Karl Kurt Klein und die Problematik der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen

von

Klaus Popa - Meschede

©Klaus Popa 1997

INHALTSÜBERSICHT

    Kleins Geschichtsauffassung und -methodik S. 1-2
    Die Herkunftsfrage der Siebenbürger Sachsen als zentrales Thema in Kleins Geschichtsforschung S. 3
    Kleins Schriften der 30-er Jahre zur Herkunftsfrage S. 3-5
    Kleins Schriften der 50-er Jahre zur Herkunftsfrage S. 6-14

    Die priores Flandrenses S.7-9
    Die Ansiedlungsproblematik des Schäßburger Raumes S.10-12
    Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie S.12-14

    Die Arbeiten des letzten Lebensjahrzehnts S.15-26

    Latini und Flandrenses in Siebenbürgen S.16-20
    Luxemburg und Siebenbürgen S.20-23
    Das Gyepü-Problem; Andere Aufsätze der letzten Jahre S.23-26

    Kleins mundartgeschichtliche Argumentation in der Siedlungsfrage aus der Sicht heutiger Sprachwissenschaft S.27-28
    Schlußbetrachtungen S.29
    Rezumat (Zusammenfassung in rumänischer Sprache) S.29-30


Die Beschäftigung mit Karl Kurt Klein, dem zweifelsohne bedeutendsten Gelehrten der Siebenbürger Sachsen in unserem Jahrhundert, dürfte anläßlich seines 100. Geburtstages die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Forschung auf sein bevorzugtes Forschungsthema, die Siedlungsproblematik, aber auch auf die Geistesgeschichte seines Zeitalters lenken und zu vertiefter Auseinandersetzung damit führen. Denn Kleins Element war das geistige Schaffen, in einer Zeit zunehmender weltanschaulicher Konfliktsituationen, die auch das intellektuelle Klima Siebenbürgens bzw. Deutschlands mitbestimmt und in Mitleidenschaft gezogen haben.
Wir meinen, daß nur ein analytisch und synthetisch angelegter Rahmen der Würdigung des Gelehrten K.K. Klein gerecht wird. Deshalb beschränken wir uns im Folgenden nicht lediglich auf eine expositive Bestandsaufnahme der Kleinschen Auffassung über die Herkunfts- und Ansiedlungsproblematik, sondern bemühen uns, den Werdegang des Kleinschen Gedankengebäudes sachgerecht nachzubilden und die Aktualität bestimmter Punkte abzufragen.

KLEINS GESCHICHTSAUFFASSUNG UND -METHODIK

KLEIN stand bereits vor dem Durchgreifen des totalitär-nazistischen Ungeistes in Siebenbürgen „im anderen Lager“. Sein in der Auseinanderstzung mit dem Mediascher Arzt Dr. Heinrich SIEGMUND 1932 verfaßter Aufsatz Methodenfragen der Geschichtswissenschaft an einem siebenbürgischen Beispiel erläutert1 darf als programmatisch gelten für Kleins methodisches und geistiges Credo, dem er mit bewundernswerter Konsequenz treu blieb. Siegmund, dem dann auch der Raketenpionier Hermann Oberth beipflichtete, war ein Vertreter völkisch-rassenbiologischen Gedankenguts, das auf dem Hintergrund eines überspitzten Szientismus (Positivismus) der damaligen Naturwissenschaften, schließlich sozialdarwinistisch ausartete und in der Rassenideologie der Nazis gipfelte.KLEIN trat für die entschiedene Trennung von Kultur- und Geisteswissenschaften - zu denen auch sein Forschungsfeld, die Geschichtswissenschaft, zählt - von den Naturwissenschaften ein. Denn die Geschichte als Kette einmaliger Momente kann nicht in die Zwangsjacke von Gesetzen bzw. Typen gedrängt werden2 . In der Geschichtswissenschaft wird dem Individuellen, der Individualität, Vorrang gegeben, im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen Schema, das das Individuelle als 
1) Erstdruck in Heft 4/1932 („Friedrich Teutsch-Heft“) der „Siebenbürgischen Vierteljahrsschrift“ (fortan Sbg. Vjschr.), das als Festgabe zum 80. Geburtstag des Vorsitzenden des „Siebenbürgischen Landeskundevereins“ erschien, unter dem Titel Geisteswissenschaft und naturwissenschaftliche Pseudohistorie, S.315-328; Saxonica Septemcastrensia (fortan SS.), Marburg 1971, S. 77-85.
2) SS, S. 78f.
Seite 2‘unwesentlich’ ausscheidet3. Die totalitäre Tendenz der Siegmundschen Forschungsmethode widerstrebt KLEIN. Er betont, daß sein „Begriff der Wissenschaft„ „auf dem der geistigen Freiheit“ beruht, er lehnt jede Bestimmung der Wissenschaft durch Zwecke und Absichten von außen her ab4. Anders angelegte Bemühungen führen zur „Vergewaltigung“. KLEIN benötigt in seiner Forschung die Freiheit, spekulativ zu denken und frei kombinieren zu können5.In seiner Antwort auf eine aus ungarischer nationalistischer Ecke im „Besztercei Hirlap“ anonym erschienenen Artikelreihe, die aus dem von Elemér MÁLYUSZ redigierten Sammelwerk Siebenbürgen und seine Völker übernimmt6, fordert KLEIN, daß die Forschung „in unvoreingenommener Arbeit die Wahrheit feststellt. Als selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, daß die Forscher, unabhängig davon, in welchem völkischen Lager sie stehen, der unvoreingenommenen Erkenntnis und ihrer Verkündigung, auch wenn sie gegen den eigenen Vorteil oder frühere Überzeugungen gerichtet ist, die Ehre geben.“7KLEIN vertraut der Uneingenommenheit des wahren Wissenschaftlers: “Ein Mann der Wissenschaft - Scharlatane und Dilettanten scheiden aus unserer Betrachtung aus - wird sich niemals zu Schiebungen und Beugungen der Wahrheit hergeben“8. Hier wird abermals deutlich, wie sehr KLEIN „totalitäre“ Äußerungen mißbilligte, die auch die ungarische Geschichtswissenschaft jener Jahre aufzeigt. Dieselben Entgleisungen erkennt er auch auf rumänischer Seite in der Person von Iosif SCHIOPUL, der die burzenländer Urkunden des Deutschen Ordens in Frage stellte was einer „übertont vaterländischen Haltung“ gleichkommt, die auch MÁLYUSZ an den Tag legt. Das war „Pseudowissenschaft“9.Die Freiheit des Geistes war in KLEINS Augen das höchste menschliche Gut und die unabdingbare Voraussetzung echter Wissenschaftlichkeit. Vorgaben verabscheute er zutiefst, und in den Nationalismen der Kriegsjahre erblickte er eine große Gefahr. Er betont folgerichtig, daß die Erforschung siebenbürgisch-sächsischer Themen von keiner Stelle vorgegeben werden kann, weder von der Klausenburger Universität, noch von Budapest oder Berlin oder sonstwelchen anderen Instituten oder Menschen10
3) SS, S.78.
4) SS, S.82.
5) Dieser Wesenszug seiner Methodik kommt vornehmlich in den letzten Aufsätzen (ab 1966) zur Geltung. Nicht von ungefähr bemerkt der Mediävist Dietrich KURZE, Zur historischen Einordnung der kirchlichen Bestimmungen des Andreanums (Vortrag auf der Arbeitstagung des Arbeitskreises in Aachen 1969); jetzt in: Dietrich KURZE, Klerus, Ketzer, Kriege und Propheten. Gesammelte Aufsätze, hg. von Jürgen SARNOWSKY, Marie-Luise HECKMANN und Stuart JENKS, Fahlbusch Verlag Warendorf, 1996, S.125, Anm. 3: „die Arbeiten von K.K. Klein sind oft zu hypothetisch.“
6) KLEINS Antwort Siebenbürgen und seine Völker. Deutsche Feststellungen zu einer ungarischen Artikelreihe erschien ursprünglich in der „Bistritzer Deutschen Zeitung“ am 14. Januar 1943 und in verkürzter Form in SS, S.36-43.
7) SS., S.40.
8) SS., S.42.
9) SS., S.40f.
10) Wie Anm. 8. Mit „sonstwelchen anderen Instituten“ meint KLEIN offensichtlich das zuvor von der Deutschen Volksgruppe in Rumänien errichtete „Forschungsinstitut“ in Hermannstadt.
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DIE HERKUNFTSFRAGE DER SIEBENBÜRGER SACHSEN ALS ZENTRALES THEMA IN KLEINS GESCHICHTSFORSCHUNG

KLEINS Auseinandersetzung mit der Ansiedlungs- bzw. Herkunftsfrage der Siebenbürger Sachsen wurzelt in der seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wissenschaftlich betriebenen Beschäftigung mit diesem Problemkreis. Auf persönlicher Ebene verknüpfte er mit der Beantwortung bzw. Lösung der Frage die Überwindung der Identitätskrise, die die siebenbürgisch-sächsischen Intelektuellen seit der Eingliederung Siebenbürgens ins rumänische Königreich durchlebten. Während im ‘gegnerischen’ Lager der ‘Nationalgesinnten’ diese Krisenstimmung Schriften wie die von KLEIN vehement angegriffene Deutschen=Dämmerung in Siebenbürgen (Verdrängung oder Vernichtung?) (1931) von Heinrich SIEGMUND11 produzierte, verfaßte KLEIN Finis Saxoniae? - Nein!12, ein Titel, der verhaltenen Optimismus ausstrahlt. Die Kernsätze dieses Aufsatzes lauten: „Unsere Geschichte ist kein beständiges Verlieren und Zurückgedrängtwerden gewesen“ und „... so gewinnen wir auf MÜLLERS Spuren13 gerade aus der Geschichtsbetrachtung neue Zuversicht für unseren Bestand in der Zukunft“14.

KLEINS SCHRIFTEN DER 30-ER JAHRE ZUR HERKUNFTSFRAGE

I. Die Philologica-Historica. Bemerkungen zu Stand und Methoden der siebenbürgisch-deutschen Sprach- und Herkunftsforschung (1933)

Diese Arbeit veröffentlichte KLEIN als Aufsatzreihe (in drei Folgen) in der von ihm herausgegebenen „Siebenbürgischen Vierteljahrsschrift“15. Im ersten Teil dieser Schrift (Gustav KISCH und die Herkunftsfrage) distanziert sich KLEIN von seinem Lehrer, der ein Vertreter der jungrammatischen Dialektologie war. Er wirft KISCH vor, daß er in seinem Werk Siebenbürgen im Lichte der Sprache die verfehlte Gleichung „Sprache=Volk“16 für den Winkel zwischen Mosel und Rhein samt ganz Luxemburg und Siebenbürgen aufstellt17. Auch wirft er Kisch „das Trügerische des unmittelbaren Ziehens geschichtlicher Schlüsse aus dem Ortsnamenstoff“ vor18. Denselben Fehlschluß leistet Kisch auch im Vergleichenden Wörterbuch19.


11) Vgl. oben, S. 1.
12) Erstdruck in : Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt Nr. 17.818 vom 27. August 1932, Jg. 39, S.1; SS., S.12-14.
13) Es ist der Hermannstädter Stadtpfarrer Friedrich MÜLLER gemeint, an dessen Vortrag auf den Sächsisch-Reener Vereinstagen KLEIN anknüpft.
14) Wie Anm. 12, S. 14.
15) Sbg. Vjschr., 56. Jg., April/September 1933, Nr. 2/3, S.165-188; 56. Jg., Oktober/Dezember 1933, Heft 4, S.346-358; 57. Jg., April/September 1934, Nr. 2/3, S.186-192. Die ersten beiden Teile erschienen als gesonderte Beiträge in Transsylvanica. Gesammelte Abhandlungen und Beiträge zur Sprach- und Siedlungsforschung der Deutschen in Siebenbürgen (fortan Transs.), München 1963, S.165-188; 81-90.
16) KLEIN schreibt diesbezüglich: "Hat man die H e r k u n f t im Auge, dann ist die Grundfrage: "Wo spricht man außerhalb Siebenbürgens dem Siebenbürgisch-Sächsischen am ähnlichsten?" Das setzt die Gleichung Sprache=Volk voraus, was von der Wissenschaft nicht aufrechtzuerhalten ist." (Transs., S.27).
17) Ebenda., S.20-21.
18) Ebenda, S. 22. Klein kritisiert hier die wortgeographische Forschungsweise, die er in den Endfünfziger Jahren, als die Arbeiten am Siebenbürgisch Deutschen Sprachatlas unter seiner Federführung zügig vorankamen, wieder in den Vordergrund sprachgeschichtlicher Forschung rückt. 19) Ebenda, S. 23.
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KLEIN teilt mit dem Petersbergurger Sprachforscher Viktor SCHIRMUNSKI (Sprachgeschichte und Siedlungsmundarten), das Forschungsprinzip: „Nur anhand geschichtlicher Zeugnisse über die Auswanderung ist der komplizierte Mechanismus der Mischungsprozesse zu verfolgen“20. Dieses Prinzip wurde zum Grundpfeiler seiner Herkunftsforschung.

In Gustav Kisch und die Herkunftsfrage spricht KLEIN zum ersten Mal den Gedanken aus, daß moselfränkische Lokatoren oder rheinische Adlige (Erbgräven) in der Besiedlung eine hervorragende Rolle gespielt haben können21.
Den mit SCHIRMUNSKI geteilten Vorrang der Siedlungsgeschichte vor der Sprachgeschichte wiederholt KLEIN in Die Mundart der Sachsen von Hermannstadt (der zweite Teil der Philologico-Historica): "die Sprachvergleichung erwartet von der Siedlungsgeschichte die Klärung grundlegender, sprachgeschichtlicher Fragen" was eine "Umkehrung der bisherigen Anschauung in aller Form" bedeutet22. Damit krempelt KLEIN die siebenbürgische Herkunftsforschung um. Außer dieser Prioritäts- bzw. Schwerpunktverlagerung fordert KLEIN auch interdisziplinarische Einstellung: "Zur Klärung der Urheimat- und Ansiedlungsfrage werden die historischen Disziplinen aller Lebensgebiete zusammenwirken, die der Siedlungs-, Agrar-, Stadt-, Rechts-, Verfassungs-, Sitten-, Rassen-, Kirchen-, Kunst-, Literatur- und Wirtschaftsgeschichte usw."23. Die hier entworfene Forschungsmethodik konnte KLEIN erst in den frühen fünfziger Jahren praktisch umsetzen24.Der zweite Teil der Philologico-Historica ist dafür bedeutsam, daß Die Mundart der Sachsen von Hermannstadt (1928) von Andreas SCHEINER den Anlaß dazu lieferte. KLEINS aufrichtige Bewunderung des Menschen Scheiner und dessen Forschungsansätze, die KLEIN zeitlebens hegte, manifestiert sich in dieser ersten Schaffensphase darin, daß er den Grundsatz Scheiners übernahm, "daß jeder methodische Wissenschaftszweig in seiner Forschung selbst vorzugehen und erst die gefundenen Ergebnisse mit denen der anderen zu vergleichen habe"25


20) Ebenda, S. 28.
21) Ebenda, S. 23. Diesen Ansatz erweiterte Klein in Verbindung mit der Pivilegialurkunde für Krakau, Crapundorph und Rumes (1206), die er ‘Adligenprivileg’ nannte. Die von Otto MITTELSTRASS in Beiträge zur Siedlungsgeschichte Siebenbürgens im Mittelalter, München 1961, aufgestellte Maxime "Deutsche Siedler folgen den deutschen Grundherren" bestärkte Klein in seiner Sichtweise.
22) Transs., S.353.
23) Ebenda, S.354.
24) Der erste Niederschlag dieser komplex angelegten Forschungsmethode ist der Beitrag Das ‘Rätsel der siebenbürgischen Sprachgeschichte’. Die Goten-Geten-Daken-Sachsengleichung in der Sprachentwicklung der Deutschen Siebenbürgens, in: Südost.Forschungen, Jg. 1946-52, Bd. XI, S.84-154; Transs., S.90-139).
25) Wie Anm. 23. KLEIN bemerkt ferner, daß SCHEINER mit seiner Mundart der Hermannstädter Sachsen ein Forschungsfeld abgesteckt hat, „dessen Umfang nach der Tiefe und Breite noch für Generationen Arbeit bietet“ (Transs., S.356-57). Die Wesensverwandtschaft KLEINS und SCHEINERS besteht u.E. in der historischen Perspektive, die beide ihren Sprachforschungen zugrunde legten und in der freien Kombinatorik ihrer jeweiligen Methode. Der letztere Wesenszug läßt SCHEINERS Entwicklungsschema des "siebenbürgisch-deutschen Sprachgefühls" aus heutiger Sicht recht hypothetisch und spekulativ erscheinen (Seit 1929: 1. Rheinische Grundlegung der siebenbürgischen Mundartlandschaft nach 1141 (Regierungsantritt Geysas II.). 2. Obersächsische, d.i. ostmitteldeutsche Überdachung der rheinischen Mundarten Siebenbürgens nach 1241 (Tatarensturm). 3. Neuhochdeutsche Gärung der siebenbürgisch-deutschen Sprachstände nach 1536 (Reformationszeit, Luthersprache im selbständigen Fürstentum Siebenbürgen). 4. Mundartliche "Besinnung und Klärung" der Sprachlandschaft im 16./17. Jahrhundert, d.h. Wiederauftauchen der alten Bauernmundarten aus dem Untergrund in der Form einer großlandschaftlichen Verkehrssprache ("Gemeine Landsprache") (Vgl. KLEIN, Siebenbürgische Mundarten (Berichte sächsiche Akademie der Wissenschaften, Bd.104, Heft 3), Berlin 1959, S. 26f.).
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II. More nobilium se gerentes26

Dieser Aufsatz KLEINS wirft ein Forschungsthema der siebenbürgisch-sächsischen Frühgeschichte auf, das der Gelehrte wiederholt besonders in den Arbeiten der 50-er und 60-er Jahre in breitere Forschungskontexten einfließen läßt. Ausgehend von Stefan KISS von Rugonfalvas Abhandlung Az egységes magyar nemesi rend kifeljödése, Universitätsdruckerei Debrecen 1932, die der Entwicklung des 1351 durch König Ludwig I. vereinheitlichten ungarischen Adelsstandes nachgeht, bringt KLEIN die aus einer Urkunde des Jahres 1291 stammende Bezeichnung des sächsischen Adels more nobilium se gerentes ins Gespräch und gelangt zum Ergebnis, daß sowohl die naturales servientes ultra Dravam constituti, die naturales regni Chroatie nobiles, die siebenbürgischen Szekler, die kumanischen, jazygischen, petschenegischen Adligen sowie die more nobilium se gerentes Saxones Nationalitätenadel waren, „der in den ungarischen Geschlechteradel noch nicht hereingewachsen bzw. noch nicht aufgenommen war“27. KLEIN sieht die Notwendigkeit, die Frage der sächsischen Gräfen in und außerhalb der Volksgemeinschaft wieder aufzuwerfen und neu zu behandeln28.

III. Nordsiebenbürgische Flurnamengeographie

In der Besprechung der Herkunft der Nordsiebenbürger Deutschen im Lichte der Flurnamengeograpghie von Ernst M. WALLNER (1936)29 hebt KLEIN hervor, daß der Autor die Herkunftsfrage als geschichtliche Frage anerkennt, ein Fortschritt zu seinem Lehrer Gustav KISCH30. Doch KLEIN stellt fest, daß WALLNER das Axiom von der Beständigkeit der Laute in der Herkunftsforschung anwendet, das schon auf falsche Fährten geführt hat. Deshalb lehnt KLEIN die Arbeit insgesamt ab31
26) Erschienen in Sbg. Vjschr., 59. Jg., Januar/Juni 1936, S. 108-113.
27) Ebenda, S.112.
28) Ebenda, S.113.
29) Die Arbeit WALLNERS erschien als Heft 30 des „Rheinischen Archivs“, Bonn 1936. Erstdruck der Besprechung von KLEIN in: Sbg. Vjschr., 1938, Jg. 61, S.285-291; Transs., S.259-264.
30) Transs., S. 260.
31) Ebenda, S. 263f.
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KLEINS SCHRIFTEN DER 50-ER JAHRE ZUR HERKUNFTSFRAGE

Im Vortrag Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen in europäischer Sicht32 charakterisiert KLEIN die mittelalterliche „Ostkolonisation“ als „eine der größten Leistungen des deutschen Volkes. ... Den größten Gewinn hatten Europa und der christlich-abendländische Gedanke. ...“ (33). Außerdem soll die Sachsensiedlung in Siebenbürgen „eine großdeutsche Tat gewesen“ sein34. Diese betont nationalistisch gefärbten Formulierungen sind ungewöhnlich bei KLEIN. Sie wiederspiegeln zweifelsohne die traurige Einsicht, die inzwischen zur schmerzlichen Gewißheit geworden war, daß er sein geliebtes Siebenbürgen nie mehr wiedersehen würde. KLEIN fand glücklicherweise bald zu seiner ausgewogenen wissenschaftlichen Begriffssprache zurück.KLEIN äußert im genannten Vortrag zum ersten Mal den Gedanken, daß "die siebenbürgischen Siedler gegen Zusicherung sehr hoher Sonderrechte (Privilegien) zuerst nur auf "Königsboden" angesiedelt" wurden. "Erst nach und nach errangen auch die ungarischen Grundbesitzer, Hochadlige, Barone und Magnaten, ebenfalls das Recht, Siedler anzusetzen. Auch sie mußten ihnen ungewöhnliche Sonderrechte zubilligen"35.In Mönchsdorf. Geschichte aus der Kunstgeschichte36 versucht KLEIN, dem Geheimnis des in Nordsiebenbürgen, selbst in Siebenbürgen, einzigartigen Kirchenbaus in Mönchsdorf auf die Spur zu kommen. Hier äußert er die brisante Meinung, daß nicht Einheit am Beginn der sächsischen Volksgeschichte steht, sondern Vielheit: "Eine Vielheit der Zeit, der Sprache, der Rechte, des Herkommens, der Siedlung, der Aufgaben, der Lebensformen". Er stellt ferner fest, daß die Betrachtung der Mönchsdorfer Kirche noch ein Weiteres lehrt: "Wir können unser Sächsisches Volksgeschick aus dem der mit- und umwohnenden Völker nicht herauslösen."37Am 8.9.1955 präsentierte KLEIN auf dem Ersten Internationalen Germanistenkongreß in Rom den Vortrag Hochsprache und Mundart in den deutschen Sprachinseln38. Er liefert hier neue Anhaltspunkte für die Ansiedlungs- bzw. Herkunftsproblematik aus sprachsoziologischer Sicht. Er unterscheidet zunächst „echte“ und „Grenzlandsprachinseln“. Zu den ersteren ist Siebenbürgen zu zählen. Die Problematik der echten Sprachinseln ist sprachsoziologischer und geschichtlicher Natur. Bezüglich der geschichtlichen Komponente stellt er fest, daß „vertiefte Urkundenforschung der letzten Jahrzehnte“ „ein überraschend anderes Bild der tatsächlichen Vorgänge enthüllt und zur Annahme einer überaus bewegten deutschen Sprach- und Volksgeschichte in Siebenbürgen genötigt hat“39
32) Gehalten auf der Studientagung der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland am 31.6.1953; SS., S.53-61.
33) SS., S.58.
34) SS., S.59.
35) SS., S.58f.
36) Südostdeutsche Heimatblätter, München 1954, Jg.3, S.141-149; Transs., S.189-198.
37) Transs., S.190.
38) Transs., S.311-339.
39) Transs., S. 311, 317, 318, letzteres Zitat S.321.
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 KLEIN bringt die von Walter MITZKA für das Nordostdeutsche entwicklelte Sprachhorsttheorie (1937)40 erstmals mit der Sprachinselforschung in siebenbürgischen Belangen in Verbindung. In seinen späteren Beiträgen zur Herkunftsforschung und Siedlungsgeschichte wird dieser Aspekt wiederholt zur Sprache kommen. Auch die sprachsoziologische Sicht, die KLEIN von A. SCHEINER übernimmt (im römischen Vortrag erwähnt er die Auffassung Scheiners von der Verschiedenheit sprachsoziologischer Ebenen, auf denen sich die Geschichte des siebenbürgischen Deutsch vollzogen hat)41, wird er weiterhin vertreten.

Die priores Flandrenses

Der erste ausschließlich siedlungsgeschichtliche Aufsatz KLEINS erschien im Siebenbürgisch-sächsischen Hauskalender 1956 in populärwissenschaftlicher Aufmachung. Daß er das siebenbürgische Publikum in Deutschland erstmals anspricht, entsprang seiner Überzeugung, daß die Auswirkung einer Lehre ins Leben eingreifen sollte42. Solche Arbeiten dienten KLEIN zweifelsohne auch als Vorarbeiten zu späteren Beiträgen, wo er die zunächst skizzenhaft vermittelten Erkenntnisse wissenschaftlich verarbeitete.Bedeutsam für die Siedlungsproblematik ist nicht die von KLEIN errechnete Zahl von ursprünglich 2500 priores Flandrenses, die um Hermannstadt 13 primäre Siedlungen gegründet haben sollen, sondern seine Deutung der priores Flandrenses der sogenannten "Legatenurkunde" von 1191 oder bald danach als "früher angesiedelte Flanderer" und der alii Flandrenses als "später gekommene". Diese Auslegung stellt eine zeitliche Differenzierung her, die auch Aufschluß über die jeweils von den beiden Kolonistengruppen besiedelten Territorien gibt. KLEIN begnügt sich mit der Feststellung der zeitlichen Aufeinanderfolge der Gruppen, übersieht indessen, daß die priores Flandrenses (in der Urkunde heißt es eigentlich Flandrensibus prioribus) jene Kolonisten waren, denen als erste Siedler überhaupt in der siebenbürgischen Siedlungsgeschichte ein als "Desertum" in königlichem Besitz befindlicher Raum zur Besiedlung freigegeben wurde. Das heißt ferner, daß hier erstmals Königsboden an Siedler vergeben wurde, während die bisherigen Siedlergruppen ausschließlich auf Komitatsboden angesiedelt worden waren. Nur die Flandrensibus prioribus, denen König Geysa II. ein Desertum zugewiesen hatte, sollten zur neugegründeten Hermannstädter Propstei gehören, nicht auch die alii Flandrenses, die in anderen Deserta saßen. Dafür spricht jedenfalls der Urkundenpassus Flandrenses ... qui tunc erant in illo solo deserto, quod gloriose memorie G(eysa) rex Flandrensibus concessit, ... , ebenso die Stelle quos de nullis aliis Flandrensibus intelleximus nec alios prepositure supposuimus, nisi dumtaxat illos, qui tempore, quo ipsam preposituram constituimus, in illo tantum habitabant, et erant habitaturi deserto, quod Geisa rex Flandrensibus prioribus concessit. In kirchenrechtlicher Beziehung blieben die alii Flandrenses, obwohl sie auf Königsboden siedelten, unter der Botmäßigkeit von Weißenburg43.KLEIN erwähnt in seinem Aufsatz Die Zahl der priores Flandrenses auch die Siedlergruppe um Broos und Weißenburg, die in einer Urkunde des Jahres 1206 primi hospites regnigenannt wird. Diese sind zeitlich vor den priores Flandrenses anzusetzen (44) und auf diese Gruppe kommt KLEIN wiederholt zu sprechen im Rahmen der Diskussion um den Saxones-Namen und um die Adligenverfassung, die ihnen 1206 durch Andreas II. zugebilligt wurde. 
40) Grundzüge nordostdeutscher Sprachgeschichte.
41) Transs., S. 321.
42) So Andreas MÖCKEL, Nachruf auf Karl Kurt Klein, in: Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde, 1.Jg., Heft 3, 1971, S.65-74, hier S.72. MÖCKEL erwähnt, daß KLEIN zum Zweck der Popularisierung seiner Lehre auch in Publikationsorganen veröffentlichte, „die in der vornehmen akademischen Welt wenig beachtet werden.“ (Ebenda).
43) Zur Problematik der Flandrensibus prioribus vgl. Klaus POPA, Kreuzzüge als Quelle einer Ansiedlung in Siebenbürgen (ursprünglicher Titel: Die Kreuzzüge als Quelle der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen), in: Forschungen zur Volks- und Landeskunde (FVLK), Bd. 32, Nr.1, 1989, S.111-116. Die internationalen Bezüge der Ansiedlung von Flandrenses behandelt jüngst Harald ZIMMERMANN, Die deutsch-ungarischen Beziehungen in der Mitte des 12.Jahrhunderts und die Berufung der Siebenbürger Sachsen, in: Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte, hg. von Sönke LORENZ und Ulrich SCHMIDT, Sigmaringen 1995, S. 151-165. Der Aufsatz ist auch in der FestgabeSiebenbürgen und seine Hospites Theutonici. Vorträge und Forschungen zur südostdeutschen Geschichte (Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Bd. 20), hg. von Konrad GÜNDISCH, Köln Weimar Wien 1996, S.83-101 abgedruckt.
44) Transs., S.225.
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Adelsrechte und Saxones-Name

In Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen45 spricht KLEIN außer der zentralen Problematik des 'Sachsen'-Namens und des bereits 1936 aufgeworfenen Problemkreises um die more nobilium se gerentes Saxones46 weitere Themen der Ansiedlungskomplexes an, auf die er immer wieder zurückkommt (z.B. das Wallonen-Thema).Bezüglich des Sachsen-Namens stellt KLEIN zunächst fest, daß noch keine befriedigende Antwort seiner Herkunft gefunden wurde. Er schickt voraus, daß "auch der nachfolgende Versuch nicht das letzte Wort in dieser Frage sein kann", doch er ist zuversichtlich, daß er einer schlüssigen Antwort näher kommt, als ältere Lösungsversuche47.Weil der Saxones-Name zum ersten Mal in der Privilegienurkunde für Krakau, Krapundorf und Rumes 1206 vorkommt, geht KLEIN auf diese Siedlergruppe näher ein und betont, daß sie die älteste Siedlergemeinschaft aus vorgeysanischer Zeit ist48. KLEIN glaubt in der Art der Privilegierung und aus der Formulierung quos et nobilitas generis exornat (die neben anderem auch der Adel ihrer Abstammung auszeichnet) Adelsrechtidentifizieren und erkennen zu dürfen. Er hält das, aus heutiger Sicht anfechtbare, Ergebnis fest, "daß die Saxones von Krakau-Crapundorph ... - als Ministerialadlige jener Sorte anzusehen sind, die in Ungarn als servientes regis, in Deutschland als milites 'Ritter' bezeichnet wurden"49
45) Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, München 1957, S.76-88; Transs., S.143-159.
46) Vgl. S. 4.
47) Transs., S.143.
48) Transs., S.149.
49) Ebenda.
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 Bezüglich des Saxones-Namens stellt KLEIN fest, "daß die Bezeichnung Saxo 'Sachse' vor und nach 1200 neben der ursprünglichen ethnographischen50 Bedeutung auch eine solche ständisch-berufspolitischer Art gehabt und soviel bedeutet habe wie "(adliger) Krieger, Berufskrieger, Soldritter im Dienst des Königs". Dasselbe gilt auch für die Saxonibus, Olacis, Siculis et Bissenis, die den Hermannstädter Komes Iwachinus 1210 im Feldzug nach Widin begleiteten, worunter "nicht etwa Sachsen, Rumänen (Wlachen), Szekler und Bissenen der Hermannstädter Provinz in ihrer völkischen Substanz gemeint" sind, "sondern militärische Formationen, die sich in ihrer volklichen Grundsubstanz allerdings ebenso unterschieden wie nach Art ihrer Bewaffnung und taktischen Verwendbarkeit"51.
KLEIN hat sowohl in der Auslegung des Saxones-Namens als 'Berufskrieger', 'Ritter' als auch in seiner übernationalen Bedeutung das Richtige getroffen. 'Saxones' bezeichnete zweifelsohne die besondere Bewaffnung und das Berittensein52.Um 1200 hatte der Begriff des Saxo "neben seiner rechtlich-ständischen Bedeutung ursprünglich einen ethnographisch-stammeskundlichen Inhalt"53. KLEIN glaubt schließlich, in den vorgeysanischen Saxones doch wirkliche Sachsen, "d.h. Niedersachsen, aus dem Herzogtum Heinrichs des Stolzen, dann Heinrichs des Löwen" erblicken zu dürfen54.Das Fazit bezüglich des Saxones-Namens lautet: "Der Sprachgebrauch ging aus der königlichen Kanzlei in die sächsischen Schreibstuben und von dort schließlich in die Verwendung der ganzen Volksgruppe über"55


50) KLEIN meint ‘völkisch’ (ethnisch).
51) Transs., S.151. KLEIN erblickt konsequenterweise in der Folge von Franz v. KRONES (1880) auch im Siculus-Namen zunächst die Bezeichnung eines bestimmten Berufs, den der Grenzverteidigung Siebenbürgens. Auch der Name Oláh, Walach, sei gleichbedeutend mit ‘Hirte’ (v. KRONES). Diese Interpretationsweise ist als überholt einzustufen.
52) Es sei daran erinnert, daß der Stammesname der niederdeutschen Sachsen vom „einschneidigen Hiebschwert, Sax oder Skramasax“ herrührt (Franz KUROWSKI, Die Sachsen. Schwertgenossen Sahsnôtas, Augsburg 1991, S.11). Das Wappentier des heutigen Bundesstaates Niedersachsen und des Landes Westfalen, beides altsächsische Territorien, ist ein weißes, sich aufbäumendes Pferd, was auf die Tradition der Pferdezucht und das Reitertum der alten Sachsen hindeutet.
53) Transs., S. 153. Doch der Begriff benannte nach 1200 nicht den Herkunftsstamm, sondern die Gesamtheit der siebenbürgischen Kolonisten. Es werden nämlich in der Privilegienurkunde von 1206 für Krakau und Crapundorph auch alii Saxones genannt, die bestimmter militärischer Dienste nicht befreit waren.
54) Transs., S. 153f.
55) Transs., S. 157.
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Die Ansiedlungsproblematik des Schäßburger Raumes

Schäßburg im Kisder Kapitel56 ist der erste großangelegte Versuch KLEINS, die Problematik eines siebenbürgisch-sächsischen Randgkolonisationsgebietes in seiner Komplexität zu durchleuchten57. Schäßburg zieht KLEINS Aufmerksamkeit auf sich, weil es "ganz konkret die Frage nach dem Verhältnis von Stadt, Stuhl und Kapitel, damit ... ganz allgemein nach der Art der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen" aufwirft58. Die zentrale Frage liefert die Auseinanderstzung zwischen Dr. Rudolf SCHULLER und G.E. MÜLLER, dem einstigen Direktor des Sächsischen Nationalarchivs, ob die Stühle und Kapitelsgemeinschaften auf territorial- oder personalrechtlicher Grundlage entstanden sind.KLEIN läßt die Untersuchungsergebnisse von G.E. MÜLLER gelten, der aus der Art des Zehntbezugs ablesen wollte, "ob eine Dorfgründung ursprünglich auf freiem Sachsenboden oder auf Komitatsboden erfolgt war, denn die Zehntpflicht blieb unverändert". MÜLLER sah die Art der Zehntzahlung bodenrechtlich (territorial) bedingt an59.KLEIN schließt den Unteren Stuhl, dessen naturalzehntpflichtige Dörfer auf Komitatszugehörigkeit (Unfreiheit) deuten, als frühstbesiedelt aus, weil die Siedler nicht aus westlicher Richtung, kokelaufwärts, gezogen sind, weil das angrenzende Mediascher Stuhlsgebiet junges Kolonisationsgebiet ist (es soll laut KLEIN erst Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts erschlossen worden sein)60. Den Straßenzug kokelaufwärts hätten die Alten nicht gekannt. Derselbe Befund gilt auch für den ‘mittleren Stuhl. KLEIN pflichtet der Meinung von G. Fr. MARIENBURG61 bei, der obere Stuhl, der den Namen des Kapitels (Kisd) von seinem Vorort Keisd entlehnt hat, sei der zuerst besiedelte Teil62.KLEIN setzt zusammen mit den ungarischen Forschern TAGÁNYI, FODOR, GYÖRFFY, KNIEZSA Sekler im Keisder Gebiet an, die von den Königen Stephan V. und Ladislaus IV. zwischen 1264 und 1289 in die terra castri de Thorda Aranas vocata iuxta fluvios Aranas et Moros existens, in den späteren Aranyoscher Stuhl, umgesiedelt wurden63. Die Umsiedlung der Sekler aus der terra Kézd machte nach 1200 und nach 1264 Siedlungsboden frei und es war der obere Stuhl um Keisd, der zuerst frei wurde und dessen Dörfer um 1200 gegründet wurden. Draas und Sommerburg kamen ins Kisder Kapitel64
56) Erstdruck in: Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, Jahrbuch 1958, S. 49-64. Transs., S. 166-189.
57) Ein weiterer siedlungsmonographischer Beitrag KLEINS ist Terra Syculorum terrae Sebus, 1966 . Es hat den Anschein, daß auch eine ähnliche Arbeit über das Burzenland geplant war, die KLEIN aber nicht mehr verwirklichen konnte.
58) Transs., S.169.
59) Transs., S.172. Gegen die Starrheit des Müllerschen Schemas wendet sich Otto MITTELSTRASS, (wie Anm. 21). Er stellt bezüglich der Forschungen von G. E. Müller fest: "Die Müllersche Formel ist in ihrer Einfachheit bestechend, sie kann aber im Grunde nicht mehr geben als einen möglichen Anhaltspunkt. Der Mangel an frühen Quellen bringt ihn dazu, die jeweiligen Rechtszustände schon vom Ziel ihrer Entwicklung her rückblickend zu deuten; dabei gerät er in die Gefahr, manches vorauszunehmen, was erst allmählich zu seiner endgültigen Form gefunden hat. Müllers Art, die Geschichte zu betrachten hat den Vorteil, durch systematische Ordnung die Vorgänge übersichtlich zu machen; sie büßen aber dabei leicht die ihnen eigene geschichtliche Dynamik ein..." (S. 26f).
60) Das dem nicht so ist, wurde archäologisch nachgewiesen. Die bei der Margarethenkirche in Mediasch entdeckten Kopfnischengräber weisen in die Zeit um 1150. Vgl. Ion IONITA, Das Gräberfeld von Marienburg und die deutsche Siedlung in Siebenbürgen. Ein archäologischer Beitrag zur Geschichte des Burzenlandes im 12. und 13. Jahrhundert, in: FVLK 19.(90.) Jg., 1996, S.121-128, hier S.123f.
61) Ausflüge vom Nadescher Burgweg. Ein Beitrag zur Urgeschichte der deutschen Ansiedlungen in Siebenbürgen, in: Eugen VON TRAUSCHENFELS’ Magazin für Geschichte, Literatur und alle Denk- und Merkwürdigkeiten Siebenbürgens (1859).
62) Transs., S.172-174.
63) Transs., S.175-179.
64) Transs., S.179. Dem neuesten Forschungsstand zufolge hat es beispielsweise in Draas keine Sekler gegeben, auch nicht in Deutschweißkirch, wie aus dem Beitrag von Ion IONITÃ (wie Anm. 60), S.123 mit Anm. 12 und S. 126 mit Anm. 29, ersichtlich ist.
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 Bezüglich des mittleren Stuhls meint KLEIN, die Sachsen könnten gelegentlich der zweiten, noch umfassenderen Umsiedlung (nach 1264) zugezogen sein. Sodann geht er auf die Schwerpunktverlagerung von Keisd nach Schäßburg ein, die er auf die Bedeutungsverlagerung vom östlicheren Weg über Marienburg-Nußbach-Reps/Hamruden-Schweischer-Keisd nach Norden durch die Vorverlagerung des gyepü (militärische Ödzone mit Verhauen vor neuerrichteten Grenzlinien) auf den Schäßburger Weg, zurückführt65. Schäßburg hält KLEIN zusammen mit MARIENBURG für eine "Ausbausiedlung"66.
Die Zugehörigkeit der Ortschaften der sogenannten ‘Schenker Abteilung’ des Kosder (Repser) Kapitels und der ‘Magareier Surrogatie’, ebenso der Erklärungsversuch für die Lage von sechs Sachsengemeinden des Laßler Kapitels auf Komitatsboden67 müssen im Lichte der neuesten archäologischen Erkenntnisse68 revidiert werden. So ist die Zinspflichtigkeit der Dörfer der ‘Schenker Abteilung des Kosder Kapitels’ und der ‘Magareier Surrogatie’ (des Kosder Kapitels) gegenüber Weißenburg, ebenso ihre Verbindung zum ferner liegenden Kosder Kapitel, nicht zu den näher gelegenen Kapiteln von Mediasch und Schäßburg, nicht dadurch gegeben gewesen, daß die letzteren Kapitel um 1190 nicht bestanden - die archäologischen Befunde in Mediasch und Schäßburg sprechen eher dafür, daß es hier seit mindestens einem halben Jahrhundert Siedler gab, die sich sicherlich auch kirchlich organisiert hatten. Diese Dörfer sind laut KLEIN Ausbaudörfer, die im Zeitraum zwischen Geysa II. und der Hermannstädter Propsteigründung entstanden sein sollen. Ihre Bewohner sollen die alii Flandrenses der "Legatenurkunde" sein. Das stimmt zweifelsohne, doch die alii Flandrenses sind nicht "nachgeysanisch“, sondern die Flanderer, die der Hermannstädter Propst ebenfalls in seine Propstei bekommen wollte, was ihm aber nicht zugestanden wurde70


65) Transs., S.180.
66) Transs., S.173. Auch Schäßburg ist bereits um 1150 von Kolonisten besiedelt gewesen, wie die Entdeckung von Kopfnischengräbern im „Weinbergviertel“ beweist (vgl. IONIÞÃ (wie Anm. 60), S.124 und Anm. 16).
67) Transs., S.181-182.
68) Bei IONITÃ (wie Anm.60). Vgl. oben Anm. 64 und 66.
69) Transs., S.181.
70) Vgl. oben, S.7. Die kirchliche Beziehung der Dörfer der ‘Schenker Abteilung des Kosder Kapitels’ und der ‘Magareier Surrogatie des Kosder Kapitels’ zum Kosder Kapitel ist also durch die siedlungs- und kirchenpolitischen Bestimmungen der Legatenurkunde vorgegeben: Die alii Flandrensessind zweifelsohne die Siedler des Kosder Kapitels und der dazugehörenden Dörfergruppen. Dieses Territorium entspricht einem bzw. zwei weiteren Deserta, die Geysa II. an Kolonisten vergeben hatte, u.zw. nach der Zuweisung des ersten Desertums (illo solo deserto,... quod Geisa rex FLANDRENSIBUS PRIORIBUS concessit). Diese Deutung ergibt: 1. daß die Kapitelsgrenzen in der Tat in der Hauptsache den ursprünglichen Desertumsgrenzen entsprechen; 2. Geysa II. wenigstens zwei weitere Deserta (das dem Repser Stuhl entsprechende; das der Surrogatie bzw. den Abteilungsdörfern entsprechende) an Flandrenses vergeben hat. Es liegt auch nahe, in den Territorien Mediasch (Birthälm), Schelk und Schäßburg weitere Deserta zu erblicken. Die archäologischen Funde in Mediasch und Schäßburg weisen jedenfalls ebenfalls auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts als Ansiedlungszeitraum. Somit erscheint die Geysanische Flandrenses-Siedlung bedeutend massiver, als es KLEIN behauptet hat. Auch die von ihm vertretene, und durch die (anfechtbaren) Forschungsergebnisse von MITTELSTRASS untermauerte Meinung, daß das Mediascher Stuhlsgebiet erst gegen Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts erschlossen wurde (Transs., S.173) wird hinfällig.
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 Die Siedlungschronologie, die KLEIN ans Ende seines Beitrages stellt ("Um 1200 können der obere, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts - d.h. zugleich: nach dem Mongolensturm von 1241 - der mittlere, in sehr verschiedenen Zeiträumen, vielleicht zum Teil sogar erst nach 1300, der untere Stuhl samt Ortschaften des Laßler Kapitels ihre sächsischen Bewohner erhalten haben")71wird von den neuesten archäologischen Erkenntnissen dementiert72.
KLEIN betont abschließend die Bedeutung der sogenannten „Ur-Zellen“, woher die Innenkolonisation erfolgt sein soll. Im Falle der Geysanischen Besiedlung spielten solche Ausbreitungszentren keine Rolle, weil diese siebenbürgische Siedlungsphase ziemlich massiv war. KLEIN beantwortet die Ausgangsfrage, ob territoriales oder persönliches Recht bei der Ansiedlung vorherrschte, wie folgt: „...daß die Wahrheit in der Mitte liegt. Unser frühes Sachsentum hat sich im Kampf- und Spannungsfeld zwischen beiden entwickelt“73.

Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie

Der umfangreichste Beitrag KLEINS zu diesem Thema, Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Siebenbürgen, erschien im Sammelband Siebenbürgische Mundarten74. Hier fließen seine früher ausgearbeiteten historischen Erkenntisse ein (aus Hochsprache und Mundart in den deutschen Sprachinseln (1955); Die Zahl der priores Flandrenses (1956); Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (1957); Schäßburg im Kisder Kapitel (1958)).Um keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen, betont KLEIN entgegen SCHWARZ, Herkunft der Siebenbürger, daß „Fast alles, was damals [in der siebenbürgisch-sächsischen Mundartforschung] fest und unumstößlich schien, von der Methode bis zu den sachlichen Ergebnissen, ... heute zweifelhaft geworden, vieles überholt (ist)“75. Mit seiner Schrift möchte KLEIN der siebenbürgischen Mundartforschung unseres Jahrhunderts eine neue Sicht vermitteln, auf die Hauptforschungspunkte in Verbindung mit der Herkunftsproblematik hinweisen, unter Betonung der spezifisch siebenbürgischen dialektgeographischen Forschungsmethode, die Andreas SCHEINER begründet hat. 
71) Transs., S.188.
72) Vgl. IONITÃ (wie Anm.60).
73) Transs., S.189. Der heutige Forschungsstand zeigt, daß im Falle der königlichen Deserta keines der beiden Rechte ausschlaggebend war. Allein die Vorgaben des Königs, der Deserta, d.h. Territorien zur Besiedlung freigab, in denen zunächst außer dem königlichen Verfügungsrecht kein anderes Recht Geltung hatte, waren rechtswirksam. Erst nach der Besiedlung gelangte das kollektive Hospites-Recht (Autonomie der Gemeindeverwaltung und der Pfarrerwahl) zur Geltung. Ein aus der autonomen Hospites-Verfassung hervorgegangenes Territorialrecht gab es zunächst nicht. Bis zum „Andreanum“, das Siedler-Recht zu Territorialrecht erhob, war das Territorialrecht vornehmlich militärischer Natur. Die Siedlerterritorien waren ausschließlich Komitate, also militärische Verwaltungsgebiete mit den sich daraus ergebenden Verpflichtungen.
74) Beiträge von K.K. KLEIN, Helmut PROTZE und Helmut KLIMA (Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Band 104, Heft 3), Berlin 1959, S.5-77.
75) Ebenda, S.22. SCHWARZ schrieb: "Die Erkenntnisse der älteren ss. Mda. Forschung waren, so sehr sie in Einzelheiten in die Irre gegangen ist, in den Grundzügen richtig" (Herkunft der Siebenbürger, S. 54).
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 KLEIN fordert in neuer Sicht von der siebenbürgischen Mundartforschung: 1. Verzicht auf jede Sonderstellung der Siebenbürger Sachsen innerhalb der deutschen (=ostdeutschen) Kolonisationsgeschichte. Die Siebenbürger Sachsen sind mit dem gleichen Maß zu messen, wie alle anderen ost- und südostdeutschen Volksgruppen.
2. Keine Sonderstellung der Sachsen innerhalb der siebenbürgischen Landesforschung76. 3. KLEIN betont entgegen SCHWARZ, „daß alte und junge Sprachinseln gleichen Gesetzen folgen“. 4. Es darf kein unmittelbares Zurückbeziehen von Mundarten einer Tochtersiedlung auf Stammheimaten unter Überspringung der Mutterkolonien vorgenommen werden77.Damit die Mundartforschung der Herkunftsforschung taugliche Anhaltspunkte und Argumente liefern kann, fordert KLEIN "daß den urkundlichen und siedlungsgeschichtlichen Zeugnissen vor jenen der sprachlichen Aussagen der Vortritt eingeräumt und die Erklärung der Mischung- und Ausgleichsverhältnisse in den Rahmen der geschichtlich gegebenen Möglichkeiten verwiesen wird. Aus der "Buntscheckigkeit der Sprachlandschaft", der "Gemengelage der Mundarten", aus Rest- und Vereinzelungsformen früher Sprache, wie sie uns unter Überdeckung durch alte Schreib- und Schriftsprachen entgegentreten, muß dann versucht werden, die Aussagen der Siedlungsgeschichte zu überprüfen"78."Die unserer Zeit gestellte Aufgabe" empfindet KLEIN darin, "Die "konstitutiven Elemente" aus ihrer verborgenen "Buntscheckigkeit", an Hand von Reliktwörtern und isolierten Formen, durch "Entmischung" des je länger desto inniger gewordenen Sprachausgleichs aus mannigfachen Schichtungen, die eine achthundertjährige Entwicklung auf verschlungenen Wegen und Umwegen, durch naturhafte Entfaltungen und unorganische Umbrüche verursacht hat, doch noch herauslösen zu können"79.KLEIN hält an der in Hochsprache und Mundart in den deutschen Sprachinseln (1955) besprochenen These Walter MITZKAS von den frühesten Siedlungsformen als Horsten fest80. Auch die Problematik der Zwischenheimat "wird man von der einen auf viele "Zwischenheimaten" auszudehnen haben"81. Mit seiner Forderung, sich nicht "ausschließlich eng an die von der binnendeutschen dialektgeographischen Forschung entwickelten Methode" zu binden, glaubt KLEIN der Forderung SCHEINERS, eine andere Behandlungsweise einzusetzen, gerecht zu werden. Hier macht sich abermals sein auf Synthese ausgerichteter Geist bemerkbar, indem er eine Zusammenführung binnendeutscher und siebenbürgischer Methodik anstrebt. 


76) Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (wie Anm. 74), S.30-34. Den neuesten Stand und die ausgewogene Sichtweise der zeitgenössischen Ostsiedlungsforschung vermittelt Peter ERLEN, Europäischer Landesausbau und mittelalterliche deutsche Ostsiedlung. Ein struktureller Vergleich zwischen Südwestfrankreich, den Niederlanden und dem Ordensland Preußen, Marburg a.d. Lahn, Johann-Gottfried-Herder-Institut, 1992. Besprechung durch Klaus POPA, in: ZfSL 16.(87.) Jg., 1993, S.102-104, wo festgestellt wird (S.102): Die Arbeit ERLENS beruht auf der neuen, interdisziplinären und gesamteuropäischen Sichtweise der mittelalterlichen Kolonisationsbewegungen. Ferner: „Erlen lehnt die Kulturträgertheorie grundsätzlich ab und fordert eine kulturmorphologische Sicht, die sich auf die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte stützt und die „Ostsiedlung als Teil eines sich vom Zentrum des Abendlandes zur Peripherie hin ausbreitenden Intensivierungsprozesses“ erkennen läßt.“ Die Ostkolonisation wird als „fester Bestandteil der mittelalterlichen Bauernbefreiung in Europa“ betrachtet.
77) Ebenda, S.35.
78) Ebenda, S.43.
79) Ebenda, S.65.
80) Wie Anm. 78.
81) Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (wie Anm. 74), S. 51.
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 KLEIN bringt erstmals eine Übersicht der Siedlergruppen:
- vorgeysanische Gruppen (vor der Mitte des 12. Jahrhunderts): 1. Baiern bei Sathmar-Nemeti. 2.Latini in der Erzdiözese Erlau. 3. Privilegienverband von Saxones (niederdeutschen adligen Kriegern) in der Umgebung von Weißenburg und bei Broos.- geysanische Gruppen (um 1150): 1. Flandrensische Mutter- und Ausbausiedlungen im Hermannstädter, Leschkircher und Schenker Kapitel (dem "alten Land". 'Priores Flandrenses'). 2.Nemeti-Orte in Nordsiebenbürgen (Rodna). Beginn der Bistritz-Reener Siedlung. 3.Gruppen im Salzbergbau, Salzgeschäft und Salztransport (Thorenburg, Desch).- nachgeysanische Gruppen (Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts): "Alii Flandrenses" im Alten Land. 2.Ausbreitung der Saxones und Flandrenses im Unterwald, Kosder Kapitel, Schenk-Kosder Kapitel und der Magareier Surrogatie. 3.Nach 1200 Verschiebung der Varhaulinie über das Burzenland an den Karpatenkamm, Ersetzung der Urweger, Mühlbacher und z.T. Keisder Sekler durch Deutsche. 4.Schogener-Reener-Tekendorfer Gruppen.- 13. Jahrhundert nach dem Tatarensturm (1241): 1. Ausbau des Schäßburger Stuhls und Kisder Kapitels in mehreren Ansätzen. 2. Ausgreifen der bäuerlichen Siedlung unter Führung von Unterwalder Gräven auf das Zekeschgebiet (Springer Kapitel). 3. Mediasch und die Zwei Stühle als novella plantatio. Winz und Burgberg, Klausenburg, Toroczko. 5. Deutsche Besiedlung des Zwischenkokelgebietes.- 14. Jahrhundert (soziale Differenzierung): 1. Abwanderung aus Ugocsa. Salzbau (deutsche Häuer) in der Maramorosch. 2. Bergwerkskolonien (Goldgewinnung) im Siebenbürgischen Erzgebirge und um Neustadt (Nagybanya). 3. Übergreifen von Faktoreien und Handelskolonien in die Walachei und Moldau (Langenau, Suczawa, Moldenmarkt). Zuzug aus ostmitteldeutschen Muttergebieten und aus Streusiedlungen am Innen- und Außenrand der Karpaten82.Zwar ist KLEINS Aufsatz richtungsweisend durch seine interdisziplinarische Perspektive und die sich folgerichtig ergebenden Forderungen83, doch er bleibt den sprachsoziologischen, dialektologischen und dialektgeographischen Forschungsprinzipien verhaftet. Es findet sich kein Anhaltspunkt, daß er die neuen Entwicklungen der 50-er Jahre hin zum Strukturalismus und zur Entfaltungstheorie zur Kenntnis genommen hat84. Dasselbe gilt auch für die 1966 veröffentlichte letzte große mundartgeschichtliche Arbeit, Luxemburg und Siebenbürgen, auf die noch eingegangen wird. 


82) Die chronologischen Mängel der Kleinschen Aufstellung haben wir oben, Anm.60, 64, 66; S.10 und Anm. 68; S. 11 und Anm. 69, 70, 72 angezeigt (Die alii Flandrensibus sind eine geysanische Gruppe; der Unterwald ist siebenbürgisches Frühsiedlungsgebiet, ebenso der nordsiebenbürgische Bereich (Bistritz, Reener Ländchen), Schäßburg und Mediasch; die Besiedlung des Zwischenkokelgebietes ist ebenfalls im 12. Jahrhundert erfolgt).
83) Im Vorwort zu Transsylvanica (wie Anm.15), heißt es: "Indem beide (Geschichte und Sprachwissenschaft) den offenen Fragen methodisch selbständig nachgehen, können sie einander ergänzen und wissenschaftliche Klärung erzielen" (S. VII).
84) Die Kritik der Dialekt- und Wortgeographie aus der Sicht der Herkunftsforschung der Frühsiebzigerjahre bei Peter WIESINGER, Möglichkeiten und Grenzen der Dialektologie bei der Erforschung der deutschen Ostsiedlung, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte (Vorträge und Forschungen Bd. XVIII), Sigmaringen 1975, S.161-192. Auf WIESINGERS Betrachtungen wird noch zurückzukommen sein.
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DIE ARBEITEN DES LETZTEN LEBENSJAHRZEHNTS

Kleinere sprachgeschichtliche Aufsätze

Das Erscheinen des ersten Bandes des SDSA (Siebenbürgisch-deutscher Sprachatlas) behandelt KLEIN in einem gleichnamigen Aufsatz85. Er versteigert sich hier in die Bewunderung des luxemburgischen Sprachforschers Robert BRUCH, der 1959 in Brüssel behauptet hatte: „In allen Fällen liegt der abgesprengte Endpunkt dieser Kriterien in Siebenbürgen“ (der luxemburgischen Mundartkriterien)86. KLEIN hebt wiederholtermalen die Exemplarität der siebenbürgischen Sprachlandschaft hervor (Siebenbürgen ist bezüglich des Verhältnisses von Herrensprache - gemeiner Landsprache - „Provinzialmunddart“ - „Echter“ Mundart - Umgangssprache vermittels der Sprachkarte in seiner Sprachgeschichte exemplarisch87; KLEIN will „nicht behaupten, daß die durchsichtigere Sprachgeschichte des Siebenbürgischen in achthundert Jahren d a s Rezept sei, mit dem man alle offenen Rätsel von Sprach- und Volksbildungen in Raum und Zeit lösen könnte"88; „Es leuchtet ein, daß Siebenbürgen unter diesen Umständen zur Quelle sprachgeschichtlicher Erkenntnisse werden kann, welche die Schließung der im Deutschen Sprachatlas klaffenden Lücke gebieterisch erfordert“89. Er scheint aber mit der Wiederholung der methodischen Folgerungen aus Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Siebenbürgen (1959) vor einer Übergewichtung Siebenbürgens warnen zu wollen:- Keine Sonderstellung des Siebenbürgischen innerhalb der ostdeutschen Kolonisationsgeschichte.
- Keine Sonderstellung der Sachsen innerhalb der siebenbürgischen Landesforschung.
- Kein methodischer Unterschied in der Beurteilung „alter“ und „junger“ Sprachinseln.
- Keine unmittelbare Zurückführung von Tochtersiedlungen auf Stammheiten („Urheimaten“) unter der Überspringung der Mutterkolonien90. Diese methodischen Forderungen haben ihre Aktualität keinesfalls eingebüßt. 
85) Der siebenbürgisch-deutsche Sprachatlas (SDSA) als Instrument der Forschung, in:Transs., S.264-274. Erstdruck in: Siebenbürgisches Archiv. III. Folge, I. Bd., Köln/Graz 1962, S.63-75.
86) Transs., S.271f. Der Vortrag BRUCHS erschien in den Rheinischen Vierteljahrsblättern 1960, Jg.25, Heft 3/4. Der Ansporn, den KLEIN durch BRUCHS Forschungen bekam, fand im Band Luxemburg und Siebenbürgen seinen Niederschlag, wo BRUCH mit der dialektologischen Arbeit Die Mundart von Schäßburg in Siebenbürgen (S.112-161) vertreten ist.
87) Transs., S.269f.
88) Ebenda, S.271.
89) Ebenda, S.272.
90) Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (wie Anm. 74), S.31-39.
Seite 16Die Arbeit KLEINS am SDSA und das Erscheinen des ersten Bandes bestärkte den Gelehrten, daß mit Mitteln der Sprachgeographie das Dunkel der Siedlerherkunft erhellt werden kann. Diesen Ansatz spricht er bereits in Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie ... (1959) aus, als er die Identifizierung von "konstitutiven Elementen" anhand von Reliktwörtern und isolierten Formen fordert91. Diese Erkenntnis KLEINS paart sich in den endfünfziger Jahren mit der Begeisterung für die Arbeit des luxemburgischen Sprachforschers Robert BRUCH, der in der siebenbürgischen Sprachlandschaft manche luxemburgische Mundartkriterien erkannte92.Das Verharren KLEINS auf Methoden der Sprachgeographie zu einer Zeit, als der Strukturalismus und die Entfaltungstheorie die Sprachwissenschaft revolutionierten93, ist in vollem Einklang mit dem damaligen Entwicklungsstand der siebenbürgisch-sächsischen Mundartforschung, die durch das Erscheinen des SDSA auf der dialekt- und wortgeographischen Entwicklungsstufe sozusagen ‘festgenagelt’ wurde.

Latini und Flandrenses in Siebenbürgen

KLEIN liefert mit Latini in Siebenbürgen. Wesen und Funktion des welschen Elementes im mittelalterlichen Volkskörper der Deutschen Siebenbürgens (1959)94 eine bahnbrechende Arbeit. Er stellt fest, daß die siebenbürgisch-sächsische Herkunftsforschung sich schwer tat, in Johannes Latinus, der in Riuetel siedelte und mit der terra Cwezfey (Kozdfö = Quellgebiet des Kosd-Baches) beschenkt wurde, einen Lateiner = Wallonen zu erkennen, weil seine Söhne Corrardus und Daniel in einer Urkunde Bélas IV. Sachsen (nostros Saxones) genannt werden95. Fr. TEUTSCH vertrat den Standpunkt, erst müsse man beweisen, daß es in Siebenbürgen überhaupt Flanderer gegeben hat, und dann, daß Latinus einen wallonischen Flanderer bezeichnet. „Was nachzuweisen kaum möglich sein dürfte.“96Den Nachweis, daß Joh. Latinus ein wallonischer Flanderer war, erbrachte der ungarische (Weih-)Bischof und Forscher János KARÁCSONYI97 und der Sachse Michael 
91) Vgl. Anm. 79.
92) Was Luxemburg und Siebenbürgen verbindet, ist der Reliktcharakter beider Mundartlandschaften, der durch die Randlage der beiden Länder vorgegeben ist. Diese Sachlage spricht dagegen, aus phonetischen und lexikalischen Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten auf Luxemburg als Herkunftsland der Kolonisten zu schließen. Ebenso die wort- und lautgeographische Polygenese. Zur Polygenese (Entfaltungstheorie) vgl. WIESINGER (wie Anm. 84), S.174,185.
93) WIESINGER (wie Anm. 84), S. 173: "In den 50-er Jahren begannen zwei Strömungen um sich zu greifen, die die kulturhistorisch-dialektgeographische Sprachauffassung erschütterten und sich inzwischen weitgehend durchgesetzt haben: Strukturalismus, Entfaltungstheorie".
94) Erstdruck in: Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, Jahrbuch 1959, S.60-80; Transs., S.226-255.
95) Die Beweisführung kam nicht in Gang, weil die Saxones-Benennung der Söhne des Johannes Latinus Verwirrung stiftete. Der Beweis, daß Saxones vorrangig als Standes- und Berufsbezeichnung zu verstehen ist, erbrachte KLEIN 1957 in Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (Vgl.Anm. 45).
96) Fr. TEUTSCH, Johannes Latinus, in: Hermannstädter Seminarprogramm 1892/93, S.4. KLEIN, Transs., S.227f.
97) In Magyar Nyelv, 1923 (Jg. 19), S. 27-29.
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 AUNER über Gyan als wallonische Namensform98. Auch die Arbeit von Konrad SCHÜNEMANN Entstehung des Städtewesens in Südosteuropa(1929) hebt die Bedeutung wallonischer Kolonisten, vornehmlich in der Stadt Gran, hervor. Der Schweizer Archivar Hektor AMMANN (Die französische Südostwanderung 1955) zweifelt nicht daran, daß „auch welsche oder wallonische Bauern in verschiedenen Teilen Ungarns neben Flanderern und deutschen Hospites eingesprengt“ zu finden sind99.
KLEIN behandelt die siebenbürgische Latini-Frage in 9 Abschnitten: Siebenbürgische Wallonen und Franzosen; Johann von Riuetel; Magister Gocelinus und die Zisterzienser von Kerz; Die Grafen von Salzburg; Die Grafen von Talmesch; Bäuerliche Siedler; Die räumliche Ausbreitung der Welschen; Funktion und ständische Gliederung der Latini; Die Verschmelzung mit den Sachsen.KLEIN stellt im ersten Abschnitt fest, daß der Wallone Johann von Riuetel in den Adelsstand erhoben wurde, also ein miles, ein Ritter war, der zur Familia des Königs Emmerich gehörte. König Andreas befreite im Jahr 1231 die Söhne des Johann von allen Steuern und deren Besitzungen Weißkirch bei Schäßburg, Homuspotok (vielleicht Teufelsdorf), Scharpendorf, Oplid und Woldorf von der Abgabe von Steuern an die königlichen und Hermannstädter Steuereinnehmer. Aus dieser Bestimmung glaubt KLEIN die Provincia Scibiniensis als Herkunft der Dorfbewohner bezeichnen zu dürfen100.KLEIN gibt in Verbindung mit Magister Gocelinus und den Zisterziensern von Kerz die von der sächsischen Forschung unbeachtete Äußerung von László GÁLDI (Ladislaus Göbel) bekannt, daß Magister Gocelinus, der Besitzer des Mons sancti Michaelis (Michelsberg) ein Förderer der Zisterzienser von Pontigny war, die sich (über die Mutterabtei Egresch) in Kerz niederließen. Der Name Gocelinus weist laut GÁLDI nach Nordostfrankreich oder in die Wallonei101.Die königliche Bestätigungsurkunde der Schenkung von Michelsdorf durch Magister Gocelinus an die Kerzer Abtei (1233; Ub. I, Nr.39, S.28f.) veranlaßt KLEIN, mehrere Fragen zu stellen: König Andreas nennt Gocelinus fideli et dilecto clerico nostro, mit der gleichen hochrangigen Titulatur, wie Johann von Riuetel bzw. dessen Söhne. Die wichtigste Frage KLEINS ist die, was die starke Stellung des Gocelinus am Hof erklärt. Ferner, warum Gocelinus familiaris der Kerzer 


98) Latinus, in: Századok 1916, Jg.50, S.28-41.
99) Transs., S.228-230.
100) Transs., S.233. KLEIN setzt hier personal- vor territorialrechtliche Kriterien (zu diesem Thema vgl. oben, S.12 und Anm. 73). In der steuerrechtlichen Verquickung, d.i. Abhängigkeit, der Besitzungen von Corrardus und Daniel von der Hermannstädter Provinz erblicken wir eine Bestätigung unserer unter Anm. 70 geäußerten Meinung, daß der Schäßburger Raum ein weiteres Desertum war, in dem alii Flandrenses der "Legatenurkunde" siedelten. Die steuerliche Abhängigkeit dieses Desertums von der Hermannstädter Provinz darf als Hinweis dafür gelten, daß bald nach der Ausstellung des Andreanums eine Verfügung an die Hermannstädter Provinz ergangen war, von den alii Flandrenses Steuern einzuheben. Es darf also von einer steuerrechtlichen Angleichung der übrigen Deserta an die Hermannstädter Provinz zwischen 1224 und 1231 ausgegangen werden, die möglicherweise von Béla, rex iunior, vorgenommen wurde. Es ergibt sich ferner, daß die an Johannes Latinus verliehenen Dörfer bereits besiedelt waren, als sie, wahrscheinlich bald nach 1206 (als Latinus die terra Cwezfey zu Besitz bekam) an diesen kamen. Eine Besiedlung durch Johannes Latinus aus Riuetel, Michelsberg oder Heltau (Transs ., S.233) ist also wenig wahrscheinlich.
101) Nouvelle Révue de Hongrie, Bd. 62, 1940, S.205.
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 Abtei wird. Die Antwort liefert GÁLDIS Vermutung. KLEIN gelangt zum Ergebnis, daß, wenn Mag. Gocelinus Franzose war, es "landsmannschaftliche Beziehungen" gewesen sein konnten, "die ihn Anschluß an Johann von Riuetel und die Kerzer Zisterzienser suchen ließen". Doch die bedeutsamste Vermutung KLEINS ist die, daß die zweite Gemahlin Andreas II., Jolanthe von Courtenay, die einflußreiche Schutzherrin von Magister Gocelinus und Johann von Riuetel war102. KLEIN vermutet abschließend, der Name Gocelinus führe "nicht nur nach dem lateinisch-französischen Westen, sondern auch nach den lateinischen Kreuzfahrerstaaten des Morgenlandes"103.
Für die wallonische Herkunft des Salzburger Grafengeschlechts sprechen die Namensformen Gyaninus und Alardus. Das Geschlecht hatte die Pacht der Salzgefälle in Salzburg inne, woher KLEIN den Reichtum der Familie ableitet. Den Überfall des Gaan von Salzburg auf den Dom in Weißenburg am 21. Februar 1277 qualifiziert KLEIN als "Untat", die den "König und Kronrat, Reichsversammlung und Synode, den Papst und Ungarns hohe Klerisei jahrzehntelang beschäftigt" hat104. KLEIN bemerkt, daß "Eine aus den Quellen gearbeitete Darstellung der Ereignisse" bisher fehlt. "Sie muß einer eigenen Darstellung vorbehalten bleiben"105.In der Behandlung der Grafen von Talmesch106 stellt KLEIN aufgrund der im Urkundenbuch enthaltenen Urkunden fest, daß dieses Geschlecht ebenfalls für seine militärischen Dienste vom König mit der terra Loysta begabt wurde (1233).Über die Ausbreitung der Latini in Siebenbürgen urteilt KLEIN, daß ihre Gruppenverteilung von Siebenbürgen aus betrachtet, ein anderes Gesicht als das in Ungarn erhält. In Siebenbürgen müssen "die militärisch-kriegerischen Leistungen der wallonischen Adelsgeschlechter und die ländlich-dörflichen Siedlungen ins Auge" gefaßt werden. Das Dorf Riuetel sei als Kerngebiet einer wallonischen Niederlassung im sächsischen Teil Siebenbürgens anzusehen, dann Michelsberg und Woldorf107.Im Abschnitt "Funktion und ständische Gliederung" greift KLEIN den von Fr. TEUTSCH in der Latinus-Abhandlung (1893) und von Fr. MÜLLER-LANGENTHAL geäußerten Gedanken auf, daß die wallonisch-französischen Grafengeschlechter "Vorkämpfer des Volksrechts" waren (TEUTSCH)108 und daß "Der Erwerb des Goldenen Freibriefs 1224" "ein diplomatisches Kunststück" bestimmter Menschen mit Weitblick war (MÜLLER-LANGENTHAL)109


102) Transs., S.234-236. KLEIN arbeitet die Forschungsergebnisse von Viktor MACHOVICH über die geschichtlichen Beziehungen zwischen den Zisterziensern Ungarns und Frankreich in 'Egytemes Philologiai Közlöny', 1935, Jg. 59, S. 269-288 ein, geht aber nicht so weit, in Mag. Gocelinus einen Verwandten der Jolanthe von Courtenay zu erblicken.
103) Transs., S.236f. KLEIN betrachtet es als siebenbürgische Forschungsaufgabe, "diesen so weit abliegenden Beziehungen" "einmal von Siebenbürgen aus nachzugehen" (Ebenda). Das haben wir in unserer unveröffentlichten Arbeit Das Burzenland als "Brückenkopf" zwischen dem lateinischen Westeuropa und den lateinischen Kreuzfahrerstaaten. Ein Beitrag zur Frage der Vertreibung des Deutschen Ritterordens aus dem Burzenland (1988) getan.
104) Transs., S.237f. KLEINS Äußerungen zu diesem Ereignis in Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (1957), S. 157, sind weniger zurückhaltend. Er beurteilt das Vorgehen Gaans als Raubrittertum: "Aus Rittern waren Raubritter geworden".
105) Transs., S.237. Eine eigene Darstellung liefert Oliver VELESCU, Der Aufstand der Sachsen aus dem Jahr 1277, in: FVLK Jg. 17., Nr.1, 1974, S.41-52, der Besitzstreitigkeiten zwischen Alard, dem Vater Gaans, und dem Weißenburger Bistum als Auslöser des Aufstandes nennt. VELESCU qualifiziert den Aufstand als "politische Bewegung" (S.49).
106) Transs., S.238-240.
107) Transs., S.243.
108) TEUTSCH, S.9: "daß dieselben Rechte, die sie sich erworben, dann zum Teil vom gesamten Volk erworben werden" (Transs., S.246).
109) Transs., S.246f. Das Thema behandelt KLEIN gesondert in Wer hat uns Siebenbürger Sachsen den "Goldenen Freibrief" erwirkt? Ein Beitrag zur Interpretation des Andreanums, SS., S.205-211.
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 KLEIN möchte zwischen der Besitzverleihung an den Hermannstädter Propst Florentinus am Fluß Gran im Jahr 1230 (Ub.I, Nr.578) auf die Verteilung der "wegen ungenügender Siedlerzahl nicht voll vermessenen Gemeinschaftsfluren der hospites-Gemeinden in Siebenbürgen zum Vorteil einflußreicher Männer, von denen die Dorfgemeinschaften Schutz erwarten konnten" schließen. "Das Beispiel des Propstes Florentinus beleuchtet auch das Ausgreifen der Riuteler, Kellinger, Urweger, Petersdorfer u.a. Grafen und Gräfen auf Königs- und Adelsboden. Wir lernen eine Quelle ihres Reichtums kennen: Kauf und Tausch von Grundbesitz und das Siedlungsunternehmertum, das für die "Lokatoren" eine überaus gewinnbringende Tätigkeit gewesen sein muß110." Hier leuchtet abermals der später durch MITTELSTRASS,Beiträge zur Siedlungsgeschichte Siebenbürgens im Mittelalter (1961) erweiterte Gedanke der Siedlungstätigkeit der Grafengeschlechter auf111.
Der Beitrag Flandrenses in Siebenbürgen. Zu den Vorarbeiten zu einem Siebenbg.-Deutschen Sprachatlas (SDSA) (1961)112 nimmt die Darbietungsweise von Luxemburg und Siebenbürgen (1966)113 vorweg. Auch der Wortlaut von 1961 wird 1966 zum größten Teil übernommen.Zunächst betont KLEIN die Wichtigkeit der Sprachhorsttheorie MITZKAS für Siebenbürgen, erwähnt die 'Urzellen' der Siedlung (Schäßburg im Kisder Kapitel (1958)) und hebt die durch Namengebung hervorstechende flandrensische Kerngruppe um Hermannstadt (Hermannstadt, Neppendorf, Hammersdorf, Grossau, Schellenberg) hervor114.Was KLEIN übers Burzenland schreibt, ist im Lichte der neuesten archäologischen Erkenntnisse115 überholt116.Die Bedeutung des SDSA hebt KLEIN wiederholt in Verbindung mit der Flandrenses-Frage hervor. Er stellt angesichts der räumlichen Ausweitung des flandrensischen Kerns um Hermannstadt die Frage: "Sind sprachliche Spuren der Flandrenses über einen zeitlichen Abstand von sieben bis acht Jahrhunderten und eine höchst bewegte Geschichte hinweg bis heute erkennbar geblieben und nachzuweisen?" KLEIN möchte unter Heranziehung des Vorhandenen der Flandrensesfrage auch vom Sprachlichen näher kommen. Doch systematische Vollständigkeit und endgültige Ergebnisse werden erst nach dem Abschluß der Arbeiten am Siebenbg. Sprachatlas möglich sein117


110) Transs., S.248f.
111) Daß dieser Standpunkt korrekturbedürftig ist, wurde oben, Anm. 70 und 100 angedeutet. Ein "Siedlungsunternehmertum" und "Lokatoren" in Siebenbürgen sind nicht urkundlich.
112) Transs., S.199-219.
113) Luxemburg und Siebenbürgen. Aus den Vorarbeiten zum Siebenbürgisch-Deutschen Sprachatlas, in: Luxemburg und Siebenbürgen (Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde (Archiv), Bd.5), Köln Graz 1966, S.1-111.
114) Transs., S.200-208.
115) Vgl. Anm. 50.
116) Transs., S.208-209. Die jüngste Stelleungnahme zu Benno GRAF,Die Kulturlandschaft des Burzenlandes, München 1934 bei Klaus POPA, Siedlungsgeschichtliche Auslotung der Burzenländer Sprachlandschaft, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, 16. (87.) Jg., Heft 1/1993, S.1-11; zu GRAF S.3-4 und Anm. 10,11,12.
117) Transs., S.209.
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 KLEIN beschließt seinen "Flandrenses"-Aufsatz mit der abermaligen Hervorhebung der Sprachhorsttheorie von Walter MITZKA, die "den Schlüssel für die Enträtselung des so schwer begreiflichen Vorganges, wie im äußersten Westen und im äußersten Südosten des deutschen Sprachbodens trotz räumlicher und zeitlicher Trennung von vielen Jahrhunderten einheitliche Sprachlandschaften von so überraschend ähnlicher Prägung unabhängig voneinander entstehen konnten", liefert118.

Luxemburg und Siebenbürgen

Auf den Beitrag von Anneliese BRETSCHNEIDER Ein Anteil des Niederdeutschen an der siebenbürgischen Sprachlandschaft geht KLEIN in Luxemburg und Siebenbürgen. Aus den Vorarbeiten zum Siebenbürgisch-Deutschen Sprachatlas(1966) ausführlich ein119. KLEIN bemängelt, daß die Verfasserin "gerade die geschichtlichen Siedelvorgänge" als "unabdingbare Voraussetzung für richtige Beurteilung der Sprachvorgänge" verkennt120. Dafür bietet er anschließend das Kapitel "Siedelgang und Sprachlandschaft in Siebenbürgen"121.Zunächst behandelt er den Problemkreis des Anselm von Braz122 und des Hezelo von Merkstein123, die er gesondert in Anselm von Braz und Hezelo von Merkstein, die ersten Siebenbürger Sachsen (1965)124besprochen hatte.KLEIN übernimmt die von Gustav KISCH aufgestellte Beziehung zwischen Braz und Broos125 und betont, daß "die Anschauung, die Siebenbürger Sachsen seien von jeher ein Volk der Bürger und Bauern ohne eigenen Adel gewesen", der Vergangenheit angehört126.Bemerkenswert ist die Ansicht KLEINS, daß an die Stelle weniger großer Einwanderungswellen, an die WATTENBACH, TEUTSCH, SCHULLERUS; HUSS, SCHWARZ noch glaubten, viele kleine Gruppenzüge zu setzen sind, deren Verlauf sich auf Jahrhunderte verteilt127. Diese Auffassung beruht offensichtlich auf der Überzeugung, daß es Siedlungs-"Urzellen" (Schäßburg im Kisder Kapitel; Flandrenses in Siebenbürgen) bzw. 'Sprachhorste' (Flandrenses in Siebenbürgen) gegeben hat. 
118) Transs., S.219; der Aufsatz ist zu Ehren Mitzkas in Zeitschrift für Mundartforschung, Wiebaden 1961, Jg.28, S.43-70 zuerst erschienen.
119) Vgl. Anm. 113, S.26--29.
120) Luxemburg und Siebenbürgen (wie Anm.113), S.29.
121) Ebenda, S.29-54.
122) Ebenda, S.30-36.
123) Ebenda, S.36-39.
124) Erstdruck Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Heft 3, 1965; SS., S.160-167.
125) Luxemburg und Siebenbürgen, S.31, Anm.4.
126) KLEIN neigt in der Adelsproblematik zu Übertreibung. Die ist besonders betont in der Besprechung des Privilegs von 1206 für Krakau, Crapundorph und Rams (Rumes) (Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (vgl. Anmn.48, 49)) und oben S.6. Er kommt auf diese Thematik 1969 in Primi Hospites regni Saxones - Die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgenzurück.
127) Luxemburg und Siebenbürgen, S.34. Daß KLEIN hier Unrecht hat, wurde bereits oben, Anm.70, angedeutet.
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 Ein nächster Punkt ist das Problem der Zwischenheimat128. Ein für Thüringen sprechendes Argument sei die Imperativform nordsiebenbürgisch gik (für gemeinsiebenbürgisch gonk) 'gehe'129. Für den Harz als Herkunftsland siebenbürgischer Siedler spräche das Schellenberger Aquamanile (Gießgefäß), das aber laut seinem Bearbeiter Kurt HOREDT kaum im Wege des Handels nach Siebenbürgen gelangt ist und das Gebiet um den Harz, das südöstliche Niedersachsen und Thüringen als Herkunftslandschaft eines Einwanderers der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausweist130. KLEIN hält es für wahrscheinlich, daß das Aquamanile ein autochthones Produkt sein kann131. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Zwischenheimat der Ansiedler bilden liturgiegeschichtliche Parallelen zwischen dem Heltauer Missale und dem Ritus der Magdeburger Diözese132.
Die von Andreas SCHEINER übernommene Auffassung des Mongolensturms 1241/42 als Einschnitt in der Entwicklung der siebenbürgischen Sprachlandschaft bildet ein weiteres Thema133. Ernst SCHWARZ wendet sich zurecht gegen diese Katastrophentheorie134. KLEIN ist nicht bereit, etwas von der Scheinerschen Lehre abzugeben, wodurch er diese zum sprachgeschichtlichen Dogma der Siebenbürger Sachsen hochstilisiert. Die Neubevölkerung der zerstörten Städte soll laut SCHEINER aus den ostelbischen Kolonialgebieten Mitteldeutschlands und aus Schlesien erfolgt sein. Nach 1242 begann sich der Gegensatz zwischen der rheinisch-westmitteldeutsch bestimmten Sprache des flachen Landes und dem sie überdachenden Ostmitteldeutsch der Städte aufzutun135.„Luxemburgische Sprachgeschichte im Kreislauf westfränkischer Sprachentfaltung“, der IV. Abschnitt von Luxemburg und Siebenbürgen, veranschaulicht, wie die Bewunderung für den luxemburgischen Sprachwissenschaftler Robert BRUCH KLEIN in seiner Wertschätzung der Scheinerschen Überdachungstheorie bekräftigte. So hebt er hervor, daß SCHEINER (+1946) den nachmals von Robert Bruch angebotenen Lösungen oft verblüffend nahe gekommen ist136; ähnlich BRUCH macht auch SCHEINER fremde Substrate und deren Akzentuierungsweisen für die Palatalisierung und Gutturalisierung im Siebenbürgisch-Sächsischen verantwortlich137


128) Ebenda, S.38-43.
129) Ebenda, S.39.
130) Ebenda, S.39-42.
131) Ebenda, S.42.
132) Karl REINERTH weist das anhand seiner liturgiegeschichtlichen Untersuchung des Heltauer Missale nach (Siebenbg. Archiv, Bd.3, Köln/Graz 1959) und KLEIN pflichtet dieser Meinung in der Besprechung des Buches bei (in Südostdeutsches Archiv (SA) VII. Bd., 1964, S.235-242). KLEIN behauptet hier (S.242) „daß ein Gruppenkern der siebenbg.-sächsischen Siedlung durch Vergleich von Gottesdienstformen in einer Stammheimat - vielleicht auch bloß einer Zwischenheimat - fest verankert werden kann.“ Das Forschungsergebnis REINERTHS bestärkt ihn in seiner Auffassung von ‘Sprachhorsten’ (Siedlungskernen) (Ebenda). Vgl. auch S.20.
133) Luxemburg und Siebenbürgen, S.48-52.
134) Ebenda, Anm.61, S.49.
135) Ebenda, S.51f. Es stellt sich hier die berechtigte Frage, warum eine Neubesiedlung bzw. Aufstockung der Bevölkerung durch Zuzug aus den Ursprungsgebieten, wie das SCHÜNEMANN im Falle der wallonischen Kolonie in Gran festgestellt hat (Entstehung des Städtwesens in Südosteuropa (1929)), nicht in Frage käme: „Die Kontinuität in der Entwicklung der Stadt Gran ist auch hinsichtlich der Bevölkerung durch den Tatareneinfall ebenso wenig unterbrochen worden wie hinsichtlich des Stadtbildes“ (Bei KLEIN, Latini in Siebenbürgen (1959), Transs., S.229).
136) Luxemburg und Siebenbürgen, S.69.
137) Ebenda, S.71.
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 Für das siedlungsgeschichtliche Bild KLEINS in den späten 60-er Jahren sind die Kartenbeilagen 6, 7, 8 und 9 samt Begleittext besonders aufschlußreich. Karte 6 (Die deutschen Sprachinseln Siebenbürgens nach dem Stande von 1913) hebt den im 10. und 11. Jahrhundert Nord- und Südsiebenbürgen in westöstlicher Richtung überquerenden 'gyepü' (Grenzverhaue) als Faktor in der gesonderten Entwicklung der nord- und südsiebenbürgischen Sprachinseln hervor. KLEIN unterstreicht, daß die deutsche (und rumänische) Forschung in Siebenbürgen die Bedeutung dieses Nord und Süd gewaltsam trennenden Riegels für den Besiedlungsvorgang bisher wenig beachtet hat. Doch die damit verbundenen Erkenntisse László MAKKAIS (Geschichte Siebenbürgens, Budapest 1944)138 werden von den jüngsten archäologischen Forschungen im Burzenland in Frage gestellt. Das Burzenland war bereits an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert in ungarischer Gewalt und bald danach aus nordwestlicher und nördlicher Richtung besiedelt worden. Eine Zweiteilung Siebenbürgens hat es gegeben, doch die Trennung war nicht so radikal, wie das die ungarische Historiographie und KLEIN vertritt, wenigstens nicht zur Zeit der Kolonisierung Nordsiebenbürgens und des Unterwaldes. Die militärische Trennung war bald nach der Zwangsumsiedlung Gyulas und seiner Verwandtschaft durch Stefan den Heiligen im Jahr 1003 beendet.
„Die Besiedlung des Sachsenlandes in Siebenbürgen, erschlossen aus sprachlichen Indizien“ (nach R. HUSS, 1923) ist Karte Nr. 7. KLEIN bringt sie, um die „Siedlungskonstruktion“ zu veranschaulichen, die HUSS zustande gebracht hat. Es ist ein „besonders verfehlter Fall einer aus der heutigen Mundartlagerung (in Verbindung mit den alten Römerstraßen) erschlossenen Besiedlung des Sachsenlandes“139.Karte Nr.8 (Frühe Hospites-Siedlungen in Nordsiebenbürgen) will beweisen, daß die Einzugsrichtung nicht die nordsüdliche (Franz ZIMMERMANN, Über den Weg der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen, in: Mitt. d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung 9 [1888]; Gerta HUSS, Der Einwanderungsweg, in: Deutsches Vaterland. Sonderheft „Siebenbürger Sachsen“, Wien 1922, Jg.4, S.29-35), sondern die westliche war140. KLEIN fordert für die Klärung der deutschen Frühsiedlungen in Nordostsiebenbürgen die eng „sächsische“ Einstellung etwa des „Urkundenbuches“, ja selbst noch der Forschungen Georg Eduard MÜLLERS zu überwinden141.Zu Karte 9 (Frühe Hospites-Siedlungen in Südsiebenbürgen) bemerkt KLEIN, daß die Siedlung hier von Westen nach Osten gegangen ist, und zwar miereschaufwärts (von Arad und Szegedin her)142


138) Ebenda, S.82f.
139) Ebenda, S.84f. Klein greift auf die für Nordsiebenbürgen siedlungsgeschichtlich relevanten „Kranzortschaften“ an der Westgrenze des Nösnergaus, die meist den Bestandteil ‘Szász-’ in ihrem Namen tragen, in keiner seiner Arbeiten zurück.
140) Ebenda, S.85f.
141) Ebenda, S.87.
142) Ebenda.
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 In den "Schlußbetrachtungen" betont KLEIN nochmals die Bedeutung der Siedlungskerne: "sie (die Forschung) wünscht die ersten Siedlungskerne, Mitzkas "Sprachhorste", geschichtlich auszumachen und dann von ihnen aus die keimhafte Entfaltung ursprünglich möglicherweise verschiedener Mundarten in ihren Mischungs- und Ausgleichsvorgängen sprachlich zu verfolgen"143. Auch die Frage nach dem Zusammenhang der sprachlichen Verwandschaft mit der stammlichen bleibt offen. "Sie wird als historische Frage aus anderen Quellen als nur sprachlichen beantwortet werden müssen. Allein schon aus sprachwissenschaftlichen Erwägungen als einer Hilfswissenschaft der Geschichte läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß Westmoselfranken (Luxemburger) an der Besiedlung Siebenbürgens mitbeteiligt gewesen sein müssen"144.

Das Gyepü-Problem; Andere Aufsätze der letzten Lebensjahre

Der Aufsatz Grenzwüstung und Siedlung: Gyepü und Gyepüvorland. Bemerkungen zur mittelalterlichen Südostsiedlung im altungarischen Raum145 veranschaulicht die Gründlichkeit, mit der KLEIN an die Behandlung des Themas ging, weil er überzeugt war, daß die Ergebnisse der Gyepü-Forschung besonders aufschlußreich für die siebenbürgische Siedlungsgeschichte sind146. Er zieht für Siebenbürgen Ferenc FODOR, Adatok a magyar gyepük földrajzához (Geographie der ungarischen Gyepük) heran und versucht diesen zeitlich und historisch zu ergänzen148. Nachdem KLEIN die Ausführungen FODORS wiedergibt149, erklärt er, warum er darauf so genau eingegangen ist: „Es hat nämlich den Anschein, als ob zwischen dem abschnittweisen Vorverlegen des Gyepü und der Existenz bestimmter älterer Ansiedlungsgruppen feste Beziehungen bestünden“. KLEIN stellt nämlich fest, daß beisspielsweise zwischen der Stadt Rodna und den frühen Németi-Orten am Großen Samosch eine Verbindung zur ersten Gyepü-Etappe FODORS sichtbar wird; die 2. und 3. Etappe Fodors dürfte mit Sächsisch-Reen und dessen Königsbodenzugehörigkeit verbunden sein; die von Adolf SCHULLERUS festgestellte magyarisch-szeklerische Verteidigungslinie am Alt wäre durch Fodors Grenzsaum, Etappe 5, richtig erklärt usw.150.KLEIN führt die Erkenntnisse von Péter VÁCZY, A kiraly serviensek és a patrimoniális királyság (Die königlichen Servienten und das patrimoniale Königtum), Budapest 1928), in die Diskussion ein. Im Vorgelände des Gyepü hatten die landnehmenden Geschlechter das Recht der freien Siedlung. Der von ihnen besetzte Boden bildete uneingeschränktes Eigentum und es gibt viele Beispiele, wo der König seine Getreuen mit Besitz im Gyepüvorland beschenkte (nicht belehnte), der Eigentum (nicht Lehen!) und frei vergebbar war151
143) Luxemburg und Siebenbürgen, S.103.
144) Ebenda, S.107.
145) Erstdruck in der Festschrift Leonhard C. Franz zum 70. Geburtstag (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Bd. 11), Innsbruck 1965; SS., S.117-136.
146) Wie sehr sich KLEIN geirrt hat, zeigen die jüngsten Grabungsergebnisse aus Marienburg im Burzenland (vgl. Ion IONIÞÃ (wie Anm. 60)), der bemerkt, daß „auch die Erklärung“ hinfällig wird, „als desertum habe man das Ödland der Verhaulinien (rumänisch prisãci, lateinisch indagines, ungarisch gyepü) oder das von Szeklern vor der Ansiedlung der Sachsen geräumte Gebiet bezeichnet. Vorsächsische Szeklersiedlungen sind archäologisch nur außerhalb des Burzenlandes nachweisbar“ (S.127).
147) In:Hadtörténelmi Közlemények, Budapest 1936, Jg.37, S.113-144.
148) SS., S.124.
149) Ebenda, S.125-127.
150) Ebenda, S.127.
151) Ebenda, S.128.
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 Elemér MÁLYUSZ definiert das ‘desertum’ als das was nicht vergeben wurde durch Vorverlegung oder Vorwerfen des Gyepü, es war ‘fundus regius’ (‘Königsboden’). Der Musterfall einer solchen Entwicklung ist für MÁLYUSZ die ‘szászság’, die siebenbürgischen Sachsen, die im „Andreanum“ 1224 ein Gruppenprivileg auf territorialer Basis erwirkten152.
Der letzte große wissenschaftliche Aufsatz KLEINS ist Terra Syculorum terrae Sebus. Ein Beitrag zur Interpretation des "Goldenen Freibriefs" der deutschen in Siebenbürgen (1966)153. Er setzt in der Nachfolge von G.E.MÜLLER die terra Syculorum im Mühlbacher Stuhl fest, der die terra Sebus sein soll. Die "Umgruppierung" der hier ansässigen Sekler in zwei Stühle im südöstlichen Neuland154, hat eine sehr schmale Basis, nämlich die Namensgleichheit zwischen dem Mühlbacher Stuhl (Sebus) und dem Seklerischen Stuhl Sepsi, sowie zwischen Orbó (Urwegen) und dem Stuhl Orbai.In der Bennenung der Ursachen der Umgruppierung folgt KLEIN der ungarischen Forschung155. Es sollen staatspolitische Erwägungen gewesen sein, die Andreas II. veranlaßt haben, die Szekler abzuziehen und in die südostsiebenbürgischen Stühle Sepsi und Orbai der Háromszék zu verlegen156.Die in der Privilegialurkunde für Krakau, Crapundorph und Rumes (1206) erwähnten alii Saxones, die für kriegerische Unternehmungen vorgeschriebene Sondersteuern (collectae) und Grenzwachdienst leisten mußten, setzt KLEIN erwartungsgemäß in der ehemaligen Mühlbacherterra Syculorum an. Dafür soll die Namengebung im Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl sprechen, die in vielen Fällen auf "Zusiedlungen zu älteren nichtdeutschen Siedlungsanfängen" beruht157


152) A középkori magyar nemzetségi politika (Die ungarische Nationalitätenpolitik im Mittellater), in: Századok 1939, S.73; SS., S.128. KLEIN läßt die Standpunkte von VÁCZY und MÁLYUSZ gelten, ohne sie zu hinterfragen. VÁCZYS Darstellung trifft auf die frühe Landnahme der Ungarn zweifellos zu, doch es sind Zweifel anzumelden, daß die landnehmenden Geschlechter jemals in Südsiebenbürgen, das Stefan der Heilige um 1003 anzuschließen begann, das Recht der uneingeschränkten Inbesitznahme geltend gemacht haben. Weil dieses feindliches, erobertes Territorium war, in dem Militärrecht galt, das der Woiwode als königlicher Walter und Verwalter kontrollierte. Deshalb wird auch die Vorverlegung der Gyepü-Linien in der Darstellung FODORS höchstens bis ins dritte Glied (zwischen Mieresch und Kleiner Kokel) der Realität entsprechen (die Mieresch-Linie erscheint indessen wahrscheinlicher). Es besteht also kein Anlaß, die Besiedlung Südsiebenbürgens (bis zum Mieresch) mit Gyepüvorverlegungen zu verbinden. Das dürfte aber im Falle der nordsiebenbürgischen Siedlung der Fall sein. Die burzenländer Grabungsergebnisse verdeutlichen, daß es keiner Gyepüverlegung bedurfte, um das Burzenland, vorerst in seinem nordwestlichen Teil, noch unter Geysa II., möglicherweise schon früher, deutsch zu besiedeln. Das war sicherlich auch beim geysanischen Desertum der Fall , das den Flandrensisbus prioribuseben zu derselben Zeit zugewiesen wurde, ebenso bei den anderen Deserta, die von den alii Flandrenses besetzt wurden (vgl. unsere Betrachtungen unter Anm.70).
153) In: SA, IX. Bd., 1966, S.45-64; SS., S.141-160.
154) SA., S.53.
155) György GYÖRFFY, Der Ursprung der Székler, in: Ungarische Jahrbücher 1942, Jg.22, S.129-151.
156) SA., S.55.
157) SA., S.57f.
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 Um die Ansetzung der terra Syculorum im Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl aufrechterhalten zu können, greift KLEIN auf die Erkenntnisse von Emma ICZKOVITS158 zurück und schlußfolgert, daß "auch das nördlich von Weißenburg gelegene fruchtbare Bergvorland rechts des Mieresch rings um die ehemaligen Siedlungen Crapundorph und Krakau durch westliche Siedler der Kultur und materiellem Wohlstand zugeführt worden" ist, "obwohl diese Vorposten der terra Syculorum auf Komitatsboden verblieben und der größeren rechtlichen Freiheiten des Sachsenlandes nicht teilhaftig wurden"159.
Am Schluß seiner Arbeit relativiert KLEIN seine Interpretationsweise, indem er den Vorbehalt ausspricht, daß die hier versuchte Bestimmung der terra Syculorum möglicherweise das Richtige trifft160.KLEIN kam 1969 auf das Thema der primi hospites regni in Primi Hospites regni Saxones - die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgen. Betrachtungen zum Adelsprivileg des ungarischen Königs Andreas II. vom Jahre 1206161zurück. Er nimmt sich dieses Themas erneut an, weil die Privilegialurkunde von 1206 verkannt und nicht ausgeschöpft worden ist162.Er betont, daß die Siedler von Krakau, Crapundorph und Rumes die ersten sächsischen Einwanderer im Lande waren163. So wird er der durch Franz ZIMMERMANN 1901 geäußerten164 und von den Siebenbürger Sachsen stark abgelehnten These gerecht.Bezüglich des Gebietes südlich des Mieresch bemerkt KLEIN, daß in der ehemaligen terra Syculorum terrae Sebus die Siedlung im Lauf des 13. Jahrhunderts ungeahnte Ausdehnung und Erfolge errang. Er stellt die von Otto MITTELSTRASS geäußerte Grundbesitzpolitik der Grafen (Gräven) von Kelling und Petersdorf, das "Deutsche Siedler folgen den deutschen Grundherren“, in diesen Zusammenhang165


158) Az Erdélyi Fehérmegye a közepkorban, 1939.
159) SA., S.58. KLEIN steht mit dieser Argumentationsweise in krassem Widerspruch zu seiner früheren Ausdeutung der primi hospites regis-Stelle der Privilegialurkunde von 1206. Er schreibt 1959 in Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Siebenbürgen, daß in der Umgebung von Weißenburg und bei Broos ein Privilegienverband von Saxones in vorgeysanischer Zeit angesiedelt wurde. Der nachgeysanischen Zeit (Ende 12., Anfang des 13. Jhs), und zwar nach 1200, weist er die „Ersetzung der Urweger, Mühlbacher und z.T. Keisder Szekler durch Deutsche“ zu. Jetzt heißt es, daß die auf dem rechten Miereschufer gelegenen deutschen Siedlungen ebenfalls zur terra Syculorum gehörten. Vgl. unsere Bemerkungen unter Anm.32.
160) SA., S.64.
161) In: Jahrbuch des Siebenbürgischen Hauskalenders, 1969; SS., S.105-116.
162) SS., S.106.
163) SS., S.107.
164) In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung.
165) SS., S.112. Auch hier ergibt sich ein Widerspruch, weil MITTELSTRASS die Ausbreitungsrichtung der Grafengeschlechter von Süden nach Norden ansetzt, jedoch KLEIN die Nord-Süd-Bewegung anspricht: "das Übergreifen der sächsisch-dietschen Siedlung auf das linke Miereschufer" (Ebenda). Zum Standpunkt von MITTELSTRASS vgl. Anm. 70.
Seite 26In Fulco der "Dietsche"166 faßt KLEIN Parallelen zwischen dem Namenmaterial der Südostecke Siebenbürgens (dem Burzenland), "die erst verhältnismäßig spät der ungarischen Zentralmacht völlig unterworfen wurde", und dem Unterwald zusammen, auf die er leider nicht mehr zurückkommen konnte. Er erwähnt den Zusammenhang der Bezeichnung terra Zek (Szék) mit den benachbarten Dreistühlen, den "Három-Szék"; des Besitzers der terra Zek, Vincencius, in dessen Sippe der Name Benchench mit dem Ort Benzenz am Mieresch (Aurel Vlaicu) übereinstimmt; die Wiederkehr von Namen wie Teel (Till?) und Ebl, das Durcheinanderwogen der Bezeichnungen Brasu, Barasu, Brassó, terra Borza, wo Braz, der Herkunftsort von Anselm, bzw. Broos, (rumän Orãstie) zur Erklärung herangezogen werden können167.Wir wissen heute, daß das Burzenland zu den geysanischen Siedlungsgebieten zählte, wodurch sich manche der von KLEIN festgestellten Namensparallelen erklären lassen. Das niederdeutsche Element hat hier auch eine Rolle gespielt, wie der Name Teel andeutet.Auch die Sonderrechte, die der Burzenländer Kreis mit den sächsischen Ortsgemeinden (der Stühle Hermannstadt, Leschkirch und Schenk) schon vor dem Andreanum aufgrund des "geysanischen Freitums" besaß168, deuten auf Frühbesiedlung. In diesen Sonderrechten erblickt KLEIN zurecht die "tragenden Pfeiler der sächsischen Selbstverwaltung"169
166) Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Heft 2/1969, S.74-77; SS., S.193-196.
167) SS., S.195. Dieses sind rein wortgeographische Betrachtungen.
168) KLEIN, Geysanum und Andreanum. Fragmentarische Betrachtungen zur Frühgeschichte der Deutschen in Siebenbürgen, in: Archiv Bd. 8, Zur Rechts- und Siedlungsgeschichte der Siebenbürger Sachsen, Köln Wien 1971, S.54-61; SS., S.197-202, hier S.59.
169) Ebenda.
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KLEINS MUNDARTGESCHICHTLICHE ARGUMENTATION IN DER SIEDLUNGSFRAGE AUS DER SICHT HEUTIGER SPRACHWISSENSCHAFT170

Es wurde bereits festgestellt, daß KLEINS mundartgeschichtliche Methode im Einklang zum seinerzeitlichen Entwicklungsstand der siebenbürgisch-sächsischen Dialektologie stand171. Er war von Anbeginn der kulturhistorisch-dialektgeographischen Sprachauffassung von Ferdinand WREDE und dessen Schüler Theodor FRINGS verhaftet, die in Verbindung mit dem Deutschen Sprachatlas in Marburg/Lahn entwickelt wurde. KLEIN beließ die Geschichtswissenschaft nicht in der Rolle einer Hilfswissenschaft der Dialektologie, sondern betonte wiederholt die umgekehrte Priorität.Auch der sprachlichen Veränderungen und räumlichen Verschiebungen seit der Ansiedlung war sich KLEIN bewußt, weshalb er zu Vorsicht ermahnte und Forschungen wie die von HUSS grundsätzlich ablehnte. Doch KLEIN war ein überzeugter Anhänger der Sprachhorsttheorie Walter MITZKAS und der Wortgeographie, deren ausgiebigstes Instrument der SDSA (Siebenbürgisch-deutsche Sprachatlas) sein sollte.Wie ist nun KLEINS sprachgeschichtliches Werk aus der Sicht des Strukturalismus und der Entfaltungstheorie (Theorie der Polygenese) zu veranschlagen? Die Antworten WIESINGERS auf die Frage, welche Position und Ergebnisse der bisherigen dialektgeographischen Forschung aufrechterhalten werden können172, gelten auch in unserem Fall.Weil die Dialektgeographie nur eine horizontale Kausalität kennt, betrachtet sie „alle Lauterscheinungen als fertig mitgebracht oder als neu gebildete Kontaminationen zweier verschiedener Lautungen“173. Doch die vertikale Kausalitätder Phonologie (die Reduzierung des Phonembestandes vielfach auf ein Minimum; qualitative und quantitative Vokaldifferenzierungen fehlen in den Siedlermundarten) und der Polygenese (Entfaltung gleicher Formen im Altland und im Neuland) „schränkt die Möglichkeit der unmittelbaren Gleichsetzung übereinstimmender Lautungen und die Annahme direkter Übertragung und damit der horizontalen Kausalität sehr ein“174.KLEIN erwähnt nirgends das Phänomen der Polygenese, im Gegenteil, in Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der deutschen Siedlungen in Siebenbürgen (1959) und 1962 in Der siebenbürgisch-deutsche Sprachatlas (SDSA) als Instrument der Forschung175 verlangt er die Identifizierung von Reliktwörtern und isolierten Formen. In Luxemburg und Siebenbürgen gibt KLEIN unter dem Eindruck der sprachgeographischen Arbeitsweise des luxemburgischen Forschers Robert BRUCH, der die Polygenese ebenfalls ignoriert und in Siebenbürgen luxemburgische Mundarterscheinungen erkennt, den wortgeographischen Ansatz der früheren Arbeiten auf und begibt sich ganz in den Bruchschen Bann. Diese Sichtweise wird heute angezweifelt, weil die Lautverhältnisse zur Zeit der Besiedlung andere waren als heute und "ein unmittelbarer Vergleich zwischen den gegenwärtigen Zuständen des Neu- und Altlandes zur Bestimmung der Siedlerherkunft" nach den neuen Anschauungen nicht mehr möglich ist176.Die von der älteren Sprachforschung vertretene mittelfränkische (luxemburgische) Herkunft der Siedler - KLEIN formuliert vorsichtig: "Allein schon aus sprachwissenschaftlichen Erwägungen als einer Hilfswissenschaft der Geschichte läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß Westmoselfranken (Luxemburger) an der Besiedlung Siebenbürgens mitbeteiligt gewesen sein müssen"177 - ist dahingehend zu relativieren, als ""der Zusammenhang zwischen Gebieten mit polygenetischen Entwicklungen wahrscheinlicher ist, als der mit anderen Gebieten"178
170) Unsere Betrachtungen folgen im Wesentlichen den Ausführungen Peter WIESINGERS (wie Anm. 84).
171) Vgl. oben, S.16.
172) WIESINGER (wie Anm.84), S.175.
173) WIESINGER (wie Anm.84), S.176.
174) WIESINGER (wie Anm.84), S. 177. Vgl. S.16 und Anm.92.
175) Vgl. oben S.13f. und S.16.
176) WIESINGER (wie Anm.84), S.184 und weiter S.185.
177) Luxemburg und Siebenbürgen (wie Anm. 113), S.107.
178) WIESINGER (wie Anm.84), S.185 KLEINS Formulierung kommt dem modernen Standpunkt verblüffend nahe.
Seite 28Auch der Versuch KLEINS, Siedlergruppen zu lokalisieren bzw. deren sprachformende Ausstrahlungskraft im Siedelgebiet zu bestimmen (auf den Spuren SCHEINERS) ist nicht realisierbar, weil die durch Jahrhunderte währende doppelte Dynamik (sprachinterne Genese; durch sprachexternen Lautersatz bedingte raum- und grenzverändernde Sprachbewegungen) sowohl im Altland wie im Neuland "den sprachlichen Vergleich und damit den Versuch, mit Hilfe der Verbreitung gegenwärtiger Lauterscheinungen Siedlergruppen des Neulandes fassen und im Altland genauer lokalisieren zu wollen"179 erschwert. Deshalb ist es auch nicht möglich, die im Kolonistenland gelegene Zwischenheimat festzustellen180, was KLEIN unter dem Eindruck der liturgiegeschichtlichen Forschungsergebnisse von Karl REINERTH versucht181.Auch KLEINS Anliegen, der Herkunftsforschung mit wortgeographischen Mitteln zu dienen182, kommt aus heutiger Sicht zu kurz, weil eine Rückverlegung gegenwärtig übereinstimmenden Wortguts und gegenwärtiger Verhältnisse in die Abwanderungszeit auch beim Wortschatz nicht möglich ist183.WIESINGER warnt davor, "auf Grund der heutigen Verbreitung einzelner Wortgleichungen unmittelbare kleinräumige Herkunftsgebiete von Siedlergruppen festlegen zu wollen (W. MITZKA). Wie in der Lautgeographie darf auch hier nur mit größeren Räumengerechnet werden, in denen mehrere Wortentsprechungen auftreten"184. Damit ist auch KLEINS Anlehnung an MITZKAS Sprachhorsttheorie in Frage gestellt185
179) WIESINGER (wie Anm.84), S.189.
180) Ebenda.
181) Vgl. S. 21 und Anm. 132.
182) Vgl. oben, S.27: Identifizierung von Reliktwörtern und isolierten Formen.
183) Die Unzulänglichkeit wortgeographischer Vorgehensweise ergibt sich daraus, daß die durch die Heteronymie des Wortschatzes entstehenden Isoglossen (synchrone Isoglossen) oftmals von den Isophonen und Isomorphen der Laut- und Formengeographie abweichen (WIESINGER (wie Anm.84), S.190).
184) WIESINGER (wie Anm.84), S.191.
185) Zum Thema der Siedlungskerne vgl. oben S.12,19 (Ur-Zellen); S.19 (Kerngebiet); S.20 (Kerngruppe); S.21 (kleine Gruppenzüge); S.23 (Siedlungskerne).
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SCHLUSSBETRACHTUNGEN

KLEINS hauptsächliches Interesse galt der Herkunfts- und der Ansiedlungsfrage. Er bediente sich der Geschichtswissenschaft (Urkundenforschung) und Mundartforschung gleichermaßen, obwohl er die letztere nur als Hilfswissenschaft einsetzen wollte. Es ist zu beobachten, daß er sich seit dem Erscheinen des ersten Bandes des SDSA (1961) die Klärung der Herkunft und des Ansiedlungsvorgangs unter dem hauptsächlichen Einsatz sprachwissenschaftlicher Mittel versprach. Die Hinwendung der Sprachwissenschaft zu Strukturalismus und Polygenese blieb KLEIN verschlossen, wohl deshalb, weil sie seiner sprachsoziologisch-wortgeographischen Forschungsweise widerstrebte. Das zeitigte manche, heute anfechtbare Ergebnisse.Die jüngsten Grabungsergebnisse in Marienburg/Burzenland zeigen, daß weder die Urkundenforschung, noch die Dialektologie den Schlüssel der Ansiedlungsproblematik liefern kann. Die Archäologie entscheidet letztendlich. Diese Belehrung kommt gerade aus dem Burzenland, dessen ausgezeichnete Urkundenlage KLEIN und andere Historiker dazu verleitete, die Aussagekraft der zahlreichen Urkunden der Ordenszeit nicht in Zweifel zu ziehen186. Es dürfte einleuchten, daß siedlungsgeschichtlich orientierte Ausgrabungen die Aufgabe der Stunde sind. Es wäre begrüßenswert, wenn sich in der Zukunft eine regelrechte "Ansiedlungsarchäologie" herausbilden würde. Diese würde manche der von KLEIN ersehnten Antworten liefern bzw. der Lösung zuführen. 
186) So heißt es in Flandrenses in Siebenbürgen. Aus den Vorarbeiten zu einem Siebenbg.-Deutschen Sprachatlas (SDSA), 1961: „Einig sind sich die Forscher darüber, daß das sächsische Burzenland seine deutschen Siedler im wesentlichen aus den schon früher besiedelten Gebieten Siebenbürgens bezogen habe. Daran ist nach Aussage der Urkunden auch nicht zu zweifeln“ (Transs., S.208).
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R E Z U M A T

Aniversarea a 100 de ani de la nasterea lui Karl Kurt Klein, fãrã îndoialã cel mai de seamã învãtat als sasilor transilvãneni din secolul nostru, transcede interesul unui cerc restrîns, deoarece viata sa este exemplarã din mai multe puncte de vedere.Învãtatul a parcurs cea mai frãmîntatã parte a secolului 20, perioada interbelicã si postbelicã, fiind martorul si victima a douã totalitarisme: a celui nazist, ce a afectat viata politicã si spiritualã a Transilvaniei, îndeosebi a sasilor, si a celui stalinist, cel din urmã rãpindu-i dreptul la patria transilvanã.Dezgustul fatã de primele forme de manifestare a ideologiei rasist-socialdarviniste în rîndul intelectualitãtii sãsesti îl determinã pe Klein sã adopte o atitudine hotãrîtã. În lucrarea Methodenfragen der Geschichtswissenschaft an einem siebenbürgischen Beispiel erläutert (Probleme de metodologia stiintei istorice pe baza unui exemplu transilvãnean) (1932) Klein se pronuntã vehement împotriva încercãrii neautorizate a unor intelectuali sasi de a subordona complexitatea fenomenelor si proceselor istorice unui determinism rigid provenind din domeniul stiintelor exacte. Klein opune acestei tendinte totalitare, ce duce la violarea spiritului (Vergewaltigung), libertatea spiritualã (geistige Freiheit), în absenta cãreia adevãrata cunoastere este imposibilã.Klein a profesat în spiritul cunoasterii descãtusate de oricare prejudecatã, mai ales de ordin politic sau national.Tematica de bazã a cercetãrii sale istorice este problema originii si asezãrii sasilor în Tansilvania, ce ne perocupã în lucrarea de fatã. Klein subliniazã de la bun început primatul documentelor istorice fatã de cele lingvistice (evidenta graiurilor), distantîndu-se astfel de metodele exclusiv fonetice ale 'Junilor Gramaticieni' (Junggrammatiker), si implicit de învãtãtorul sãu Gustav Kisch. Datoritã spiritului sãu analitic si sintetic Klein realizeazã în mod magistral o sintezã a cercetãrilor istorice si lingvistice sãsesti si maghiare legate de asezarea sasilor. Deoarece miscarea de colonizare a teritoriilor rãsãritene din directia Germaniei constituia o preocupare exclusivã a lingvistilor (dialectologilor) din scoala lui Ferdinand WREDE si Theodor FRINGS, initiativa metodologicã în domeniul istoric a rãmas în întregime de partea lui KLEIN, care se bazeazã în multe privinte pe lingvistica istoricã a lui Andreas SCHEINER. KLEIN a pretuit la SCHEINER originalitatea sistemului stiintific, dedicîndu-i mai multe eseuri. În spiritul lui Scheiner, însã si în al sãu propriu, reclamã Klein în lucrarea Zur Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie der mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Siebenbürgen (1959) (Istoria colonizãrii si geografia lingvisticã a asezãrilor medievale germane din Transilvania) pãstrarea unei distante adecvate fatã de metodele dialectologiei germane, atitudine reclamatã de cazul special si particular al întrepãtrunderii si suprarpunerii de graiuri si limbi în Transilvania.Klein acordã cercetãrii interdisciplinare un rol de seamã. În suita de eseuri Philologico-Historica. Bemerkungen zum Stand und Methoden der siebenbürgisch-deutschen Sprach- und Herkunftsforschung (Filologico-istorica. Observatii privitoare la situatia si metodele de investigare ale dialectologiei si cercetãrii provenientei germanilor transilvani) (1933) cere, ca toate disciplinele istorice sã concure la elucidarea provenientei teritoriale a colonistilor si a problemelor ridicate de colonizare: istoria agrarã, istoria asezãrilor urbane, istoria dreptului, istoria constitutionalã, istoria datinilor si obiceiurilor, istoria bisericeascã, istoria artei, istoria literaturii si istoria economicã. Datoritã aplicãrii largi a interdisciplinaritãtii, Klein realizeazã o sintezã unicã si originalã, pe baza cãreia cautã si propune solutii, indicînd noi directii si cãi de cercetare. N-a adoptat o atitudine apodicticã, amintind în repetate rînduri, cã rezultatele respectiv concluziile sale au caracter ipotetic ori necesitã completãri ulterioare.Aspectele principale ale problemei asezãrii sasilor în Transilvania discutate de Klein dealungul anilor sînt de esentã istoricã si lingvisticã. Cele dintîi rezultã din cercetarea atentã a documentelor istorice avizate (cuprinse în Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen - Documente privitoare la istoria germanilor din Transilvania). Astfel Klein discutã problema asa-numitilorFlandrenses (1191) (Die Zahl der priores Flandrenses (Numãrul de priores Flandrenses) (1956); Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (Denumirea etnicã a germanilor din Transilvania) (1957), Schäßburg im Kisder Kapitel (Sighisoara în capitlul Saschiz) (1958), Flandrenses in Siebenbürgen. Zu den Vorarbeiten zu einem Siebenbg.-Deutschen Sprachatlas (SDSA) (Flandrenses în Transilvania. Despre lucrãrile pregãtitoare la Atlasul Lingvistic transilvano-german (SDSA) (1961)), facînd distinctia dintre colonistii asezati de Geisa II. în regiunea Sibiului, Nocrihului si Cincu si cei asezati ulterior. Dar Klein greseste, inversînd expresia Flandrensibus prioribus în Priores Flandrenses, cea ce îl împiedicã sã recunoascã, cã prioritatea colonistilor numiti flamanzi de la Sibiu, Nocrih si Cincu se referã la asezarea pentru prima datã într-un teritoriu 'desert' (desertum). De aici decurge nu numai posibilitatea, ca 'ceilalti flamanzi' (alii Flandrenses) sã fie anteriori (nu posteriori, cum crede Klein), ci si situatia, ca ei sã fi fost asezati în regiunea Sighisoarei si a Mediasului, regiuni colonizate tîrziu (secolul 13), în opinia cercetãrii sãsesti.Pe plan lingvistic Klein încearcã sã identifice în Transilvania 'Sprachhorste' (nuclee dialectale), identificînd în împrejurimile Sibiului 13 comune ce tin dupã pãrerea sa de un 'nucleu' flamand. Alt nucleu dialectal respectiv 'de colonizare (Kerngebiet, Siedlungskern, Ur-Zelle) se afla în zona localitãtilor Cricãu si Ighiu (jud. Alba) (discutat în lucrãrile Der Volksname der Deutschen in Siebenbürgen (1957) si Primi Hospites regni Saxones - die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgen. Betrachtungen zum Adelsprivileg des ungarischen Königs Andreas II. vom Jahre 1206 (Primi hospites regni Saxones - primi Saxones colonizati în Transilvania. Consideratii asupra actului de privilegii nobiliare al lui Andrei II din anul 1206, (1969). Klein localizeazã în legãturã cu elementul etnic valon din rîndul colonistilor un nucleu în zona Cisnãdie (jud. Sibiu) (Latini in Siebenbürgen. Wesen und Funktionen des welschen Elementes im mittelalterlichen Volkskörper der Deutschen Siebenbürgens (Latini în Transilvania. Natura si functia elementului valon din rîndul germanilor transilvãneni, (1959). Alt nucleu va fi fost în regiunea Cîlnicului si Gîrbovei (jud. Alba).Ideea unor istorici maghiari cum cã sasii colonizati nu ar fi dispus de o elitã nobiliarã, lansatã în 1943, a fost vehement combatutã de Klein (Siebenbürgen und seine Völker. Deutsche Feststellungen zu einer ungarischen Artikelreihe (Transilvania si popoarele sale. Constatãri germane asupra unei serii de articole maghiare). Existenta unei pãturi nobiliare este demonstratã de calificarea reprezentantilor sasi din dieta Ungariei drept more nobilium se gerentes (1291) si de quos et nobilitas generis exornat din actul privilegial al lui Andrei II. pentru Cricãu si Ighiu (1206). Cea mai Importantã realizare a nobilimii sãsesti a fost obtinerea actului privilegial numit 'Der Goldene Freibrief' sau 'Andreanum' în anul 1224, care a constituit secole de-a rîndul carta constitutionalã a sasilor transilvani (Latini in Siebenbürgen. ...; Wer hat uns Siebenbürger Sachsen den "Goldenen Freibrief" erwirkt? Ein Beitrag zur Interpretation des Andreanums (Cine ne-a negociat 'Carta de aur'? O contributie la interpretarea Andreanumu-lui (1957)).Întrebarea controversatã, dacã la bazele unitãtilor administrative si bisericesti ale sasilor a stat dreptul teritorial sau cel personal este extins de cãtre Klein asupra procesului de colonizare. Teza lui G.E. MÜLLER, potrivit cãreia forma censului indicã statutul liber (de pãmîntul crãiesc - Königsboden) sau statutul nobiliar (neliber, de posesiune) al comunitãtilor rurale este discutat în lucrarea Schäßburg im Kisder Kapitel (1958).Klein indicã o solutie de mijloc, nesatisfãcãtoare, din punct de vedere contemporan, pentru cã în momentul asezãrii colonistilor în teritoriile 'deserte' n-a functionat decît dreptul regal de dispozitie asupra teritoriului, care era în esentã de naturã militarã. Forma de organizare teritorialã a regatului maghiar era comitatul. Abia dupã asezare colonistii au purces la constituirea de scaune si decanate, organizate dupã dreptul autonom garantat de coroana maghiarã oaspetilor strãini (hospites).Klein abordeazã în repetate rînduri problema asa-numitelor prisãci (gyepü, Grenzverhaue), adoptînd punctul de vedere al lui Ferenc FODOR (1936) asupra amplasãrii a 6 cordoane de apãrare în Transilvania. în Grenzwüstung und Siedlung: Gyepü und Gyepüvorland. Bemerkungen zur mittelalterlichen Südostsiedlung im altungarischen Raum (Desertum si colonizare: Observatii asupra colonizãrii medievale în spatiul vechi maghiar (1965). Klein încearcã sã identifice grupe de colonisti, care s-au constituit în preajma cordoanelor. În lumina noilor descoperiri arheologice de la Feldioara (Tara Bârsei), care atestã colonizarea deja la mijlocul sec. XII., conceptia cordoanelor de apãrare trebuieste revizuitã. Deaceea localizãrile lui Klein sînt discutabile, cel putin cele legate de etapele 4-6 ale sistemului de cordoane.În sectiunea Kleins mundartgeschichtliche Argumentation in der Siedlungsfrage aus der Sicht heutiger Sprachwissenschaft (Argumentele de istoria limbii ale lui Klein din perspectiva lingvisticii contemporane) constatãm, cã datoritã contributiei sale la elaborarea si editarea "Atlasului lingvistic transilvano-german" învãtatul a stãruit asupra principiilor geografiei lexicale (Wortgeographie), valabilitatea cãreia est contestatã de lingvistica structuralistã. Klein s-a situat pe pozitii sociolingvistice, deasemenea contestate de lingvistica contemporanã. În lucrarea Luxemburg und Siebenbürgen (1966) învãtatul sustine originea unei pãrti a colonistilor din spatiul central-franconian (Luxemburg, regiunea Mosel), netinînd cont de fenomenul poligenezei lingvistice, care detine un loc central în lingvistica modernã.
Dokument: .../klein.html/ Erstellt: 16.07.1997. Letzte Änderung: 13.11.1998. Autor: Klaus Popa

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