Bemerkungen und Befunde
Suedostforschung im Schatten des
Dritten Reiches. Institutionen - Inhalte - Personen
(= Suedosteuropaeische
Arbeiten 119), hg. von Mathias Beer u. Gerhard Seewann. Muenchen: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2004

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Allgemeine Feststellungen oder Das-sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen

            Mathias Beer, der eine Organisator der zwischen dem 24. und 26. Oktober 2002 in Muenchen mit dem Anliegen der „Historisierung der Suedostforschung„ befassten Tagung der „Suedostdeutschen Historischen Kommission„ reklamiert in Verbindung mit den zahlreichen methodischen und thematischen Versaeumnissen die „Anerkennung als eigenes Fach„ , worum sich die „deutschsprachige Geschichtswissenschaft zu Suedosteuropa„ bemueht (S.25). Es sind ernsthafte Zweifel angesagt, dass mit dieser Tagung und dem nun 2 Jahre danach vorliegenden Tagungsband das bisherige NISCHENDASEIN der  „deutschen historischen Suedosteuropa-Forschung„ durchbrochen wurde. Das liegt hauptsaechlich daran, dass man sich solange von der bisher auf thematischer Ebene gepflegten Selbstreferenzialitaet nicht losloesen wird, bis man sich weiterhin der Tradition einer „deutschen historischen Suedosteuropa-Forschung„ verpflichtet fuehlt. Letztere habe sich laut Beer als  „auf die deutsche Geschichte in Suedosteuropa ausgerichtete Suedostforschung„ (S.26) zu einem spaeteren Zeitpunkt konstituierte. 

            Die Notwendigkeit der Historisierung der „deutschen historischen Suedosteuropa-Forschung„ ist unbestreitbar, doch ist ihr kaum Erfolg beschert, wenn sie nicht Hand in Hand mit der Historisierung auch des Nationalisierungs- und Nazifizierungsprozesses der „deutschen Geschichte in Suedosteuropa„, d.h. der dort angesiedelten deutschen „Volksgruppen„ erfolgt.

            Die Muenchner Tagung und der vorliegende Band belegen indessen, dass die „deutsche Suedostforschung„ sich durch die von M. Beer programmatisch vorgegebene Historisierungsaufgabe ihrer selbst und der „deutschen Suedost-Historiografie„ anhand der von Willi Oberkrome vertretenen Kontextualisierungsmethode den Zugang gerade zur „volksdeutschen„ Komponente verbaut, zumal Beer sich von dieser Vorgehensweise eine „ganzheitliche Betrachtung„ verspricht, die die einzelnen Phasen der Suedosteuropahistoriografie, „wie sie von den politischen Zaesuren 1918, 1933, 1939 und 1945 markiert werden, nicht isolier betrachtet„ und dadurch „eine Verinselung der Forschung, d.h. insbesondere eine ausschliessliche Fixierung auf die Zeit des Nationalsozialismus vermieden werden kann„ (S.36). Damit ist die Halbmaessigkeit der Beerschen Programmatik entschluesselt: die „Kritische Reflexion von Traditionen„ , die Herausstellung von sogenannten „Denkstilen„ (S.38) bleibt auf die Geschichte der „deutschsprachigen Geschichtswissenschaft um Suedosteuropa„ und auf die „deutsche historische Suedosteuropa-Forschung„ beschraenkt und klammert in gekonnter Weise die „deutsche Geschichte in Suedosteuropa„ , d.h. die Geschichte der deutschen „Volksgruppen„ in den einzelnen suedosteuropaeischen Staaten aus. Es bleibt damit beim „Sonderweg„ nicht nur „innerhalb der Geschichte der deutschen Historiographie„ (Beer, S.16), sondern auch bezueglich der in Suedosteuropa beheimateten „Volksdeutschen„ , die Beers Konzept aus der Verantwortung der „Suedostdeutschen Historischen Kommission„ und der dort zusammengeschlossenen Institute und Einzelpersonen entlaesst. Das weist allzu eindeutig darauf, die „Volksgruppenhistoriografie„ der Zustaendigkeit von Vertriebenen- und landsmannschaftlichen Einrichtungen zu ueberlassen.

            Das ist die eine gravierende Konsequenz der Beer-Programmatik; die andere ist, dass Beer das Suedostinstitut in Muenchen und alle anderen Institutionen, die sich mit der Geschichte des europaeischen Suedostens befassen, aus der Verantwortung entlaesst, fuer die nach wie vor stringente Veroeffentlichung von Dokumentensammlungen direkt zustaendig zu sein, naemlich von Dokumenten, die den Nationalisierungs- und Nazifizierungsprozess der deutschen Minderheiten in Suedosteuropa, der sogenannten „Volksgruppen“, reflektieren. Beer schiebt mit seiner progtammatischen Positionierung   auch jeder von der Veröffentlichung von Dokumenten abhängigen Grundlagenforschung den Riegel zu. Die Fruechte dieser Politik zeigen sich darin, dass die „Suedostforschung“ in den zwei Jahren seit der Muenchner Tagung keinerlei Publikation hervorbrachte, die sich als Quelledition oder Grundlagenforschung ausweisen könnte. Im Gegenteil, der hier durchleuchtete Band, doch vor allem das „Lexikon zur Geschichte Suedosteuropas“ stellen den ersten greifbaren Niederschlag der Beer-Programmatik dar. Die Lücken, welche diese Programmatik reissen kann, sind in genanntem Lexikon allgegenwaertig. Getreu dem Postulat Beers,  die Fixierung auf die Zeit des Nationalsozialismus wirke sich auf  „Kontextualisierung“ und „Historisierung“ negativ aus, findet sich im „Lexikon“ kein einziger Artikel, der die Nationalisierung und Nazifizierung der Deutschen in Suedosteuropa thematisiert. Aus demselben sueffisanten „Forschung“-Konzept Beers entspringt auch die absolute Entpersonalisierung des „Lexikon“, obzwar dieses Manko in recht fadenscheiniger Weise damit begründet wird, dass es das „Biographische Lexikon zur Geschichte Suedosteuropas“ (erster Band 1974) bereits gibt, das aber den Standards der heutigen Zeitgeschichte in keiner Weise entspricht, weil es peinlich darauf erpicht ist, jeden Verdacht nationalistisch-voelkisch-nationalsozialistischer Hypotheken totzuschweigen (Vgl. unsere Stellungnahme Lexikon zur Geschichte Suedosteuropas. Entgegnung auf eine Rezension ). Die mit Steuermitteln gesegnete institutionalisierte Suedost-„Forschung“ verharrt also auf dem bisher beschrittenen „Sonderweg„ !!!!.

            Die Themenauswahl der Beitraege bewegt sich in Konsequenz zu Beers Vorgaben ausschliesslich auf der Ebene der „deutschsprachigen Geschichtswissenschaft zu Suedosteuropa„ und der „deutschen historischen Suedosteuropaforschung". Dabei artikulieren sich zwei Hauptrichtungen: die auf historische Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit bedachten Autoren und die der Fortschreibung von Verklaerung und Mythisierung der „deutschen Suedostforschung„ als apolitische, „reine Wissenschaft„ verpflichteten Schreiber.

Zu den Beitraegen von Beer und Oberkrome

            Sollte das Instrument der „Historisierung„ im Sinn Oberkromes mit willkuerlich gewaehlten chronologischen und faktenhistorischen (entwicklungsgeschichtlichen) Zaesuren operieren, was der beliebigen Handhabung von „Differenzierungen„ Vorschub leistet, - in der Art und Weise wie Oberkrome die regionalbedingten „Landeskunde„ und „Heimatforschung„ zur „stammesuebergreifenden„ nationalsozialistischen Volkstumsforschung und „Volksgeschichte„ in Gegensatz stellt -, ist der ganze Aufwand ernsthaft gefaehrdet. Oberkromes Begriff der „Kontextualisierung„ verkennt naemlich, dass der landeskundlich/landesgeschichtliche und der volksgeschichtliche Bereich, weil der nationalpatriotischen Motivation und Zielsetzung gleichermassen verpflichtet, nur zwei Seiten derselben Medaille darstellen, wobei der Nationalsozialismus mit seiner Volkstumsforschung den Hoehe- und Endpunkt einer zaesurlosen geistesgeschichtlichen Entwicklung darstellt.

            Solange sich das Bewusstsein nicht durchsetzt, dass die Dynamik und Entwicklung von voelkisch-nationalsozialistischer Volkstumsforschung und Volksgeschichte nicht von postmodernistisch angehauchten „Denkstilen„ (Beer S. 38; Oberkrome S.40) vorgegeben und gepraegt wurde, sondern von bis zur Fanatisierung fortschreitender Politisierung und Ideologisierung, also von zunehmender Irrationalitaet und einem Prozess fortschreitender Irrationalisierung, die das Credo von Einzelpersoenlichkeiten und Interessengruppen beherrschten, wird auch die Einsicht und Erkenntnis unmoeglich sein, dass neben opportunistisch-karrieristischen Verhaltensmustern es hauptsaechlich die vom „deutschen Gedanken„ gespeiste Ideologie war, die das Ueberzeugungspotential fuer Ergebenheit und Dienstfertigkeit unter Herausbildung besonderer Formen des Aktivismus lieferte. Damit ist die Problematik der Taeterforschung angesprochen, die in der deutschen Suedosteuropahistoriografie absolutes Neuland darstellt und die nur in zwei Tagungsbeitraegen vertreten ist (Promitzer, Taeterwissenschaft; Fahlbusch).

Einzelbeitraege

            Gerhard Seewanns Beitrag „Das Suedost-Institut 1930-1960„ (S.49-92) ist in der Hauptsache institutionsgeschichtlich ausgerichtet, beinhaltet aber auch umfangreiche personengeschichtliche Angaben. Seewann raeumt mit dem Mythos um den Hauptgeschaeftsfuehrer und spaeteren Leiters des Suedost-Instituts in Muenchen, Fritz Valjavec, auf, nur der apolitische, „reine Wissenschaftler„ gewesen zu sein, „der sich nur zwangsweise an uebermaechtige Strukturen angepasst habe, ja sogar in innerer Opposition anpassen musste„ (S.77). Seewann weist naemlich nach, dass Valjavec sich bestehenden Strukturen des Deutschen Reiches, sei es auf parteipolitischer (NSDAP, SS) oder auf wissenschaftlicher Ebene (Forschungsinstitute, Forschungsgemeinschaften, Hochschulen) hervorragend bediente und selber neue Strukturen wie Netzwerke von Vertrauenspersonen und Verbindungsleute im Rahmen der nationalsozialistischen „Gegnerforschung„ ins Leben rief.

            Beispiele von Historisierung der Suedostforschung bezogen auf ausgewaehlte Regionen Suedosteuropas (Untersteiermark, Oberkrain) unter Hervorhebung der von den Nazís vorgenommenen Bevoelkerungstransfers liefern Christian Promitzer („Taeterwissenschaft: das Suedostdeutsche Institut in Graz„, S. 93-113) und Isabel Heinemann  („Die Rassenexperten der SS und die bevoelkerungspolitische Neuordnung Suedosteuropas„ , S.115-122), wobei letzter Beitrag die der Bevoelkerungsumschichtung vorangehenden „rassenbiologischen„ Erhebungen thematisiert. Promitzers Beitrag ist gleichzeitig institutionsgeschichtlich ausgerichtet.

            Die „deutsche Suedost-Forschung„ auf rassenpolitischer Ebene behandelt Christian Toechterle (»Wir sind die „Dinarier„ – der europaeische Suedosten in den rassentheoretischen Abhandlungen vor und im Dritten Reich„ (S.159-174).

            Eine substantielle Bereicherung der Tagung und des Tagungsbandes stellt Michael Fahlbuschs Beitrag „Im Dienste des Deutschtums in Suedosteuropa: Ethnopolitische Berater als Tathelfer fuer Verbrechen gegen die Menschlichkeit„ (S.175-214) dar, weil hier ausser der auch in anderen Beitraegen des Bandes praesenten Offenlegung bisher unbekannter Quellen das NS-Engagement verschiedener „Ostforscher„ als Objekt der Taeterforschung behandelt wird. Fahlbusch betont, dass der Beitrag dieser Forscher an den verbrecherischen Vorhaben des Dritten Reichs an den „Folgen der „praktisch angewandten„ Forschungen„ und an den damit verbundenen „moralischen Kriterien„ zu messen sei (S.182). So erweisen sich die ausfuehrlich behandelten Suedost- und Ostforscher Wladimir v. Poletika, die Angehoerigen des Sonderkommandos Dr. Stumpp; Wilfried Krallert und Fritz Valjavec als von der NS-Ideologie ueberzeugte, zielbewusste Akteure im Interesse der verbrecherischen, menschenverachtenden Expansionspolitik des Dritten Reiches, als TATHELFER, die in ausgekluegelte institutionelle und personelle Netzwerke integriert waren und im Namen ihrer jeweiligen Reichsbehoerden oder Forschungsinstitute die eingeforderte In- und Exklusion ganzer Menschengruppen theoretisch und praktisch umsetzten. Fahlbusch schliesst daraus folgerichtig auf die Rolle der voelkischen Wissenschaften im Rassismus der Moderne und auf die Bedeutung der Deutschtumsforscher fuer die Raum- und Bevoelkerungspolitik der Nationalsozialisten in den besetzten Gebieten Ost-, Suedost- und Westeuropas.

            Norbert Spannenberger („Vom volksdeutschen Nachwuchswissenschaftler zum Protagonisten nationalsozialistischer Suedosteuropapolitik. Fritz Valjavec im Spiegel seiner Korrespondenz 1934-1939„ (S.215-235)) versucht, den Hauptexponenten der „deutschen Suedost-Forschung„ bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als „kaempfenden Wissenschaftler„ zu portraetieren und stellt Valjavecs opportunistisches Koennen, seine Gabe Menschen, selbst seine ehemaligen Gefaehrten aus Suedosteuropa zu instrumentalisieren, seine Taetigkeit als „Wissenschaftsmanager„ dar, der seine studentische Zutraegerschaft und seine suedosteuropaeischen Kontakte im Sinne der deutschen Kriegsvorbereitungen ab 1937 verstaerkt zur Beschaffung strategisch relevanten statistisch-wirtschaftlichen und politischen Materials abschoepfte. Diese Eigenschaften und Aktivitaeten entsprachen durchaus den totalitaeren Gefuehls- und Denkgewohnheiten, die Valjavec bereits in Ungarn und ab 1930 verstaerkt im Deutschen Reich entwickelte, woraus auch seine Gabe herruehrt, Kraefte zusammenzufuehren und fuer die „gemeinsamen„ Ziele des „Deutschtums„ einzusetzen.

            Dieser allgemeinen Linie der Offenlegung und Klarstellung stehen zahlreiche Textstellen abtraeglich gegenueber, die entweder auf Spannenbergers Unschluessigkeit im Umgang mit der Materie oder auf blosse Fehlinformation zurueckgefuehrt werden duerfen. So uebernimmt Verfasser den relativierenden und verharmlosenden Standpunkt von Karl Nehring vorbehaltlos, das Konzept von Valjavec ueber die Geschichte der suedosteuropaeischen Staaten und der Deutschen in diesen Laendern habe „eine Relativierung der deutschen Kulturtraegerideologie bedeutet„ (S.220), ohne sich vergewissert zu haben, dass die von Valjavec der Institutszeitschrift „Suedostdeutsche Forschungen„ (spaeter „Suedost-Forschungen„) zugrunde gelegte Ausrichtung wie auch seine spaeter zu mehreren Baenden angeschwollene Schrift ueber die deutschen Kultureinfluesse im europaeischen Suedosten eindeutig der „Volks- und Kulturboden„-Dogmatik verhaftet sind.

            Spannenberger nimmt sich auch nicht die Muehe, den von Valjavec benutzten Euphemismus von „planmaessiger deutscher Suedostarbeit„ zu beleuchten (S.221); ebenso bedeckt verhaelt sich Spannenberger in Verbindung mit Kleo Pleyer, mit dem Valjavec eine intensive Korrespondenz fuehrte. Ingo Haar bemerkt, Pleyer habe „bis 1935 wie kein anderer Historiker die zentralen Einrichtungen der im „Volkstumskampf„ stehenden Geschichtswissenschaft„ durchlaufen (Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der „Volkstumskampf„ im Osten, S.255). Spannenberger vermeidet es auch, den betonten Antimagyarismus von Valjavec namentlich zu machen (S.224). Auf lueckenhafte Hintergrundkenntnis weist die Meinung Spannenbergers, „die in der Fachliteratur oft ignorierte Tastache [...], dass die nationalsozialistische Volkstumspolitik keine monolithische Einheit bildete„ (S. 225-226), weil es sich nur um eine Oberflaechenerscheinung handelt, die mitnichten zur Behauptung berechtigt, die aelteren Volkstumseinrichtungen und Stellen wie VDA, DAI und AA. seien minder paranoid in ihrer Deutschzentriertheit als die SS einzustufen. Spannenberger bleibt auch fuer die Behauptung die Erklaerung schuldig, wieso die Befassung von Valjavec mit der „Sudetenfrage„ , mit der ungarischen NS-Bewegung, dem Burgenland und Tirol „mit der Volkstumspolitik nichts zu tun„ habe (S.233).

            Von den weiteren Beitraegen, die der Historisierung von Institutsgeschichte gelten, ist der Aufsatz von Christian Morrissey „Das Institut fuer Heimatforschung in Kaesmark (Slowenien) 1941-1944„ (S. 115-122) quellenmaessig solide, was von Harald Roths „Wissenschaft zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus. Vom Forschungsinstitut der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien zum Forschungsinstitut der Gesellschaftswissenschaften der Rumaenischen Akademie„ (S.123-133) in keiner Weise gelten kann (Ausfuehrlich dazu Wenn die Feder eines Propagandafunktionaers zuschlaegt !
Der Verdraengungs- und Verweigerungsdiskurs als Irrefuehrung und Geschichtsfaelschung ).  Roth erweist sich als apologetisch-geschichtsrevisionistischer Schreiberling, der mit unbekuemmertem Desinteresse alle quellenmaessig ueberlieferten Gewissheiten unterschlaegt, die nicht in sein Bild vom Nationalsozialismus der Siebenbuerger Sachsen passen. Statt aus vorhandenen Quellenbelegen historisch ableitbare Tatbestaende zieht Roth es vor, mit Gemeinplaetzen, Beilaeufigkeiten und Spekulationen zu hantieren und Informationen aus dem Hoerensagen zukolportieren. So ist es nicht verwunderlich, dass dieser Verfasser die eindeutig vom Rassenwahn gespeisten Publikationen des „Forschungsinstituts der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien„ verharmlost und das aktive NS-Engagement dieser Einrichtung und ihrer Wissenschaftler dadurch entschaerft, dass er hoechstens „deutschnationale„ Einschlaege, ansonsten in der Hauptsache die seit einem Jahrhundert bestehende gediegen-wissenschaftliche Forschungsweise der Siebenbuerger Sachsen erkennen moechte.

            Ein aehnlich gepoltes Historisierungs(un)verstaendnis teilen auch Gerhard Grimm („Georg Stadtmueller und Fritz Valjavec. Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung„ , S.237-255), Krista Zach („Friedrich Valjavec und seine privaten tagebuchartigen Aufzeichnungen (1934-1946)„ , S.257-273) und Edgar Hoesch („Suedostforschung vor und nach 1945„ , S.275-286).

            Hoesch bietet einen Verharmlosungsdiskurs, der sich durch Oberflaechlichkeit auszeichnet und sich relativierender, lavierender Wortklauberei bedient. So handle es sich bei Valjavec um „Irrungen und Wirrungen„ (S. 275), um „ausgepraegte(n) kirchlich-religioese Ueberzeugungen„ aus der Familienueberlieferung. Valjavec sei der Volkstumsforschung nur „nahegestanden„ (S. 283). Auch habe er unbestreitbare „bleibende Verdienste um das Fach„ (S. 283). Damit stellt Hoesch unter Beweis, dass er an den archivalischen Belegen, die gerade das Gegenteil belegen, kein Interesse hat, hingegen daran, die bisherige Mythenbildung um Valjavec noch um weitere Mythen zu bereichern. Hoeschs Intention duerfte einleuchten: er moechte Valjavec, der nicht mehr zu retten ist, trotzdem retten. Auch Grimm strickt am Mythos Valjavec weiter. Er hebt den festen katholischen Glauben von Valjavec hervor (S.237), er portraetiert Valjavec als „reinen Wissenschaftler„ („Aus den seinerzeit veroeffentlichten Buechern und Aufsaetzen von Valjavec laesst sich keine Verbeugung vor dem nationalsozialistischen Gedankengut erkennen„ (S. 249)); in einem nur in 50 Exemplaren verbreiteten Privatdruck von 1941 bringe Valjavec seinen „Kulturpessimismus„ zum Ausdruck (S. 255 und Anm. 82 daselbst; „Kulturpessimismus„ will auch Krista Zach in den handschriftlichen Aufzeichnungen Valjavecs aus dem Jahr 1934 erkennen (S. 264)). Valjavec sei laut Grimm nur „schillerend„ gewesen (S. 253) und habe nur „den formalen Tribut als Hochschullehrer und Kriegsdienstverpflichteter geleistet"„(S. 255). In Verbindung mit den Angaben ueber die Einbindung von Valjavec in die Beschlagnahmung von Buechern waehrend seines Czernowitzer Aufenthaltes im Jahr 1941 bemerkt Grimm recht neutral, es habe sich wahrscheinlich „um Beschaffung von Buechern fuer das Muenchner Suedost-Institut und fuer die in Prag gegruendete Reinhard-Heydrich-Stiftung" gehandelt (S. 251-252), wo es zutreffender gewesen waere von im Namen der SS, deren Dienstgrad Valjavec auch trug, gefuehrten Buecherraub zu sprechen.

            Krista ZachsText entpuppt sich als ueberarbeitete Fassung eines Gutachten fuer die vom Sohn Valjavecs fuer den Druck fertiggestellten, recht lueckenhaft ueberlieferten „Aufzeichnungen„ (Zachs Text schliesst mit der Empfehlung: „Die Veroeffentlichung der Aufzeichnungen von Fritz Valjavec ist daher nachhaltig zu empfehlen„ (S. 273)). Zach fordert zwar zurecht eine „quellenkritische Analyse„ des Textes, unter Beachtung der „erforderlichen Kontextualitaet„ bzw. ihrer Herstellung, falls sie durch „bereits vorhandene ideologisch gepraegte Denkschemen„ gestoert sein sollte, fuegt aber relativierend hinzu, „der derzeitige Wissensstand„ sei dafuer „noch zu schuetter„ (S. 259-260). Wohl aus Ignoranz einschlaegiger Archivunterlagen, die Valjavec als engagierten Nationalsozialisten und gewieften Propagandisten des Dritten Reichs ausweisen, verbreitet Zach den Mythos, „nach dem bislang vorhandenen Quellenmaterial„ erschienen die „Positionierungen von Friedrich Valjavec„ „oft widerspruechlich„ (S. 260). Demselben Valjavec-Bild kommt zugute, dass sie aus gewissen Eintragungen auf eine ironische Distanznahme Valjavec's zu den Geschehnissen im Hitlerreich schliessen moechte („aetzende Kommentare„ , „Spekulationen auf den baldigen Sturz der NS-Regierung„ (S. 265); die Einstufung der Arbeit von Fischer als „volksdeutsch„ will Zach als „abschaetzige„ Bemerkung Valjavecs auslegen (S. 266)).

            Eindeutige Falschangaben zu Valjavecs Aufzeichnungen und Faelschungen des Aufzeichnungstextes erkennt Zach nicht als solche. Valjavec gibt naemlich an, von 1933-1938 „Anwaerter der NSDAP„ gewesen zu sein, ohne in die „Partei„ aufgenommen, noch vereidigt worden zu sein (S. 270, Anm. 72), obwohl die im Bundesarchiv-BDC vorliegenden Dokumente seine Parteimitgliedschaft und Taetigkeit als Blockwart der NSDAP im Muenchen dieser Zeit belegen. Etwaige Anhaltspunkte fuer die nachtraegliche Faelschung von Tagebucheintraegen durch Valjavec in den von Zach selbst gelieferten Textproben bleiben der „Gutachterin„ verborgen. Zach erblickt entgegen jedem chronologischen Verstand in den Eintragungen vom 11. Maerz 1942 und 9. Maerz 1943 nichts Anstoessiges, dass Valjavec der wiederholten Aufforderung in die SS einzutreten, mit der „ausfluechtigen Ausrede„ begegnet sei, er sei „mit Arbeit ueberlastet„ (S. 269). Auch darin nicht, dass er angeblich wegen dieser Weigerung erst 1942 fuer eine ausserordentliche Professur an der Auslandwissenschaftlichen Fakultaet der Universitaet Berlin vorgesehen gewesen sein. Valjavec will am 12. Oktober 1942 notiert haben, Hans Joachim Beyer von der Deutschen Universitaet Prag habe ihm „noch vorgestern„ mitgeteilt, dass die Parteizentrale den Einspruch gegen seine Ernennung zum Professor zurueckgezogen haette, nachdem sie ihm u.a. vorgeworfen haben soll, er habe sich geweigert in die SS einzutreten usw. usf. (S. 270). Valjavecs Faelschung ist daran festzumachen, dass er ab Juli 1941 mit dem Grad eines SS-Untersturmfuehrers in der Bukowina diente (Zu Valjavec vgl. Fritz Valjavec (1909-1960) oder »Ueber die "deutsche Wissenschaft" als nachrichtendienstliche Aufklaerungsarbeit« ).

        Das zweifelhafte Niveau von Beitraegen, die im Stil von Krista Zach und Harald Roth gehalten sind, bringen den Tagungsband aus dem Lot, wobei auch dezidierte Einwaende anderer Beitrager die dadurch entstandene Schieflage und die Qualitaetseinbussen nicht ausgleichen koennen (So bezeichnet Seewann die von Zach in „Die Anfaenge der deutschen Suedosteuropaforschung„ im Rahmen einer historischen Diskursanalyse der Begriffe „Suedosteuropa„ oder „Suedost„ getroffenen Einschaetzung, Suedosteuropa sei ein „wertneutrale(r) und moderne(r) Oberbegriff„ als abwegig (S. 78, Anm. 97)).



Die Rezension des Buches Suedostforschung im Schatten des Dritten Reiches. ... auf HSoz&Kult der Humboldt-Universitaet Berlin.

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Datei: Befunde.html                   Erstellt: 05.01.2005   Geaendert: 08.04.2006 Geaendert:                           Autor und ©right K laus Popa

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