BARSEBÄCKSOFFENSIV - REDE - 10-NOV-2001




Rede von Ole von Uexkull


Anti-Castor-demonstration Lüneburg, Sülzwiesen
10/11 2001

 

Hej och god morgon alla glada CASTOR demonstranter,
Guten Morgen, liebe Hoffnungsträger für eine Zukunft ohne Atomkraft,

ich bin Ole vom internationalen Anti-Atom-Netzwerk BARSEBÄCKSOFFENSIV und ich freue mich sehr, heute morgen hier vor so vielen Menschen sprechen zu können. Wir sind ein Zusammenschluss von schwedischen, dänischen und deutschen Aktivisten und Organisationen und nehmen mit Mitgliedern aus allen drei Ländern an dieser Castorwoche teil.

Lasst mich Euch ein bisschen vom Atomwiderstand in Dänemark und Schweden erzählen. Denn in Schweden haben wir auch einen Ausstieg - und zwar schon seit 21 Jahren. Damals wurde beschlossen, die schwedischen AKW abzuschalten, sobald es genug alternative Energie gäbe, um sie zu ersetzen. Doch der schwedische Staat tat nicht viel für die Energiewende. Heute ist Schweden das Land auf der Welt mit dem MEISTEN Atomstrom pro Kopf. Von den zwölf AKW, die unsere neun Millionen Einwohner mit strahlendem Strom versorgen, ist gerade einmal eins abgeschaltet worden.

Der Ausstieg wurde bei uns in Schweden im Jahr 1980 in einer Volksabstimmung beschlossen. Der Streit um die Atomkraft hatte in den Jahren davor die politische Debatte beherrscht und zwar so stark, dass sogar eine Reichstagswahl zugunsten der atomkritischen Parteien ausging. Doch nachdem der Ausstieg beschlossen war, machte die schwedische Bevölkerung einen schlimmen Fehler. Sie vertraute das Abschalten der AKW ihren Politikern an. Die schwedische Anti-Atom-Bewegung brach auseinander und wandte sich anderen Problemen zu. Es freut uns als Schweden und Dänen sehr zu sehen, dass die deutsche Anti-Atom-Bewegung diesen Fehler nicht wiederholt. Ihr vertraut den Ausstieg nicht Euren Politikern an, nein, ihr nehmt ihn in die eigenen Hände und das ist auch gut so...

Auch Dänemark, das selber keine AKW hat, wird von der schwedischen Atomkraft bedroht. Direkt gegenüber der Hauptstadt Kopenhagen liegt das schwedische AKW Barsebäck, und diese Platzierung hat für viel böses Blut zwischen beiden Ländern gesorgt. Doch sie hat auch dazu geführt, dass seit über 25 Jahren Aktivisten aus beiden Ländern im Kampf gegen die Atomkraft zusammenarbeiten. Die Dänen waren in ihrem eigenen Land sogar so erfolgreich, dass sie heute nicht nur keine AKWs haben, sondern auch eins der führenden Länder in den erneuerbaren Energien geworden sind.

Wir gründeten unser Netzwerk BARSEBÄCKSOFFENSIV vor drei Jahren, als die schwedischen Kommunen ihre Aktien an den lokalen Atomkraftwerken an die deutsche PreussenElektra verkauften. Plötzlich waren es auch deutsche Firmen, die durch ihre Anteile an den schwedischen AKW die dänische und die schwedische Bevölkerung atomar bedrohten. Der größte Skandal passierte 1999, als im AKW Barsebäck der erste und bisher einzige Reaktor abgeschaltet wurde. Für die Schließung des Reaktors bezahlte der schwedische Steuerzahler über eine Milliarde Mark Entschädigung an die schwedische Atommafia. Über eine Milliarde Mark. Mit diesem Geld kaufte sich der schwedische Energieversorger Vattenfall bei den deutschen HEW ein, einem Konzern mit 80% Atomkraft. Das heißt im Klartext: das Geld, das der schwedische Steuerzahler für den Ausstieg in Schweden bezahlt, investiert die Industrie gleich wieder in Atomkraft - nur eben in Deutschland.

Dieser deutsch-schwedischen Atommafia setzen wir einen wirklich internationalen Widerstand entgegen - mit Demos, mit Blockadeaktionen und mit unseren internationalen Anti-Atom-Fahrradtouren. Letztes Jahr fuhren wir z.B. vom AKW Barsebäck in Schweden nach Hamburg und machten Aktionen vor allen vier Hamburger Atomkraftwerken. Und es ist für uns selbstverständlich, dass wir als Schweden und als Dänen auch jetzt zu Euch nach Lüneburg und ins Wendland kommen.

Denn wir sind sauer - auf den staatlichen schwedischen Atomkonzern Vattenfall, der mit unseren Steuergeldern und in unserem Namen die Stadt Hamburg mit vier Atomkraftwerken bedroht, genauso wie Schweden seit Jahrzehnten Kopenhagen mit dem AKW Barsebäck bedroht. Den tödlichen Atommüll, der in Stade, in Krümmel, in Brokdorf und in Brunsbüttel produziert wird, sollte man dem schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson in seine Sommerstuga liefern statt ihn ins Wendland zu transportieren.

Und wir sind auch hierher gekommen weil E.On, die deutsche Atomfirma E.On Anteile an allen 11 AKW in Schweden und am Zwischenlager in Oskarshamn - dem schwedischen Gorleben - besitzt. Wir fordern, dass E.On seine atomare Belagerung in Schweden sofort beendet. Eine Firma, die die deutsche Bevölkerung beim CASTOR Strahlenskandal 10 Jahre lang belogen und wissentlich Grenzwerte um das 1000fache überschritten hat, brauchen wir auch in Schweden NICHT.

Ich möchte Euch zum Abschluss drei Dinge mit auf den Weg geben, die wir durch unsere internationale Arbeit gelernt haben:

1. Wir brauchen internationalen Widerstand. Spätestens seit der Liberalisierung des Strommarktes reicht es nicht mehr, die Atomkonzerne nur im eigenen Land zu bekämpfen. Denn für die internationale Atommafia ist es ein leichtes, Länder gegeneinander auszuspielen oder ihr schmutziges Geschäft immer gerade da zu betreiben, wo der Widerstand am geringsten ist. Wir müssen zusammenarbeiten mit der Anti-Atom-Bewegung in Tschechien, in der Ukraine, in Australien und in vielen, vielen andern Ländern. Denn wenn wir nicht international zusammenarbeiten, dann habt ihr schließlich ein paar saubere Windmühlen in Deutschland aber Ihr kauft Euren Strom aus Temelin und Euer strahlender Müll verseucht die sibirische Taiga. Die Bedrohung durch Atomkraft ist immer global.

2. Internationaler Widerstand bringt Spaß. Auf unseren internationalen Fahrradtouren waren wir über 100 Menschen aus zehn verschiedenen Ländern. Es war ein fantastisches Erlebnis, mit Menschen aus den USA, aus der Ukraine, aus Frankreich und aus vielen andern Ländern für ein gemeinsames Ziel - für eine lebenswerte Gesellschaft ohne Atomkraft - zu kämpfen. Das gilt umso mehr und ist umso wichtiger in Zeiten des Terrorkrieges.

3. Ohne einen weltweiten Atomausstieg werden wir auch keine weltweite Energiewende bekommen. Dies ist die wichtigste Lehre aus dem schwedischen sogenannten "Ausstieg". Die schwedische Regierung stellt die Tatsachen auf den Kopf: Sie behauptet, sie könne die AKW nicht schließen, da es nicht genug erneuerbare Energie in Schweden gibt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Solange man die hochsubventionierte Atomkraft, die ihre verheerenden Umwelt- und Gesundheitskosten der Allgemeinheit aufbürdet, solange man diese Atomkraft nicht verbietet, haben die erneuerbaren Energien eine schlechte Ausgangslage. Der sofortige Ausstieg ist der beste denkbare Innovationsschub für eine Energiewende.

Wir haben unsere Forderungen auch in einem offenen Brief an Jürgen Trittin geschrieben, der von 14 großen Umweltorganisationen und Parteien in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland unterzeichnet wurde. Insgesamt wird unser Netzwerk von Gewerkschaften und Organisationen unterstützt, die über eine Million Menschen in Skandinavien repräsentieren. Diese eine Million sind leider nicht alle bei uns, aber Ihr sollt wissen, dass viele Menschen in Skandinavien mit Bewunderung und mit großem Respekt auf das kucken, was wir in diesen Tagen machen - und vor allem das, was wir in den nächsten Tagen noch machen werden.

Dankeschön.



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