Festgabe

Festgabe



Anläßlich des 70. Geburtstages von Dr.Dr.Dr.hc. Harald Zimmermann, 
verdienter Mediävist und Mitbegründer des Arbeitskreises für Siebenbür-
gische Landeskunde, bringen wir eine Besprechung seines Aufsatzes:


"Die deutsch-ungarischen Beziehungen in der Mitte des 12. Jahrhunderts
und die Berufung der Siebenbürger Sachsen", der im Sammelband


"Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte", hg. 
von Sönke Lorenz und Ulrich Schmidt. Jan Thorbecke Verlag, Sigmarin- 
gen, S.151-165 


und in der vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde jüngst 
herausgegebenen Festgabe


"Siebenbürgen und seine Hospites Theutonici. Vorträge und Forschun-
gen zur südostdeutschen Geschichte", hg. von Konrad Gündisch 
(Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Bd.20), Böhlau Verlag Köln 
Weimar Wien, 1996, S.83-101 

abgedruckt ist.





Der verdiente Mediävist Dr.Dr.Dr.h.c. Harald Zimmermann behandelt hier
die Ansiedlung der ersten Siebenbürger Sachsen auf dem Hintergrund
der innerdeutschen Verhältnisse und der schwankenden deutsch-ungari-
schen Beziehungen in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.

Zimmermann geht zunächst auf die bisherigen Forschungsergebnisse zum
Thema der deutschen Besiedlung Siebenbürgens ein und erwähnt die
Problematik eines Anselm von Braz oder eines Hezelo von Ritzerfeld bei 
Merkstein, welche nachweislich 1103 bzw. 1148 nach Ungarn auswan-
derten. Siebenbürgen wird jedoch in den Quellen nicht als Ziel der Aus-
reise erwähnt.

Die Ansiedlung der ersten Siebenbürger Sachsen erfolgte zu einer Zeit
innen- und außenpolitischer Turbulenzen in Ungarn. Geisa II., unter wel-
chem die Ansiedlung eingesetzt haben soll, war für das Deutsche Reich
ein unsicherer Partner. Aus den Quellen ist zu entnehmen, daß Geisa sich
dem französisch-normannischen Bündnis gegen den 1148 abgeschlos-
senen deutsch-byzantinischen Bündnispakt anschloß. Eine Hauptursa-
che der ungarischen Unstetigkeit waren die in der ungarischen Herrscher-
familie tobenden dynastischen Streitigkeiten, wobei Geisas Widersacher
wiederholt nach Deutschland, an den königlichen Hof, flohen.

Zimmermann stellt in diesem Zusammenhang fest, daß Friedrich Barbaros-
sa (seit 1152 Kaiser) kaum an eine Herrschaftsteilung in Ungarn dachte,
die nur durch Waffengewalt gegenüber dem regierenden ungarischen
König hätte durchgesetzt werden können. Dazu war keine Zeit, weil der
zweite Italienfeldzug des Kaisers bevorstand. Auch erpresserische Absich
ten Barbarossas sind abzuweisen, weil er den jüngeren Bruder Geisas
nach Byzanz entließ.

Bezüglich der 1991 begangenen 850-Jahrfeier der siebenbürgisch-säch-
sischen Ansiedlung bemerkt Zimmermann, daß das Verdienst der Ansied-
lung Belos-Bela, dem Bruder Geisas von dessen serbischer Mutter Helena
Ilona, zuzuschreiben sei, weil Geisa 1141 erst elfjährig war und Belos 
damals die Regierungsgeschäfte führte. Diese Erkenntnis hatte bereits
Fr. Müller-Langenthal in einem Gedenkvortrag 1941 ausgesprochen. Die 
vormundschaftliche Regierung endete 1146.

Zimmermann gelangt im weiteren Verlauf seiner Ausführungen zum Ergeb-
nis, daß der mögliche Zeitpunkt eines Konsenses zwischen der ungari-
schen und der deutschen Regierung vor der Regierungsperiode Geisas 
II. liegt, und zwar im Jahre 1139, als Geisas Schwester Sophie mit 
Konrads III. Sohn Heinrich (VI.) verlobt und die kindliche Braut zur Erzieh-
ung nach Deutschland gebracht wurde. Wann die Feindschaft zwischen 
Ungarn und Deutschland evident wurde, läßt sich laut Zimmermann kaum
entscheiden. Er stellt fest, daß diese Daten vor der Großjährigkeit und 
selbständigen Regierung Geisas nicht unbedingt zu der Aussage im
"Goldnen Freibrief" der Siebenbürger Sachsen von 1224 in Einklang
stehen, wonach Geisa II. diese berufen habe.

Es bleibt auch unerfindlich, wieso die älteste siebenbürgische Geschichts-
schreibung das Jahr 1141 als Beginn der geisanischen Kolonisation 
nennt. Diese Angabe stammt nämlich aus der im Jahre 1535 aufgemalten
Wandchronik der Schwarzen Kirche in Kronstadt, welche Ortschaft 
bekannlich zusammen mit dem Burzenland erst 1211 vom Deutschen 
Orden kolonisiert wurde.

Auch aus der damaligen Lage der Mosellande läßt sich keine eindeutige
Datierung für die Abwanderung der Zipser oder Siebenbürger "Sachsen"
gewinnen. Von 1141-1151 lassen sich fast für jedes Jahr Abwanderungs-
gründe nennen: Naturkatastrophen und Kriege. Weil keine Chronik den
Auszug der später sogenannten "Siebenbürger Sachsen" meldet, gelangt
Zimmermann zum Schluß, daß er sich unauffällig vollzogen haben wird. 

Noch im vorigen Jahrhundert kamen der Berliner August Meitzen und der
spätere Sachsenbischof Fr. Teutsch unabhängig voneinander aufgrund
der Hufeneinteilung in den Dörfern des siebenbürgischen Altsiedellandes
auf etwa 520 Familien in den 13 Primärsiedlungen, also auf ca. 2600
Erstsiedler. Es bleibt also ungeklärt, "wann König Geisa im Einvernehmen
mit dem deutschen Hof seine Werber aussandte, die anders als im
schlesisch-polnischen Raum nie als locatores aufscheinen". Zimmermann
vermutet, daß es dazu möglicherweise keine Abmachung auf höchster
politischer Ebene bedurfte und die Auswanderung sich außerhalb der
hohen Politik vollzog.

Zimmermann neigt dazu, die im Jahre 1152 im Rahmen der Auseinander- 
setzungen zwischen Ungarn und Byzanz durch den byzantinischen 
Chronisten Kinnamos im ungarischen Heer erwähnten "Sachsen" mit 
Soldrittern zu identifizieren, die als adllige Hospites am ungarischen Hof
weilten. An Bauern ist schwerlich zu denken, weil diese knapp nach ihrer
Ansiedlung kaum zur Landesverteidigung rekrutiert wurden. Doch wir 
meinen, daß die Nachricht des byzantinischen Chronisten sich auf sieben-
bürgische Siedler beziehen ließe,  wenn man sie mit den Angaben Belas 
III. von 1186, als er um die Tochter des französischen Königs warb, in 
Verbindung bringt, daß die "ausländischen Gäste jenseits der Wälder" 
ihm stattliche Zinseinnahmen von 15000 Goldmark einbrachten.

Zimmermann interpretiert das Jahr 1186 als terminus ante quem der deut-
schen Siedlung in Siebenbürgen. Doch die beträchtlichen Zinseinnahmen
von den Siedlern dürften darauf hinweisen, daß die siebenbürgischen
Hospites-Siedlungen im sechsten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts bereits
wirtschaftlich und militärisch so weit gefestigt waren, daß sie eine Schlag-
kraft darstellten. Das setzt allerdings voraus, daß der Ansiedlungsprozess
wenigstens vor der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert eingesetzt 
hatte.


(Leicht geänderte Fassung der in der "Siebenbürgischen Zeitung" vom
15. März 1996, S.10, erschienenen Besprechung).


Klaus Popa





Dokument .../festgabe.htm/... Erstellt 20.09.1996. Letzte Änderung: 25.11.1996. Autor: Klaus Popa
1