Carlowitz & Co.
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R. von Carlowitz

Richard von Carlowitz

Bernhard Harkort

Bernhardt Harkort

achdem zu Anfang der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der preußisch=deutsche Zollverein gegründet war, lebte in deutschen Handels= und Industriekreisen der Wunsch und das Bestreben auf, die Erzeugnisse des eignen Landes ohne fremde Vermittlung über die Erde zu tragen und gegen Produkte fremder Erdteile umzutauschen.  In der Hoffnung, in Ostasien neu große Absatzgebiete erschließen zu können, rüsteten 1843 die beiden alten hochangesehenen Leipziger Häuser C. Hirzel & Co. und Carl und Gustav Harkort eine Expedition aus, mit deren Leitung sie zwei junge, erprobte Kaufleute, Herrn Richard von Carlowitz und Herrn Bernhardt Harkort, betrauten.  Trotz großer Schwierigkeiten nahmen diese beiden Pioniere des deutschen Handels mit zäher Energie den Wettkampf mit dem weit vorausmarschierenden England auf und bahnten dem deutschen Gewerbefleiß den Weg nach dem fernen Osten.

Die beiden umsichtigen jungen Leute lösten die Aufgabe zur vollen Zufriedenheit ihrer Auftraggeber.  Sie hatten sich auf den Märkten in Calcutta, Singapore, Batavia, Manila, Shanghai, Chusan, Ningpo, Amoy, Hongkong und Canton umgesehen, die auf der Bremer Bark „Anna und Elisa“ mitgeführte, aus Fabrikaten der sächsischen und rheinischen Textil= und Metallindustrie bestehende, wertvolle Ladung vorteilhaft untergebracht und dagegen allerhand chinesische Produkte eingekauft, die sie ihrem Hause nach Leipzig zuschickten.  Ermutigt durch die Erfolgebegründeten v. Carlowitz und Harkort unter der Firma Carlowitz, Harkort & Co. am 1. Januar 1846 ein eigenes Geschäft in Canton, welchen Platz sie für den im großen Stil beabsichtigten Tauschhandel am geeignetsten fanden.  Herr von Carlowitz war inzwischen zur Wahrung der preußischen und sächsischen Interessen in Canton zum Konsul beider Länder bestellt worden.

Während der ersten zehn Jahre nahm das Unternehmen die erhoffte günstige Entwicklung, bis durch die innerpolitischen chinesischen Verhältnisse und die Belagerung Cantons durch die Engländer eine schwere Zeit über die Firma herein brach.  Naturgemäß blieb auch die schwere wirtschaftliche Krisis der Jahres 1857 in der Heimat nicht ohne nachhaltigen Einfluß auf die Übersee=Geschäfte und auch von den Folgen der in China wütenden Taiping Rebellion wurde die aufblühende Firma schwer betroffen.  Dank des am 24. Oktober 1860 abgeschlossenen Schutzvertrages zwischen England und China, dem wenige Monate später auch der Vertrag, den Preußen mit China für sich selbst und für den deutschen Zollverein abschloß, folgte, traten dann langsam wieder geordnete Verhältnisse ein und die Firma, die seit dem Ausscheiden des Herrn Harkort im Jahre 1856 nur noch Carlowitz & Co. zeichnete, war eine der ersten, die davon Nutzen ziehen konnte.  Die Einrichtung regelmäßiger Dampferlinien zwischen London und Marseilles und China, sowie San Francisco und China trug viel zur Hebung des Handels bei.  Um mit der Konkurrenz, die sich nun in China auszubreiten begann, gleichen Schritt zu Halten, sah sich die Firma im Jahre 1866 veranlaßt, eine Filiale in Hongkong zu eröffnen, deren Leitung der Teilhaber Herr Eimbcke übernahm.  Neben dem Warengeschäft nahm auch das Frachtengeschäft einen ungeahnten Aufschwung und die Firma beteiligte sich sehr stark an den Vercharterungen und Verkäufen von Dampfern und Seglern an der Küste.

Die Eröffnung des Suezkanals 1869 und die Legung des Telegraphenkabels nach Hongkong 1871 brachte eine gewaltige Umwälzung für den gesamten ostasiatischen Handel, welche die Firma Carlowitz & Co. zu ihrem Vorteil zu benutzen verstand.  Auch diente die rege Beteiligung der jeweiligen Inhaber des Geschäftes an der Gründung von Finanzinstituten und gemeinnützigen Unternehmungen dazu, ihren Einfluß auszudehnen.  Um ihren Wirkungskreis in Amerika zu vergrößern, entsandte die Firma ihren Mitinhaber Otto Benecke zu einer damals noch recht beschwerlichen Studienreise nach Nord=, Mittel= und Südamerika, als deren Resultat er viele lohnende Geschäftsverbindungen mit heimbrachte, die zum Teil noch heute bestehen.

Im Jahre 1877 wurde die schon lange gehegte Absicht, eine Zweigstelle in Shanghai zu begründen, in die Tat umgesetzt.  Dank der zentralen Lage Schanghais entwickeltesich das Haus in überraschend kurzer Zeit zum Hauptsitz der Firma.  Nach deinem weiteren Dezennium sah man sich abermals vor die Notwendigkeit gestellt, eine neue Filiale, und zwar in Tientsin, zu eröffnen, welche sich bei der Nähe der Hauptstadt Peking neben dem Warengeschäfte auch den sogenannten Regierungsgeschäften mit Erfolg widmete.  Die Firma vermittelte u. a. die erste deutsche Anleihe des Berliner Bankhauses Robert Warschauer & Co. für den Kaiserlich Chinesischen Haushalt in Peking und  lieferte im Laufe der Jahre an die Zentralregierung und die Provinzialregierungen Münzeinrichtungen zur Prägung von Silber= und Kupfermünzen, ferner Ziegeleien, Papierfabriken, Mehlmühlen, Pulver=Patronen= und Gewehrfabriken, Stahlwerke, Erzaufbereitungsanlagen, elektrische Zentralen usw.  Große Lieferungen von Waffen (Geschützen, Gewehren, Patronen usw.) und von Eisenbahnmaterial (Lokomotiven, Güterwagen, Schienen, Brücken) sowie von Bergwerkseinrichtungen wurden ausgeführt.

Noch ein zweites wichtiges Ereignis brachte das Jahr 1886 mit sich, denn um völlig unabhängig zu sein und zur besseren Überwachung der vielseitigen Geschäfte wurde die Filiale der Firma in Hamburg ins Leben gerufen, von der aus ein wohl=organisiertes System von Agenturen über ganz Europa eingerichtet wurde.

In den achtziger und neunziger Jahren gewann die Verschiffung mittels Segler von Hongkong nochmals große Bedeutung, und sechs bis acht Expeditionen von Seglern im Jahre nach Havre, London und Hamburg, zur Hauptsache mit Cassia lignea (damals noch ein bedeutender Spekulationsartikel in Europa), Gallnüssen, Ingwer, Matten, Feuerwerkskörpern usw. beladen, und zehn bis zwölf Expeditionen im Jahre von Seglern nach New York, wohin ein ausgedehnter Handel von Matten, Ingwer,  Cassia, Feuerwerkskörpern, Palmblatt=Fächern, gegerbten Ziegen=, Schaf= und Hundefell=Decken, Schaf=, Ziegen= und Kamel=Wolle, Strohborten und Tee betrieben wurde, waren zu verzeichnen.  Im Jahre 1891 errichtete die Firma eine Filiale in Hankow, um sich an der Ausfuhr von vegetabilischem Talg, Saaten, Holzöl, Gallnüssen, Canthariden, Baumwolle, sowie animalischen Produkten, Gänse=und Entenfedern, Schweinsborsten, Albumin und Eigelb, sowie ungegerbten Ziegen= und Büffelhäuten zu beteiligen.  Auch hier wurden die schon vorher genannten „Regierungsgeschäfte“ erfolgreich aufgenommen.  Eine besondere Genugtuung empfand die Firma, als es ihr gelang, gegen schwerste ausländische Konkurrenz die Gründung und Einrichtung der großen Pinghsiang=Kohlengruben zu finanzieren, welche unter anderem den gesamten Kohlen= und Koksbedarf der bekannten Hanyang=Eisen= und Stahlwerke in Hanyang bei Hankow decken.

In Wuchang, gegenüber von Hankow, besitzt die Firma seit 1903 die erste große Erzwäsche auf chinesischem Boden.  Um Sicherheit und Regelmäßigkeit in die Anlieferung der Roherze zu bringen, mußte sie einige Jahre später dazu schreiten, eine Zweigstelle in Changsha (Provinz Hunan) zu begründen und einen eigenen Transportdienst auf dem Siang=Fluß und dem Yangtsze einzurichten.  Sofort nach der Einnahme Tsingtaus (1898) machte sich die Firma dort (später auch in Tsinanfu) ansässig und beteiligte sich neben ihren eigentlichen Geschäften auch mit Kapital an dem Syndikat der Schantung=Eisenbahnen und der Schantung=Bergbau=Gesellschaft.  Vorübergehend wurde auch 1902 eine Filiale in Chefoo in Betrieb gesetzt.

Als Agentin verschiedener Reedereien, besonders aber der Hamburg=Amerika=Linie, hat die Firma im Jahre 1901 in Gemeinschaft mit dieser und der Firma Arnhold Karberg & Co. die Yangtsze Wharf & Godown Co., später Yangtsze Lagerhaus=Aktien=Gesellschaft, in Shanghai ins Leben gerufen und bald darauf die Central & North China Godown & Press=Packing Co. Ltd., an denen bis zum Ausbruch des Weltkrieges reger Verkehr zu herrschen pflegte.

Außerdem vertritt die Firma in China eine große Zahl von weltberühmten Firmen der Industrie, sowie auch bedeutende Lebens=, Feuer= und Transport=Versicherungs=Gesellschaften.

Im Laufe der Jahre hatten die Geschäfte in Strohmatten von Canton und Kobe nach New York und in Strohborten von Shanghai, Tientsin, Chefoo, Tsingtau und Kobe nach New York und Deutschland sich derart vergrößert, daß beschlossen wurde, diesen Artikeln besondere Aufmerksamkeit zu widmen.  Dies führte unabweislich zur Gründung einer Filiale in Kobe durch Auskauf des bisherigen dortigen Vertreters, der englischen Firma A. J. Mc. Glew & Co. am 1. Januar 1903; nebenher wurden auch alle anderen Artikel des Exports und Imports gleichzeitig gepflegt.

Im Zusammenhang damit erfolgte die Etablierung der Firma in New York am 1. Januar 1904, wo sie schon 22 Jahre durch amerikanische Agenten vertreten war, deren Bevollmächtigter, Mr. Townsend Rushmore, als Sozius aufgenommen wurde.

Die Entwicklung der Firma verlangte später noch die Eröffnung von Filialen in Peking und Mukden (Mandschurei).

Am 1. Januar 1906 übernahm die Firma die Geschäfte der Herren H. Mandl & Co. und damit unter anderem auch die Allein=Vertretung in ganz China der weltberühmten Werke
Fried. Krupp A.=G., Essen=Ruhr,
Fried. Krupp A.=G., Grusonwerk, Magdeburg=Buckau
Fried.Krupp A.=G., Germaniawerft, Kiel=Gaarden;
diese Verbindung hat, wie die meisten anderen, den Weltkrieg überdauert mit Ausschaltung der Geschäfte in Kriegsmaterial, das in den Kruppschen Werken nicht mehr hergestellt wird.

So hat sich die Firma Carlowitz & Co. aus kleinen Anfängen zu einem weltumspannenden Unternehmen herausgebildet.  Der Umsatz von sämtlichen Importen der Firma nach Ostasien bezifferte sich vor Kriegsausbruch auf etwa 50 Millionen Mark (Gold) im Jahre, und der Export von China und Japan erreichte die gleiche Höhe.  Die eigenen Gebäude und Grundstücke in Ostasien repräsentierten einen Wert von rund 3½ Millionen Mark (Gold).  An Arbeitskräften wurden zuletzt 300 Europäer und weit über 1000 Chinesen und Japaner beschäftigt.

Der Begründer der Firma, Richard von Carlowitz, kehrte 1873 nach Europa zurück und genoß seinen Lebensabend in Dresden, wo er 1886 starb.  Seit dem Bestehen schieden ferner folgende Sozien aus:

BERNHARDT HARKORT 1846–1855 (verstorben)
GUSTAV HITZEROTH 1863–1874 (verstorben)
THEODOR EIMBCKE 1866–1872 (verstorben)
OTTO BENECKE 1873–1878 (verstorben)
WILHELM ROST 1874–1891 (verstorben)
CÄSAR ERDMANN 1876–1900 (verstorben)
          Mitglied der Hamburger Handelskammer

ALFRED KRAUSS 1881–1895
BERNH. SCHMACKER 1881–1895 (verstorben)
C. VON BOSE 1883–1913
MAX PAQUIN 1888–1890 (verstorben)
PAUL SACHSE 1896–1905
(War Senator der Freien und Hanse=Stadt Hamburg und vorher viele Jahre Mitglied
          der Hamburger Handelskammer)
CHAS. RAYNER 1896–1913
GUSTAV BÖNING 1896–1898
HANS SCHUBART 1901–1905
W. WIEDERHOLD 1901–1907
AD. C. SCHOMBURG 1901–1907
Die Gesellschafter der Firma bei Ausbruch des Krieges im August 1914 waren:
MARTIN MARCH seit 1901
          Mitglied der Hamburger Handelskammer
T. RUSHMORE seit 1904
C. B. ROSENBAUM seit 1906
R. LENZMANN seit 1909
A. VON BOHUSZEWICZ seit 1911
R. LAURENZ seit 1911
ALBRECHT MÜNSTER=SCHULTZ
KURT LANDGRAF

Von diesen Herren schieden inzwischen aus:
Herr T. RUSHMORE durch Ablauf seines Vertrages
Herr A. VON BOHUSZEWICZ durch den Tod
Herr C. B. ROSENBAUM am 31. Dezember 1924.
Als Teilhaber neu aufgenommen wurden am 1. Januar 1925 die Herren:
   W. SCHÜCHNER, R. HERBERTZ, ADO NOLTE.

Der Krieg zog in seiner Entwicklung zum Weltkriege schließlich auch das völlig uninteressierte und lange widerstrebende China in seine Kreise.  Die schließlich Folge davon war, daß China sich auch dem feindlichen Vorgehen der Entente gegen das Übersee=Deutschtum anschloß, den deutschen Handel verbot, den deutschen Privat=Besitz beschlagnahmte und schließlich, im Frühjahr 1919, die Deutschen selbst auswies und durch englische Schiffe in die Heimat abschieben ließ.  An den Folgen der äußerst mangelhaften sanitären Vorkehrungen auf diesen Transportschiffen verloren wir auf der Reise durch den Tod außer unserem allgemein hochgeschätzten Gesellschafter, Herrn A. von Bohuszewicz, auch einen jüngeren Mitarbeiter und die Gattin eines Dritten.

Dies war – vorläufig – das Ende einer 73jährigen ununterbrochenen friedlich kaufmännischen Deutschen Betätigung in China.  – Alles, was uns erhalten geblieben war, waren Trotz, Mut, Arbeitskraft und Arbeitslust und damit gingen wir sofort und ohne auf die Deutschland durch das Diktat von Versailles auferlegte und von vornherein als unmöglich erkannte Kompensationsleistung für unser von Feindesseite konfisziertes Eigentum zu warten, wieder an das Werk des Wiederaufbaues, indem wir schon im Herbst und Winter 1919 die ersten Pioniere auf Umwegen wieder in das Reich der Mitte entsandten.

Im Sommer 1921 wurde zwischen Deutschland und China ein Separat=Frieden geschlossen, welcher uns trotz mancher Opfer doch wieder festen Boden unter die Füße legte.

Wir haben uns wieder ganz nach China konzentriert, unser Haus in Kobe (Japan) an die früheren Leiter unserer dortigen Filiale abgegeben und unsere New York=Filiale, die ohnehin während des Krieges seitens der U.S.=Regierung liquidiert worden war, nicht wieder eröffnet.

Im Augenblick der Niederschrift arbeiten in China unsere Filialen wieder in
          Shanghai, Hankow=Wuchang, Wanhsien, Tsinanfu, Tientsin, Peking,
          Taiyuanfu, Mukden, Nanchang, Canton u. Hongkong,
in denen heute wieder 75 deutsche und mehrere hundert chinesische Angestellte beschäftigt werden; im Hamburger Hause arbeiten zur Zeit achtzig Hilfskräfte.

Um es unseren deutschen Angestellten und ihren Familien in China zu erleichtern, die heißen Sommermonate und ihre Folgen besser zu ertragen, haben wir zwei Erholungsheime eingerichtet, das eine im Gebirge von Kuling in der Nähe von Kiukiang am Yangtsze und das andere in den Bergen von Mokanshan bei Hangchow.

Es darf also mit berechtigtem Stolz ausgesprochen werden, daß die Firm Carlowitz & Co. auf gutem Wege ist, sich eine führende Stellung im China=Geschäft wieder zu erobern.

Unserer zweiten Heimat, China, aber wünschen wir aus mitfühlendem Herzen eine baldige Befreiung von inneren und äußeren Feinden und eine seiner Eigenart entsprechende selbständige Neuregelung seiner Einrichtungen auf jedem Gebiete, in Anlehnung an Erfahrungen, die sich in einer vieltausendjährigen Entwicklungsgeschichte bewährt haben.

Hamburg, den 1. Januar 1925.

 

 
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