DIE TOTGESCHWIEGENE DIMENSION
The Hushed Up Dimension
XVII

ERWIN NEUSTÄDTER
(1897-1992)
Unter diesem Koordinator und Multiplikator des NS-Literatur- und Kunstverständnisses verkümmerte der einheimische Literaturbetrieb zu nationalistisch-chauvinistischer Propaganda und zu NS-Kriegshetze


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Vergleich: Erwin Neustädter Continuatus

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Vergleich:

Ihrer Epoche verhaftete Maenner? oder Die exemplarische Wirksamkeit von Ressentimentdiskurs und Ressentimentkultur

Als das Chamäleon Zillich sich halbherzig outete...

Oder: Das Bekenntis des Heinrich Zillich zum Nationalsozialismus


                Die letzte Folge der seit einiger Zeit in "Spiegelungen" umbenannten "Südostdeutschen Vierteljahresblättern" bringt im Zuge ihrer betont auf die Mythisierung der Rumäniendeutschen als Opfer kommunistischer Verfolgung ausgerichtete Veröffentlichungspolitik unter sträflicher Unterdrückung der NS-Umtriebigkeit und zum Teil effektiven Täterschaft dieser Deutschen einen Auszug aus den demnächst in Buchform erscheinenden "Gefängnisaufzeichnungen" von Erwin Neustädter. Demselben Trend einseitiger Fokussierung auf die Opferrolle entspringt auch der im gleichen Heft abgedruckte Text von Hans Bergel "Die "Erdwarze" in der Donausteppe", womit die Selbstinszenierung zum Märtyrer kommunistischer Verfolgung einen weiteren Höhepunkt der Geschmacklosigkeit erreicht haben dürfte.

               In dem von Stefan Sienerth, dem Direktor des "Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas" in München verfassten Vorspann zum Neustädter-Fragment reiht sich eine fragwürdige Passage an die andere. Es mag ja sein, dass Neustädters Romane "Der Jüngling im Panzer" (1938) und "Mohn im Ährenfeld" (1944) "immer noch zu den hervorragendsten epischen Leistungen der siebenbürgisch-deutschen Literatur der Zwischenkriegszeit" zu zählen sind, doch kaum wegen deren Stoff und Problemstellung, die weit über das hinausgehen, was Sienerth verharmlosend "unverkennbare Einbindung in die Problematik und die Ideologie ihrer Zeit" nennt. Weil Neustädter aus nationalsozialistischer Überzeugung so schrieb, was also nicht ausschließlich der "Problematik" und "Ideologie" jener Zeit anzulasten ist. Sienerths einleitende Ausführungen kranken durchgehend daran, dass sie Neustädter eine passive Einstellung und Rolle andichten, welche dieser überhaupt nicht so erfüllt hat. Weil Neustädter "ins Blickfeld der Machthaber" - gemeint sind die NS-Größen - nicht deshalb gelangte, weil diese  angeblich versucht hätten ihn "zu vereinnahmen", nachdem bei diesem Mann überhaupt nichts mehr im NS-Sinne zu vereinnahmen war. Neustädter betrieb nämlich aus freien Stücken, also vollkommen ungezwungen, mit anderen Worten aus der reinsten Überzeugung, kriegsverherrlichende und das fragwürdige NS-Bild des "deutschen Heros" kultivierrende Schriftstellerei. Und diese Tatsachen will Direktor Sienerth einfach ins Gegenteil umkehren ! Wie soll ein Schreibtischtäter vom Kaliber Neustädters sich

dank seiner Gutgläubigkeit und seines Opportunimsus Anfang der vierziger Jahre allzu konziliant gegenüber der braunen Diktatur verhalten  und sich von deren regionalen und lokalen Vertretern in Siebenbürgen ideologisch auch missbrauchen lassen [haben] ?
Neustädter selbst war doch Teil des einheimischen "brauenen" Systems, er war nun mal ein "Brauner". Doch dergleichen eindeutige Töne vermißt man bei dem auf Verharmlosung angelegten und einen wirklich unangemessenen Versuch der Ehrenrettung eines bis ins Letzte mit dem NS verwachsenen Mannes beschäftigten Direktor des  "Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas". Warum denn die Tatsachen nennen, wenn das ausweichlerische Herumeiern die bequemeren Lösungsmöglichkeiten zu bieten scheint ! Lohnt sich diese vorsätzlich praktizierte Vernebelungs- und Desinformationstaktik ? Die Belege von Neustädters begeisterter NS-Umtriebigkeit sprechen entschieden dagegen.

                   Auch greift Sienerth aus der Luft, wenn er den Abstand Neustädters zu den seit 1948 in Rumänien herrschenden Kommunisten damit begründen will, dass dieser aus dem "Zusammenbruch" des eigentlich auch von ihm selbst an verantwortlicher Stelle getragenen NS-Systems "für sein weiteres Leben" angeblich "die moralisch richtige Entscheidung" getroffen habe, nämlich "jede Art von Kollaboration" mit den neuen Machthabern zu vermeiden. Also wiederum nur der neutrale Begriff der Kollaboration, wo Neustädter ein Entscheidungsträger der NS-Volksgruppe der Deutschen in Rumänien war und als solcher sich nicht nur in den Dienst der giftigen und vergifteten NS-Propaganda stellte, sondern diese auch als propagandistischer Multiplikator verbreitete. Und dass Neustädter sich nicht den Kommunisten andiente, hat mit angeblich gezogenen "moralischen" Lehren überhaupt nichts zu tun. Neustädter wäre eines solchen Schrittes auch nicht fähig gewesen in seiner arroganten Verstocktheit, einem angeblich "rassisch" und ideologisch überlegenen Menschenschlag anzugehören. Wie sollte sich denn ein solch elitebewußter Propagandist dem "bolschewistischen Untermenschentum" andienen, eben jener "Sorte, die er 1919 die "Ehre" hatte in Ungarn als Soldat und später auf der ideologischen Front des NS-Kriegsaufwandes zu bekämpfen ?
Neustädter blieb auf seinem hohen Ross des unbelehrbaren Rassisten, Chauvinisten und auch Kriegstreibers sitzen als Unbelehrbarer, der der unseligen NS-Doktrin die "Treue" nicht kündigen konnte. Denn das war seine eigentliche Geisteswelt, nicht der sowjetische "Bolschewismus" in rumänischer Abfärbung ! Was seine späteren Texte überzeugend belegen, die er z.B. zuhauf in den vom NS-Schreibtischtäter und Wehrmacht-Propagandisten Heinrich Zillich regierten "Südostdeutschen Vierteljahresblättern" veröffentlichte.

                    Verfasser dieser Zeilen hatte bereits 1999 im 1. Heft der "Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik" in breiterem Kontext nachgewiesen, wie belastet Neustädter ist. Im Essay "Wo saß der Feind eigentlich? Gedanken über das siebenbürgische Gegeneinander der ersten Jahrhunderthälfte" (S.72-79) heißt es über Neustädter:

    Die "Südostdeutschen Virteljahresblätter" brachten im Jahr 1977 den Text Im Glanze der Abendsonne. Erinnerungen an die Kindheit in Kronstad", der thematisch und haltungsmäßig an Zillichs "Zinnenschlacht" und an "Ist der Nikolaus ein Rumäne?" erinnert. Neustädter erinnert sich an die mit Spielen verbundenen "Abenteuer aller Art" und "Gelegenheiten zu kämpferischer Bewährung". Das exklusive "Jagdrevier" der sächsischen Kindergruppe war das mit Seen durchsetzte Gesprenggelände unweit der Bartholomäer Kirche in Kronstadt. Doch die Kinder wurden "immer häufiger durch - in der Gegend recht fremdartige Eindringglinge gestört, durch Zigeuner!" Auch hier also das Stereotyp des fremdnationalen Eindringlings, der das entweiht, was wie ein 'heiliger Bezirk' gehegt und umpflegt, nur Eingeweihten zugänglich sein soll.
        Nachdem Neustädter auf die Tätigkeitsbereiche der Zigeuner anspielt, behaftet er sie mit dem Odium "Nachwuchs der 'Unehrlichen' von einst" zu sein. Dann erklärt er sie zum Sichreheitsrisiko ("diese Gegend, die durch ihre Anwesenheit sehr verunsichert wurde"). Schließlich hatten die sächsischen Kinder das Abhandenkommen verschiedener Gegenstände zu beklagen, weil die Zigeuner sie beklaut hatten. Neustädter unterstreicht die Gruppensolidarität der Diebe, die "wie Pech und Schwefel" zusammenhielten, ebenso ihre Neigung zur Messerstecherei ("die Messer saßen bei denen  auch verdammt locker").
        Neustädter liefert ein kriminalisierendes und diskriminierendes Bild der Zigeuner, das in seinen fremdenfeindlichen Akzenten an die zeitgenössische Fremdenfeindlichkeit erinnert. Dieser feindschaftlichen Sichtweise liegt folgendes Motivschema zugrunde: ein jeweils feststehendes 'Hoheitsterritorium' (der oberburggässer Jugendbande in der "Zinnenschlacht" [Zillichs]; des Weihnachtsfestes in "Ist der Nikolaus ein Rumäne?" [Zillich]; des Spielreviers am Gesprengberg) wird von Eindringlingen heimgesucht (ungarische Jugendbande; der rumänische Hirte Nicolae; Zigeuner) und muß verteidigt werden. Die Gestalten, Plätze und Handlungen dieser Geschichte stehen stellvertretend für den Belagerungszustand, dem sich die Siebenbürger Sachsen von Fremdnationalen in ihrem angestammten Lebensraum bedroht und ausgeliefert wähnen. (Halbjahresschrift ...., S.76).
                  Bereits angesichts dieser problematischen Sicht- und Schreibweise Neustädters ist es unabdingbar, dem offensichlichen Versuch Sienerths, Neustädter zu rehabilitieren, die Aussage- und Beweiskraft  dokumentarischer Belege entgegenzustellen.

                   Wie eng Neustädter bereits vor dem Antritt der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" mit ausgewiesenen NS-Kreisen verbunden war, beleget zunächst die Veröffentlichung seines ersten Romans, "Der Jüngling im Panzer", im Jahr 1938 in Stuttgart. Dann seine Lesungen auf sogenannten "Kulturabenden" der aus dem Hitlerreich finanzierten und NS-ausgerichteten "Kulturzeitschrift" "Der Sachsenspiegel" in Kronstadt (die Vorläuferin der von der "Volksgruppe" herausgegebenen Propagandazeitschrift "Volk im Osten"): Neustädter las auf dem ersten "Kulturabend" des Sachsenspiegels in Kronstadt am 21. März 1939 (Sachsenspiegel 7/8/1939, S.49). Dieselbe Zeitschrift informiert, dass Neustädter im Januar 1940 in Kronstadt eigene Dichtungen vorlas (Sachsenspiegel 1/1940, S,30f.).

                    In der Volksgruppenzeit betätigte sich Neustädter auf der propagandistischen Schiene der NS-Ideologie und -Indoktrination, wie seine auf der ersten vom "Schulamt" veranstalteten Schulung für Professoren [Oberschullehrer] vom 7. bis 10. April 1941 in Kronstadt gehaltenen 4 Vorträge belegen, in denen Neustädter in absoluter Expertenmanier die "seelische Haltung des neuen deutschen Menschen" vorbereitenden und zum Ausdruck bringenden Dichtungen zum Erlebnis gemacht haben soll (Südostdeutsche Tageszeitung (SODTZ) 45. Folge, 8. Mai 1941, S.7)

                    Den absoluten Höhepunkt in Neustädters NS-Karriere bildet seine Ernennung zum Chef der "Schrifttumskammer der Deutschen Volksgruppe in Rumänien" im Rahmen der "Kulturkammer". Anlässlich der Eröffnung der "Schrifttumskammer" hielt Neustädter eine Ansprache, in der er laut SODTZ

hier auf die Beziehungen zwischen Volk und Dichter zu sprechen" kam, auf die Frage des Lebenswertes der Dichtkunst für das Volk, die keine ästhetische, sondern eine biologische sei. Wenn Dichtkunst nur eine Art Luxusartikel sei, dann wäre kein Grund vorhanden, sich ihrer in irgendeiner Weise anzunehmen. Für den Biologen sei auch die Dichtkunst zunächst nichts anderes als eine Lebensäußerung unter anderen, die bei dem Lebewesen Mensch unter gewissen Umständen und Formen in Erscheinung tritt, gewissen Gesetzen unterliegt und als Funktion des Lebens, offenbar auch irgend eine Aufgabe im Leben dieses Wesens zu erfüllen hat, denn das Leben bringt nichts hervor, was nicht irgend eine Bedeutung für es hätte. Dichtung pflege dann zu erscheinen, wenn ein Volk eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht habe, die es ihm erlaube über individuelle Zusammenhänge, Notwendigkeiten und Werte zu erfühlen, vielleicht auch schon zu erkennen und zu gestalten. »Das Volk selbst ist aber solch ein überindividueller Lebenskörper, u. zwar einer, der vom „Individuum“ gerade noch unmittelbar erlebbar ist.« (Kolbenheyer). Dieses Erlebnis gehörte dem Bereich des Gefühls an und vermöge so stark zu werden, daß es das Individuum über sich, seinem persönlichen Lebens- und Selbsterhaltungswillen hinausreißt u. zum Opfer für die Erhaltung jenes überindividuellen Lebenskörpers, eben des Volkes zwingt.
»Dichtung ist, biologisch gesehen, eine sprachliche Äußerung, die durch ihren Gehalt sowie durch ihre Form in dem, der sie annimmt, also im Hörer oder Leser, ein inneres Erlebnis erzeugt, und zwar indem sie Gefühle, Vorstellungen und Willenstriebe weckt, gestaltet und richtunggebend beeinflußt, und zwar solche, die in ihrem Volke keimhaft schlummern. Wenn wir die große Dichtung aller Zeiten und Völker betrachten, werden wir finden, daß als wesentliches Merkmal diese Macht ihren Werken gemeinsam ist. Sie vermochten durch ihre Gestaltungskraft das Gefühl und Vorstellungsleben ihres Volkes derart zu packen und zu formen, Züge seines Wesens derart herauszuarbeiten, vor Augen zu stellen und erlebbar zu machen, daß sie dadurch volksbildnerisch wirkten und mithalfen, die Eigenart ihres Volkes im Daseinskampf zu entfalten und zu bewahren.

Wenn es wahr ist, daß das Leben des einzelnen nicht nur in seinen primitiven Bedürfnissen vom Überindividuellen abhängig und durch es bedingt ist, sondern auch Sinn und Wert seines Daseins erst durch seine Beziehungen zu einem solchen Überindividuellen erhält; wenn das größte und umfassendste, von ihm noch erlebbare Überindividuelle das Volk ist; wenn die Art dieses Erlebens vom Gefühl bestimmt, die Gefühle aber diejenige Lebensmacht sind, die das Leben des Menschen am tiefsten zu beeinflussen imstande sind, und wenn es schließlich etwas gibt, was diese Mächte des Gefühlslebens in Bewegung zu versetzen, ja, in ihnen Richtung und Inhalt zu geben vermag: dann kann doch wohl die biologische Bedeutung dieses Etwas, das wir eben Dichtung nennen, nicht gut bestritten werden. Und auf dieser instinktmäßig erfaßten Tatsache beruht wohl auch die Hochschätzung, ja Verehrung, welche die Dichtkunst bei früheren Geschlechtern erfuhr und die ihr auch heute noch von einfachen, unverbildeten Seelen entgegengebracht wird.

So wie die Natur in Tier- und Pflanzenwelt die nötigen Aufbau-, Abwehr- und Erhaltungsstoffe vom Einzelexemplar oder von der Gattung hervorbringen läßt, können wir uns vorstellen, daß sie auch bei dem überindividuellen Organismus „Volk“ ein Mittel entstehen läßt, um sein Gefühlsleben, seine gesamten geistig-seelischen Belange gesund, rein und stark sich entfalten zu lassen. Wer gibt uns diesbezüglich gerade heute den eindeutigsten und unwiderlegbarsten Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme? Die Front! Ihr Lesehunger, ihr Verlangen nach dem Buch, nach Dichtung und Kunst jeder Art. [...] Und so ist es kein Zufall, daß das Buch vollwertig neben das Schwert getreten ist, und daß diese „Waffenbrüderschaft“ zu einem der bedeutungsvollsten Sinnbilder dieses Krieges wurde

Der Redner befaßte sich hierauf mit dem unheilvollen Zustand einer Zeit, in der kein Staat und keine Regierung dieser Lebensmacht ihr Augenmerk schenkte, sich in keiner Weise um sie kümmerte – es sei denn in Form von Verboten und Einschränkungen. Die vornehmste und dringlichste Aufgabe, die eine Führung, der die kulturelle Entwicklung, das geistig-seelische Gedeihen ihres Volkes am Herzen liegt, sich selbst stellen könne, sei Volk und Dichter wieder zueinander zu führen und ihr gegenseitiges Bedingtsein begreifen zu lernen. Um die seelisch-sittlichen Güter des Volkes, um dieses Erbe, das sein ewiges Leben ebenso bedingt wie sein rein blutmäßiges, gehe im tiefsten Sinne heute der große Kampf. Alles das, was wir Kultur eines Volkes nennen, sei nichts anderes als die Gestaltwerdung und Ausstrahlung dieser seelisch-sittlichen Kräfte eines Volkes durch die Leistungen seiner schöpferischen Volksgenossen.

»Wenn nun das Amt, dem die Belange des Schrifttums anvertraut sein sollen, ins Leben gerufen wird, so muß es von diesen Tatsachen ausgehen und sich der Verantwortung, die seinem Beginnen, seiner ganzen Tätigkeit daraus erwächst, bewußt sein und bleiben. Es wird also seine Aufgabe darin sehen, in seinem Bereiche alle die Kräfte und Werte, die, in angedeutetem Sinne als Lebenswerte für das Volksganze anzusprechen sind, zu fördern, ans Licht zu bringen u. zu bewahren. [...] Es wird, um fruchtbare, ganze Arbeit leisten zu können, seine Bemühungen nicht auf die Schaffenden allein beschränken, sondern auf alle die ausdehnen, die dem Werke der Schaffenden dienen, den Verlegern, den Buchhändlern, den Büchereien.
[...]

Da [im kulturpolitischen Gebiet] gilt es in erster Linie den Blutkreislauf zum Mutterland hin kraftvoller und reichlicher pulsen zu lassen als das bisher oft möglich war. Und unsere Schaffenden seien darauf hingewiesen, daß so wie das künftige Europa in steigendem Maße nach des deutschen Volkes Leistungen auf militärischem, politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet schauen und fragen wird, es auch bei seinen Dichtern Umschau halten und fragen wird, was sie ihrem Volk und weiter hinaus dem suchenden Menschen zu sagen haben. Noch nie in der Geschichte des deutschen Volkes war seinen Künstlern eine so große Aufgabe gestellt wie heute. Und desgleichen sollten die Vermittler und Verbreiter des geistigen Gutes und Erbes der Nation sich der hohen und edlen Veraantwortung dieses ihres Berufes bewußt sein und in seiner Ausübung sich als Treuhänder dieses ihnen anvertrauten Schatzes würdig erweisen. Alle diese Bemühungen bleiben aber letzten Endes fruchtlos, wenn wir die andere Seite unserer Aufgabe, die bei uns vielleicht noch wichtiger ist als die erstgenannte, außer Acht ließen: wenn wir über der Betreuung der Schaffenden und Vermittelnden das Volk, also die, für die geschaffen und bereitgestellt wird, vergäßen: Hier erscheinen mir die Aufgaben in mancher Hinsicht größer, wichtiger und auch schwieriger als bei den Schaffenden, denn hier gibt es viel Trägheit, viel Vorurteil und falsche Auffassung zu beseitigen. [...] Wir wollen das unsere tun, um Dichter und Volk einander näher zuzuführen, die Ursachen mancher Mißverständnisse und damit diese selbst zu beseitigen, damit der notwendige Kreislauf wieder hergestellt werde zwischen Geben und Nehmen, zwischen Wurzel und Blüte, deren jede dem anderen nötig ist, damit der Baum Früchte trage, gesund bleibe und seine Art dauere über die Zeiten hinweg!«
(SODTZ 31. Folge, 8. Februar 1942, S.5; Hervorhebungen im Originaltext).

„Aufruf!

Um die innere Verbundenheit der Weltkriegskämpfer unserer Volksgruppe mit denen des gegenwärtigen Krieges hinsichtlich des ehrlichen Willens zu unbedingter Pflichterfüllung und restlosem Einsatz bis zum letzten Opfer durch Selbstzeugnisse der Kämpfer zum Ausdruck kommen zu lassen, beabsichtigt die Schrifttumskammer als Denkmal für diese Gesinnung und zugleich für die kämpferische Leistung der Volksgruppe einen Band zusammenzustellen, der gleichsam die Stimme der Front von damals und heute in sich fassen soll. [...]
Dr. Erwin Neustädter, Leiter der Schrifttumskammer“
(SODTZ 37. Folge, 15. Februar 1942, S.14).

                    Ein Mann, der die NS-Lektion bezüglich der biologistischen Auffassung und Behandlung literarischer Stoffe so ausgezeichnet beherrscht, der sich für die Dienstbarmachung der Literatur für die expansionistischen Zwecke und Ziele des deutschen "Volkes" so glänzend einsetzt und in Lehrveranstaltungen der NS-Indoktrination vermitteln kann - es heißt, Volk und Dichter seien zueinander zu führen -; ein Dichter, der sich in Phrasen der Bewunderung für die gewollte Unterordnung des literarischen Betriebs unter ideologische und kriegsfördernde Perspektiven ausläßt - "Noch nie in der Geschichte des deutscheen Volkes war seinen Künstlern eine so große Aufgabe gestellt wie heute" -; ein Mensch, der die "hohe" und "edle Verantwortung" der "Vermittler und Verbreiter des geistigen Gutes und Erbes der Nation" betont, der die engste Anbindung der rumäniendeutschen Literatur an die des "Reiches" als Notwendigkeit reklamiert und die Literatur mit der Aufgabe verbindet, "Trägheit", "Vorurteil" und "falsche Auffassung" beim Volk beseitigen zu müssen, für das "geschaffen und bereitgestellt" wird, der also die Instrumentalisierung des einheimischen Literaturbetriebs durch politisch-ideologische Indoktrination und kriegsbedingte Mobilisierung des "Volkes" zum Programm seiner Behörde und seiner selbst erhebt, der soll nur "gutgläubig" und "opportunistisch" gewesen sein ? Dieser Mann, dessen programmatische Aussagen von NS-Fanatismus durchtränkt sind, soll der braunen Diktatur gegenüber nur "allzu konziliant" gewesen sein und sich ausschließlich von "regionalen und lokalen Vertretern [der braunen  Diktatur] in Siebenbürgen ideologisch auch missbrauchen lassen" haben, also gerade durch jene Leute, an deren Ellenbogen er sich tagtäglich die eigenen wetzte ? Ja, Herr Sienerth, so sieht der Scherbenhaufen Ihrer forcierten Gesundbeterei eines überzeugten NS-Schreibtischtäters aus ! Ihre beschönigenden Worte über Neustädter, die wohl auch den Zweck verfolgen, Neustädter nicht nur zu rehabilitieren, sondern auch seine Kanonisierung als "Literatur-" oder "Schriftstellerheiligen" der Siebenbürger Sachsen zu erreichen wie ihn auch zum Märtyrer kommunistischer Verfolgung zu erheben, befindet sich  angesichts der vorgelegten wie der folgenden Zeugnisse auf dem Holzweg hin zum Fiaskounternehmen !

                        Die von Neustädter reklamierte engere Anbindung des rumäniendeutschen Literaturbetriebs an den reichsdeutschen exerzierte er fleißig und sicher nicht uneigennützig  vor mit seinen zahlreichen Dichterlesungen im Hitlerreich: so im August 1942 in Berlin „vor einem in der volkstumspolitischen Arbeit stehenden Hörerkreis“ „als Auftakt einer geplanten Vortragsreise durch das Reich“ aus dem soeben fertiggestellten Roman Mohn im Ährenfeld (SODTZ 195. Folge, 23. August 1942, S.6). Sodann las Neustädter in Berlin vor der Gefolgschaft der Bundesleitung des V(erbands) für das D(eutschtum) im A(usland), in Stuttgart vornehmlich vor kriegsverletzten Soldaten, dann in der Bauernhochschule in Goslar (A), in Braunschweig und vor Beendigung seiner Reise in Hannover (SODTZ 219. Folge, 20. September 1942, S.6). Ferner weilte Neustädter vom 3. bis 18. Februar 1943 in Deutschland, wo er aus seinen Werken in Lüneburg, Friedrichsroda, Magdeburg, Ilmenau, Mühlhausen, Goslar und Dresden vorlas (SODTZ 32. Folge, 10. Februar 1943, S.5). Zwischen dem 3. und 19. Februar 1943 las Neustädter auf Einladung der Abteilung Schrifttum des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda in Deutschland (SODTZ 50. Folge, 3. März 1943, S.6).

                    Man beachte die besondere "Qualität" des von Neustädter im "Reich" mit seinen Texten beglückten Publikums: ausschließlich im Propagandaapparat des Hitlerreiches tätige und von krassestem politischem Extremismus geprägte Leute - ausgenommen die Kriegsverletzten. Womit wiederum die propagandistische Ausrichtung von Neustädters damaliger Tätigkeit belegt ist.
                    Neustädter oblag auch die besondere "Ehre" den damals hochgehandelten, heute als unbedeutenden Heimatdichterling eingestuften Hans Friedrich Blunck auf seiner Dichterlesung in Kronstadt am 9. Oktober 1943  zu begrüßen (SODTZ 240. Folge, 15. Oktober 1943, S.7).

                    Weitere Meldungen der SODTZ über Neustädter:

Vom heimischen Dichter, Erwin Neustädter, erschien dieser Tage im Hohenstaufenverlag eine neue Erzählung. Sie trägt den Titel „Mohn im Aehrenfeld“ und hat die Geschichte einer Liebe vor dem Hintergrund des Feldzuges gegen das kommunistische Ungarn im Jahre 1919 zum Gegenstand.“ (SODTZ Folge 30, 6. Februar 1944, S.4).
                    Erwin Neustädter zeichnet als „Leiter der Schrifttumskammer“ Erläuterungen zu »Der Schrifttumspreis 1944 „Hermann von Salza“« (SODTZ Folge 143, 24. Juni 1944, S.5). Auch dieser Text belegt die Expertenmanier, in der es Neustädter verstand, auf die Instrumentalisierung des literarischen Schaffens für die unlauteren Zwecke und Ziele des Nationalsozialismus hinzusteuern und hinzuarbeiten. Aus diesen "Erläuterungen" erfährt man, dass der Volksgruppenführer Andreas Schmidt durch den "Stabsbefehl" Nr. 27 vom 22.12.1943 den »Kunstpreis "Hermann von Salza"«(B) gestiftet hatte, woran sich die "Verleihungsbestimmungen der Kulturkammer vom 22. Dezember 1943" anschlossen, worin der Preis
erstmalig für das Jahr 1944 [...] für das beste Werk des heimischen Schrifttums
angesetzt wird. In historischer Perspektive löst dieser Preis das bis dahin von der Propagandazeitschrift "Volk im Osten - Zeitschrift des Südostens"/Bukarest organisierte "Preisausschreiben" ab, dessen erster Preisträger für das Jahr 1942 Andreas Birkner war. Dieses Ergebnis wurde erst 1943 bekannt, als Birkner als Freiwilliger bei der Waffen-SS war.

                    Den insgesamt 9 Preisbedingungen läßt der im NS-Sinn höchst pflichtbeflissene "Leiter der Schrifttumskammer" "Ergänzende Bemerkungen zur Ausschreibung des Schrifttumspreises" folgen. Von den "Preisbedingungen" seien die brisantesten angeführt, die abermals den verstockt-nationalsozialistischen Geist dieser ganzen Veranstaltung belegen:

2. Der Verfasser muß im Sinne der Verleihungsbestimmungen (Pkt.4) zugleich mit dem Werk den Nachweis seiner deutschen Volkszugehörigkeit der arischen Abstammung (sic!) und der völkischen Unbescholtenheit (Zeugnisse der Kreisleitung, bzw. Ortsgruppenleitung) einreichen.

3. Für den Wettbewerb kommen in Betracht alle lyrischen, epischen oder dramatischen Werke, die

a)aus dem Lebens- und Seleenraum der Volksgruppe heraus entstanden sind. Sie müssen aber nicht so sehr ihrer Themenwahl nach (also hinsichtlich der Gestalten und Ereignisse, der Umgebung und Probleme u.dgl.), als vielmehr ihrer ganzen inneren Art und Haltung nach vom Wesen und Wollen des deutschen Volkstums in unserem Raume künden;

7. Das Preisgericht setzt sich wie folgt zusammen:
    Vorsitzer: Der Volksgruppenführer.
    Beisitzer: 1. Der Leiter der Kulturkammer.(1)
     2. und 3. Kulturräte.(2)
     4. Der Leiter der Schrifttumskammer.
     5. Der Leiter der Theaterkammer (fallweise)(3)
    6. Der Beauftragte für die weltanschauliche Erziehung     und     Referent zur Ueberwachung des heimischen Schrifttums.(4)
     7. Der Geschäftsführer der Kulturkammer.

                    Zunächst einige Bemerkungen zu diesen "Bedingungen":
- der rassistisch-exklusivistische Hintergrund des ganzen Betriebes dürfte einleuchten.

- ebenso der enggesteckte völkische Rahmen, der mit nebelhaften, mystifizierend-mythisierenden Stereotypen besetzt ist: Wesen und Wollen des deutschen Volkstums in unserem Raume; weiter unten: unser Fühlen und Wollen, unser Wesen und Sein und unsere Lebensnotwendigkeiten im Zeitlichen und im Ewigen; Themen und Fragen, die unser Volk aus seiner Zeit heraus an sein ewiges Wesen, an seine Lebensnotwendigkeiten und seine Wurzeln im Ewigen stellt.

- die Notwendigkeit für die Teilnehmer, von den Parteistellen der NSDAP der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" als vertrauenswürdig ausgewiesen zu werden (völkische Unbescholtenheit), deutet darauf, dass ausschließlich Mitglieder dieser Partei um die Gunst des "Preisgerichts" buhlen durften.

                    Nun zu den "Ergänzenden Bestimmungen" des "Leiters der Schrifttumskammer" Erwin Neustädter:

Zweck des "Hermann von Salza"- Preises ist, die besten Kräfte des heimischen Schrifttums ausfindig, sodann bekannt zu machen und zu fördern, sei es durch Unterstützung bei der Arbeit selbst, sei es durch Vermittlung oder Veröffentlichung von deren Ergebnissen. Als Maßstab zur Beurteilung, welches Einzelwerk oder Gesamtschaffen des Preises für würdig befunden werden kann, gilt, ob es imstande ist, solche Gestalten, Handlungen und Sinnbilder, die unser Fühlen und Wollen, unser Wesen und Sein und unsere Lebensnotwendigkeiten im Zeitlichen und im Ewigen, in dichterischer Sprache und Bildkraft so vor Augen zu stellen, daß sie uns Abbild, Mahn- oder Vorbild zu sein vermögen.
Nachdem Neustädter ausführt, warum noch kein engeres Thema bei dieser ersten Preisausschreibung vorgegeben wurde, verfällt er wieder ins Vokabular des totalitären Sprachgebrauchs nationalsozialistischen Kunst- und Kulturverständnisses:
Für künftige Ausschreibungen ist in Aussicht genommen, bestimmte Themen zu stellen und sie an gewisse Gattungen und Formen zu binden, Themen und Fragen, die unser Volk aus seiner Zeit heraus an sein ewiges Wesen, an seine Lebensnotwendigkeiten und seine Wurzeln im Ewigen stellt.
           Für den Träger und Verfechter einer solchen antiintellektuellen und antikulturellen, weil nationalsozialistisch-totalitären, rassistisch-chavinistischen und im eigenen "Volkstum" verstockten  Weltsicht, also für einen überzeugten Nationalsozialisten, der in seinem Bereich eindeutig als SCHREIBTISCHTÄTER zu gelten hat, für eine solche Person setzt sich mit dem Direktor des "Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas" auch das gesamte "Institut" ein, wenn es nun "Gefängnisaufzeichnungen", sogar in Buchform, herausbringt.  Recht besorgniserregend diese Entwicklung, eigentlich ein SKANDAL ersten Ranges. Und diesem Treiben der Rehabilitation ehemaliger Nazi-Größen der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" sieht der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, aus dessen Mitteln (=Steuermittel) der ganze Spuk nicht nur finanziert, sondern von dieser Stelle auch abgesegnet wird,  tatenlos zu.

                        Besagtes "Institut" scheint mit der Umbenennung der "Südostdeutschen Vierteljahresblätter" in "Spiegelungen" - trotz gegenteiliger Beteuerungen im "Editorial" (Heft 1 1(55) Jg. 2006, S.3-4, wo es z.B. lautstark heisst: "Mit dem Generationenwechsel stellt sich immer und überall auch die Korrektur des Blickwinkels im Sinne der Wandlungen von Themen und deren wissenschaftlichem wie publizistischem Verständnis ein. etc. etc.) - über die Phase des

ETIKETTENSCHWINDELS
nicht hinausgekommen zu sein.  Weil der Rückgriff auf  fragwürdige Publikationsgepflogenheiten der Zillich-Ära im 3. Heft der "Spiegelungen" unverkennbar ist. Die im "Editorial" bekannt gegebene Verabschiedung des bisherigen "Verantwortlichen Schriftleiters" Johann Adam Stupp und die Neubesetzung mit Eduard Schneider scheint nur bewirkt zu haben, dass bestimmte Schattengestalten und Strippenzieher ihre unsägliche Rückwärtsgewandtheit nun erst richtig ausspielen und ausleben können. Solange die "Spiegelungen" diese Marschrichtung nicht revidieren, wird der angekündigte Verjüngungshauch das bleiben, was er zu sein verspricht:

eine bedauerliche MOGELPACKUNG,

hinter der sich eindeutig verblichene Wertvorstellungen und eine unverzeihliche Rückwärtsdgewandtgeit verbirgt, die Anforderungen der Gegenwart Hohn und Spott spricht.



A. Goslar war übrigens die Hochburg der von der SS dominierten Reichsbauernschaft und der sogenannten "Siedlerbewegung", die der aus Siebenbürgen stammende Georg August Kenstler im Rahmen der "Artamanen"-Bewegung begründet hatte und die sich dann Himmler und der spätere Reichsbauernführer Darre aneigneten und als eigene "Errungenschaft" verkauften. (vgl. Johann Böhm, August Georg Kenstler, Herazusgeber der Monatsschrift "Blut und Boden" und aktiver Vorkämpfer der nationalsozialistischen Agrarpolitik, in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, 15.Jg., Heft Nr.1, Mai 2003, S.19-43; Die Artamanen in Siebenbürgen, Halbjahresschrift ...., 16.Jg., Heft Nr. 2, November 2004, S.60-70.
B. Man beachte, wie der Name und die Person des erfolgreichen Meisters des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, zu dessen Zeit der Orden ein Ordensterritorium im Burzenland aufbaute, von den NS.-Funktionären der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" mißbraucht wird.
1. Walter May mit Namen.
2. Solche waren z.B. Emil Sigerus und Julius Bielz.
3. Gust Ongyerth, der "Intendant" des "Deutschen Landestheaters" in Hermannstadt, ein langjähriger Weggefährter und Gesinnungsgenosse von Heinrich Zillich.
4. Wahrscheinlich Dr. Otto Rudolf Ließ, der auch Schriftleiter der Propagandazeitschrift "Volk im Osten" war.


Kritische Blätter zur Geschichtsforschung und Ideologie


Datei: Dimension17.html               Erstellt: 01.11.2006   Geändert: 21.011.2006 Autor und © Klaus Popa


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