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Zwei Zugänge zu einem faszinierenden Land

Anlässlich des anstehenden 20-jährigen Jubiläums der Deutsch-Nepalesische Hilfsgemeinschaft (DNH) wurden wir von Frau Doris Keppeler gebeten einen kleinen Beitrag zu unserer „Aktion Medikamentenbeschaffung" für die 23ste Ausgabe der Nepal Notizen zu schreiben. Wir kommen diesem Wunsch sehr gerne nach und hoffen mit unserem Beitrag nicht ganz am Thema vorbeizuschreiben, denn der bescheidene Beitrag den wir für die DNH und letztendlich für Nepal und seine Bevölkerung leisten ist selbst sicherlich keiner besonderen Erwähnung bzw. eines Berichtes wert:

Wir sammeln Medikamente für Nepal, was angesichts der katastrophalen medizinischen Versorgung mehr als notwendig und mithin allemal ein kleiner Akt von Mitmenschlichkeit ist.

Möglich wird dies durch die Unterstützung von zwei befreundeten Ärzten und indirekt durch die „Mithilfe" von diversen Pharmafirmen, die über ihre Vertreter gerne Mal verschiedene Medikamente „probeweise" den Arztpraxen überlassen.

Alles, was wir sonst noch dazutun ist, die Medikamente zu katalogisieren, zu verpacken und zu versenden.

So wurde dies ein ganz persönlicher Bericht aus einem ganz subjektiven Blickwinkel und beansprucht nicht den Anspruch von wissenschaftlicher Objektivität. Er schildert jedoch unseren „doppelten" Zugang zu einem Land, der vielleicht so ungewöhnlich auch wieder nicht ist.

Der Name Nepal löst bei unterschiedlichen Menschen ganz unterschiedliche Assoziationen aus. Wir möchten uns hier nicht ausnehmen, war unser „erster" Zugang zu diesem Land „irgendwo im Himalaja" sicherlich nicht so verschieden von dem anderer Touristen, die sich für den Besuch dieses Landes entscheiden. Wir, das sind mein Bruder und ich, zwei absolute „Bergfans" und wie alle Fanatiker darauf versessen, möglichst viele Gipfel zu erklimmen. Dabei zählen wir uns sicherlich nicht zu den Extrem - Bergsteigern, die keine Kosten und Mühen scheuen jeden nur erdenklichen Gipfel zu besteigen. Dieser Leidenschaft sind schon aus ganz einfachen „geldpraktischen" Gründen Grenzen gesetzt. Außerdem hängt das Erlebnis Berg sicherlich nicht unbedingt mit dem Abhaken einer Liste von berühmten Gipfeln zusammen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte!

Also, um wieder zum Thema zurückzukommen, nachdem wir uns in dem hiesigen Alpenraum bereits ziemlich gut auskannten, entstand der Wunsch nach einem Fernziel. Warum dies unbedingt Nepal sein sollte, das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gänzlich nachvollziehen, doch es liegt schon etwas mystisches in diesem Begriff begraben und irgendwie konnten auch wir uns dem nicht entziehen, was Rainer Krack in seinem Nepal Handbuch ausführt:

„Nepal, Land der abertausend Berge, Götter und Legenden: Es gibt wohl nur wenige Länder der Welt, die eine solche magische Anziehungskraft ausüben wie dieser Hindu - Staat zwischen den Achttausendern des Himalaja und der heißen Tiefebene des Terai. Die höchsten Berge der Erde machen es zu einem Weltwunder, und seine vielgefächerte, größtenteils unverfälschte Kultur schlägt auch denjenigen in seinen Bann, der sich die Berge lieber nur aus bequemer Distanz anschaut. Nepal bietet für jeden etwas, ob Bergsteiger, Kultur - Freak oder schlichtweg Urlauber." (1994, S. 7)

Auch uns zog dieses Land also 1996 erstmals in seinen Bann und wir wollten es, wie wir es von früheren Touren in andere Länder gewohnt waren, auf eigene Faust kennenlernen. Wir suchten uns hierzu den Helambu - Langtang Trek aus.

Wer jedoch das Herz des Landesinneren kennenlernen möchte, wird zu allererst mit der Realität der Hauptstadt konfrontiert. Ich denke, viele die versuchen sich ihre ersten Stunden in dieser Stadt wieder ins Gedächtnis zurückzurufen werden dem zustimmen können das auch wir empfanden:

Kathmandu ist im ersten Moment in jeder Hinsicht eine Überforderung für europäische Sinne. Augen, Ohren, die Lungen, alles in unmittelbarer Berührung mit der Stadt und ihren Menschen wird bis an die Grenzen belastet.

Und so ist es nicht nur der Eindruck der vielgefächerten und unverfälschten Kultur der sich ins Gedächtnis eingräbt, sondern zugleich der Eindruck einer bis über die eigenen Schmerzgrenzen belasteten, ja an den eigenen Menschenmassen und ihren Produkten zu ersticken drohenden Metropole.

So war es nicht nur die hinduistische und buddhistische Geschichte allerorts die uns faszinierte, es war zugleich das Wahrnehmen von Unterversorgung und Armut, sowohl materiell als auch medizinisch, das bei uns hängenblieb. Hierbei empfanden wir besonders krass das Leben der Straßenkinder. Es ist der Eindruck von einem Leben das bereits zu Ende scheint, bevor es richtig begonnen hat.

Auch während unserer Wanderung durch die faszinierenden hochalpinen Landschaften des Helambu und durch das wild zerklüftete Langtang – Tal wurden wir mit Situationen konfrontiert, die in Ländern der sogenannten „Ersten Welt" undenkbar wären. Einfachste medizinische Probleme können hier zu einer Lebensbedrohung werden, nur weil es eben keine medizinische Versorgung gibt, so, wie wir sie kennen.

Diese Eindrücke nahmen wir mit nach Hause und wieder mit zurück nach Nepal, das wir ein Jahr später, 1997 also, erneut besuchten. Natürlich waren wir zuallererst wieder wegen der faszinierenden Landschaften gekommen. Wir hatten uns dieses Mal das Gebiet um den Sagarmatha ausgewählt.

Vier Wochen Urlaub waren eingeplant, nach drei Wochen, dank günstigen Wetters und geschickter Planung befanden wir uns bereits wieder zurück in der Hauptstadt und warteten sozusagen auf den Rückflug. Dieses Mal hatten wir also ganz gut Zeit uns auch einmal der weniger touristischen Seite des Landes zu nähern. Da mir - ich verdiene mein Brot in Deutschland als Sozialarbeiter - bereits das letzte Mal die erschreckende Lebenssituation der Kinder besonders nachdrücklich im Gedächtnis geblieben war und mich die Möglichkeiten und Chancen von Sozialarbeit in außereuropäischen Ländern immer schon – berufshalber - interessierten, nahmen wir Kontakt mit CWIN (Child Workers in Nepal Concerned Centre) auf, einer NGO, die sich 1986 aus einer Gruppe interessierter Studenten der Tribhuvan Universität von Kathmandu gegründet hatte und sich des Problems der Kinderarbeit bzw. der Lebensbedingungen von Kindern in Nepal ganz allgemein angenommen hatte. Wir waren beeindruckt von dem, was dort, mit einfachsten Mitteln, Hervorragendes geleistet wurde, denn schließlich, so schreibt CWIN und dem kann nur vorbehaltlos zugestimmt werden:

„Children welfare is not a charity nor is the development of children merely a technical matter. Rather, the children should be the basis of national development."

Auf der anderen Seite zeichnet jedoch die Realität ein anderes Bild:

„Nepal paints a very grim picture regarding it‘s children. Nearly 60 % of the total child population live the most underprivileged life where denial, neglect and exploitation are a everyday reality. A majority of Nepali children are far behind from access to the basic rights of nutrition, health care and education. Moreover, they are forced to enter the labour market as child labour. The majority of children in Nepal suffer greatly from hunger, malnutrition, diseases and exploitation. They are denied their childhood."

Beide Zitate sind der 25sten Jubiläumsausgabe des CWIN - eigenen Magazins „Voice of Child Workers" entnommen, beschreiben jedoch deutlich auch den von uns empfundenen Gegensatz zwischen dem, was Kinder für eine Gesellschaft bedeuten sollten und der erlebten Realität.

So ungefähr könnte man unseren „zweiten" Zugang zu diesem faszinierenden Land aus unserem ganz persönlichen Blickwinkel beschreiben. Ein Land wirklich kennenzulernen bedeutet mithin nicht nur die schönen und touristisch genehmen Seiten zu erforschen. Kein Land lebt nur aus seiner Landschaft und seinen touristischen Attraktionen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die sozio-ökonomische Realität prägen ein Land und seine Bevölkerung.

Wir wollten uns zumindest dieser zweiten Sichtweise eines Landes nie verschließen. Hieraus entstand schließlich dann auch die Idee, wenn auch nur bescheiden, die Arbeit von Organisationen wie CWIN oder auch gerade der DNH zu unterstützen, mit einfachen, uns zur Verfügung stehenden Mitteln. So versuchten wir dies bisher im Bereich Medikamentenbeschaffung umzusetzen und wollen dies auch weiterhin tun. Solange wir hierbei die Unterstützung von zwei befreundeten/bekannten Ärzten haben, solange werden wir diesen bescheidenen Beitrag weiterhin leisten können.

Wie gesagt, es ist ein bescheidener Beitrag und auch der zeitliche Aufwand inkl. Registrieren, Verpacken und Versenden der Medikamente hält sich für uns in erträglichen Grenzen. Es ist für uns aber auch ein, wenn auch kleiner Beitrag für ein Land, das wir trotz aller erlebten Gegensätze oder vielleicht gerade deswegen liebgewonnen haben und letztendlich höhlen bekanntlich viele kleine Tropfen den Stein oder wie Ignatio Silone schreibt:

Man sollte die Welt so nehmen wie sie ist, aber nicht so lassen.

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