgedruckt.
44) Transs., S.225.
Seite 8
Adelsrechte und Saxones-Name
In Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen45
spricht KLEIN außer der zentralen Problematik des 'Sachsen'-Namens
und des bereits 1936 aufgeworfenen Problemkreises um die more nobilium
se gerentes Saxones46 weitere Themen der Ansiedlungskomplexes
an, auf die er immer wieder zurückkommt (z.B. das Wallonen-Thema).Bezüglich
des Sachsen-Namens stellt KLEIN zunächst fest, daß noch keine
befriedigende Antwort seiner Herkunft gefunden wurde. Er schickt voraus,
daß "auch der nachfolgende Versuch nicht das letzte Wort in dieser
Frage sein kann", doch er ist zuversichtlich, daß er einer schlüssigen
Antwort näher kommt, als ältere Lösungsversuche47.Weil
der Saxones-Name zum ersten Mal in der Privilegienurkunde für Krakau,
Krapundorf und Rumes 1206 vorkommt, geht KLEIN auf diese Siedlergruppe
näher ein und betont, daß sie die älteste Siedlergemeinschaft
aus vorgeysanischer Zeit ist48. KLEIN glaubt in der Art der
Privilegierung und aus der Formulierung quos et nobilitas generis exornat
(die neben anderem auch der Adel ihrer Abstammung auszeichnet) Adelsrechtidentifizieren
und erkennen zu dürfen. Er hält das, aus heutiger Sicht anfechtbare,
Ergebnis fest, "daß die Saxones von Krakau-Crapundorph ... - als
Ministerialadlige jener Sorte anzusehen sind, die in Ungarn als servientes
regis, in Deutschland als milites 'Ritter' bezeichnet wurden"49.
45) Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, München 1957,
S.76-88; Transs., S.143-159.
46) Vgl. S. 4.
47) Transs., S.143.
48) Transs., S.149.
49) Ebenda.
Seite 9
Bezüglich des Saxones-Namens stellt KLEIN fest, "daß
die Bezeichnung Saxo 'Sachse' vor und nach 1200 neben der ursprünglichen
ethnographischen50 Bedeutung auch eine solche ständisch-berufspolitischer
Art gehabt und soviel bedeutet habe wie "(adliger) Krieger, Berufskrieger,
Soldritter im Dienst des Königs". Dasselbe gilt auch für die
Saxonibus,
Olacis, Siculis et Bissenis, die den Hermannstädter Komes Iwachinus
1210 im Feldzug nach Widin begleiteten, worunter "nicht etwa Sachsen, Rumänen
(Wlachen), Szekler und Bissenen der Hermannstädter Provinz in ihrer
völkischen Substanz gemeint" sind, "sondern militärische Formationen,
die sich in ihrer volklichen Grundsubstanz allerdings ebenso unterschieden
wie nach Art ihrer Bewaffnung und taktischen Verwendbarkeit"51.
KLEIN hat sowohl in der Auslegung des Saxones-Namens als 'Berufskrieger',
'Ritter' als auch in seiner übernationalen Bedeutung das
Richtige getroffen. 'Saxones' bezeichnete zweifelsohne die besondere Bewaffnung
und das Berittensein52.Um 1200 hatte der Begriff des Saxo "neben
seiner rechtlich-ständischen Bedeutung ursprünglich einen ethnographisch-stammeskundlichen
Inhalt"53. KLEIN glaubt schließlich, in den vorgeysanischen
Saxones doch wirkliche Sachsen, "d.h. Niedersachsen, aus dem Herzogtum
Heinrichs des Stolzen, dann Heinrichs des Löwen" erblicken zu dürfen54.Das
Fazit bezüglich des Saxones-Namens lautet: "Der Sprachgebrauch ging
aus der königlichen Kanzlei in die sächsischen Schreibstuben
und von dort schließlich in die Verwendung der ganzen Volksgruppe
über"55.
50) KLEIN meint ‘völkisch’ (ethnisch).
51) Transs., S.151. KLEIN erblickt konsequenterweise in der Folge
von Franz v. KRONES (1880) auch im Siculus-Namen zunächst die Bezeichnung
eines bestimmten Berufs, den der Grenzverteidigung Siebenbürgens.
Auch der Name Oláh, Walach, sei gleichbedeutend mit ‘Hirte’ (v.
KRONES). Diese Interpretationsweise ist als überholt einzustufen.
52) Es sei daran erinnert, daß der Stammesname der niederdeutschen
Sachsen vom „einschneidigen Hiebschwert, Sax oder Skramasax“ herrührt
(Franz KUROWSKI, Die Sachsen. Schwertgenossen Sahsnôtas, Augsburg
1991, S.11). Das Wappentier des heutigen Bundesstaates Niedersachsen und
des Landes Westfalen, beides altsächsische Territorien, ist ein weißes,
sich aufbäumendes Pferd, was auf die Tradition der Pferdezucht und
das Reitertum der alten Sachsen hindeutet.
53) Transs., S. 153. Doch der Begriff benannte nach 1200 nicht den
Herkunftsstamm, sondern die Gesamtheit der siebenbürgischen Kolonisten.
Es werden nämlich in der Privilegienurkunde von 1206 für Krakau
und Crapundorph auch alii Saxones genannt, die bestimmter militärischer
Dienste nicht befreit waren.
54) Transs., S. 153f.
55) Transs., S. 157.
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Die Ansiedlungsproblematik des Schäßburger Raumes
Schäßburg im Kisder Kapitel56 ist der
erste großangelegte Versuch KLEINS, die Problematik eines siebenbürgisch-sächsischen
Randgkolonisationsgebietes in seiner Komplexität zu durchleuchten57.
Schäßburg zieht KLEINS Aufmerksamkeit auf sich, weil es "ganz
konkret die Frage nach dem Verhältnis von Stadt, Stuhl und Kapitel,
damit ... ganz allgemein nach der Art der Ansiedlung der Siebenbürger
Sachsen" aufwirft58. Die zentrale Frage liefert die Auseinanderstzung
zwischen Dr. Rudolf SCHULLER und G.E. MÜLLER, dem einstigen Direktor
des Sächsischen Nationalarchivs, ob die Stühle und Kapitelsgemeinschaften
auf territorial- oder personalrechtlicher Grundlage entstanden
sind.KLEIN läßt die Untersuchungsergebnisse von G.E. MÜLLER
gelten, der aus der Art des Zehntbezugs ablesen wollte, "ob eine Dorfgründung
ursprünglich auf freiem Sachsenboden oder auf Komitatsboden erfolgt
war, denn die Zehntpflicht blieb unverändert". MÜLLER sah die
Art der Zehntzahlung bodenrechtlich (territorial) bedingt an59.KLEIN
schließt den Unteren Stuhl, dessen naturalzehntpflichtige Dörfer
auf Komitatszugehörigkeit (Unfreiheit) deuten, als frühstbesiedelt
aus, weil die Siedler nicht aus westlicher Richtung, kokelaufwärts,
gezogen sind, weil das angrenzende Mediascher Stuhlsgebiet junges Kolonisationsgebiet
ist (es soll laut KLEIN erst Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts
erschlossen worden sein)60. Den Straßenzug kokelaufwärts
hätten die Alten nicht gekannt. Derselbe Befund gilt auch für
den ‘mittleren Stuhl. KLEIN pflichtet der Meinung von G. Fr. MARIENBURG61
bei, der obere Stuhl, der den Namen des Kapitels (Kisd) von seinem Vorort
Keisd entlehnt hat, sei der zuerst besiedelte Teil62.KLEIN setzt
zusammen mit den ungarischen Forschern TAGÁNYI, FODOR, GYÖRFFY,
KNIEZSA Sekler im Keisder Gebiet an, die von den Königen Stephan V.
und Ladislaus IV. zwischen 1264 und 1289 in die terra castri de Thorda
Aranas vocata iuxta fluvios Aranas et Moros existens, in den späteren
Aranyoscher Stuhl, umgesiedelt wurden63. Die Umsiedlung der
Sekler aus der terra Kézd machte nach 1200 und nach 1264 Siedlungsboden
frei und es war der obere Stuhl um Keisd, der zuerst frei wurde und dessen
Dörfer um 1200 gegründet wurden. Draas und Sommerburg kamen ins
Kisder Kapitel64.
56) Erstdruck in: Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, Jahrbuch
1958, S. 49-64. Transs., S. 166-189.
57) Ein weiterer siedlungsmonographischer Beitrag KLEINS ist Terra Syculorum
terrae Sebus, 1966 . Es hat den Anschein, daß auch eine ähnliche
Arbeit über das Burzenland geplant war, die KLEIN aber nicht mehr
verwirklichen konnte.
58) Transs., S.169.
59) Transs., S.172. Gegen die Starrheit des Müllerschen Schemas
wendet sich Otto MITTELSTRASS, (wie Anm. 21). Er stellt bezüglich
der Forschungen von G. E. Müller fest: "Die Müllersche Formel
ist in ihrer Einfachheit bestechend, sie kann aber im Grunde nicht mehr
geben als einen möglichen Anhaltspunkt. Der Mangel an frühen
Quellen bringt ihn dazu, die jeweiligen Rechtszustände schon vom Ziel
ihrer Entwicklung her rückblickend zu deuten; dabei gerät er
in die Gefahr, manches vorauszunehmen, was erst allmählich zu seiner
endgültigen Form gefunden hat. Müllers Art, die Geschichte zu
betrachten hat den Vorteil, durch systematische Ordnung die Vorgänge
übersichtlich zu machen; sie büßen aber dabei leicht die
ihnen eigene geschichtliche Dynamik ein..." (S. 26f).
60) Das dem nicht so ist, wurde archäologisch nachgewiesen. Die bei
der Margarethenkirche in Mediasch entdeckten Kopfnischengräber weisen
in die Zeit um 1150. Vgl. Ion IONITA, Das Gräberfeld von Marienburg
und die deutsche Siedlung in Siebenbürgen. Ein archäologischer
Beitrag zur Geschichte des Burzenlandes im 12. und 13. Jahrhundert,
in: FVLK 19.(90.) Jg., 1996, S.121-128, hier S.123f.
61) Ausflüge vom Nadescher Burgweg. Ein Beitrag zur Urgeschichte
der deutschen Ansiedlungen in Siebenbürgen, in: Eugen VON TRAUSCHENFELS’
Magazin für Geschichte, Literatur und alle Denk- und Merkwürdigkeiten
Siebenbürgens (1859).
62) Transs., S.172-174.
63) Transs., S.175-179.
64) Transs., S.179. Dem neuesten Forschungsstand zufolge hat es
beispielsweise in Draas keine Sekler gegeben, auch nicht in Deutschweißkirch,
wie aus dem Beitrag von Ion IONITÃ (wie Anm. 60), S.123 mit Anm.
12 und S. 126 mit Anm. 29, ersichtlich ist.
Seite 11
Bezüglich des mittleren Stuhls meint KLEIN, die Sachsen könnten
gelegentlich der zweiten, noch umfassenderen Umsiedlung (nach 1264) zugezogen
sein. Sodann geht er auf die Schwerpunktverlagerung von Keisd nach Schäßburg
ein, die er auf die Bedeutungsverlagerung vom östlicheren Weg über
Marienburg-Nußbach-Reps/Hamruden-Schweischer-Keisd nach Norden durch
die Vorverlagerung des gyepü (militärische Ödzone mit Verhauen
vor neuerrichteten Grenzlinien) auf den Schäßburger Weg, zurückführt65.
Schäßburg hält KLEIN zusammen mit MARIENBURG für eine
"Ausbausiedlung"66.
Die Zugehörigkeit der Ortschaften der sogenannten ‘Schenker Abteilung’
des Kosder (Repser) Kapitels und der ‘Magareier Surrogatie’, ebenso der
Erklärungsversuch für die Lage von sechs Sachsengemeinden des
Laßler Kapitels auf Komitatsboden67 müssen im Lichte
der neuesten archäologischen Erkenntnisse68 revidiert werden.
So ist die Zinspflichtigkeit der Dörfer der ‘Schenker Abteilung des
Kosder Kapitels’ und der ‘Magareier Surrogatie’ (des Kosder Kapitels) gegenüber
Weißenburg, ebenso ihre Verbindung zum ferner liegenden Kosder Kapitel,
nicht zu den näher gelegenen Kapiteln von Mediasch und Schäßburg,
nicht dadurch gegeben gewesen, daß die letzteren Kapitel um 1190
nicht bestanden - die archäologischen Befunde in Mediasch und Schäßburg
sprechen eher dafür, daß es hier seit mindestens einem halben
Jahrhundert Siedler gab, die sich sicherlich auch kirchlich organisiert
hatten. Diese Dörfer sind laut KLEIN Ausbaudörfer, die im Zeitraum
zwischen Geysa II. und der Hermannstädter Propsteigründung entstanden
sein sollen. Ihre Bewohner sollen die alii Flandrenses der "Legatenurkunde"
sein. Das stimmt zweifelsohne, doch die alii Flandrenses sind nicht
"nachgeysanisch“, sondern die Flanderer, die der Hermannstädter Propst
ebenfalls in seine Propstei bekommen wollte, was ihm aber nicht zugestanden
wurde70.
65) Transs., S.180.
66) Transs., S.173. Auch Schäßburg ist bereits um 1150
von Kolonisten besiedelt gewesen, wie die Entdeckung von Kopfnischengräbern
im „Weinbergviertel“ beweist (vgl. IONIÞÃ (wie Anm. 60), S.124
und Anm. 16).
67) Transs., S.181-182.
68) Bei IONITÃ (wie Anm.60). Vgl. oben Anm. 64 und 66.
69) Transs., S.181.
70) Vgl. oben, S.7. Die kirchliche Beziehung der Dörfer der ‘Schenker
Abteilung des Kosder Kapitels’ und der ‘Magareier Surrogatie des Kosder
Kapitels’ zum Kosder Kapitel ist also durch die siedlungs- und kirchenpolitischen
Bestimmungen der Legatenurkunde vorgegeben: Die alii Flandrensessind
zweifelsohne die Siedler des Kosder Kapitels und der dazugehörenden
Dörfergruppen. Dieses Territorium entspricht einem bzw. zwei weiteren
Deserta, die Geysa II. an Kolonisten vergeben hatte, u.zw. nach der Zuweisung
des ersten Desertums (illo solo deserto,... quod Geisa rex FLANDRENSIBUS
PRIORIBUS concessit). Diese Deutung ergibt: 1. daß die Kapitelsgrenzen
in der Tat in der Hauptsache den ursprünglichen Desertumsgrenzen entsprechen;
2. Geysa II. wenigstens zwei weitere Deserta (das dem Repser Stuhl entsprechende;
das der Surrogatie bzw. den Abteilungsdörfern entsprechende) an Flandrenses
vergeben hat. Es liegt auch nahe, in den Territorien Mediasch (Birthälm),
Schelk und Schäßburg weitere Deserta zu erblicken. Die archäologischen
Funde in Mediasch und Schäßburg weisen jedenfalls ebenfalls
auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts als Ansiedlungszeitraum.
Somit erscheint die Geysanische Flandrenses-Siedlung bedeutend massiver,
als es KLEIN behauptet hat. Auch die von ihm vertretene, und durch die
(anfechtbaren) Forschungsergebnisse von MITTELSTRASS untermauerte Meinung,
daß das Mediascher Stuhlsgebiet erst gegen Ende des 12., Anfang des
13. Jahrhunderts erschlossen wurde (Transs., S.173) wird hinfällig.
Seite 12
Die Siedlungschronologie, die KLEIN ans Ende seines Beitrages
stellt ("Um 1200 können der obere, in der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts - d.h. zugleich: nach dem Mongolensturm von 1241 - der
mittlere, in sehr verschiedenen Zeiträumen, vielleicht zum Teil sogar
erst nach 1300, der untere Stuhl samt Ortschaften des Laßler Kapitels
ihre sächsischen Bewohner erhalten haben")71wird von den
neuesten archäologischen Erkenntnissen dementiert72.
KLEIN betont abschließend die Bedeutung der sogenannten „Ur-Zellen“,
woher die Innenkolonisation erfolgt sein soll. Im Falle der Geysanischen
Besiedlung spielten solche Ausbreitungszentren keine Rolle, weil diese
siebenbürgische Siedlungsphase ziemlich massiv war. KLEIN beantwortet
die Ausgangsfrage, ob territoriales oder persönliches Recht bei der
Ansiedlung vorherrschte, wie folgt: „...daß die Wahrheit in der Mitte
liegt. Unser frühes Sachsentum hat sich im Kampf- und Spannungsfeld
zwischen beiden entwickelt“73.
Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie
Der umfangreichste Beitrag KLEINS zu diesem Thema, Zur Siedlungsgeschichte
und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Siebenbürgen,
erschien im Sammelband Siebenbürgische Mundarten74.
Hier fließen seine früher ausgearbeiteten historischen Erkenntisse
ein (aus Hochsprache und Mundart in den deutschen Sprachinseln
(1955); Die Zahl der priores Flandrenses (1956); Der
Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (1957); Schäßburg
im Kisder Kapitel (1958)).Um keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen,
betont KLEIN entgegen SCHWARZ, Herkunft der Siebenbürger,
daß „Fast alles, was damals [in der siebenbürgisch-sächsischen
Mundartforschung] fest und unumstößlich schien, von der Methode
bis zu den sachlichen Ergebnissen, ... heute zweifelhaft geworden, vieles
überholt (ist)“75. Mit seiner Schrift möchte KLEIN
der siebenbürgischen Mundartforschung unseres Jahrhunderts eine neue
Sicht vermitteln, auf die Hauptforschungspunkte in Verbindung mit der Herkunftsproblematik
hinweisen, unter Betonung der spezifisch siebenbürgischen dialektgeographischen
Forschungsmethode, die Andreas SCHEINER begründet hat.
71) Transs., S.188.
72) Vgl. IONITÃ (wie Anm.60).
73) Transs., S.189. Der heutige Forschungsstand zeigt, daß
im Falle der königlichen Deserta keines der beiden Rechte ausschlaggebend
war. Allein die Vorgaben des Königs, der Deserta, d.h. Territorien
zur Besiedlung freigab, in denen zunächst außer dem königlichen
Verfügungsrecht kein anderes Recht Geltung hatte, waren rechtswirksam.
Erst nach der Besiedlung gelangte das kollektive Hospites-Recht (Autonomie
der Gemeindeverwaltung und der Pfarrerwahl) zur Geltung. Ein aus der autonomen
Hospites-Verfassung hervorgegangenes Territorialrecht gab es zunächst
nicht. Bis zum „Andreanum“, das Siedler-Recht zu Territorialrecht erhob,
war das Territorialrecht vornehmlich militärischer Natur. Die Siedlerterritorien
waren ausschließlich Komitate, also militärische Verwaltungsgebiete
mit den sich daraus ergebenden Verpflichtungen.
74) Beiträge von K.K. KLEIN, Helmut PROTZE und Helmut KLIMA (Berichte
über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Band 104, Heft 3), Berlin
1959, S.5-77.
75) Ebenda, S.22. SCHWARZ schrieb: "Die Erkenntnisse der älteren ss.
Mda. Forschung waren, so sehr sie in Einzelheiten in die Irre gegangen
ist, in den Grundzügen richtig" (Herkunft der Siebenbürger,
S. 54).
Seite 13
KLEIN fordert in neuer Sicht von der siebenbürgischen Mundartforschung:
1. Verzicht auf jede Sonderstellung der Siebenbürger Sachsen innerhalb
der deutschen (=ostdeutschen) Kolonisationsgeschichte. Die Siebenbürger
Sachsen sind mit dem gleichen Maß zu messen, wie alle anderen ost-
und südostdeutschen Volksgruppen.
2. Keine Sonderstellung der Sachsen innerhalb der siebenbürgischen
Landesforschung76. 3. KLEIN betont entgegen SCHWARZ, „daß
alte und junge Sprachinseln gleichen Gesetzen folgen“. 4. Es darf kein
unmittelbares Zurückbeziehen von Mundarten einer Tochtersiedlung auf
Stammheimaten unter Überspringung der Mutterkolonien vorgenommen werden77.Damit
die Mundartforschung der Herkunftsforschung taugliche Anhaltspunkte und
Argumente liefern kann, fordert KLEIN "daß den urkundlichen und siedlungsgeschichtlichen
Zeugnissen vor jenen der sprachlichen Aussagen der Vortritt eingeräumt
und die Erklärung der Mischung- und Ausgleichsverhältnisse in
den Rahmen der geschichtlich gegebenen Möglichkeiten verwiesen wird.
Aus der "Buntscheckigkeit der Sprachlandschaft", der "Gemengelage der Mundarten",
aus Rest- und Vereinzelungsformen früher Sprache, wie sie uns unter
Überdeckung durch alte Schreib- und Schriftsprachen entgegentreten,
muß dann versucht werden, die Aussagen der Siedlungsgeschichte zu
überprüfen"78."Die unserer Zeit gestellte Aufgabe"
empfindet KLEIN darin, "Die "konstitutiven Elemente" aus ihrer verborgenen
"Buntscheckigkeit", an Hand von Reliktwörtern und isolierten
Formen, durch "Entmischung" des je länger desto inniger gewordenen
Sprachausgleichs aus mannigfachen Schichtungen, die eine achthundertjährige
Entwicklung auf verschlungenen Wegen und Umwegen, durch naturhafte Entfaltungen
und unorganische Umbrüche verursacht hat, doch noch herauslösen
zu können"79.KLEIN hält an der in Hochsprache
und Mundart in den deutschen Sprachinseln (1955) besprochenen These
Walter MITZKAS von den frühesten Siedlungsformen als Horsten fest80.
Auch die Problematik der Zwischenheimat "wird man von der einen
auf viele "Zwischenheimaten" auszudehnen haben"81. Mit seiner
Forderung, sich nicht "ausschließlich eng an die von der binnendeutschen
dialektgeographischen Forschung entwickelten Methode" zu binden, glaubt
KLEIN der Forderung SCHEINERS, eine andere Behandlungsweise einzusetzen,
gerecht zu werden. Hier macht sich abermals sein auf Synthese ausgerichteter
Geist bemerkbar, indem er eine Zusammenführung binnendeutscher und
siebenbürgischer Methodik anstrebt.
76) Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (wie Anm. 74),
S.30-34. Den neuesten Stand und die ausgewogene Sichtweise der zeitgenössischen
Ostsiedlungsforschung vermittelt Peter ERLEN, Europäischer Landesausbau
und mittelalterliche deutsche Ostsiedlung. Ein struktureller Vergleich
zwischen Südwestfrankreich, den Niederlanden und dem Ordensland Preußen,
Marburg a.d. Lahn, Johann-Gottfried-Herder-Institut, 1992. Besprechung
durch Klaus POPA, in: ZfSL 16.(87.) Jg., 1993, S.102-104, wo festgestellt
wird (S.102): Die Arbeit ERLENS beruht auf der neuen, interdisziplinären
und gesamteuropäischen Sichtweise der mittelalterlichen Kolonisationsbewegungen.
Ferner: „Erlen lehnt die Kulturträgertheorie grundsätzlich ab
und fordert eine kulturmorphologische Sicht, die sich auf die Forschungsergebnisse
der letzten Jahrzehnte stützt und die „Ostsiedlung als Teil eines
sich vom Zentrum des Abendlandes zur Peripherie hin ausbreitenden Intensivierungsprozesses“
erkennen läßt.“ Die Ostkolonisation wird als „fester Bestandteil
der mittelalterlichen Bauernbefreiung in Europa“ betrachtet.
77) Ebenda, S.35.
78) Ebenda, S.43.
79) Ebenda, S.65.
80) Wie Anm. 78.
81) Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (wie Anm. 74),
S. 51.
Seite 14
KLEIN bringt erstmals eine Übersicht der Siedlergruppen:
- vorgeysanische Gruppen (vor der Mitte des 12. Jahrhunderts):
1. Baiern bei Sathmar-Nemeti. 2.Latini in der Erzdiözese Erlau. 3.
Privilegienverband von Saxones (niederdeutschen adligen Kriegern) in der
Umgebung von Weißenburg und bei Broos.- geysanische Gruppen
(um 1150): 1. Flandrensische Mutter- und Ausbausiedlungen im Hermannstädter,
Leschkircher und Schenker Kapitel (dem "alten Land". 'Priores Flandrenses').
2.Nemeti-Orte in Nordsiebenbürgen (Rodna). Beginn der Bistritz-Reener
Siedlung. 3.Gruppen im Salzbergbau, Salzgeschäft und Salztransport
(Thorenburg, Desch).- nachgeysanische Gruppen (Ende des 12., Anfang
des 13. Jahrhunderts): "Alii Flandrenses" im Alten Land. 2.Ausbreitung
der Saxones und Flandrenses im Unterwald, Kosder Kapitel, Schenk-Kosder
Kapitel und der Magareier Surrogatie. 3.Nach 1200 Verschiebung der Varhaulinie
über das Burzenland an den Karpatenkamm, Ersetzung der Urweger, Mühlbacher
und z.T. Keisder Sekler durch Deutsche. 4.Schogener-Reener-Tekendorfer
Gruppen.- 13. Jahrhundert nach dem Tatarensturm (1241): 1. Ausbau
des Schäßburger Stuhls und Kisder Kapitels in mehreren Ansätzen.
2. Ausgreifen der bäuerlichen Siedlung unter Führung von Unterwalder
Gräven auf das Zekeschgebiet (Springer Kapitel). 3. Mediasch und die
Zwei Stühle als novella plantatio. Winz und Burgberg, Klausenburg,
Toroczko. 5. Deutsche Besiedlung des Zwischenkokelgebietes.- 14. Jahrhundert
(soziale Differenzierung): 1. Abwanderung aus Ugocsa. Salzbau (deutsche
Häuer) in der Maramorosch. 2. Bergwerkskolonien (Goldgewinnung) im
Siebenbürgischen Erzgebirge und um Neustadt (Nagybanya). 3. Übergreifen
von Faktoreien und Handelskolonien in die Walachei und Moldau (Langenau,
Suczawa, Moldenmarkt). Zuzug aus ostmitteldeutschen Muttergebieten und
aus Streusiedlungen am Innen- und Außenrand der Karpaten82.Zwar
ist KLEINS Aufsatz richtungsweisend durch seine interdisziplinarische Perspektive
und die sich folgerichtig ergebenden Forderungen83, doch er
bleibt den sprachsoziologischen, dialektologischen und dialektgeographischen
Forschungsprinzipien verhaftet. Es findet sich kein Anhaltspunkt, daß
er die neuen Entwicklungen der 50-er Jahre hin zum Strukturalismus
und zur Entfaltungstheorie zur Kenntnis genommen hat84. Dasselbe
gilt auch für die 1966 veröffentlichte letzte große mundartgeschichtliche
Arbeit, Luxemburg und Siebenbürgen, auf die noch eingegangen
wird.
82) Die chronologischen Mängel der Kleinschen Aufstellung haben wir
oben, Anm.60, 64, 66; S.10 und Anm. 68; S. 11 und Anm. 69, 70, 72 angezeigt
(Die alii Flandrensibus sind eine geysanische Gruppe; der Unterwald
ist siebenbürgisches Frühsiedlungsgebiet, ebenso der nordsiebenbürgische
Bereich (Bistritz, Reener Ländchen), Schäßburg und Mediasch;
die Besiedlung des Zwischenkokelgebietes ist ebenfalls im 12. Jahrhundert
erfolgt).
83) Im Vorwort zu Transsylvanica (wie Anm.15), heißt es: "Indem
beide (Geschichte und Sprachwissenschaft) den offenen Fragen methodisch
selbständig nachgehen, können sie einander ergänzen und
wissenschaftliche Klärung erzielen" (S. VII).
84) Die Kritik der Dialekt- und Wortgeographie aus der Sicht der Herkunftsforschung
der Frühsiebzigerjahre bei Peter WIESINGER, Möglichkeiten
und Grenzen der Dialektologie bei der Erforschung der deutschen Ostsiedlung,
in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen
Geschichte (Vorträge und Forschungen Bd. XVIII), Sigmaringen 1975,
S.161-192. Auf WIESINGERS Betrachtungen wird noch zurückzukommen sein.
Seite 15
DIE ARBEITEN DES LETZTEN LEBENSJAHRZEHNTS
Kleinere sprachgeschichtliche Aufsätze
Das Erscheinen des ersten Bandes des SDSA (Siebenbürgisch-deutscher
Sprachatlas) behandelt KLEIN in einem gleichnamigen Aufsatz85.
Er versteigert sich hier in die Bewunderung des luxemburgischen Sprachforschers
Robert BRUCH, der 1959 in Brüssel behauptet hatte: „In allen Fällen
liegt der abgesprengte Endpunkt dieser Kriterien in Siebenbürgen“
(der luxemburgischen Mundartkriterien)86. KLEIN hebt wiederholtermalen
die Exemplarität der siebenbürgischen Sprachlandschaft hervor
(Siebenbürgen ist bezüglich des Verhältnisses von Herrensprache
- gemeiner Landsprache - „Provinzialmunddart“ - „Echter“ Mundart - Umgangssprache
vermittels der Sprachkarte in seiner Sprachgeschichte exemplarisch87;
KLEIN will „nicht behaupten, daß die durchsichtigere Sprachgeschichte
des Siebenbürgischen in achthundert Jahren d a s Rezept sei, mit dem
man alle offenen Rätsel von Sprach- und Volksbildungen in Raum und
Zeit lösen könnte"88; „Es leuchtet ein, daß
Siebenbürgen unter diesen Umständen zur Quelle sprachgeschichtlicher
Erkenntnisse werden kann, welche die Schließung der im Deutschen
Sprachatlas klaffenden Lücke gebieterisch erfordert“89.
Er scheint aber mit der Wiederholung der methodischen Folgerungen aus
Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen
Siedlungen in Siebenbürgen (1959) vor einer Übergewichtung
Siebenbürgens warnen zu wollen:- Keine Sonderstellung des Siebenbürgischen
innerhalb der ostdeutschen Kolonisationsgeschichte.
- Keine Sonderstellung der Sachsen innerhalb der siebenbürgischen
Landesforschung.
- Kein methodischer Unterschied in der Beurteilung „alter“ und „junger“
Sprachinseln.
- Keine unmittelbare Zurückführung von Tochtersiedlungen
auf Stammheiten („Urheimaten“) unter der Überspringung der Mutterkolonien90.
Diese methodischen Forderungen haben ihre Aktualität keinesfalls eingebüßt.
85) Der siebenbürgisch-deutsche Sprachatlas (SDSA) als Instrument
der Forschung, in:Transs., S.264-274. Erstdruck in: Siebenbürgisches
Archiv. III. Folge, I. Bd., Köln/Graz 1962, S.63-75.
86) Transs., S.271f. Der Vortrag BRUCHS erschien in den Rheinischen
Vierteljahrsblättern 1960, Jg.25, Heft 3/4. Der Ansporn, den KLEIN
durch BRUCHS Forschungen bekam, fand im Band Luxemburg und Siebenbürgen
seinen Niederschlag, wo BRUCH mit der dialektologischen Arbeit Die Mundart
von Schäßburg in Siebenbürgen (S.112-161) vertreten
ist.
87) Transs., S.269f.
88) Ebenda, S.271.
89) Ebenda, S.272.
90) Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (wie Anm. 74),
S.31-39.
Seite 16Die Arbeit KLEINS
am SDSA und das Erscheinen des ersten Bandes bestärkte den Gelehrten,
daß mit Mitteln der Sprachgeographie das Dunkel der Siedlerherkunft
erhellt werden kann. Diesen Ansatz spricht er bereits in Zur Siedlungsgeschichte
und Sprachgeographie ... (1959) aus, als er die Identifizierung
von "konstitutiven Elementen" anhand von Reliktwörtern und
isolierten
Formen fordert91. Diese Erkenntnis KLEINS paart sich in
den endfünfziger Jahren mit der Begeisterung für die Arbeit des
luxemburgischen Sprachforschers Robert BRUCH, der in der siebenbürgischen
Sprachlandschaft manche luxemburgische Mundartkriterien erkannte92.Das
Verharren KLEINS auf Methoden der Sprachgeographie zu einer Zeit, als der
Strukturalismus und die Entfaltungstheorie die Sprachwissenschaft revolutionierten93,
ist in vollem Einklang mit dem damaligen Entwicklungsstand der siebenbürgisch-sächsischen
Mundartforschung, die durch das Erscheinen des SDSA auf der dialekt- und
wortgeographischen Entwicklungsstufe sozusagen ‘festgenagelt’ wurde.
Latini und Flandrenses in Siebenbürgen
KLEIN liefert mit Latini in Siebenbürgen. Wesen und Funktion
des welschen Elementes im mittelalterlichen Volkskörper der Deutschen
Siebenbürgens (1959)94 eine bahnbrechende Arbeit.
Er stellt fest, daß die siebenbürgisch-sächsische Herkunftsforschung
sich schwer tat, in Johannes Latinus, der in Riuetel siedelte und mit der
terra
Cwezfey (Kozdfö = Quellgebiet des Kosd-Baches) beschenkt wurde,
einen Lateiner = Wallonen zu erkennen, weil seine Söhne Corrardus
und Daniel in einer Urkunde Bélas IV. Sachsen (nostros Saxones)
genannt werden95. Fr. TEUTSCH vertrat den Standpunkt, erst müsse
man beweisen, daß es in Siebenbürgen überhaupt Flanderer
gegeben hat, und dann, daß Latinus einen wallonischen Flanderer bezeichnet.
„Was nachzuweisen kaum möglich sein dürfte.“96Den
Nachweis, daß Joh. Latinus ein wallonischer Flanderer war, erbrachte
der ungarische (Weih-)Bischof und Forscher János KARÁCSONYI97
und der Sachse Michael
91) Vgl. Anm. 79.
92) Was Luxemburg und Siebenbürgen verbindet, ist der Reliktcharakter
beider Mundartlandschaften, der durch die Randlage der beiden Länder
vorgegeben ist. Diese Sachlage spricht dagegen, aus phonetischen und lexikalischen
Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten auf Luxemburg als Herkunftsland
der Kolonisten zu schließen. Ebenso die wort- und lautgeographische
Polygenese. Zur Polygenese (Entfaltungstheorie) vgl. WIESINGER (wie Anm.
84), S.174,185.
93) WIESINGER (wie Anm. 84), S. 173: "In den 50-er Jahren begannen zwei
Strömungen um sich zu greifen, die die kulturhistorisch-dialektgeographische
Sprachauffassung erschütterten und sich inzwischen weitgehend durchgesetzt
haben: Strukturalismus, Entfaltungstheorie".
94) Erstdruck in: Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, Jahrbuch
1959, S.60-80; Transs., S.226-255.
95) Die Beweisführung kam nicht in Gang, weil die Saxones-Benennung
der Söhne des Johannes Latinus Verwirrung stiftete. Der Beweis, daß
Saxones vorrangig als Standes- und Berufsbezeichnung zu verstehen ist,
erbrachte KLEIN 1957 in Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen
(Vgl.Anm. 45).
96) Fr. TEUTSCH, Johannes Latinus, in: Hermannstädter Seminarprogramm
1892/93, S.4. KLEIN, Transs., S.227f.
97) In Magyar Nyelv, 1923 (Jg. 19), S. 27-29.
Seite 17
AUNER über Gyan als wallonische Namensform98.
Auch die Arbeit von Konrad SCHÜNEMANN Entstehung des Städtewesens
in Südosteuropa(1929) hebt die Bedeutung wallonischer Kolonisten,
vornehmlich in der Stadt Gran, hervor. Der Schweizer Archivar Hektor AMMANN
(Die französische Südostwanderung 1955) zweifelt
nicht daran, daß „auch welsche oder wallonische Bauern in verschiedenen
Teilen Ungarns neben Flanderern und deutschen Hospites eingesprengt“ zu
finden sind99.
KLEIN behandelt die siebenbürgische Latini-Frage in 9 Abschnitten:
Siebenbürgische Wallonen und Franzosen; Johann von Riuetel; Magister
Gocelinus und die Zisterzienser von Kerz; Die Grafen von Salzburg; Die
Grafen von Talmesch; Bäuerliche Siedler; Die räumliche Ausbreitung
der Welschen; Funktion und ständische Gliederung der Latini; Die Verschmelzung
mit den Sachsen.KLEIN stellt im ersten Abschnitt fest, daß der Wallone
Johann von Riuetel in den Adelsstand erhoben wurde, also ein miles,
ein Ritter war, der zur Familia des Königs Emmerich gehörte.
König Andreas befreite im Jahr 1231 die Söhne des Johann von
allen Steuern und deren Besitzungen Weißkirch bei Schäßburg,
Homuspotok (vielleicht Teufelsdorf), Scharpendorf, Oplid und Woldorf von
der Abgabe von Steuern an die königlichen und Hermannstädter
Steuereinnehmer. Aus dieser Bestimmung glaubt KLEIN die Provincia Scibiniensis
als Herkunft der Dorfbewohner bezeichnen zu dürfen100.KLEIN
gibt in Verbindung mit Magister Gocelinus und den Zisterziensern von Kerz
die von der sächsischen Forschung unbeachtete Äußerung
von László GÁLDI (Ladislaus Göbel) bekannt, daß
Magister Gocelinus, der Besitzer des Mons sancti Michaelis (Michelsberg)
ein Förderer der Zisterzienser von Pontigny war, die sich (über
die Mutterabtei Egresch) in Kerz niederließen. Der Name Gocelinus
weist laut GÁLDI nach Nordostfrankreich oder in die Wallonei101.Die
königliche Bestätigungsurkunde der Schenkung von Michelsdorf
durch Magister Gocelinus an die Kerzer Abtei (1233; Ub. I, Nr.39,
S.28f.) veranlaßt KLEIN, mehrere Fragen zu stellen: König Andreas
nennt Gocelinus fideli et dilecto clerico nostro, mit der gleichen
hochrangigen Titulatur, wie Johann von Riuetel bzw. dessen Söhne.
Die wichtigste Frage KLEINS ist die, was die starke Stellung des Gocelinus
am Hof erklärt. Ferner, warum Gocelinus familiaris der Kerzer
98) Latinus, in: Századok 1916, Jg.50, S.28-41.
99) Transs., S.228-230.
100) Transs., S.233. KLEIN setzt hier personal- vor territorialrechtliche
Kriterien (zu diesem Thema vgl. oben, S.12 und Anm. 73). In der steuerrechtlichen
Verquickung, d.i. Abhängigkeit, der Besitzungen von Corrardus und
Daniel von der Hermannstädter Provinz erblicken wir eine Bestätigung
unserer unter Anm. 70 geäußerten Meinung, daß der Schäßburger
Raum ein weiteres Desertum war, in dem alii Flandrenses der "Legatenurkunde"
siedelten. Die steuerliche Abhängigkeit dieses Desertums von der Hermannstädter
Provinz darf als Hinweis dafür gelten, daß bald nach der Ausstellung
des Andreanums eine Verfügung an die Hermannstädter Provinz ergangen
war, von den alii Flandrenses Steuern einzuheben. Es darf also von
einer steuerrechtlichen Angleichung der übrigen Deserta an die Hermannstädter
Provinz zwischen 1224 und 1231 ausgegangen werden, die möglicherweise
von Béla, rex iunior, vorgenommen wurde. Es ergibt sich ferner,
daß die an Johannes Latinus verliehenen Dörfer bereits besiedelt
waren, als sie, wahrscheinlich bald nach 1206 (als Latinus die terra Cwezfey
zu Besitz bekam) an diesen kamen. Eine Besiedlung durch Johannes Latinus
aus Riuetel, Michelsberg oder Heltau (Transs ., S.233) ist also
wenig wahrscheinlich.
101) Nouvelle Révue de Hongrie, Bd. 62, 1940, S.205.
Seite 18
Abtei wird. Die Antwort liefert GÁLDIS Vermutung. KLEIN
gelangt zum Ergebnis, daß, wenn Mag. Gocelinus Franzose war, es "landsmannschaftliche
Beziehungen" gewesen sein konnten, "die ihn Anschluß an Johann von
Riuetel und die Kerzer Zisterzienser suchen ließen". Doch die bedeutsamste
Vermutung KLEINS ist die, daß die zweite Gemahlin Andreas II., Jolanthe
von Courtenay, die einflußreiche Schutzherrin von Magister Gocelinus
und Johann von Riuetel war102. KLEIN vermutet abschließend,
der Name Gocelinus führe "nicht nur nach dem lateinisch-französischen
Westen, sondern auch nach den lateinischen Kreuzfahrerstaaten des Morgenlandes"103.
Für die wallonische Herkunft des Salzburger Grafengeschlechts
sprechen die Namensformen Gyaninus und Alardus. Das Geschlecht hatte die
Pacht der Salzgefälle in Salzburg inne, woher KLEIN den Reichtum der
Familie ableitet. Den Überfall des Gaan von Salzburg auf den Dom in
Weißenburg am 21. Februar 1277 qualifiziert KLEIN als "Untat", die
den "König und Kronrat, Reichsversammlung und Synode, den Papst und
Ungarns hohe Klerisei jahrzehntelang beschäftigt" hat104.
KLEIN bemerkt, daß "Eine aus den Quellen gearbeitete Darstellung
der Ereignisse" bisher fehlt. "Sie muß einer eigenen Darstellung
vorbehalten bleiben"105.In der Behandlung der Grafen von Talmesch106
stellt KLEIN aufgrund der im Urkundenbuch enthaltenen Urkunden
fest, daß dieses Geschlecht ebenfalls für seine militärischen
Dienste vom König mit der terra Loysta begabt wurde (1233).Über
die Ausbreitung der Latini in Siebenbürgen urteilt KLEIN, daß
ihre Gruppenverteilung von Siebenbürgen aus betrachtet, ein anderes
Gesicht als das in Ungarn erhält. In Siebenbürgen müssen
"die militärisch-kriegerischen Leistungen der wallonischen Adelsgeschlechter
und die ländlich-dörflichen Siedlungen ins Auge" gefaßt
werden. Das Dorf Riuetel sei als Kerngebiet einer wallonischen Niederlassung
im sächsischen Teil Siebenbürgens anzusehen, dann Michelsberg
und Woldorf107.Im Abschnitt "Funktion und ständische Gliederung"
greift KLEIN den von Fr. TEUTSCH in der Latinus-Abhandlung (1893)
und von Fr. MÜLLER-LANGENTHAL geäußerten Gedanken auf,
daß die wallonisch-französischen Grafengeschlechter "Vorkämpfer
des Volksrechts" waren (TEUTSCH)108 und daß "Der Erwerb
des Goldenen Freibriefs 1224" "ein diplomatisches Kunststück" bestimmter
Menschen mit Weitblick war (MÜLLER-LANGENTHAL)109.
102) Transs., S.234-236. KLEIN arbeitet die Forschungsergebnisse
von Viktor MACHOVICH über die geschichtlichen Beziehungen zwischen
den Zisterziensern Ungarns und Frankreich in 'Egytemes Philologiai Közlöny',
1935, Jg. 59, S. 269-288 ein, geht aber nicht so weit, in Mag. Gocelinus
einen Verwandten der Jolanthe von Courtenay zu erblicken.
103) Transs., S.236f. KLEIN betrachtet es als siebenbürgische
Forschungsaufgabe, "diesen so weit abliegenden Beziehungen" "einmal von
Siebenbürgen aus nachzugehen" (Ebenda). Das haben wir in unserer unveröffentlichten
Arbeit Das Burzenland als "Brückenkopf" zwischen dem lateinischen
Westeuropa und den lateinischen Kreuzfahrerstaaten. Ein Beitrag zur Frage
der Vertreibung des Deutschen Ritterordens aus dem Burzenland (1988)
getan.
104) Transs., S.237f. KLEINS Äußerungen zu diesem Ereignis
in Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (1957), S. 157,
sind weniger zurückhaltend. Er beurteilt das Vorgehen Gaans als Raubrittertum:
"Aus Rittern waren Raubritter geworden".
105) Transs., S.237. Eine eigene Darstellung liefert Oliver VELESCU,
Der
Aufstand der Sachsen aus dem Jahr 1277, in: FVLK Jg. 17., Nr.1, 1974,
S.41-52, der Besitzstreitigkeiten zwischen Alard, dem Vater Gaans, und
dem Weißenburger Bistum als Auslöser des Aufstandes nennt. VELESCU
qualifiziert den Aufstand als "politische Bewegung" (S.49).
106) Transs., S.238-240.
107) Transs., S.243.
108) TEUTSCH, S.9: "daß dieselben Rechte, die sie sich erworben,
dann zum Teil vom gesamten Volk erworben werden" (Transs., S.246).
109) Transs., S.246f. Das Thema behandelt KLEIN gesondert in Wer
hat uns Siebenbürger Sachsen den "Goldenen Freibrief" erwirkt? Ein
Beitrag zur Interpretation des Andreanums, SS., S.205-211.
Seite 19
KLEIN möchte zwischen der Besitzverleihung an den Hermannstädter
Propst Florentinus am Fluß Gran im Jahr 1230 (Ub.I, Nr.578)
auf die Verteilung der "wegen ungenügender Siedlerzahl nicht voll
vermessenen Gemeinschaftsfluren der hospites-Gemeinden in Siebenbürgen
zum Vorteil einflußreicher Männer, von denen die Dorfgemeinschaften
Schutz erwarten konnten" schließen. "Das Beispiel des Propstes Florentinus
beleuchtet auch das Ausgreifen der Riuteler, Kellinger, Urweger, Petersdorfer
u.a. Grafen und Gräfen auf Königs- und Adelsboden. Wir lernen
eine Quelle ihres Reichtums kennen: Kauf und Tausch von Grundbesitz und
das Siedlungsunternehmertum, das für die "Lokatoren" eine überaus
gewinnbringende Tätigkeit gewesen sein muß110." Hier
leuchtet abermals der später durch MITTELSTRASS,Beiträge
zur Siedlungsgeschichte Siebenbürgens im Mittelalter (1961)
erweiterte Gedanke der Siedlungstätigkeit der Grafengeschlechter auf111.
Der Beitrag Flandrenses in Siebenbürgen. Zu den Vorarbeiten
zu einem Siebenbg.-Deutschen Sprachatlas (SDSA) (1961)112
nimmt die Darbietungsweise von Luxemburg und Siebenbürgen
(1966)113 vorweg. Auch der Wortlaut von 1961 wird 1966 zum größten
Teil übernommen.Zunächst betont KLEIN die Wichtigkeit der Sprachhorsttheorie
MITZKAS für Siebenbürgen, erwähnt die 'Urzellen' der Siedlung
(Schäßburg im Kisder Kapitel (1958)) und hebt
die durch Namengebung hervorstechende flandrensische Kerngruppe
um Hermannstadt (Hermannstadt, Neppendorf, Hammersdorf, Grossau, Schellenberg)
hervor114.Was KLEIN übers Burzenland schreibt, ist im Lichte
der neuesten archäologischen Erkenntnisse115 überholt116.Die
Bedeutung des SDSA hebt KLEIN wiederholt in Verbindung mit der Flandrenses-Frage
hervor. Er stellt angesichts der räumlichen Ausweitung des flandrensischen
Kerns um Hermannstadt die Frage: "Sind sprachliche Spuren der Flandrenses
über einen zeitlichen Abstand von sieben bis acht Jahrhunderten und
eine höchst bewegte Geschichte hinweg bis heute erkennbar geblieben
und nachzuweisen?" KLEIN möchte unter Heranziehung des Vorhandenen
der Flandrensesfrage auch vom Sprachlichen näher kommen. Doch systematische
Vollständigkeit und endgültige Ergebnisse werden erst nach dem
Abschluß der Arbeiten am Siebenbg. Sprachatlas möglich sein117.
110) Transs., S.248f.
111) Daß dieser Standpunkt korrekturbedürftig ist, wurde oben,
Anm. 70 und 100 angedeutet. Ein "Siedlungsunternehmertum" und "Lokatoren"
in Siebenbürgen sind nicht urkundlich.
112) Transs., S.199-219.
113) Luxemburg und Siebenbürgen. Aus den Vorarbeiten zum Siebenbürgisch-Deutschen
Sprachatlas, in: Luxemburg und Siebenbürgen (Archiv des
Vereins für Siebenbürgische Landeskunde (Archiv), Bd.5), Köln
Graz 1966, S.1-111.
114) Transs., S.200-208.
115) Vgl. Anm. 50.
116) Transs., S.208-209. Die jüngste Stelleungnahme zu Benno
GRAF,Die Kulturlandschaft des Burzenlandes, München 1934 bei
Klaus POPA, Siedlungsgeschichtliche Auslotung der Burzenländer
Sprachlandschaft, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde,
16. (87.) Jg., Heft 1/1993, S.1-11; zu GRAF S.3-4 und Anm. 10,11,12.
117) Transs., S.209.
Seite 20
KLEIN beschließt seinen "Flandrenses"-Aufsatz mit der abermaligen
Hervorhebung der Sprachhorsttheorie von Walter MITZKA, die "den Schlüssel
für die Enträtselung des so schwer begreiflichen Vorganges, wie
im äußersten Westen und im äußersten Südosten
des deutschen Sprachbodens trotz räumlicher und zeitlicher Trennung
von vielen Jahrhunderten einheitliche Sprachlandschaften von so überraschend
ähnlicher Prägung unabhängig voneinander entstehen konnten",
liefert118.
Luxemburg und Siebenbürgen
Auf den Beitrag von Anneliese BRETSCHNEIDER Ein Anteil des Niederdeutschen
an der siebenbürgischen Sprachlandschaft geht KLEIN in Luxemburg
und Siebenbürgen. Aus den Vorarbeiten zum Siebenbürgisch-Deutschen
Sprachatlas(1966) ausführlich ein119. KLEIN bemängelt,
daß die Verfasserin "gerade die geschichtlichen Siedelvorgänge"
als "unabdingbare Voraussetzung für richtige Beurteilung der Sprachvorgänge"
verkennt120. Dafür bietet er anschließend das Kapitel
"Siedelgang und Sprachlandschaft in Siebenbürgen"121.Zunächst
behandelt er den Problemkreis des Anselm von Braz122 und des
Hezelo von Merkstein123, die er gesondert in Anselm von
Braz und Hezelo von Merkstein, die ersten Siebenbürger Sachsen
(1965)124besprochen hatte.KLEIN übernimmt die von Gustav
KISCH aufgestellte Beziehung zwischen Braz und Broos125 und
betont, daß "die Anschauung, die Siebenbürger Sachsen seien
von jeher ein Volk der Bürger und Bauern ohne eigenen Adel gewesen",
der Vergangenheit angehört126.Bemerkenswert ist die Ansicht
KLEINS, daß an die Stelle weniger großer Einwanderungswellen,
an die WATTENBACH, TEUTSCH, SCHULLERUS; HUSS, SCHWARZ noch glaubten, viele
kleine Gruppenzüge zu setzen sind, deren Verlauf sich auf Jahrhunderte
verteilt127. Diese Auffassung beruht offensichtlich auf
der Überzeugung, daß es Siedlungs-"Urzellen" (Schäßburg
im Kisder Kapitel; Flandrenses in Siebenbürgen)
bzw. 'Sprachhorste' (Flandrenses in Siebenbürgen) gegeben
hat.
118) Transs., S.219; der Aufsatz ist zu Ehren Mitzkas in Zeitschrift
für Mundartforschung, Wiebaden 1961, Jg.28, S.43-70 zuerst erschienen.
119) Vgl. Anm. 113, S.26--29.
120) Luxemburg und Siebenbürgen (wie Anm.113), S.29.
121) Ebenda, S.29-54.
122) Ebenda, S.30-36.
123) Ebenda, S.36-39.
124) Erstdruck Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Heft 3, 1965;
SS., S.160-167.
125) Luxemburg und Siebenbürgen, S.31, Anm.4.
126) KLEIN neigt in der Adelsproblematik zu Übertreibung. Die ist
besonders betont in der Besprechung des Privilegs von 1206 für Krakau,
Crapundorph und Rams (Rumes) (Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen
(vgl. Anmn.48, 49)) und oben S.6. Er kommt auf diese Thematik 1969 in Primi
Hospites regni Saxones - Die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgenzurück.
127) Luxemburg und Siebenbürgen, S.34. Daß KLEIN hier
Unrecht hat, wurde bereits oben, Anm.70, angedeutet.
Seite 21
Ein nächster Punkt ist das Problem der Zwischenheimat128.
Ein für Thüringen sprechendes Argument sei die Imperativform
nordsiebenbürgisch gik (für gemeinsiebenbürgisch gonk)
'gehe'129. Für den Harz als Herkunftsland siebenbürgischer
Siedler spräche das Schellenberger Aquamanile (Gießgefäß),
das aber laut seinem Bearbeiter Kurt HOREDT kaum im Wege des Handels nach
Siebenbürgen gelangt ist und das Gebiet um den Harz, das südöstliche
Niedersachsen und Thüringen als Herkunftslandschaft eines Einwanderers
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausweist130. KLEIN
hält es für wahrscheinlich, daß das Aquamanile ein autochthones
Produkt sein kann131. Einen weiteren Anhaltspunkt für die
Zwischenheimat der Ansiedler bilden liturgiegeschichtliche Parallelen zwischen
dem Heltauer Missale und dem Ritus der Magdeburger Diözese132.
Die von Andreas SCHEINER übernommene Auffassung des Mongolensturms
1241/42 als Einschnitt in der Entwicklung der siebenbürgischen Sprachlandschaft
bildet ein weiteres Thema133. Ernst SCHWARZ wendet sich zurecht
gegen diese Katastrophentheorie134. KLEIN ist nicht bereit,
etwas von der Scheinerschen Lehre abzugeben, wodurch er diese zum sprachgeschichtlichen
Dogma der Siebenbürger Sachsen hochstilisiert. Die Neubevölkerung
der zerstörten Städte soll laut SCHEINER aus den ostelbischen
Kolonialgebieten Mitteldeutschlands und aus Schlesien erfolgt sein. Nach
1242 begann sich der Gegensatz zwischen der rheinisch-westmitteldeutsch
bestimmten Sprache des flachen Landes und dem sie überdachenden Ostmitteldeutsch
der Städte aufzutun135.„Luxemburgische Sprachgeschichte
im Kreislauf westfränkischer Sprachentfaltung“, der IV. Abschnitt
von Luxemburg und Siebenbürgen, veranschaulicht, wie
die Bewunderung für den luxemburgischen Sprachwissenschaftler Robert
BRUCH KLEIN in seiner Wertschätzung der Scheinerschen Überdachungstheorie
bekräftigte. So hebt er hervor, daß SCHEINER (+1946) den nachmals
von Robert Bruch angebotenen Lösungen oft verblüffend nahe gekommen
ist136; ähnlich BRUCH macht auch SCHEINER fremde Substrate
und deren Akzentuierungsweisen für die Palatalisierung und Gutturalisierung
im Siebenbürgisch-Sächsischen verantwortlich137.
128) Ebenda, S.38-43.
129) Ebenda, S.39.
130) Ebenda, S.39-42.
131) Ebenda, S.42.
132) Karl REINERTH weist das anhand seiner liturgiegeschichtlichen Untersuchung
des Heltauer Missale nach (Siebenbg. Archiv, Bd.3, Köln/Graz 1959)
und KLEIN pflichtet dieser Meinung in der Besprechung des Buches bei (in
Südostdeutsches Archiv (SA) VII. Bd., 1964, S.235-242). KLEIN behauptet
hier (S.242) „daß ein Gruppenkern der siebenbg.-sächsischen
Siedlung durch Vergleich von Gottesdienstformen in einer Stammheimat -
vielleicht auch bloß einer Zwischenheimat - fest verankert werden
kann.“ Das Forschungsergebnis REINERTHS bestärkt ihn in seiner Auffassung
von ‘Sprachhorsten’ (Siedlungskernen) (Ebenda). Vgl. auch S.20.
133) Luxemburg und Siebenbürgen, S.48-52.
134) Ebenda, Anm.61, S.49.
135) Ebenda, S.51f. Es stellt sich hier die berechtigte Frage, warum eine
Neubesiedlung bzw. Aufstockung der Bevölkerung durch Zuzug aus den
Ursprungsgebieten, wie das SCHÜNEMANN im Falle der wallonischen Kolonie
in Gran festgestellt hat (Entstehung des Städtwesens in Südosteuropa
(1929)), nicht in Frage käme: „Die Kontinuität in der Entwicklung
der Stadt Gran ist auch hinsichtlich der Bevölkerung durch den Tatareneinfall
ebenso wenig unterbrochen worden wie hinsichtlich des Stadtbildes“ (Bei
KLEIN, Latini in Siebenbürgen (1959), Transs., S.229).
136) Luxemburg und Siebenbürgen, S.69.
137) Ebenda, S.71.
Seite 22
Für das siedlungsgeschichtliche Bild KLEINS in den späten
60-er Jahren sind die Kartenbeilagen 6, 7, 8 und 9 samt Begleittext besonders
aufschlußreich. Karte 6 (Die deutschen Sprachinseln Siebenbürgens
nach dem Stande von 1913) hebt den im 10. und 11. Jahrhundert Nord- und
Südsiebenbürgen in westöstlicher Richtung überquerenden
'gyepü' (Grenzverhaue) als Faktor in der gesonderten Entwicklung der
nord- und südsiebenbürgischen Sprachinseln hervor. KLEIN unterstreicht,
daß die deutsche (und rumänische) Forschung in Siebenbürgen
die Bedeutung dieses Nord und Süd gewaltsam trennenden Riegels für
den Besiedlungsvorgang bisher wenig beachtet hat. Doch die damit verbundenen
Erkenntisse László MAKKAIS (Geschichte Siebenbürgens,
Budapest 1944)138 werden von den jüngsten archäologischen
Forschungen im Burzenland in Frage gestellt. Das Burzenland war bereits
an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert in ungarischer Gewalt und bald
danach aus nordwestlicher und nördlicher Richtung besiedelt worden.
Eine Zweiteilung Siebenbürgens hat es gegeben, doch die Trennung war
nicht so radikal, wie das die ungarische Historiographie und KLEIN vertritt,
wenigstens nicht zur Zeit der Kolonisierung Nordsiebenbürgens und
des Unterwaldes. Die militärische Trennung war bald nach der Zwangsumsiedlung
Gyulas und seiner Verwandtschaft durch Stefan den Heiligen im Jahr 1003
beendet.
„Die Besiedlung des Sachsenlandes in Siebenbürgen, erschlossen
aus sprachlichen Indizien“ (nach R. HUSS, 1923) ist Karte Nr. 7. KLEIN
bringt sie, um die „Siedlungskonstruktion“ zu veranschaulichen, die HUSS
zustande gebracht hat. Es ist ein „besonders verfehlter Fall einer aus
der heutigen Mundartlagerung (in Verbindung mit den alten Römerstraßen)
erschlossenen Besiedlung des Sachsenlandes“139.Karte Nr.8 (Frühe
Hospites-Siedlungen in Nordsiebenbürgen) will beweisen, daß
die Einzugsrichtung nicht die nordsüdliche (Franz ZIMMERMANN, Über
den Weg der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen, in: Mitt.
d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung 9 [1888]; Gerta HUSS,
Der
Einwanderungsweg, in: Deutsches Vaterland. Sonderheft „Siebenbürger
Sachsen“, Wien 1922, Jg.4, S.29-35), sondern die westliche war140.
KLEIN fordert für die Klärung der deutschen Frühsiedlungen
in Nordostsiebenbürgen die eng „sächsische“ Einstellung etwa
des „Urkundenbuches“, ja selbst noch der Forschungen Georg Eduard MÜLLERS
zu überwinden141.Zu Karte 9 (Frühe Hospites-Siedlungen
in Südsiebenbürgen) bemerkt KLEIN, daß die Siedlung hier
von Westen nach Osten gegangen ist, und zwar miereschaufwärts (von
Arad und Szegedin her)142.
138) Ebenda, S.82f.
139) Ebenda, S.84f. Klein greift auf die für Nordsiebenbürgen
siedlungsgeschichtlich relevanten „Kranzortschaften“ an der Westgrenze
des Nösnergaus, die meist den Bestandteil ‘Szász-’ in ihrem
Namen tragen, in keiner seiner Arbeiten zurück.
140) Ebenda, S.85f.
141) Ebenda, S.87.
142) Ebenda.
Seite 23
In den "Schlußbetrachtungen" betont KLEIN nochmals die Bedeutung
der Siedlungskerne: "sie (die Forschung) wünscht die ersten
Siedlungskerne, Mitzkas "Sprachhorste", geschichtlich auszumachen und dann
von ihnen aus die keimhafte Entfaltung ursprünglich möglicherweise
verschiedener Mundarten in ihren Mischungs- und Ausgleichsvorgängen
sprachlich zu verfolgen"143. Auch die Frage nach dem Zusammenhang
der sprachlichen Verwandschaft mit der stammlichen bleibt offen. "Sie wird
als historische Frage aus anderen Quellen als nur sprachlichen beantwortet
werden müssen. Allein schon aus sprachwissenschaftlichen Erwägungen
als einer Hilfswissenschaft der Geschichte läßt sich mit Bestimmtheit
sagen, daß Westmoselfranken (Luxemburger) an der Besiedlung Siebenbürgens
mitbeteiligt gewesen sein müssen"144.
Das Gyepü-Problem; Andere Aufsätze der letzten Lebensjahre
Der Aufsatz Grenzwüstung und Siedlung: Gyepü und Gyepüvorland.
Bemerkungen zur mittelalterlichen Südostsiedlung im altungarischen
Raum145 veranschaulicht die Gründlichkeit, mit
der KLEIN an die Behandlung des Themas ging, weil er überzeugt war,
daß die Ergebnisse der Gyepü-Forschung besonders aufschlußreich
für die siebenbürgische Siedlungsgeschichte sind146.
Er zieht für Siebenbürgen Ferenc FODOR, Adatok a magyar
gyepük földrajzához (Geographie der ungarischen
Gyepük) heran und versucht diesen zeitlich und historisch zu ergänzen148.
Nachdem KLEIN die Ausführungen FODORS wiedergibt149, erklärt
er, warum er darauf so genau eingegangen ist: „Es hat nämlich den
Anschein, als ob zwischen dem abschnittweisen Vorverlegen des Gyepü
und der Existenz bestimmter älterer Ansiedlungsgruppen feste Beziehungen
bestünden“. KLEIN stellt nämlich fest, daß beisspielsweise
zwischen der Stadt Rodna und den frühen Németi-Orten am Großen
Samosch eine Verbindung zur ersten Gyepü-Etappe FODORS sichtbar wird;
die 2. und 3. Etappe Fodors dürfte mit Sächsisch-Reen und dessen
Königsbodenzugehörigkeit verbunden sein; die von Adolf SCHULLERUS
festgestellte magyarisch-szeklerische Verteidigungslinie am Alt wäre
durch Fodors Grenzsaum, Etappe 5, richtig erklärt usw.150.KLEIN
führt die Erkenntnisse von Péter VÁCZY, A kiraly
serviensek és a patrimoniális királyság
(Die königlichen Servienten und das patrimoniale Königtum), Budapest
1928), in die Diskussion ein. Im Vorgelände des Gyepü hatten
die landnehmenden Geschlechter das Recht der freien Siedlung. Der von ihnen
besetzte Boden bildete uneingeschränktes Eigentum und es gibt viele
Beispiele, wo der König seine Getreuen mit Besitz im Gyepüvorland
beschenkte (nicht belehnte), der Eigentum (nicht Lehen!) und frei vergebbar
war151.
143) Luxemburg und Siebenbürgen, S.103.
144) Ebenda, S.107.
145) Erstdruck in der Festschrift Leonhard C. Franz zum 70. Geburtstag
(Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Bd. 11), Innsbruck 1965;
SS., S.117-136.
146) Wie sehr sich KLEIN geirrt hat, zeigen die jüngsten Grabungsergebnisse
aus Marienburg im Burzenland (vgl. Ion IONIÞÃ (wie Anm. 60)),
der bemerkt, daß „auch die Erklärung“ hinfällig wird, „als
desertum
habe man das Ödland der Verhaulinien (rumänisch prisãci,
lateinisch indagines, ungarisch gyepü) oder das von Szeklern
vor der Ansiedlung der Sachsen geräumte Gebiet bezeichnet. Vorsächsische
Szeklersiedlungen sind archäologisch nur außerhalb des Burzenlandes
nachweisbar“ (S.127).
147) In:Hadtörténelmi Közlemények, Budapest 1936,
Jg.37, S.113-144.
148) SS., S.124.
149) Ebenda, S.125-127.
150) Ebenda, S.127.
151) Ebenda, S.128.
Seite 24
Elemér MÁLYUSZ definiert das ‘desertum’ als das
was nicht vergeben wurde durch Vorverlegung oder Vorwerfen des Gyepü,
es war ‘fundus regius’ (‘Königsboden’). Der Musterfall einer solchen
Entwicklung ist für MÁLYUSZ die ‘szászság’, die
siebenbürgischen Sachsen, die im „Andreanum“ 1224 ein Gruppenprivileg
auf territorialer Basis erwirkten152.
Der letzte große wissenschaftliche Aufsatz KLEINS ist Terra
Syculorum terrae Sebus. Ein Beitrag zur Interpretation des "Goldenen Freibriefs"
der deutschen in Siebenbürgen (1966)153. Er setzt
in der Nachfolge von G.E.MÜLLER die terra Syculorum im Mühlbacher
Stuhl fest, der die terra Sebus sein soll. Die "Umgruppierung" der
hier ansässigen Sekler in zwei Stühle im südöstlichen
Neuland154, hat eine sehr schmale Basis, nämlich die Namensgleichheit
zwischen dem Mühlbacher Stuhl (Sebus) und dem Seklerischen Stuhl Sepsi,
sowie zwischen Orbó (Urwegen) und dem Stuhl Orbai.In der Bennenung
der Ursachen der Umgruppierung folgt KLEIN der ungarischen Forschung155.
Es sollen staatspolitische Erwägungen gewesen sein, die Andreas II.
veranlaßt haben, die Szekler abzuziehen und in die südostsiebenbürgischen
Stühle Sepsi und Orbai der Háromszék zu verlegen156.Die
in der Privilegialurkunde für Krakau, Crapundorph und Rumes (1206)
erwähnten alii Saxones, die für kriegerische Unternehmungen
vorgeschriebene Sondersteuern (collectae) und Grenzwachdienst leisten
mußten, setzt KLEIN erwartungsgemäß in der ehemaligen
Mühlbacherterra Syculorum an. Dafür soll die Namengebung
im Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl sprechen, die in vielen
Fällen auf "Zusiedlungen zu älteren nichtdeutschen Siedlungsanfängen"
beruht157.
152) A középkori magyar nemzetségi politika (Die
ungarische Nationalitätenpolitik im Mittellater), in: Századok
1939, S.73; SS., S.128. KLEIN läßt die Standpunkte von VÁCZY
und MÁLYUSZ gelten, ohne sie zu hinterfragen. VÁCZYS Darstellung
trifft auf die frühe Landnahme der Ungarn zweifellos zu, doch es sind
Zweifel anzumelden, daß die landnehmenden Geschlechter jemals in
Südsiebenbürgen, das Stefan der Heilige um 1003 anzuschließen
begann, das Recht der uneingeschränkten Inbesitznahme geltend gemacht
haben. Weil dieses feindliches, erobertes Territorium war, in dem Militärrecht
galt, das der Woiwode als königlicher Walter und Verwalter kontrollierte.
Deshalb wird auch die Vorverlegung der Gyepü-Linien in der Darstellung
FODORS höchstens bis ins dritte Glied (zwischen Mieresch und Kleiner
Kokel) der Realität entsprechen (die Mieresch-Linie erscheint indessen
wahrscheinlicher). Es besteht also kein Anlaß, die Besiedlung Südsiebenbürgens
(bis zum Mieresch) mit Gyepüvorverlegungen zu verbinden. Das dürfte
aber im Falle der nordsiebenbürgischen Siedlung der Fall sein. Die
burzenländer Grabungsergebnisse verdeutlichen, daß es keiner
Gyepüverlegung bedurfte, um das Burzenland, vorerst in seinem nordwestlichen
Teil, noch unter Geysa II., möglicherweise schon früher, deutsch
zu besiedeln. Das war sicherlich auch beim geysanischen Desertum der Fall
, das den Flandrensisbus prioribuseben zu derselben Zeit zugewiesen
wurde, ebenso bei den anderen Deserta, die von den alii Flandrenses
besetzt wurden (vgl. unsere Betrachtungen unter Anm.70).
153) In: SA, IX. Bd., 1966, S.45-64; SS., S.141-160.
154) SA., S.53.
155) György GYÖRFFY, Der Ursprung der Székler,
in: Ungarische Jahrbücher 1942, Jg.22, S.129-151.
156) SA., S.55.
157) SA., S.57f.
Seite 25
Um die Ansetzung der terra Syculorum im Mühlbacher
und Reußmarkter Stuhl aufrechterhalten zu können, greift KLEIN
auf die Erkenntnisse von Emma ICZKOVITS158 zurück und schlußfolgert,
daß "auch das nördlich von Weißenburg gelegene fruchtbare
Bergvorland rechts des Mieresch rings um die ehemaligen Siedlungen Crapundorph
und Krakau durch westliche Siedler der Kultur und materiellem Wohlstand
zugeführt worden" ist, "obwohl diese Vorposten der terra Syculorum
auf Komitatsboden verblieben und der größeren rechtlichen Freiheiten
des Sachsenlandes nicht teilhaftig wurden"159.
Am Schluß seiner Arbeit relativiert KLEIN seine Interpretationsweise,
indem er den Vorbehalt ausspricht, daß die hier versuchte Bestimmung
der terra Syculorum möglicherweise das Richtige trifft160.KLEIN
kam 1969 auf das Thema der primi hospites regni in Primi Hospites
regni Saxones - die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgen.
Betrachtungen zum Adelsprivileg des ungarischen Königs Andreas II.
vom Jahre 1206161zurück. Er nimmt sich dieses Themas
erneut an, weil die Privilegialurkunde von 1206 verkannt und nicht ausgeschöpft
worden ist162.Er betont, daß die Siedler von Krakau, Crapundorph
und Rumes die ersten sächsischen Einwanderer im Lande waren163.
So wird er der durch Franz ZIMMERMANN 1901 geäußerten164
und von den Siebenbürger Sachsen stark abgelehnten These gerecht.Bezüglich
des Gebietes südlich des Mieresch bemerkt KLEIN, daß in der
ehemaligen terra Syculorum terrae Sebus die Siedlung im Lauf des 13. Jahrhunderts
ungeahnte Ausdehnung und Erfolge errang. Er stellt die von Otto MITTELSTRASS
geäußerte Grundbesitzpolitik der Grafen (Gräven) von Kelling
und Petersdorf, das "Deutsche Siedler folgen den deutschen Grundherren“,
in diesen Zusammenhang165.
158) Az Erdélyi Fehérmegye a közepkorban, 1939.
159) SA., S.58. KLEIN steht mit dieser Argumentationsweise in krassem Widerspruch
zu seiner früheren Ausdeutung der primi hospites regis-Stelle
der Privilegialurkunde von 1206. Er schreibt 1959 in Zur Siedlungsgeschichte
und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Siebenbürgen,
daß in der Umgebung von Weißenburg und bei Broos ein Privilegienverband
von Saxones in vorgeysanischer Zeit angesiedelt wurde. Der nachgeysanischen
Zeit (Ende 12., Anfang des 13. Jhs), und zwar nach 1200, weist er die „Ersetzung
der Urweger, Mühlbacher und z.T. Keisder Szekler durch Deutsche“ zu.
Jetzt heißt es, daß die auf dem rechten Miereschufer gelegenen
deutschen Siedlungen ebenfalls zur terra Syculorum gehörten. Vgl.
unsere Bemerkungen unter Anm.32.
160) SA., S.64.
161) In: Jahrbuch des Siebenbürgischen Hauskalenders, 1969; SS., S.105-116.
162) SS., S.106.
163) SS., S.107.
164) In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung.
165) SS., S.112. Auch hier ergibt sich ein Widerspruch, weil MITTELSTRASS
die Ausbreitungsrichtung der Grafengeschlechter von Süden nach Norden
ansetzt, jedoch KLEIN die Nord-Süd-Bewegung anspricht: "das Übergreifen
der sächsisch-dietschen Siedlung auf das linke Miereschufer" (Ebenda).
Zum Standpunkt von MITTELSTRASS vgl. Anm. 70.
Seite 26In Fulco der
"Dietsche"166 faßt KLEIN Parallelen zwischen dem
Namenmaterial der Südostecke Siebenbürgens (dem Burzenland),
"die erst verhältnismäßig spät der ungarischen Zentralmacht
völlig unterworfen wurde", und dem Unterwald zusammen, auf die er
leider nicht mehr zurückkommen konnte. Er erwähnt den Zusammenhang
der Bezeichnung terra Zek (Szék) mit den benachbarten Dreistühlen,
den "Három-Szék"; des Besitzers der terra Zek, Vincencius,
in dessen Sippe der Name Benchench mit dem Ort Benzenz am Mieresch (Aurel
Vlaicu) übereinstimmt; die Wiederkehr von Namen wie Teel (Till?) und
Ebl, das Durcheinanderwogen der Bezeichnungen Brasu, Barasu, Brassó,
terra Borza, wo Braz, der Herkunftsort von Anselm, bzw. Broos, (rumän
Orãstie) zur Erklärung herangezogen werden können167.Wir
wissen heute, daß das Burzenland zu den geysanischen Siedlungsgebieten
zählte, wodurch sich manche der von KLEIN festgestellten Namensparallelen
erklären lassen. Das niederdeutsche Element hat hier auch eine Rolle
gespielt, wie der Name Teel andeutet.Auch die Sonderrechte, die
der Burzenländer Kreis mit den sächsischen Ortsgemeinden (der
Stühle Hermannstadt, Leschkirch und Schenk) schon vor dem Andreanum
aufgrund des "geysanischen Freitums" besaß168, deuten
auf Frühbesiedlung. In diesen Sonderrechten erblickt KLEIN zurecht
die "tragenden Pfeiler der sächsischen Selbstverwaltung"169.
166) Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Heft 2/1969, S.74-77;
SS., S.193-196.
167) SS., S.195. Dieses sind rein wortgeographische Betrachtungen.
168) KLEIN, Geysanum und Andreanum. Fragmentarische Betrachtungen zur
Frühgeschichte der Deutschen in Siebenbürgen, in: Archiv
Bd. 8, Zur Rechts- und Siedlungsgeschichte der Siebenbürger Sachsen,
Köln Wien 1971, S.54-61; SS., S.197-202, hier S.59.
169) Ebenda.
Seite 27
KLEINS MUNDARTGESCHICHTLICHE ARGUMENTATION IN DER SIEDLUNGSFRAGE AUS DER
SICHT HEUTIGER SPRACHWISSENSCHAFT170
Es wurde bereits festgestellt, daß KLEINS mundartgeschichtliche Methode
im Einklang zum seinerzeitlichen Entwicklungsstand der siebenbürgisch-sächsischen
Dialektologie stand171. Er war von Anbeginn der kulturhistorisch-dialektgeographischen
Sprachauffassung von Ferdinand WREDE und dessen Schüler Theodor FRINGS
verhaftet, die in Verbindung mit dem Deutschen Sprachatlas in Marburg/Lahn
entwickelt wurde. KLEIN beließ die Geschichtswissenschaft nicht in
der Rolle einer Hilfswissenschaft der Dialektologie, sondern betonte wiederholt
die umgekehrte Priorität.Auch der sprachlichen Veränderungen
und räumlichen Verschiebungen seit der Ansiedlung war sich KLEIN bewußt,
weshalb er zu Vorsicht ermahnte und Forschungen wie die von HUSS grundsätzlich
ablehnte. Doch KLEIN war ein überzeugter Anhänger der Sprachhorsttheorie
Walter MITZKAS und der Wortgeographie, deren ausgiebigstes Instrument der
SDSA (Siebenbürgisch-deutsche Sprachatlas) sein sollte.Wie ist nun
KLEINS sprachgeschichtliches Werk aus der Sicht des Strukturalismus und
der Entfaltungstheorie (Theorie der Polygenese) zu veranschlagen? Die Antworten
WIESINGERS auf die Frage, welche Position und Ergebnisse der bisherigen
dialektgeographischen Forschung aufrechterhalten werden können172,
gelten auch in unserem Fall.Weil die Dialektgeographie nur eine horizontale
Kausalität kennt, betrachtet sie „alle Lauterscheinungen als fertig
mitgebracht oder als neu gebildete Kontaminationen zweier verschiedener
Lautungen“173. Doch die vertikale Kausalitätder
Phonologie (die Reduzierung des Phonembestandes vielfach auf ein Minimum;
qualitative und quantitative Vokaldifferenzierungen fehlen in den Siedlermundarten)
und der Polygenese (Entfaltung gleicher Formen im Altland und im Neuland)
„schränkt die Möglichkeit der unmittelbaren Gleichsetzung übereinstimmender
Lautungen und die Annahme direkter Übertragung und damit der horizontalen
Kausalität sehr ein“174.KLEIN erwähnt nirgends das
Phänomen der Polygenese, im Gegenteil, in Zur Siedlungsgeschichte
und Sprachgeographie der deutschen Siedlungen in Siebenbürgen
(1959) und 1962 in Der siebenbürgisch-deutsche Sprachatlas (SDSA)
als Instrument der Forschung175 verlangt er die Identifizierung
von Reliktwörtern und isolierten Formen. In Luxemburg und Siebenbürgen
gibt KLEIN unter dem Eindruck der sprachgeographischen Arbeitsweise des
luxemburgischen Forschers Robert BRUCH, der die Polygenese ebenfalls ignoriert
und in Siebenbürgen luxemburgische Mundarterscheinungen erkennt, den
wortgeographischen Ansatz der früheren Arbeiten auf und begibt sich
ganz in den Bruchschen Bann. Diese Sichtweise wird heute angezweifelt,
weil die Lautverhältnisse zur Zeit der Besiedlung andere waren als
heute und "ein unmittelbarer Vergleich zwischen den gegenwärtigen
Zuständen des Neu- und Altlandes zur Bestimmung der Siedlerherkunft"
nach den neuen Anschauungen nicht mehr möglich ist176.Die
von der älteren Sprachforschung vertretene mittelfränkische (luxemburgische)
Herkunft der Siedler - KLEIN formuliert vorsichtig: "Allein schon aus sprachwissenschaftlichen
Erwägungen als einer Hilfswissenschaft der Geschichte läßt
sich mit Bestimmtheit sagen, daß Westmoselfranken (Luxemburger) an
der Besiedlung Siebenbürgens mitbeteiligt gewesen sein müssen"177
- ist dahingehend zu relativieren, als ""der Zusammenhang zwischen Gebieten
mit polygenetischen Entwicklungen wahrscheinlicher ist, als der mit anderen
Gebieten"178.
170) Unsere Betrachtungen folgen im Wesentlichen den Ausführungen
Peter WIESINGERS (wie Anm. 84).
171) Vgl. oben, S.16.
172) WIESINGER (wie Anm.84), S.175.
173) WIESINGER (wie Anm.84), S.176.
174) WIESINGER (wie Anm.84), S. 177. Vgl. S.16 und Anm.92.
175) Vgl. oben S.13f. und S.16.
176) WIESINGER (wie Anm.84), S.184 und weiter S.185.
177) Luxemburg und Siebenbürgen (wie Anm. 113), S.107.
178) WIESINGER (wie Anm.84), S.185 KLEINS Formulierung kommt dem modernen
Standpunkt verblüffend nahe.
Seite 28Auch der Versuch
KLEINS, Siedlergruppen zu lokalisieren bzw. deren sprachformende Ausstrahlungskraft
im Siedelgebiet zu bestimmen (auf den Spuren SCHEINERS) ist nicht realisierbar,
weil die durch Jahrhunderte währende doppelte Dynamik (sprachinterne
Genese; durch sprachexternen Lautersatz bedingte raum- und grenzverändernde
Sprachbewegungen) sowohl im Altland wie im Neuland "den sprachlichen Vergleich
und damit den Versuch, mit Hilfe der Verbreitung gegenwärtiger Lauterscheinungen
Siedlergruppen des Neulandes fassen und im Altland genauer lokalisieren
zu wollen"179 erschwert. Deshalb ist es auch nicht möglich,
die im Kolonistenland gelegene Zwischenheimat festzustellen180,
was KLEIN unter dem Eindruck der liturgiegeschichtlichen Forschungsergebnisse
von Karl REINERTH versucht181.Auch KLEINS Anliegen, der Herkunftsforschung
mit wortgeographischen Mitteln zu dienen182, kommt aus heutiger
Sicht zu kurz, weil eine Rückverlegung gegenwärtig übereinstimmenden
Wortguts und gegenwärtiger Verhältnisse in die Abwanderungszeit
auch beim Wortschatz nicht möglich ist183.WIESINGER warnt
davor, "auf Grund der heutigen Verbreitung einzelner Wortgleichungen unmittelbare
kleinräumige Herkunftsgebiete von Siedlergruppen festlegen zu wollen
(W. MITZKA). Wie in der Lautgeographie darf auch hier nur mit größeren
Räumengerechnet werden, in denen mehrere Wortentsprechungen auftreten"184.
Damit ist auch KLEINS Anlehnung an MITZKAS Sprachhorsttheorie in Frage
gestellt185.
179) WIESINGER (wie Anm.84), S.189.
180) Ebenda.
181) Vgl. S. 21 und Anm. 132.
182) Vgl. oben, S.27: Identifizierung von Reliktwörtern und isolierten
Formen.
183) Die Unzulänglichkeit wortgeographischer Vorgehensweise ergibt
sich daraus, daß die durch die Heteronymie des Wortschatzes entstehenden
Isoglossen (synchrone Isoglossen) oftmals von den Isophonen und Isomorphen
der Laut- und Formengeographie abweichen (WIESINGER (wie Anm.84), S.190).
184) WIESINGER (wie Anm.84), S.191.
185) Zum Thema der Siedlungskerne vgl. oben S.12,19 (Ur-Zellen); S.19 (Kerngebiet);
S.20 (Kerngruppe); S.21 (kleine Gruppenzüge); S.23 (Siedlungskerne).
Seite 29
SCHLUSSBETRACHTUNGEN
KLEINS hauptsächliches Interesse galt der Herkunfts- und der Ansiedlungsfrage.
Er bediente sich der Geschichtswissenschaft (Urkundenforschung) und Mundartforschung
gleichermaßen, obwohl er die letztere nur als Hilfswissenschaft einsetzen
wollte. Es ist zu beobachten, daß er sich seit dem Erscheinen des
ersten Bandes des SDSA (1961) die Klärung der Herkunft und des Ansiedlungsvorgangs
unter dem hauptsächlichen Einsatz sprachwissenschaftlicher Mittel
versprach. Die Hinwendung der Sprachwissenschaft zu Strukturalismus und
Polygenese blieb KLEIN verschlossen, wohl deshalb, weil sie seiner sprachsoziologisch-wortgeographischen
Forschungsweise widerstrebte. Das zeitigte manche, heute anfechtbare Ergebnisse.Die
jüngsten Grabungsergebnisse in Marienburg/Burzenland zeigen, daß
weder die Urkundenforschung, noch die Dialektologie den Schlüssel
der Ansiedlungsproblematik liefern kann. Die Archäologie entscheidet
letztendlich. Diese Belehrung kommt gerade aus dem Burzenland, dessen ausgezeichnete
Urkundenlage KLEIN und andere Historiker dazu verleitete, die Aussagekraft
der zahlreichen Urkunden der Ordenszeit nicht in Zweifel zu ziehen186.
Es dürfte einleuchten, daß siedlungsgeschichtlich orientierte
Ausgrabungen die Aufgabe der Stunde sind. Es wäre begrüßenswert,
wenn sich in der Zukunft eine regelrechte "Ansiedlungsarchäologie"
herausbilden würde. Diese würde manche der von KLEIN ersehnten
Antworten liefern bzw. der Lösung zuführen.
186) So heißt es in Flandrenses in Siebenbürgen. Aus den
Vorarbeiten zu einem Siebenbg.-Deutschen Sprachatlas (SDSA), 1961:
„Einig sind sich die Forscher darüber, daß das sächsische
Burzenland seine deutschen Siedler im wesentlichen aus den schon früher
besiedelten Gebieten Siebenbürgens bezogen habe. Daran ist nach Aussage
der Urkunden auch nicht zu zweifeln“ (Transs., S.208).
Seite 30
R E Z U M A T
Aniversarea a 100 de ani de la nasterea lui Karl Kurt Klein, fãrã
îndoialã cel mai de seamã învãtat als
sasilor transilvãneni din secolul nostru, transcede interesul unui
cerc restrîns, deoarece viata sa este exemplarã din mai multe
puncte de vedere.Învãtatul a parcurs cea mai frãmîntatã
parte a secolului 20, perioada interbelicã si postbelicã,
fiind martorul si victima a douã totalitarisme: a celui nazist,
ce a afectat viata politicã si spiritualã a Transilvaniei,
îndeosebi a sasilor, si a celui stalinist, cel din urmã rãpindu-i
dreptul la patria transilvanã.Dezgustul fatã de primele forme
de manifestare a ideologiei rasist-socialdarviniste în rîndul
intelectualitãtii sãsesti îl determinã pe Klein
sã adopte o atitudine hotãrîtã. În lucrarea
Methodenfragen
der Geschichtswissenschaft an einem siebenbürgischen Beispiel erläutert
(Probleme de metodologia stiintei istorice pe baza unui exemplu transilvãnean)
(1932) Klein se pronuntã vehement împotriva încercãrii
neautorizate a unor intelectuali sasi de a subordona complexitatea fenomenelor
si proceselor istorice unui determinism rigid provenind din domeniul stiintelor
exacte. Klein opune acestei tendinte totalitare, ce duce la violarea spiritului
(Vergewaltigung), libertatea spiritualã (geistige Freiheit), în
absenta cãreia adevãrata cunoastere este imposibilã.Klein
a profesat în spiritul cunoasterii descãtusate de oricare
prejudecatã, mai ales de ordin politic sau national.Tematica de
bazã a cercetãrii sale istorice este problema originii si
asezãrii sasilor în Tansilvania, ce ne perocupã în
lucrarea de fatã. Klein subliniazã de la bun început
primatul documentelor istorice fatã de cele lingvistice (evidenta
graiurilor), distantîndu-se astfel de metodele exclusiv fonetice
ale 'Junilor Gramaticieni' (Junggrammatiker), si implicit de învãtãtorul
sãu Gustav Kisch. Datoritã spiritului sãu analitic
si sintetic Klein realizeazã în mod magistral o sintezã
a cercetãrilor istorice si lingvistice sãsesti si maghiare
legate de asezarea sasilor. Deoarece miscarea de colonizare a teritoriilor
rãsãritene din directia Germaniei constituia o preocupare
exclusivã a lingvistilor (dialectologilor) din scoala lui Ferdinand
WREDE si Theodor FRINGS, initiativa metodologicã în domeniul
istoric a rãmas în întregime de partea lui KLEIN, care
se bazeazã în multe privinte pe lingvistica istoricã
a lui Andreas SCHEINER. KLEIN a pretuit la SCHEINER originalitatea sistemului
stiintific, dedicîndu-i mai multe eseuri. În spiritul lui Scheiner,
însã si în al sãu propriu, reclamã Klein
în lucrarea Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der mittelalterlichen
deutschen Siedlungen in Siebenbürgen (1959) (Istoria colonizãrii
si geografia lingvisticã a asezãrilor medievale germane din
Transilvania) pãstrarea unei distante adecvate fatã de metodele
dialectologiei germane, atitudine reclamatã de cazul special si
particular al întrepãtrunderii si suprarpunerii de graiuri
si limbi în Transilvania.Klein acordã cercetãrii interdisciplinare
un rol de seamã. În suita de eseuri Philologico-Historica.
Bemerkungen zum Stand und Methoden der siebenbürgisch-deutschen Sprach-
und Herkunftsforschung (Filologico-istorica. Observatii privitoare
la situatia si metodele de investigare ale dialectologiei si cercetãrii
provenientei germanilor transilvani) (1933) cere, ca toate disciplinele
istorice sã concure la elucidarea provenientei teritoriale a colonistilor
si a problemelor ridicate de colonizare: istoria agrarã, istoria
asezãrilor urbane, istoria dreptului, istoria constitutionalã,
istoria datinilor si obiceiurilor, istoria bisericeascã, istoria
artei, istoria literaturii si istoria economicã. Datoritã
aplicãrii largi a interdisciplinaritãtii, Klein realizeazã
o sintezã unicã si originalã, pe baza cãreia
cautã si propune solutii, indicînd noi directii si cãi
de cercetare. N-a adoptat o atitudine apodicticã, amintind în
repetate rînduri, cã rezultatele respectiv concluziile sale
au caracter ipotetic ori necesitã completãri ulterioare.Aspectele
principale ale problemei asezãrii sasilor în Transilvania
discutate de Klein dealungul anilor sînt de esentã istoricã
si lingvisticã. Cele dintîi rezultã din cercetarea
atentã a documentelor istorice avizate (cuprinse în Urkundenbuch
zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen - Documente privitoare
la istoria germanilor din Transilvania). Astfel Klein discutã problema
asa-numitilorFlandrenses (1191) (Die Zahl der priores Flandrenses
(Numãrul de priores Flandrenses) (1956); Der Volksname der Deutschen
in Siebenbürgen (Denumirea etnicã a germanilor din Transilvania)
(1957), Schäßburg im Kisder Kapitel (Sighisoara în
capitlul Saschiz) (1958), Flandrenses in Siebenbürgen. Zu den Vorarbeiten
zu einem Siebenbg.-Deutschen Sprachatlas (SDSA) (Flandrenses în
Transilvania. Despre lucrãrile pregãtitoare la Atlasul Lingvistic
transilvano-german (SDSA) (1961)), facînd distinctia dintre colonistii
asezati de Geisa II. în regiunea Sibiului, Nocrihului si Cincu si
cei asezati ulterior. Dar Klein greseste, inversînd expresia Flandrensibus
prioribus în Priores Flandrenses, cea ce îl împiedicã
sã recunoascã, cã prioritatea colonistilor numiti
flamanzi de la Sibiu, Nocrih si Cincu se referã la asezarea pentru
prima datã într-un teritoriu 'desert' (desertum). De aici
decurge nu numai posibilitatea, ca 'ceilalti flamanzi' (alii Flandrenses)
sã fie anteriori (nu posteriori, cum crede Klein), ci si situatia,
ca ei sã fi fost asezati în regiunea Sighisoarei si a Mediasului,
regiuni colonizate tîrziu (secolul 13), în opinia cercetãrii
sãsesti.Pe plan lingvistic Klein încearcã sã
identifice în Transilvania 'Sprachhorste' (nuclee dialectale), identificînd
în împrejurimile Sibiului 13 comune ce tin dupã pãrerea
sa de un 'nucleu' flamand. Alt nucleu dialectal respectiv 'de colonizare
(Kerngebiet, Siedlungskern, Ur-Zelle) se afla în zona localitãtilor
Cricãu si Ighiu (jud. Alba) (discutat în lucrãrile
Der
Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (1957) si Primi Hospites
regni Saxones - die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgen.
Betrachtungen zum Adelsprivileg des ungarischen Königs Andreas II.
vom Jahre 1206 (Primi hospites regni Saxones - primi Saxones colonizati
în Transilvania. Consideratii asupra actului de privilegii nobiliare
al lui Andrei II din anul 1206, (1969). Klein localizeazã în
legãturã cu elementul etnic valon din rîndul colonistilor
un nucleu în zona Cisnãdie (jud. Sibiu) (Latini in Siebenbürgen.
Wesen und Funktionen des welschen Elementes im mittelalterlichen Volkskörper
der Deutschen Siebenbürgens (Latini în Transilvania. Natura
si functia elementului valon din rîndul germanilor transilvãneni,
(1959). Alt nucleu va fi fost în regiunea Cîlnicului si Gîrbovei
(jud. Alba).Ideea unor istorici maghiari cum cã sasii colonizati
nu ar fi dispus de o elitã nobiliarã, lansatã în
1943, a fost vehement combatutã de Klein (Siebenbürgen und
seine Völker. Deutsche Feststellungen zu einer ungarischen Artikelreihe
(Transilvania si popoarele sale. Constatãri germane asupra unei
serii de articole maghiare). Existenta unei pãturi nobiliare este
demonstratã de calificarea reprezentantilor sasi din dieta Ungariei
drept more nobilium se gerentes (1291) si de quos et nobilitas
generis exornat din actul privilegial al lui Andrei II. pentru Cricãu
si Ighiu (1206). Cea mai Importantã realizare a nobilimii sãsesti
a fost obtinerea actului privilegial numit 'Der Goldene Freibrief' sau
'Andreanum' în anul 1224, care a constituit secole de-a rîndul
carta constitutionalã a sasilor transilvani (Latini in Siebenbürgen.
...; Wer hat uns Siebenbürger Sachsen den "Goldenen Freibrief"
erwirkt? Ein Beitrag zur Interpretation des Andreanums (Cine ne-a negociat
'Carta de aur'? O contributie la interpretarea Andreanumu-lui (1957)).Întrebarea
controversatã, dacã la bazele unitãtilor administrative
si bisericesti ale sasilor a stat dreptul teritorial sau cel personal este
extins de cãtre Klein asupra procesului de colonizare. Teza lui
G.E. MÜLLER, potrivit cãreia forma censului indicã statutul
liber (de pãmîntul crãiesc - Königsboden) sau
statutul nobiliar (neliber, de posesiune) al comunitãtilor rurale
este discutat în lucrarea Schäßburg im Kisder Kapitel
(1958).Klein indicã o solutie de mijloc, nesatisfãcãtoare,
din punct de vedere contemporan, pentru cã în momentul asezãrii
colonistilor în teritoriile 'deserte' n-a functionat decît
dreptul regal de dispozitie asupra teritoriului, care era în esentã
de naturã militarã. Forma de organizare teritorialã
a regatului maghiar era comitatul. Abia dupã asezare colonistii
au purces la constituirea de scaune si decanate, organizate dupã
dreptul autonom garantat de coroana maghiarã oaspetilor strãini
(hospites).Klein abordeazã în repetate rînduri
problema asa-numitelor prisãci (gyepü, Grenzverhaue), adoptînd
punctul de vedere al lui Ferenc FODOR (1936) asupra amplasãrii a
6 cordoane de apãrare în Transilvania. în Grenzwüstung
und Siedlung: Gyepü und Gyepüvorland. Bemerkungen zur mittelalterlichen
Südostsiedlung im altungarischen Raum (Desertum si colonizare:
Observatii asupra colonizãrii medievale în spatiul vechi maghiar
(1965). Klein încearcã sã identifice grupe de colonisti,
care s-au constituit în preajma cordoanelor. În lumina noilor
descoperiri arheologice de la Feldioara (Tara Bârsei), care atestã
colonizarea deja la mijlocul sec. XII., conceptia cordoanelor de apãrare
trebuieste revizuitã. Deaceea localizãrile lui Klein sînt
discutabile, cel putin cele legate de etapele 4-6 ale sistemului de cordoane.În
sectiunea Kleins mundartgeschichtliche Argumentation in der Siedlungsfrage
aus der Sicht heutiger Sprachwissenschaft (Argumentele de istoria limbii
ale lui Klein din perspectiva lingvisticii contemporane) constatãm,
cã datoritã contributiei sale la elaborarea si editarea "Atlasului
lingvistic transilvano-german" învãtatul a stãruit
asupra principiilor geografiei lexicale (Wortgeographie), valabilitatea
cãreia est contestatã de lingvistica structuralistã.
Klein s-a situat pe pozitii sociolingvistice, deasemenea contestate de
lingvistica contemporanã. În lucrarea Luxemburg und Siebenbürgen
(1966) învãtatul sustine originea unei pãrti a colonistilor
din spatiul central-franconian (Luxemburg, regiunea Mosel), netinînd
cont de fenomenul poligenezei lingvistice, care detine un loc central în
lingvistica modernã.
Dokument: .../klein.html/ Erstellt: 16.07.1997. Letzte Änderung: 13.11.1998.
Autor: Klaus Popa