Elbe-Jeetzel-Zeitung

8/11 - 01

Lokales aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg

»Wir hätten so gern Unrecht» - Notgemeinschaft: Über Inhalte und Gefährdungen reden

by Lüchow. »Es geht uns nicht darum, ein Mal im Jahr mit unseren Treckern durch den Landkreis zu juckeln und eine Art Volksfest auf der Straße zu haben», sagen Monika Tietke, Carsten Niemann und Cay-Robert Malchartzek von der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Die Landwirte unter den Atomkraftgegnern haben beim Resümee über den vergangenen Castor-Transport festgestellt, dass über die Hintergründe des Protestes gegen die Atomanlagen im Wendland, also über die Gefahren der Atomenergie, überhaupt nicht mehr geredet oder geschrieben wird: »Die Inhalte sind völlig unter den Tisch gefallen».

Stattdessen wurden Bauern und andere Widerständler mit Vorwürfen konfrontiert, »dass wir die Letzten sein sollen, die es nur noch nicht begriffen haben».

Aber es sind gerade die Inhalte - nämlich die Unbeherrschbarkeit und Gefährlichkeit der Kerntechnik -, die die Landwirte seit bald 25 Jahren immer wieder auf die Straße treibt. Während Bergleute und Polizisten mit ihrem Job weiterwanderten, könnten die Landwirte »ihren Acker nicht einrollen und woanders hinbringen, unsere Flächen sind unsere Existenz- und Erwerbsgrundlage» betonten Tietke, Niemann und Malchartzek im Namen der Notgemeinschaft.

Die Bauern fürchten, dass »Gorleben» ihnen diese Existenz nehmen und sie wegen radioaktiver Belastung eines Tages nicht mehr ihre Produkte verkaufen können. »Wir hätten so gern Unrecht», sagt Carsten Niemann. Tatsache sei aber, dass Salzstöcke einstürzen und heiße Partikel an Castoren kleben. Immer wieder gebe es solche Nachrichten über Pannen in kerntechnischen Anlagen, die passieren, weil Menschen Fehler machen. Das alles sei »Wasser auf unsere Mühlen - leider». Dass es im Landkreis keine WAA gäbe, sei ein »Verdienst, für den wir ein Mal im Jahr den Kopf hinhalten müssen und uns dann noch als Deppen und Kriminelle darstellen lassen», sagt Niemann. Monika Tietke erinnert daran, dass bis heute, 16 Jahre nach dem Gau in Tschernobyl, auf den Märkten immer noch vom Ordnungsamt kontrolliert wird, ob denn auch niemand Maronen verkaufe, weil der Grenzwert immer noch überschritten wird, und auch Heidehonig bis heute »am Grenzwert entlangschrappt». Angesichts solcher Folgen - 1800 Kilometer vom Unglücksreaktor entfernt - könne eigentlich niemand »Gorleben» nur für ein regionales Problem halten. Wer das behaupte, habe nichts begriffen von der Gefährlichkeit der Kernenergie. Ein Castor-Behälter allein enthalte ein Vielfaches des radioaktiven Potenzials der Hiroshima-Bombe, erinnert Monika Tietke: »Was das für Folgen sein können...»

Das gesellschaftliche Problem, das hinter dem Protest nicht nur der Bauern stehe, habe Polizeichef Reime noch nicht erkannt, stattdessen agiere er rein technokratisch. Landwirte, die ihre Flächen drillten oder düngten seien von der Polizei vom Trecker geholt und nach Hause eskortiert worden. Solches Vorgehen sei eine nicht hinzunehmende Behinderung landwirtschaftlicher Tätigkeit, denn wegen der Feuchtigkeit seien viele Landwirte mit der Herbstbestellung in Rückstand gewesen. Tietke und ihre Kollegen ärgert, dass die Polizei »so wenig souverän ist», und sie nicht erkennen kann, was landwirtschaftliche Arbeit ist und was nicht, sondern alle auf einem Trecker per se für Kriminelle hält. Dass die Polizei »keine Rücksicht auf nichts und niemanden nimmt», ist den Landwirten auch bei der Besetzung der landwirtschaftlichen Flächen an der Breeser Kreuzung durch die Polizei deutlich geworden.

Sauer ist die Notgemeinschaft auch, dass viele ihrer Berufskollegen Verwarngeldbescheide wegen langsamen Fahrens und dichten Parkens vor Kreuzungen bekommen haben. Die Bauern wollen diese Bescheide rechtlich prüfen lassen, und erinnern daran, »dass solche Geschichten bislang immer eine mobilisierende Wirkung hatten». Und nicht nur Cay-Robert Malchartzek ärgert sich: Erst verbiete die Bezirksregierung eine Demo, dann bremse die Polizei die Trecker ab und blockiere sie so, dass sie weder weiter- noch zurückfahren könnten um schließlich dann Verwarngeldbescheide zu verteilen. »Unverschämt» sei das.

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