Anti Atom Aktuell

September 2000

 

"Das Uran muß in der Erde bleiben!"


Wer in den Seiten des Deutschen Atomforums blättert, stößt unweigerlich auf die gebetsmühlenartig vorgetragenen Formulierungen, die deutschen AKW würden " sicher und zuverlässig betrieben", und leisteten "einen unverzichtbaren, und umweltfreundlichen Beitrag zur Stromversorgung Deutschlands"

Wenn nicht gerade ein GAU passiert, dann erscheint der Betrieb von Atomanlagen wesentlich sauberer und umweltfreundlicher zu sein als Kohlekraftwerke. Doch schon der "normale" Betrieb deutscher Atomanlagen stellt eine Hypothek auf die Gesundheit zukünftiger Generationen dar, denen vom heute produzierten Atomstrom für Jahrtausende nur noch bleibt, den Atommüll zu bewachen.

Aber wir brauchen nicht in die Zukunft blicken: auch heute schon werden riesige Landstriche für den Betrieb der Atomanlagen verwüstet. Sie liegen in den Uranabbaugebieten. Von EuropäerInnen wurden und werden diese Gegenden seit ihrer "Entdeckung" gerne als menschenleere Landstriche beschrieben, obwohl sie, schon seit Jahrtausenden bewohnt sind. Sei das nun in Kanada, in Namibia oder Australien!

von Daniel K. Manwire

Rund 70% der weltweiten Uranvorkommen finden sich auf dem Land indigener Gesellschaften. Seit vielen Generationen haben sie dort Wirtschaftsweisen und Kulturen entwickelt, die vergleichsweise eng mit den lokalen Ökosystemen verknüpft sind. In weit stärkerem Maße als in Mitteleuropa kommt die Zerstörung der Landschaft in Australien, den USA oder Kanada, der Zerstörung indigener Kulturen gleich.

Auch in Deutschland gab es von 1946 -1990 einen Uranabbau im großen Stil. Gerade in den Anfangsjahren diente das abgebaute Uran zum großen Teil der Versorgung des sowjetischen Kernwaffenarsenals, in der DDR selbst gab es zunächst keine Verwendung dafür. Wie von allen deutschen Atomanlagen wurde auch vom Uranabbau der Wismut behauptet, er sei einer der sichersten der Welt, und selbstverständlich stellten die Anlagen keine Bedrohung für Mensch und Umwelt dar.

Nach dem Fall der Mauer war davon keine Rede mehr, die Anlagen wurden schnellstmöglich eingemottet. Ginge es nach dem Willen der BewohnerInnen von Saskatchewan (Kanada) und des Kakadu National Parks (Australien) würden auch die dortigen Uranminen geschlossen, alle Pläne, neue zu eröffnen, eingestampft.

Doch was in Ronneburg und Schlemma recht war, ist in Jabiluka noch längst nicht billig. Mit brachialer, physischer und ökonomischer Gewalt werden dort neue Bergwerke eingerichtet, in einem Stil, der dem Kolonialismus der ehemaligen Sowjetunion nicht unähnlich ist.

Tag für Tag...

Für den Betrieb eines AKW mit einer Leistung von rund 1000 MW Leistung, (Bsp. Phiippsburg 1 mit 926 MW) werden jährlich rund 30 Tonnen Uran benötigt. Dieser vergleichsweisen geringen Menge stehen allerdings etwa 100.000t feste und 200.000t flüssige Abfälle gegenüber, die bei der Gewinnung des Urans anfallen.

Von 1946 -1990 wurden von der Wismut AG insgesamt 220.000 t Uran gefördert Bei einem Urangehalt von 0,07% stellt der Abraum mehr als 99,9% des bewegten Materials dar. Als sichtbarstes Zeichen zeugen noch heute die über 100m hohen Abraumkegel bei Ronneburg von dieser Epoche.

Um an das begehrte Uran U-235 und U-238 zu gelangen, muß das Uranerz zunächst zermahlen und schließlich mit Schwefelsäure und anderen Chemikalien versetzt werden. Die dazu benötigten Wassermengen stellen gerade in den wüstenartigen Abbaugebieten wie dem Niger oder Australien ein großes ökologisches Problem dar.

Neben den separierten Uran U-235 und U238, die als Yellow Cake gewonnen werden, verbleibt mit den übrigen radioaktiven Isotopen rund 85% der ursprünglichen Radioaktivität in den Schlämmen. Ähnlich wie bei der Endlagerproblematik gibt es auch für die "schadfreie Verbringung" der Halden und Schlämme kein schlüssiges Konzept, das ein Ausgasen von Radon 222 oder das Versickern und Verwehen anderer Isotope für mehr als ein paar Jahrzehnte verhindern würden. Thorium 230 mit 80.000 Jahren und Radium 226 mit 1620 Halbwertszeit werden vorraussichtlich noch viele Generationen einer Strahlenbelastung aussetzen, ohne daß diese auch nur den geringsten Nutzen daraus ziehen könnten.

Neben radioaktiven Isotopen sind auch große Mengen Arsen, Blei und Quecksilber in den Schlämmen zu finden. Nur in wenigen Fällen werden die Sammelbecken dieser Schlämme, soweit dies für einen derartigen Zeitraum überhaupt möglich ist, gegen Versickerung geschützt. Nicht zuletzt entströmt den Halden und Becken kontinuierlich das gasförmige Radon 222 und kontaminiert die Atemluft. In den USA besitzt man die, wenn auch zynische, Ehrlichkeit, diese Gebiete als national sacrifice area (nationale Opfer Gebiete) einzustufen, Gebiete also, deren Wiederherstellung nur mit einem "gesellschaftlich nicht vertretbaren Aufwand" zu gewährleisten wäre- wenn überhaupt.

In Deutschland sollen die Folgen der Wismut für mehr als 13 Milliarden DM aus der Welt geschafft werden. Kaum vorstellbar, daß sich eines der ärmsten Länder der Erde wie der Niger oder Namibia einen solchen Aufwand je leisten können wird. Doch auch durch den Einsatz dieser enormen Summen wird die Wismut eine tickende Zeitbombe bleiben. Was wird aus Schlämmen und Abraum, die in den ehemaligen Braunkohletagebau Lichtenberg verbracht wurden, wenn dieser geflutet wird? Wie lange werden die Dämme der Becken halten, wenn schon heute erste Erosionsspuren zu finden sind ?

Bereits heute werden von staatlicher Seite über 5.000 Lungenkrebskranke als Folge des ostdeutschen Uranbergbaus anerkannt. Doch die Verseuchung von Natur und Bevölkerung findet meist schleichender statt als im Falle von BergarbeiterInnen, die den Uranstaub direkt eingeatmet haben. Fehlgeburten, Allergien und Immunschwächen werden nur in den seltensten Fällen von den Statistiken erfaßt, wenn solche überhaupt erstellt werden.

Eine kleine unabhängige Umfrage der indianischen Frauenvereinigung "Women of all Red Nations" brachte zutage, daß im untersuchten Monat 38% aller schwangeren Frauen spontane Aborte hatten und 50-60% der Neugeborenen angeborenen Krankheiten der Atemwege, Leber oder Niere hatten. Wer also von Atomkraft in Deutschland redet, darf von den Folgen des Uranabbaus nicht schweigen!

Nennen wir´s Umweltkolonialismus

Deutschland besaß nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum Kolonien. Dennoch haben sich Wirtschaftsbeziehungen nach "ehemals Deutsch-Süd-West", dem westafrikanischen Staat Namibia gut gehalten. So stammte seit Beginn des Atomprogramms ein nicht unerheblicher Teil des in deutschen AKW verbrauchten Urans aus der Roeßing Mine. Heute sind durch internationale Konzernbeteiligungen und den freien Handel von Uran die kolonialen Wurzeln der Uranförderung weitaus schwerer zu erkennen, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Doch das Beispiel Niger zeugt noch heute von der kolonialen - sprich rassistischen - Prägung der gesamten Urangewinnung.

Die Ökonomie des Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, hing in den 80er Jahren zu rund 90% vom Uranabbau ab. Niger, eine ehemalige französische Kolonie, wäre ohne französische TechnikerInnen nicht in der Lage, diese Rohstoffgewinnung zu betreiben. Ein Großteil der eingenommenen Devisen muß jedoch für die Tilgung der für den Aufbau des Uranabbaus aufgenommenen Kredite aufgewandt werden Doch nicht nur dies, fast die gesamte Fördermenge wurde und wird zu Festpreisen vom "ehemaligen" Kolonisten Frankreich abgenommen. Da es im Niger keinerlei Verwendung für das abgebaute Uran gibt, kann hier mit Fug und Recht von Neokolonialismus gesprochen werden, einem System, das dazu führte, daß eine ganze Gesellschaft, eine ganze Ökonomie in die Diensten einer europäischen Macht genommen wird.

Doch der Widerstand wächst

Bereits 1984/85 blockierten kanadische Cree und Dene´ zusammen mit angereisten UnterstützerInnen mehrere Tage lang die Zugangsstraßen zur Uranmine am Wollaston Lake. Auch in Australien formiert sich ein breites Bündnis von betroffenen Mirrar und UnterstützerInnen aus den Städten gegen die Eröffnung der Jabiluka Mine im Kakadu National Park, einem Weltnaturerbegebiet. Am 23. März 1998 machten sich fast 3000 Menschen unter dem Motto "Jabiluka will be stopped" auf den Weg zum geplanten Bauplatz, und behinderten die Arbeiten mit vielfältigen Aktionen. Obwohl es zu über 500 Festnahmen kam, breitet sich der Widerstand gegen Jabiluka weiter aus. Wenige Wochen später, am 19 . Mai 1998 fanden weitere Aktionen in Tokyo, Osaka, Seoul, Amsterdam, Ottawa und London statt.

Überall dort wo Uran abgebaut wird, leisten Menschen Widerstand gegen die schleichende Verseuchung ihrer Lebensgrundlagen. Es wird Zeit, daß dies auch in Deutschland zur Kenntnis genommen wird. Es wird Zeit, daß der Mär von der sauberen Kernenergie ein Ende gesetzt wird.

Solidarität statt nationaler Verantwortung

Wenn es um die Rücktransporte von Castoren aus Frankreich geht, ist viel von "nationaler Verantwortung" die Rede. Konstruiert wird hier eine Verantwortung, die Menschen in der Bundesrepublik dem französischen Staat gegenüber hätten. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch die Frage, weshalb wir dem Französischen Staat gegenüber eine größere Verantwortung zu tragen haben als gegenüber den betroffenen Mirrar und Dene´in Australien und Kanada, den Menschen in den Uranabbaugebieten.

"Wir müssen alle unsere Aufmerksamkeit auf den Anfang und das Ende dieses atomaren Ungeheuers richten - auf indigenes Land genauso, wie auf unseren eigenen Hinterhof. Die Indigenen schaffen es nicht allein. Wir brauchen uns alle zusammen, Seite an Seite, jedeN EinzelneN, Gruppen, politische Parteien und Länder, um eine nuklearfreie Welt Realität werden zu lassen. Nicht so sehr zu unserem heutigen Vergnügen, aber für die zukünftigen Großväter und Großmütter". [ Daniel Zapata, Gruppe "Peabody Watch", Navaho]

Die Blockade von Atomtransporten hat sich in der brd als sehr effektives Mittel zur Blockade des gesamten Atomprogrammes herausgestellt. Sie stellen, neben der Blockade von Urantransporten, einen möglichen deutschen Beitrag zur Beendigung des Atomprogramms und damit auch des Uranabbaus dar. Egal also welche Verantwortungshülsen von Seiten der rot-grünen Regierung verbreitet werden - nicht aus nationaler Verantwortung, sondern aus internationaler Solidarität gilt weiterhin: Stoppt die Atomtransporte!

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