Mathias Beers Doppelstrategie der "historisierenden Kontextualisierung"


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            Als einige Monate nach der Tagung der Suedostdeutschen Historischen Kommission in Muenchen (24. - 26. Oktober 2002) ein Tagungsbericht auf dem Historikernetz der Humboldt-Universitaet in Berlin veroeffentlicht wurde, aeusserten sich die "Kritischen Blaetter ... " dahigehend, dass Mathias Beer die "Kontextualisierungs"-Methode von Willi Oberkrome theoretisiere, um ein Instrument zu schaffen, womit von der Dringlichkeit der bisher nicht erfolgten Historisierung der NS-Geschichte der "Suedostdeutschen"  abgelenkt und die brisante Thematik durch Einschaltung willkuerlich gewaehlter Zaesuren beschwichtigt und verwaessert werden soll. Jetzt, da der Tagungsband vorliegt [die Stellungnahmen der "Kritischen Blaetter ...": Bemerkungen und Befunde. Suedostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen - Inhalte - PersonenWie Geschichtsrevisionismus weiterhin salonfaehig gemacht wird; Wenn die Feder eines Propagandiafunktionaers zuschlaegt !], fanden diese frueheren Feststellungen volle Bestaetigung und es wurden weitere Zielrichtungen und Konsequenzen der Beerschen Propagammatik greifbar.

            Bereits der Nachdruck, mit dem der kulturpolitische Stratege Beer darauf besteht, dass mit dem Historisierungsaufwand in suedosteuropaeischem Kontext "eine ausschliessliche Fixierung auf die Zeit des NS vermieden"  werden muesse, um quasi eine "Verinselung der Forschung" zu vermeiden und eine "ganzheitliche Betrachtung" zu gewinnen" (Wege der Historisierung der Südostforschung. Voraussetzungen, Ansaetze, Themenfelder, S. 7-38, hier S. 36) machte uns hellhoerig.

            In der Tat erweist sich diese Einforderung Beers in Verbindung mit seiner strikten Trennung von "deutscher historischen Suedosteuropa-Forschung", "Suedostforschung" und "deutscher Geschichte in Suedosteuropa"  und gekoppelt mit der Historisierung NUR der beiden ersten Bereiche unter Anwendung der Kontextualisierung (Im Unterkapitel "Was ist aus historiografischem Blickwinkel unter Suedosteuropaforschung zu verstehen ?, S. 22-34) als Ausklammerung, also Vernachlaessigung des dritten Bereichs, der Geschichte der sogenannten "Suedostdeutschen". Letzteres geschieht, obwohl Beer darauf hinweist, dass "die deutsche Geschichte in Suedosteuropa" der Rahmen war fuer die sich spaeter konstituierende "deutsche historische Suedosteuropa-Forschung" S. 26).

            Dazu sei bemerkt, dass Beers Konzept, nur der "Suedostforschung" und der "deutschen  historischen Suedosteuropa-Forschung" Gewicht zu verleihen, im "Lexikon zur Geschichte Suedosteuropas" (2004) seine getreue Anwendung findet, in dem die Geschichte der "Volksdeutschen Suedosteuropas" insgesamt ignoriert wird (Dazu unsere Kritik in Lexikon zur Geschichte Suedosteuropas. Entgegnung auf eine Rezension ).

            Es duerfte jedermann einleuchten, dass Beers Strategie der unausgesprochenen, aber beabsichtigten, arbeitsteiligen Abgrenzung der Zustaendigkeiten in der Suedostforschung gilt. Deshalb soll(en) - und hier bringt Beer wiederum einen Katalog von desiderata vor:

        a) die waehrend der NS-Zeit wirkenden Historiker in die "Tradition" gestellt werden,  aus der sie herkommen;
        b) das "quantitativ und qualitativ ganz unterschiedliche Engagement fuer das nationalsozialistische Projekt" eher als "Ausdruck der traditionellen Staatsnaehe deutscher Historiker" gesehen werden, denn als "Entgleisung" und

        c) "die bereits gegebene unproduktive Polarisierung der notwendigen Diskussion um das nationalsozialistische und alle anderen Kapitel der deutschen Suedosteuropahistoriographie" vermieden werden (S. 37-38); auf diesen Voraussetzungen soll folgender Zustand erreicht werden:

um in absehbarer Zeit nicht nur zu einer Historisierung des NS, sondern auch zum selbstverstaendlichen Einbeziehen der Geschichte der Geschichtswissenschaft waehrend der NS-Zeit in die Geschichte der deutschen Suedosteuropahistoriographie im besonderen und der Suedosteuropaforschung im allgemeinen zu kommen (S.38).
    Die Geschichte der suedostdeutschen Volksgruppen, deren Erforschung durch die eigentlich zustaendigen und reichlich mit Steuergeldern ausgestattenen "Einrichtungen" sucht man in Beers Aufzaehlung vergebens. Darueber kann auch die von Beer miteinbezogene "Historisierung des NS" nicht hinwegtaeuschen. Denn im Fall der volksdeutschen Geschichte Suedosteuropas in der NS-Zeit taugt die blosse Historisierung wenig, wenn die der historisierenden Betrachtung zu unterziehenden Texte kaum den Namen von Geschichtswerken verdienen, sofern sie von Verdraengung, Totschweigen, Unterschlagung, von Ressentiments und Geschichtsrevisionismus bedingte und gepraegte Produkte sind. Was soll also im Bereich des Voelkischen und des NS bei den Volksdeutschen Suedosteuropas "historisiert" werden, solange ALLE beauftragten und zustaendigen Einrichtungen, also das "Suedostdeutsche Institut" in Muenchen, das "Donauschwaebische Institut" in Tuebingen sowie das "Institut fuer deutsche Kultur und Geschichte  Suedosteuropa" (vormals "Suedostdeutsches Kulturwerk") in Muenchen, vom sogenannten "Siebenbuergen-Institut" in Gundeslheim am Neckar ganz zu schweigen, es straeflich versaeumt haben,  dokumentarische Grundlagen in Quellenwerken zuzsammenzufassen und die damit verbundene Grundlagenforschung (= Historisierungd es Faktenmaterials) zu betreiben?

                Beers Programm einer "kontextualisierten Historisierung der Suedosteuropa-Forschung" entlaesst folglich in grosszuegiger Weise die aus Steuergeldern des Bundes und der jeweiligen Laender Baden-Wuerttemberg und Bayern finanzierten Stellen der "Suedosteuropa-Forschung" aus der Verantwortung fuer die so "unangenehme" Geschichte des suedostdeutschen Nazifizierungsprozesses und der anschliessenden NS Zeit. Damit reicht Beer diesen stiefmuetterlich behandelten Themenkomplex weiter an die Vertriebenen- und landsmannschaftlichen Einrichtungen, deren "Landeskunde" und "Heimatforschung" alles andere als wissenschaftshistorisch bzw. wissenschaftlich ist. Womit eigentlich alles beim Alten bleibt, mit dem Unterschied, dass Beer in der Manier eines landsmannschaftlichen Kulturreferenten fuer die von ihm selbst vertretene und bediente Sparte staatlich subventionierter Institutionen das Machtwort gesprochen hat ueber die jeweiligen Bereichszustaendigkeiten, wo die beiden Kulturfaktoren der "Suedostdeutschen" im Pakt des Totschweigens vereint, ihre Intention der Apologie und des Geschichtsrevisionismus fuenf Jahrzehnte lang erfolgreich durchzogen und nun mit Beers Segnung weiter durchziehen koennen.

                                F A Z I T

                Was die in Muenchen und Tuebingen betriebene Suedostforschung wirklich braucht, naemlich den Willen zur vorbehaltlosen Offenlegung einschlaegiger Quellen der suedostdeutschen voelkischen und NS-Zeit und die aufrichtige Bereitschaft zur damit verbundenen Grundlagenforschung, kann auch durch das strategische Programm Beers nicht ersetzt werden, so gut intendiert auch einiges darin sein mag. In der "Suedosteuropa-Forschung" Muenchner und Tuebinger Praegung scheint sich die Erkenntnis noch immer nicht eingefunden zu haben, dass theoretische Konstrukte und Methoden erst dann greifen koennen und der erhofftze Erfolg sich erst dann einstellt, wenn die entsprechenden dokumentarischen Grundlagen  geschaffen wurden.



Bei Zitierung: http://people.freenet.de/Transsylvania/Beer.html


Vergleich: Wenn die Feder eines Propagandafunktionaers zuschlaegt !


Eine fruehere Stellungnahme zum Thema: Wie Geschichtsrevisionismus weiterhin salonfaehig gemacht wird


Die Rezension des Buches Suedostforschung im Schatten des Dritten Reiches. ... auf HSoz&Kult der Humboldt-Universitaet Berlin.

Zur Suedosteuropathematik juengst: Lexikon zur Geschichte Suedosteuropas. Entgegnung auf eine Rezension

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Datei: Feder.html                    Erstellt: 16.12.2004           Geaendert:  23.09.2006                   Autor und ©right Klaus Popa

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