Castor-Info 01: Politische Hintergruende

Widerstand gegen Gorleben-Castor 10.-16.11.

 

1. Politischer Hintergrund

Atomkonsens und Atomgesetz zum Schwanken bringen

Wir wollen Mitte November ein deutliches Zeichen gegen die verantwortungslose Atompolitik der Bundesregierung setzen. Das Zwischenlager Gorleben ist für die sichere Lagerung von hochradioaktivem Atommüll ungeeignet. Der Atomkonsens sichert den Weiterbetrieb der AKWs auf Jahrzehnte und verdoppelt die Atommüllmenge. Dies soll im neuen Atomgesetz festgeschrieben werden, das in diesen Wochen durch die parlamentarischen Beratungen geht. Eine gute Gelegenheit, um mit eindrucksvollen Aktionen entlang der Transportstrecke und im Wendland zu zeigen, daß ein großer Teil der Bevölkerung diese Atompolitik und dieses Atomgesetz ablehnt.

Skandale und Störfälle

Die Störfälle der letzten Wochen in Philippsburg, Ohu und Biblis (um nur die zu nennen, die bekannt gewordenen sind) haben gezeigt: Atomkraft ist nicht beherrschbar. Und die Sprüche der verantwortlichen Techniker, Konzernchefs, Minister und TÜV-Prüfer haben wir schon dutzendmal bei vorherigen Skandalen gehört: Jetzt wird alles sicherer, jetzt werden die Vorschriften verschärft, jetzt wird häufiger geprüft, jetzt wird besser ausgebildet etc. Einige müssen "personelle Konsequenzen" ziehen, dann geht alles seinen gewohnten Gang. Und in ein paar Monaten der nächste Skandal und wieder die gleichen Abläufe. Es reicht!

Nach dem 11. September

Durch die Anschläge in den USA ist eine Diskussion entstanden, was passieren würde, wenn sich ein ähnliches Szenario an einem AKW abspielen würde. Und die WissenschaftlerInnen sind sich einig: Die Folgen wären verheerend. Rund um die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wurden deshalb sogar Luftabwehrgeschütze der französischen Armee stationiert. Das Argument, wonach Atomreaktoren weder gegen Flugzeugabstürze noch gegen Terroranschläge zu schützen sind, ist nicht neu, wird aber jetzt in breiten gesellschaftlichen Kreisen wahrgenommen.

Trotzdem gibt es in der Anti-Atom-Bewegung verschiedene Ansichten dazu, ob dieses Argument dazu taugt, in der augenblicklichen Situation für den Widerstand gegen den Castor zu mobilisieren. Rein praktisch würde das natürlich funktionieren, denn die Betroffenheit über das Geschehene und über das dadurch Denkbar gewordene ist groß. Aber es gibt folgenden Einwand: Derzeit sind hierzulande die Grundrechte anschlagsgefährdeter als die Atomkraftwerke. Und wenn wir zu dem herrschenden Klima der Angst noch die Furcht vor einem Terroranschlag auf ein AKW schüren, dann kann Otto Schily ohne nennenswerten Widerstand ein "Sicherheitspaket" nach dem anderen packen.

Und es ist keine neue Erfahrung in der Anti-Atom-Bewegung, daß bisher jede Verschärfung in Sachen "innere Sicherheit" früher oder später auch gegen uns angewandt wird.

Wir wollen hier nicht vorschreiben, wie Ihr vorgehen wollt. Es müssen ja auch nicht alle die Sache gleich beurteilen. Gut wäre, wenn es eine gegenseitige Akzeptanz vor die Positionen der anderen gäbe und alle etwas darauf achten, welche "Nebenwirkungen" manche richtigen Argumente haben können.

Transporte hin und her

Der Transport nach Gorleben ist der Schlußpunkt unter ein halbes Jahr mit Transporten zur Wiederaufarbeitung (WAA) ins Ausland. Diese hatten begonnen, nachdem im März erstmals nach vier Jahren wieder Atommüll ins Wendland gerollt war. Doch die Anti-Atom- Bewegung hat gemeinsam mit den FreundInnen aus Frankreich ihr Versprechen eingelöst, nicht nur bei Gorleben-Transporten zu demonstrieren, sondern genauso die Transporte nach Frankreich und Großbritannien mit Widerstand zu begleiten. Kein Transport konnte reibungslos rollen. Die geplante Durchführung in Regelgüterzügen scheiterte. Jedesmal, wenn Atommüll rollt, müssen mehrere tausend BeamtInnen von BGS und Polizei das halbe Schienennetz der Bahn sichern. Nur knapp die Hälfte der für dieses Jahr geplanten Transporte konnte bisher durchgeführt werden. und es gib Informationen, daß nach dem Gorleben-Castor erstmal Pause bis Februar sein muß, weil die Polizei in dieser zeit Euro-Bargeld- Transporte schützen muß. Wenn sich das so bestätigt, dann ist es durch den Widerstand der Anti-Atom-Bewegung gelungen, mehr als 50% der für 2001 geplanten Atommülltransporte zu verhindern. Eine stolze Bilanz, vor allem wenn mensch bedenkt, daß in den 90er Jahren der strahlende Abfall in Regelgüterzügen mit zwei BGS- Beamten auf der Lok heimlich, still und leise durch die Lande rollen konnte.

Durch den anhaltenden Widerstand ist es auch gelungen, das von der Bundesregierung verbreitete Märchen vom Atomausstieg in der breiten Öffentlichkeit zu entlarven. Jeder Transport ins Ausland fuhr aufgrund der Proteste am Abend durch die Tagesschau. So konnte jede/r merken, daß der verantwortungslose europäische Atommüll-Tauschhandel weitergeht, obwohl die Wiederaufarbeitung gemeinhin als riesiges Umweltverbrechen gilt.

Wenn uns Jürgen Trittin oder andere VertreterInnen von Bundesregierung und Regierungsparteien in den nächsten Wochen wieder weismachen wollen, daß der Transport nach Gorleben aufgrund "nationaler Verantwortung" gerechtfertigt sei und wir unseren NachbarInnen in Frankreich doch nicht "unseren" Atommüll aufbürden dürfen, dann können wir dies angesichts der Transporte zur WAA der letzten Monate getrost als verlogene Propaganda bezeichnen und gleichzeitig stolz darauf hinweisen, daß die Anti- Atom-Bewegung in diesem Jahr zu einer größeren Entlastung der Bevölkerung rund um La Hague und Sellafield beigetragen hat als die ganze rot-grüne Atompolitik.

Wenn die Stützen des Staates wackeln

Im Wendland passiert derzeit etwas erstaunliches: Viele "stinknormale" BürgerInnen haben gemerkt, was die Quintessenzen aus dem jetzt bald ein Viertel Jahrhundert andauernden Konflikt um Gorleben sind. Sie lassen sich in folgenden zwei Aussagen zusammenfassen:

1. "Wir haben alles versucht, 25 Jahre lang appelliert, argumentiert, demonstriert, wir haben im Landkreis, im Land und im Bund den Regierungswechsel gewählt, Gerichte angerufen, wissenschaftliche Gutachten bestellt, doch es geht immer weiter. Niemand ist bereit, uns vor den Gefahren der Atommülllagerung zu schützen, selbst eine rot-grüne Bundesregierung nicht. Weil es angesichts der Gefahren keinen Sinn macht, aufzugeben, werden wir uns selbst schützen, zivil, besonnen, aber in aller notwendigen Deutlichkeit."

2. "Bundesregierung, Landesregierung, Energiewirtschaft,. Polizei und Justiz wissen, daß weder das Zwischenlager noch ein zukünftiges Endlager in Gorleben ein geeigneter und sicherer Platz sind, um hochgiftigen Atommüll zu lagern, aber sie tun es trotzdem. Wir wissen, daß eine Blockade eine Ordnungswidrigkeit ist, aber wir tun es trotzdem."

Die BürgerInnen haben gemerkt, daß es auf sie jetzt ganz besonders ankommt. Mutige junge Leute, die sich an den Gleisen festschließen oder andere gute Aktionen machen sind die eine Stärke des Castor-Widerstandes. Aber wenn diejenigen, die normalerweise als brave BürgerInnen die Stützen des Staates sind, sich in einer ganz konkreten Situation verweigern, dann schmerzt dies die Regierenden besonders, dann läßt sich dieser Widerstand nicht so leicht diffamieren und kriminalisieren. Hans Reime, der Einsatzleiter der Polizei bei den Castor-Transporten hat es auf den Punkt gebracht: "Wenn Tausende wendländische Bürgerinnen und Bürger die Straße blockieren, dann haben wir ein Problem."

Natürlich sind auch alle diejenigen wichtig, die sich selbst nicht unbedingt als BürgerInnen definieren und ohne die Unterstützung aus Nah und Fern kann der wendländische Widerstand nicht überleben. Aber die derzeitige Stimmung in Lüchow- Dannenberg macht vielleicht auch einigen Menschen aus dem Rest der Republik Mut, die bisher noch nicht dabei waren. Diesmal könnt auch Ihr ins Wendland fahren und Euch den mutigen aber besonnenen Aktionen der Einheimischen anzuschließen.



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