Geschichte des Dorfes Schmottseiffen | Seite 16 |
Erlebnisse als jugendlicher | |
"politischer" Häftling | |
bei den Polen |
Bericht von Jugendlichen aus verschiedenen Orten des Kreises Löwenberg.
Unter der polnischen Verwaltung
wurden wir am 14 September 1945 mit noch andern 30 Jugendlichen im Alter von 12-17 Jahren
durch die polnische Miliz ohne Angabe von Grund und Ursache verhaftet und zur Unterkunft
der Miliz gebracht. Am gleichen Tage noch wurden wir durch den Milizkommandanten in
folgender Weise verhört: Jeder wurde einzeln gefragt, ob und wo er Waffen versteckt
hätte und auch nicht wüßte, ob jemand oder evtl. wer solche versteckt hat. Wir wurden
über Stühle gelegt und jeder von 4 Milizmännern mit Gummiknüppeln, Stuhlbeinen,
geflochtenem Kabeldraht und dergl. 3/4 Stunde lang geprügelt. Wand man sich dann in
Schmerzen, klemmte ein Milizer den Kopf seines Opfers zwischen die Beine und ein anderer
trat auf die Füße, damit man sich nicht mehr bewegen konnte. Einigen hat man brennende
Zigaretten in Nase und Ohren gesteckt, die Hände zwischen die Tür geklemmt oder die
Fingerspitzen mit Stecknadeln bestochen. Der Zweck war offensichtlich: Durch derartige
Mißhandlungen hoffte man, falsche Aussagen zu erpressen, um auf diese Weise einen Grund
der Einkerkerung der Opfer zu haben. Am folgenden Tage wurden wir nach der Kreisstadt Löwenberg transportiert, dort in den Kellerräumen des ehemaligen Kreisleitungsgebäudes und später im Gerichtsgefängnis untergebracht. Das Essen bestand hier vier Wochen lang nur aus täglich 2 Tassen Wasser mit etwas Kleie. Brot erhielten wir nicht. Um so mehr gab es öfter Prügel und andere Mißhandlungen. Hierzu folgende Beispiele: Ein Junge wurde mehrmals so lange geschlagen, bis er besinnungslos liegen blieb. Wir anderen mußten dann kaltes Wasser über ihn schütten, bis er wieder zur Besinnung kam. Dann wiederholte sich das gleiche Drama. Von Schmerzen und Durst gequält, wälzte er sich am Hofe und mußte aus den Wasserpfützen seinen Brand stillen. Dieser Junge, dessen Wunden bereits in Fäulnis übergingen, ist in kurzer Zeit gestorben. Ärztliche Hilfe gab es nicht. Öfter waren wir der Willkür betrunkener Posten ausgesetzt. In unsere Zelle kamen des Nachts einmal 3 Posten. Wir waren hier 7 Jungen. Wir mußten uns zu 3 Mann über die Pritsche legen und wurden dann mit dem Gewehrkolben derart auf den Rücken geschlagen, daß nach kurzer Zeit der Kolben entzwei ging. Vor Wut ließen die Polen uns an die Wand stellen und stießen mit dem Gewehrlauf in die vor Angst zitternden Körper. Hierbei wurde einem Jugendlichen ein Lungenflügel losgeschlagen; Er mußte später sterben. Nach etwa 4 Wochen wurden wir einzeln ins Verhör genommen. Man wurde gefragt, ob man dem Werwolf angehörte. Auf die Antwort "Nein, in unserer Heimat bestand kein Werwolf oder eine ähnliche Organisation", wurde der Betreffende sofort über den Tisch gelegt und so lange mit Knüppeln geschlagen, bis er "ja" sagte. Anschließend wurde ein bereits in polnischer Sprache gefertigtes Protokoll zur Unterschrift vorgelegt. Ohne jede Erklärung mußten wir unterschreiben, wenn wir uns nicht noch mehr Mißhandlungen aussetzen wollten. Auf diese Weise wurde von uns eine falsche Erklärung erpreßt. Wir sollten später verurteilt werden. Wir sind jedoch nicht verhört worden, auch ist kein Urteil über uns ergangen. Uns ist auch niemals gesagt worden, weshalb wir hatten so leiden müssen. Anfang Januar 1946 wurden wir nach dem Landgerichtsgefängnis in Hirschberg verlegt. Hier angekommen mußten wir uns zunächst 15 Minuten unter eiskalter Dusche baden. Anschließend bei geöffneten Türen in Zugluft stehen und so auf die entlausten Kleider warten. Wer sich hier eine etwas geschützte Stelle aussuchte, wurde sofort mit Knüppeln geschlagen. Auch in Hirschberg gab man uns noch öfter Schläge und mißhandelte uns auf andere Weise. Bei allem immer großer Hunger! Im September 1946 wurden wir nach Beuthen O/S transportiert und kamen dort wieder in das Gerichtsgefängnis. Hier war die Behandlung etwas besser. Vor allem waren wir nicht so der Willkür der Posten ausgesetzt. Angemerkt sei noch, daß während der ganzen 15-monatigen Haftzeit seitens der polnischen Verwaltung keinerlei Benachrichtigung an unsere Eltern ergangen ist. Die Verpflegung war überall so gering, daß es zum notdürftigsten Leben nicht ausreichte. Einige von uns sind erkrankt und später gestorben. In Einmann-Zellen waren oft 7 bis 8 Jugendliche untergebracht. Lagerstätten gab es nicht, auch keine Decken. Wir mußten auf dem Fußboden liegen und uns mit Kleidern zudecken. Wie oft mußten wir unsere Notdurft in Blechbüchsen verrichten, die dann auch zum Essenempfang wieder verwendet werden mußten! Wir waren fast ständig verlaust und von Krätze geplagt.. Am 5. Dezember 1946 erfolgte plötzlich unsere Entlassung. Ohne Geld und Lebensmittel wurden wir auf die Straße gesetzt. Ein Mann der polnischen Miliz, an den wir uns hilfesuchend wandten, führte uns zur Übernachtung zum Roten Kreuz, holte uns am folgenden Tage wieder ab und brachte uns ins Aussiedlerlager. (Gekürzte Wiedergabe aus:"700 Jahre Liebenthal"). Die vorstehenden Berichte sind mir in Gegenwart Dritter bekundet worden. Hans Georg Stahr. |
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