Die Redaktion

Mein Name ist Tanja Sonntag. Ich bin Chefredakteurin eines kleinen, aber exquisiten Kunstmagazins in Deutschland. Mit meiner kleinen Redaktion versuche ich Monat für Monat, einen Überblick über der künstlerischen Aktivitäten der zeitgenössischen Avantgarde zu vermitteln. Naturgemäß hält sich die Zahl unserer Leser in Grenzen. Einige zahlungskräftige Kunstliebhaber aus Wirtschaft und Politik sorgen allerdings dafür, dass sich unsere finanziellen Probleme in Grenzen halten.

Meine unglaubliche Geschichte begann an einem verregneten Dienstag im Oktober vor drei Jahren. Wir hatten gerade Redaktionsschluss. Wie immer war der Stress in den Tagen zuvor am größten gewesen. Jetzt war aber die neueste Ausgabe unter Dach und Fach. Müde setzte ich mich an meinen Schreibtisch und begann, das Chaos, das dort in der letzten Wochen entstanden war, zu beseitigen. An diesem Tag wollte ich früher Schluss machen und noch einen Sprung ins Fitnesscenter machen. Damals glaubte ich noch, dem Schlankheitswahn nachgeben zu müssen. Mit meinen 63 Kilo bei 1,76 Größe dachte ich tatsächlich, zwei, drei Kilos zuviel auf den Rippen zu haben!

Ich hatte gerade meine Sachen gepackt, als Cora ohne Klopfen in mein Büro stürmte. Cora war damals keine zwei Monate bei uns. Blond, einen halben Kopf kleiner als ich und ein wenig mollig. Ganz mein Typ, doch leider stand sie auf Männer. Sie hatte bezüglich Männer übrigens einen ziemlich großen Verbrauch, wie ich festgestellt hatte. Kein Wunder, ihr Babyspeck war entzückend! Leider bemühte sie sich ständig, die ihrer Ansicht nach überflüssigen Kilos loszuwerden. Ihre Erfolge waren diesbezüglich aber nicht allzu groß...

Cora hielt die neueste Ausgabe des alternativsten Kunstmagazins Nordamerikas in ihrer rechten Hand. Mir fiel aber ihr zu enger Rock auf, in dem Coras runde Hüften sagenhaft gut zur Geltung kamen. Coras Aufgeregtheit forderte aber meine ganze Aufmerksamkeit. "Lies den Artikel auf Seite 54!", forderte sie mich auf. "Jetzt nicht mehr, Cora! Ich muss erst mal ein wenig durchatmen. Ich nehme den Artikel mit - vielleicht komm' ich heute noch irgendwann dazu!", antwortete ich. Ich kannte Coras Enthusiasmus. Mit Akribie studierte sie alle nationalen und internationalen Kunst- und Kulturmagazine, um Ideen für unsere eigene Zeitschrift zu sammeln. Tatsächlich hatte Cora eine gute Nase, was neue Trends und spektakuläre Aktionen in der Kunstwelt anbetraf. Doch nichts konnte so wichtig sein, um eine Verlängerung diesen anstrengenden Arbeitstages rechtfertigen zu können. Ein wenig enttäuscht verschwand Cora aus meinem Büro. Ihr praller Po war ein Augenschmaus. Zu schade, dass Cora immerzu auf Diät war. Ein paar Kilos mehr hätten ihr ganz und gar nicht geschadet...

Nach einer schweißtreibenden Stunde im Fitnesscenter machte ich mich an diesem Tag auf den Heimweg. Es war längst dunkel, der Regen war wieder stärker geworden. Ich freute mich auf eine heißes Bad in meiner Wohnung. Das Abendessen würde allerdings bescheiden ausfallen. Seit Vera ausgezogen war, war es auch mit der Ordnung in meinen vier Wänden vorbei, der Kühlschrank war fast immer leer.

Nachdem ich mich in das duftende Schaumbad gelegt hatte, blätterte ich in der amerikanischen Zeitschrift. Es gab so viele talentierte Künstler. Und kein Geld, um diese Talente zu fördern. In Zeiten wie diesen erst recht nicht. Schnell blätterte ich auf Seite 54 weiter. Der Artikel, den mir Cora empfohlen hatte, faszinierte mich sofort. Eine junge Amerikanerin plante das skandalöseste, anarchistischste, provozierendste und frechste Kunsthappening, das man sich vorstellen konnte: Sie hatte vor, in den nächsten Monaten ihr jetziges Körpergewicht von 125 amerikanischen Pfund (etwa 57 Kilo) auf 250 Pfund zu verdoppeln! Sie wolle dies aus Protest gegen Schlankheits- und Fitnesswahn und Schönheitskult machen. "Moderne Kunst hat den Auftrag, geltende Ansichten von Schönheit zu vernichten!", meinte die attraktive Rothaarige in diesem Artikel. Sie wolle dagegen protestieren, das Frauen sich den von wirtschaftlichen Interessen geprägten Idealen unterwerfen müssen, um in der heutigen Gesellschaft bestehen zu können. Gleichzeitig wolle sie sich mit dieser Aktion mit den vielen Frauen solidarisieren, die diesen Idealen schon heute nicht entsprechen konnten. Sie wolle beweisen, dass ihre Attraktivität als Frau nicht von ihrem Gewicht abhing. Außerdem wolle sie mit ihrer Aktion die Medien zwingen, sich mit dem von ihnen konstruierten Frauenbild auseinander zu setzen. Mit ihrer radikalen und kompromisslosen Maßnahme wolle sie diese irregeleiteten Ideale ad absurdum führen.

Ich war von diesem Artikel sofort begeistert. Kimberley, so hieß dieses außergewöhnliche Mädchen, beabsichtigte, meine geheimsten Fantasien umzusetzen! Sie war ausgesprochen attraktiv - nach konventionellen Maßstäben. Sehr schlank, keine sichtbaren Hüften, kaum sichtbare Brüste. Sie hatte einen ins rötliche gehende, kastanienbraunen Lockenkopf, dunkle Augen und einen blassen Teint. 57 weitere Kilos würden aus ihr eine völlig andere Frau machen! Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, ob sie ihre Aktion ernst meinte. Und wenn ja, ob sie ahnte, worauf sie sich da einließ. 114 Kilo wollte sie erreichen! Auch wenn ich ihr Vorhaben äußerst sinnlich fand - ich hatte einige Zweifel ob der Sinnhaftigkeit ihres Plans. Natürlich - ihre Argumentation war nachvollziehbar. Sie hatte tatsächlich bereits eine lange Liste an Aktionen und Kunstwerken vorzuweisen, mit denen sie gegen das geltende Schönheitsideal protestierte. Und nun wollte sie jenen Schritt vollziehen, der aus ihrer Sicht konsequenter Weise auf ihre bisherigen völlig unbeachtet gebliebenen und damit erfolglosen Aktionen folgen musste: Da sie selbst jenem Ideal entsprach, das sie bekämpfte, musste sie nun ihren eigenen Körper zum Gegenstand ihres Protests machen. Erst dann würde ihr Protest glaubhaft sein.

Das Kunstmagazin, dass diesen Artikel brachte, war für seine akkuraten und gut recherchierten Berichte bekannt. Trotzdem hatte ich noch immer meine Zweifel....

Einige Tage später erkundigte ich mich auf der Homepage des Magazins, ob es Neuigkeiten über Kimberley gab. Tatsächlich wurde ich fündig. Kimberley hatte ein Konto eröffnet - jeder, der sie in ihrem Vorhaben unterstützen würde, sollte die entsprechende Möglichkeit dazu gegeben werden. Kimberley hatte sich die Sache wirklich gut überlegt, schoss mir durch den Kopf. Je mehr Geld auf diesem Konto landen würde, umso größer war der Beweis, dass es Menschen gab, die Kimberleys Meinung teilten. Tatsächlich war schon fast genug Geld beisammen, um die Voraussetzungen für Kimberleys Aktion schaffen zu können: In einem Zentrum für Gegenwartskultur richtete man Kimberleys neue Wohnung ein. Diese befand sich im Erdgeschoss des Zentrums. Dort, wo normaler Weise die verschiedensten Ausstellungen untergebracht waren, wollte nun Kimberley ihre Kilos zulegen. Jeder Ausstellungsbesucher würde Kimberley bei ihren Bemühungen, 57 Kilo zuzunehmen, zusehen können. Schließlich machte ein Kunstwerk ohne Öffentlichkeit keinen Sinn... Die Kosten für die Umbauarbeiten waren schon fast gedeckt. Sobald das Geld vorhanden war und der Umbau abgeschlossen wurde, würde Kimberley ihr "Kunstwerk" in Angriff nehmen können...

Cora teilte ich mit, dass wir an der Sache dranbleiben würden. Natürlich reizte mich diese Geschichte sehr. Schon immer hatte ich diese Feeder- bzw. Feedee-Neigung. Mit gefiel schon seit Teenager-Tagen die Idee, selbst Fett anzusetzen. Genauso träumte ich davon, einer anderen Frau mit Überredungskünsten und sanftem Zwang beim fett werden zu helfen. Am tollsten wäre es, mit einer Frau, die meine Neigung teilte, in einer Beziehung zu leben. Eine Weight-Gain Beziehung, die auf sexueller Ebene aus füttern und gefüttert werden bestand, musste traumhaft sein! Doch die Aussicht auf eine gleichgeschlechtliche Weight-Gain-Beziehung ist alles andere als rosig, da musste man wohl realistisch sein. Selten aber wurde meine eigene Fantasie durch Ereignisse in der Wirklichkeit derart angeregt wie durch das Vorhaben dieser jungen Amerikanerin, aus ihrem schlanken, austrainierten Körper einen weichen und umfangreichen zu machen!

Nach zwei weiteren Wochen waren die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden, um dieses Zentrum für moderne Kultur so umzugestalten, dass Kimberley ihr Weight-Gain-Happening veranstalten konnte. Auf ihrer Website wurde auf erste Artikel in verschiedenen amerikanischen Medien hingewiesen, die begannen, sich dieser ungewöhnlichen Aktion anzunehmen. Noch waren dies alles andere als Massenmedien, die da berichteten - doch eines war klar: Kimberley würde mit ihrem Protest auf Gehör stoßen! Dafür brauchte man kein Prophet zu sein.

Kimberley inspizierte die Umbauarbeiten. Genauso hatte sie es sich vorgestellt. Arbeitszimmer, Küche, Wohnzimmer und Badezimmer waren nur durch eine Glaswand von jenem Bereich getrennt, in dem sich die Besucher des Kulturzentrums aufhalten würden, die sich für ihre Aktion interessierten. Nur Schlafzimmer, WC und ein Aufenthaltsraum, der ihr den zeitweiligen Rückzug aus der Öffentlichkeit erlauben sollte, waren den Blicken der Besucher entzogen. Eigentlich stand ihrem Vorhaben nichts mehr im Wege. Im Gegenteil. Endlich schien sich jemand für ihre künstlerischen Aktivitäten zu interessieren! Dass sie sich dafür extremes Übergewicht einhandeln musste, war Kimberley egal. Sie vertrat ohnehin die Meinung, dass das Künstlerdasein mit Opfern verbunden sein musste. Nur so ließ sich Kreativität wecken. Außerdem hatte Kimberley bisher kein ausgeprägtes Körperbewusstsein. Ihr Körper war nur ein Instrument, dass ihr bei ihren künstlerischen Tätigkeiten behilflich sein sollte. Alles andere war Kimberley eigentlich egal. Zwar wusste sie, dass sie nach geltenden Maßstäben durchaus attraktiv war, doch interessierte sie sich für diese Form der Attraktivität nicht. Es war schließlich einfach, attraktiv zu gelten, wenn man gesellschaftlichen Konventionen entsprach! Dass sie nun ihren Körper zum Gegenstand ihrer Kreativität machte, fand sie schon um vieles spannender. Sie würde sehr viel essen und Zeugin werden, wie sich ihr Körper veränderte. Sie würde gleichzeitig in eine aktive und auch passive Rolle schlüpfen. Aktiv war sie an diesem Kunstwerk, ihrem neuen Körper beteiligt, weil sie es war, die sich die überflüssigen Kalorien einverleibte. Zur Passivität war sie insofern gezwungen, da sie es nicht in der Hand hatte, wie sich ihr Körper verändern würde. Es bliebt ihrer genetischen Disposition überlassen, wie sich Busen, Bauch, Hüfte, Po und Beine verändern würden - aktiv beeinflussen ließ sich dies kaum!

Kimberleys Videoinstallationen waren ebenfalls fertig. Sie bestanden aus schnell zusammengeschnittenen Sequenzen aus internationalen Modeschauen mit eindeutig magersüchtigen Modells und Aussagen aus Interviews mit Menschen, die in der einen oder anderen Form unter dem geltenden Ideal zu leiden haben. Eine andere Videoinstallation beschäftigte sich mit anderen Idealen vergangener historischer Epochen bzw. anderer Kulturkreise.

Eigentlich stand nichts mehr im Wege, um die Weight-Gain Aktion zu starten, dachte Kimberley. Aber obwohl sie als kaltschnäuzig, extrem unangepasst, frech und unberechenbar galt und ihr jeder in ihren Umfeld sofort zutraute, ihren Plan in die Realität umzusetzen, machte sich ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend breit. Kimberley tat dies allerdings als Lampenfieber ab. Echte Befürchtungen oder Ängste kannte sie nicht - davon war sie felsenfest überzeugt. Nur Spießer würden angesichts ihres Vorhabens nervös und ängstlich werden!

Andere Künstler atmen giftige Dämpfe, Staub etc. ein bei ihrer Tätigkeit. Wieder andere nehmen Drogen, um sich in andere Bewusstseinszustände versetzen zu lassen! Ich mache im Grunde auch nichts anderes als diese Künstler!



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