"Wenn die Daten und Fakten der Wirklichkeit entsprechen..."
Provided Data and Facts correspond to Reality...

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"hat jede Herumduselei zu verstummen." So formuliert Hans Bergel zu Beginn seiner Stellungnahme zu Prominente ohne Maske. Tausend Lebenslaeufe bekannter Zeitgenossen, 1984 in Muenchen vom Publizisten Gerhard Frey herausgegeben (Bergels Besprechung in Suedostdeutsche Vierteljahresblaetter, 34. Jg., 1984, S.160f.). Das Buch konfrontiert Bergel zunaechst mit einer Fuelle Fragen wie: "[...] ist die Lektuere [...] als was zu bezeichnen? Als amuesant? Als ekelerregend? Als nicht anders erwartet? Oder ganz schlicht als: aufschlussreich?" Im weiteren Verlauf seiner Betrachtungen entscheidet sich Bergel fuer Ekel, Widerwillen, Abneigung, in einem Wort fuer "Erbrechen", wobei er letzteres in Verbindung mit der Haltung ehemaliger "Weihrauchnazis", die in Freys Buch zu Wort kommen, als "heilsam" empfindet. Bergels Reaktion auf dieses "besondere" Buch, "dessen Mitteilungen wie Brechmittel auf einen wirken" sollen, darf als unverhaeltnismaessige Ueberreaktion zu dem, was er am Buch anstoessig befindet, bezeichnet werden.

Was stoert Bergel denn an den Aussagen dieses "Nachschlagewerks"? Aus dem vorwurfsvollen Ton gegen einige der hier vertretenen "Zeitgenossen" wie Henry Nannen, Luise Rinser und Werner Hoefer ist zu entnehmen, dass der Rezensent den "Zeigenossen" veruebelt, sich oeffentlich zu ihrer Nazivergangenheit bekannt zu haben. Das zum einen. Seine Missbilligung erreicht ihren Hoehepunkt zum anderen darin, dass er keinerlei Verstaendnis fuer den Wechsel der Genannten von ihrem eindeutig braunen Standort auf die "andere Seite" des politischen Spektrums aufbringen kann. Bergel schreibt wort-woertlich: "Und man kann sich des Gefuehls nicht mehr erwehren, dass ehemals eindeutig Braune heute nur deshalb so gnadenlos nazifeindlich sind, weil sie es dem Nationalsozialismus nie und nimmer verzeihen koennen, dass er nicht dennoch den Endsieg errang". Dieser fragwuerdige, verwirrende Erklaerungsversuch bezichtigt die Selbstenthueller des ideologischen Masochismus und unterstellt, dass deren Hinwendung zur Vergangenheitsbewaeltigung aus einem unerbittlichen Hassgefuehl gegenueber dem Nationalsozialismus entspringe, der sich des Endsieges nicht faehig erwies. Die "Zeitgenossen" fuehrten also einen privaten, aber auch von linkspolitischen Erwaegungen gepraegten Rachefeldzug  gegen die nationalsozialistische Vergangenheit.

Bergels Versuch, seine Ablehnung und sein Unverstaendnis fuer genannte "Zeitgenossen" zu begruenden, wird nun explizit:

[...] nicht, dass sie Nazis "brennenden Blutes" waren, erscheint in diesem Zusammenhang mit Abscheu anmerkenswert, sondern vielmehr, dass sie nach 1945 so taten, als seien sie seit eh und je, gleichsam schon im Mutterleib, unbeirrbare Antinazis oder gar so etwas wie Widerstandskaempfer gewesen, und dass sie sich seither bis heute in dieser verlogenen Rolle halten und in ihr schamlos vor die Oeffentlichkeit treten.
Die Moeglichkeit, dass die angeprangerten "Zeitgenossen" von ihrer eigenen Entscheidungsfreiheit Gebrauch machten, als sie sich zum Schritt an die Oeffentlichkeit entschlossen, gibt es fuer Bergel nicht. Er laesst hier den leisen Verdacht mitschwingen, dass das nur das Ergebnis einer Verschwoerung von links sein kann. So heisst es ueber Werner Hoefer, er habe als "pastoraler "Fruehschoppen"-Vergangenheitsbewaeltiger" eine "massiv linke(r) Schlagseite im bundesdeutschen Fernsehen."

Es ergibt sich die Doppelfrage, ob es die Art der Vergangenheitsbewaeltigung, welche die ins Buch Freys aufgenommenen "Zeitgenossen" praktizieren oder der Prozess der Vergangenheitsbewaeltigung als solcher es ist, den Bergel beanstandet. Die Antwort faellt in beiden Punkten positiv aus.

Bergel setzt seine Kritik insgesamt falsch an, weshalb sie auch von der Hand zu weisen ist. Statt die Ueberwindungskraft und die Bereitschaft der Portraetierten, sich zu ihrer braunen Vergangenheit unverhohlen bekannt zu haben, mit anerkennenden Worten zu begruessen, verteufelt Bergel sowohl die Personen wie auch den Bewaeltigungsprozess, weil dieser nicht nach seinen Vorstellungen erfolgt.

Bergels Stellungnahme verurteilt und verdammt, schlaegt aber keine Alternative vor, weder zur Vergangenheitsbewaeltigung noch zum Personenkreis, dem sie zustehen koennte, weil er den bundesdeutschen Verstrickten, die den Mut dazu aufbrachten, die Berechtigung dazu abspricht.

Die ehemals fanatischen Nationalsozialisten, die sich in aller Oeffentlichkeit zu ihrer Vergangenheit bekennen, bezichtigt Bergel, nicht nur "Nazi-Mitlaeufer und Nazi-Profiteure" gewesen zu sein, sondern ins linke Lager gewechselt zu sein, weil sie "seit Kriegsende in messianischer Attituede demonstrativ auf der anderen Seite vor der Oeffentlichkeit stehen [...]."

Bergel listet drei Moeglichkeiten auf, mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit umzugehen, wovon die dritte des "auf der anderen Seite vor der Oeffentlichkeit stehen" bereits angesprochen wurde. Es gibt laut Bergel noch die Moeglichkeit, dass sich "ehemalige(r) Durchschnitts-Nazi(s)" zu ihrer Vergangenheit ohne Aufhebens bekennen, indem sie sich "kuenftig in Zurueckhaltung ueben", was er durchaus begruesst. Es gibt auch die Moeglichkeit "heute noch auf Nazi-Positionen" zu beharren und dies kundzutun, so dass man zumindest weiss, "woran mit ihm ist". Bergel besteht also auf Klarheit, die er im Fall des Wechselns auf die andere Seite nicht nur vermisst, sondern ekellerregend empfindet. Doch die Variante, die Bergel am ehesten teilt, verschweigt er geflissentlich, naemlich die betraechtliche Erfahrung der Rumaeniendeutschen im Totschweigen nationalsozialistischer Verirrungen und Verwicklungen. Bei diesen Deutschen funktionierte das "Schweigegeluebde" im Jahr 1984 genauso einwandfrei wie auch heute, 66 Jahre nach Kriegsende.

Die hier auseinandergesetzten Gesichtspunkte, die Bergels Stellungnahme zu Gerhard Freys Buch bestimmen, weisen auf zumindest zwei Understatements: auf die sich aus dem Schweigegeluebde ergebende Moeglichkeit, an seinem nationalsozialistischen Glauben im stillen bis zum letzten Atemzug festzuhalten; zum anderen begruesst es Bergel im Stillen, dass andere, naemlich Binnendeutsche, die schwierige Vergangenheitsbewaeltigung auf sich genommen haben, worin er eine willkommene Aussparung seiner eigenen Volksgemeinschaft, der Rumaeniendeutschen, vor allem der Siebenbuerger Sachsen, vor diesem schmerzlichen Prozess erblickt. Damit entbindet sich Bergel von der Notwendigkeit, an seiner eigenen Gruppe fuer die unterbliebene Vargangenheitsbewaeltigung Kritik ueben zu muessen. Eine recht bequeme Loesung!



Meine Email: [email protected]

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Datei: Daten. html      Erstellt: 01.-02.12.2000   Geaendert: 02.11.2005    Autor und © Klaus Popa

 

 
 
 
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