Weser Kurier: Gemueter der Wendllaender kochen weiter (17.12.2001)


Meldung vom 17.12.2001

Castoren stehen schwer bewacht im Zwischenlager / Bevoelkerung kritisiert Polizei und Medien

Gorleben. Vom Castor, jenem umstrittenen Behaelter mit Atommuell, ist seit vier Wochen im Wendland nichts mehr zu sehen. Die heisse Fracht, die im November quer durch Deutschland nach Gorleben eskortiert wurde, steht schwer bewacht im oberirdischen Zwischenlager. Trotzdem ist das Thema in der Region nach wie vor praesent, die Gemueter kochen weiter. Die Leserbriefspalten der lokalen ,Elbe-Jeetzel-Zeitung" quellen ueber von Stellungnahmen der Atomkraftgegner, von Zornausbruechen gegen die Polizei und ihr Vorgehen auf den letzten 50 Kilometern des Transports zwischen Lueneburg und Gorleben. ,Eines Rechtsstaats unwuerdig" seien grosse Teile des Einsatzes gewesen, klagen Bauern, Pastoren und Menschenrechtler. Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei der Gesamteinsatzleiter der Polizei, Hans Reime. Der 56-jaehrige Polizeidirektor, der bereits im vergangenen Maerz einen Castortransport mit 18000 Beamten an sein Ziel zu begleiten hatte, muss sich seine eigenen Kommentare um die Ohren hauen lassen. Als der Castor am 14. November am Ziel war, erklaerte Reime leidenschaftlos, aber nicht ohne Stolz: ,Wir waren jederzeit Herr der Schiene und der Strasse." Eben dieser Satz bringt Gorleben-Gegner in Rage. ,Selbstgefaellig" nennt dies der pensionierte Pastor Egon Maierhofer, ,Zynismus" wirft ihm die Buergerinitiative Umweltschutz vor. Waehrend Reime den von rund 5000 Demonstranten verfolgten Ablauf des Transports als ,sozialvertraeglich" und ,relativ human" beschreibt, berichten Demonstranten detailgetreu ueber Attacken von Polizeihunden und Pferden. Reime spricht von ,ungeheuerlichen Vorwuerfen" - Hundebisse habe es erst gegeben, nachdem die Tiere von Demonstranten ,angegangen" worden seien. Das klinge alles nach einer Realsatire ,Mann beisst Hund", meint die 72-jaehrige Marianne von Alemann. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die erneute Atommuell-Einlagerung nicht mehr wegzureden, die naechste im Herbst 2002 jedoch schon im Gespraech ist, stellt das Duell in Leserbriefen die einzige Kommunikationsform dar, mit der Frust, Enttaeuschung und ein Stueck Resignation sich ein Ventil suchen. Zur Zielscheibe vieler Castorgegner werden dabei auch die Medien. ,Viele Pressefuzzis haben die meiste Zeit gemuetlich im Café gesessen und sich den Stand der Dinge von der Polizei berichten lassen", sagt ein Bauer bitter. Das kannten die Wendlaender von den vorangegangen Transporten nicht, als noch doppelt so viele Menschen mit ihrem vielfaeltigen Widerstand fuer bunte Bilder und aufregende Storys sorgten. New York, Afghanistan und letztlich der Atomkonsens mit seinem Ausstiegsszenario haben das Thema Castor weggedraengt. Wolfgang Ehmke von der BI sieht ,die Gefahr, dass sich das Kanzlerwort von Gorleben als regionalem Problem festsetzen koennte". Seine Einschaetzung, dass ,wieder einmal das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ausgehoehlt" wurde, teilen sogar Kirchenleute. Die 53 Pastoren der evangelischen Landeskirche Hannovers, die als Seelsorger und Konfliktentschaerfer dabei waren, haben das ihrer Landesbischoefin geschrieben.,Das muss sich aendern. Das kann so nicht weitergehen", haben sie betont. Gemeint haben sie ,Demuetigungen, Diffamierungen und Schikanen" durch Polizisten. Aber auch, ,dass die Polizei den Eindruck erweckte, in erster Linie die Eigentumsrechte der Betreiber der Atomanlagen zu wahren und Grund- und Buergerrechte geringer gewichteten". Karin Toben (dpa)

Hosted by www.Geocities.ws

1