Heisshunger

Julia riss erleichtert das Kalenderblatt ab. Endlich war der Monat August vorbei und damit auch der Sommer. Eigentlich liebte sie den Sommer ja. Sie lag gerne in der Sonne, liebte den Strand und das Wasser. Sie genoss es, an lauen Abenden mit Freunden durch die Straßen zu schlendern. Regen, Nebel, Kälte, Schnee und Dunkelheit konnte sie gar nichts abringen. Und doch war Julia heuer erstmals froh, dass der Sommer vorbei war. Schuld daran war die Sommermode. Um genauer zu sein. Die Sommermode in Verbindung mit ihrem Körper. Julia fand, dass sie einfach nicht mehr schlank genug für die textilsparende Sommerzeit.

Dabei stimmte dies gar nicht. Julia wusste dies auch. Mit 60 Kilo bei 1,67cm Körpergröße war sie natürlich noch schlank. Viele Frauen beneideten Julia um ihr niedriges Gewicht. Doch für Julia waren 60 Kilo alles andere als niedrig. Die längste Zeit über brachte sie nur 55 Kilo auf die Waage. Mit diesem Gewicht fühlte sie sich auch am wohlsten. Für kein Gramm Fett war bei diesem Gewicht auf ihrem Körper Platz. Po, Beine, Hüften, Bauch - alles war schön stramm und durchtrainiert. Wenn sie Julia jetzt hingegen im Spiegel betrachtete - ein ganz klein wenig hatte sich ihr Körper schon verändert. Ein wenig weicher, femininer waren ihre Formen geworden. Ziemlich sicher fiel dies nur ihr auf, so gering waren die Veränderungen. Doch sie waren da, für Julia bestand da nicht der geringste Zweifel.

Schuld daran war ihr Appetit. Angefangen hatte dieses Problem vor zwei Jahren. Damals steigerte sich im Herbst aus unerfindlichen Gründen ihr Appetit. Langsam begann Julia, zuzunehmen. Erst merkte sie es gar nicht. Erst als eine Cousine, die sie länger nicht mehr gesehen hatte, eine kleine Gewichtsveränderung an ihr zu entdecken glaubte, wurde Julia aufmerksam. Und tatsächlich, sie hatte fünf Kilo zugenommen! Und wog wie jetzt auch 60 Kilo. Zuerst konnte sich Julia diese neuen fünf Kilo ganz und gar nicht erklären. Dann aber beobachtete sie sich selbst. Kleine Naschereien, ein wenig mehr hier und ein wenig mehr da - es war wirklich nichts weltbewegendes, dachte Julia. Trotzdem reichte es aus, um über die Wintermonate fünf Kilos zuzunehmen. Dann entdeckte Julia auch diese klitzekleinen Veränderungen ihres Körpers. Wirklich gestört haben Julia weder diese Veränderungen noch die 60 Kilo. Bis zum Sommer war es noch lange hin, dachte Julia. Bis dahin würde sie garantiert wieder ihre 55 Kilo und nicht mehr auf die Waage bringen. In der kalten Jahreszeit unter den dicken Winterklamotten merkte man die paar Kilos ohnehin nicht, war Julia überzeugt. Im Sommer, wenn es wieder an der Zeit war, viel Haut zu zeigen, da musste sie wieder in Form sein, nahm sich Julia vor.

Und Julia setzte ihren Vorsatz auch um. Sie nahm sich vor, sich Anfang April ihre neuen und für die kleine Gewichtszunahme verantwortlichen Eßgewohnheiten wieder abzugewöhnen und so lange Diät zu halten, bis sie wieder ihre 55 Kilo auf die Waage brachte. Anfang April stellte sie dann fest, dass es gar nicht so einfach war, beim Essen wieder disziplinierter zu sein. Ein wenig erschrak Julia sogar, wie schwer es ihr fiel, auf Süßigkeiten während des Lernens, Popcorn im Kino und Snacks während des Fernsehens zu verzichten. In den ersten Wochen ihrer Diät schlichen sich noch immer viel zu viel Kalorien in ihren Menüplan. Natürlich nahm Julia kein einziges Kilo ab. Als es dann Ende April das ersten mal richtig warm wurde und sie noch immer 60 Kilo auf die Waage brachte, erfasste sie eine leichte Unruhe. Diese brauchte Julia aber scheinbar, um mehr Motivation für ihre Diät aufzubringen. Das erste Kilo verschwand nun. Eisern hielt Julia nun ihren Diätplan ein. Und dies, obwohl sie sehr bald entdeckte, dass sie Diät halten hasste. Julia nahm sich vor, nie mehr wieder so ungekümmert und gleichgültig ihrem Gewicht gegenüber zu sein. Sobald sie wieder ihre 55 Kilo erreicht haben würde, würde sie diese auf alle Ewigkeit halten. Julia war überzeugt, dass ihr nur das Abnehmen so schwer fiel. Das Gewicht zu halten würde so mühelos wie die längste Zeit über sein. Einen solchen kalorienreichen Winter durfte es auf keinen Fall mehr geben.

Mühsam plagte sich Julia durch ihre Diät. Sie konnte es einfach nicht glauben, aber ihr gingen all diese herrlichen Kaloriensünden ab. Julia versuchte, dies zu verdrängen. Trotzdem rätselte sie immer wieder, warum sie nur einen solchen Appetit auf diese Dickmacher hatte! Früher verlangte der Verzicht auf diese Dinge nicht die geringste Selbstdisziplin von ihr. Nun war dies ganz anders geworden. Noch hoffte Julia, dass sich alles wieder normalisieren würde, sobald sie ihre 55 Kilo wieder hatte, ihr Gewicht nur noch halten brauchte und die Diät beenden konnte.

Doch die Wochen, die Julia für ihre Diät brauchte, zogen sich scheinbar endlos dahin. Zwar erreichte Julia schon Anfang Juni ihr altes Gewicht - diese relativ kurze Zeit war ihr aber trotzdem wie Jahre vorgekommen. Oft dachte Julia an Schokolade, Kekse, Chips, Erdnüsse, Pistazien, Pizzas, Pommes, Popcorn, Cola und Fruchtgummi. Viel zu oft, stellte sie fest. Doch Julia war eisern geblieben. Stolz und voller Selbstbewusstsein deckte sich Julia mit neuer Bademode ein. Julia war froh, so diszipliniert geblieben zu sein.

Alle beneideten Julia um ihre schlanke Figur. Jede freie Minute nutze sie zum Sonnenbaden. Schon Ende Juni war ihre Haut tiefbraun. Auch um ihre braune Haut beneideten sie viele ihrer Freundinnen. Doch Julia Freude darüber war etwas gebremst. Niemand wusste, wie schwer es ihr in diesem Sommer fiel, ihr Gewicht zu halten. Es konnte keine Rede davon sein, dass ihre Tagträume von kalorienreichen Imbissen schwächer wären - nun, wo sie keine Diät mehr halten musste, um abzunehmen, Doch Julia kam der Aufwand, der nötig war, diese verfluchten 55 Kilos zu halten, so groß wie jener für die Diät vor. Ständig musste sie sich beherrschen, nicht unkontrolliert den vielen Verlockungen nachzugeben. Zwar gelang es ihr mit eiserner Selbstdisziplin, ihr Gewicht zu halten. Aber der Drang, ihrem Heißhunger einfach nachzugeben, wurde mit jedem Tag größer und größer. Immer mehr konnte sich Julia in ihre molligen und übergewichtigen Geschlechtsgenossinnen hinein versetzen. Wenn diese ebenfalls einen solch unbändigen Appetit wie sie selbst in den letzten Monaten entwickelten, war es kein Wunder, dass so viele Mädchen mit ihrem Gewicht kämpften. Schadenfreude und Verständnislosigkeit für mollige Mädchen empfand Julia im Gegensatz zu früher nicht mehr. Denn jetzt konnte sie es sich ausmalen, wie schnell es mit der schlanken Figur vorbei sein konnte. Irgendwie beschlich Julia nämlich das Gefühl, dass sie auch ganz schon rundlich enden würde, wenn sie ihren kulinarischen Gelüsten freien Lauf lassen würde. Doch dies durfte auf keinen Fall geschehen. So sehr sie sich in die vielen übergewichtigen Frauen hineinversetzen konnte - so üppige, weiche und überquellende Formen wollte sie auf keinen Fall haben!

Tatsächlich ging dieser Sommer vor zwei Jahren ohne eine Gewichtszunahme zu Ende. Julia wog ihre üblichen 55 Kilos. Julia war stolz, dass sie auch in diesem Jahr ihre perfekt e Bikinifigur behalten hatte. Sie wusste genau, welch außerordentliche Mühen ihr dies bereitet hatte. Trotzdem war sie froh, dass der Sommer vorbei war. Zwar nahm sie sich eisern vor, die Zügel in der kälteren Jahreszeit nicht schleifen zu lassen, trotzdem sehnte sie die Klamotten, die etwas mehr verhüllten, schon sehnlichst herbei. Es war in diesem Sommer ganz schön stressig gewesen, in all den knappen Teilen eine gute Figur zu machen. Dieser Stress war nun nicht mehr so groß.

Im Herbst gelang es Julia noch, ihre guten Vorsätze, auch weiterhin ihre 55-Kilo-Diät einzuhalten, umzusetzen. Doch zu ihrem Leidwesen hatte sich dieser seltsame Hunger auf größere und gehaltvollere Mahlzeiten nicht gelegt. Dies frustrierte Julia zunehmend. Ein paar Wochen ein lästige Diät zu halten, war unangenehm, aber zu bewältigen. Ein paar Monate eisern durchzuhalten, schon ziemlich mühsam und beschwerlich. Jetzt aber sah es fast so aus, als ob sie auf unbestimmte Zeit - ja vielleicht sogar ewig - sich so gnadenlos disziplinieren musste! Diese Aussicht gefiel Julia gar nicht.

Doch in den letzten Herbstmonaten war sich Julia sicher - sie würde sich an diese Dauerdiät und ewige Selbstkasteiung gewöhnen müssen. Der Aufwand, die 55 Kilo zu halten, war immens. Die Lust, einfach mehr zu essen, riesig. Noch immer hoffte Julia, diese Gier würde sich vielleicht doch noch legen. Immer öfter hatte sie jedoch das Gefühl, sie wurde noch intensiver. In der Weihnachtszeit, in der es noch viel mehr Verlockungen zu entsagen galt, beschlich Julia das erstemal das Gefühl, nicht mehr die Energie aufzubringen, um ihre Diät aufrecht erhalten zu können. Ihre Waage begann, diese Gefühle zu bestätigen. Ihr Gewicht hatte sich zwischen 57 und 58 Kilo eingependelt. Julias Versuche, die 55 Kilo wieder zu erlangen, waren aussichtslos.

Nach Weihnachten hörte sie die vielen Beschwerden ihrer Kolleginnen, die zugenommen hatte. Eine Freundin brachte sogar ganze sechs Kilo mehr als vor den Feiertagen auf die Waage. Bisher hatte sie derartigen Schilderungen immer recht vergnügt gelauscht, betrafen sie diese Figurprobleme ja nicht. Diesmal war dies anders. Mit ziemlichen Unbehagen folgte Julia den Erzählungen ihrer Freundin, die behauptete, in manche ihrer Hosen nicht mehr hinein zu passen. Julia hatte die dumpfe Vorahnung, dass auch ihr ein derartiges Schicksal ins Haus stand, wenn sich nicht bald etwas ändern würde.

Doch es änderte sich nichts. Mit größter Willensanstrengung hielt Julia an ihrer Diät fest. Kleine Sünden schummelten sich trotzdem auf ihren Speiseplan. Die Folge war, dass sich die Waage im Januar eher auf 58 als 57 Kilo einpendelte. Im Februar brachte sie erstmals 59 Kilo auf die Waage. Im März dann 60 Kilo. Doch im Unterschied zum letzten Winter hatte Julia nicht im geringsten das Gefühl, nicht diszipliniert genug gewesen zu sein. Im Gegenteil - so viel Härte sich selbst gegenüber brachte sie in anderen Bereichen nicht auf! Leichte Resignation machte sich in Julia breit. Der nächste Sommer stand vor der Tür und sie hatte keine Ahnung, wie sie es diesmal anstellen sollte, nochmals die 55 Kilo zu erreichen...

Von Gewichtsabnahme konnte im Frühling aber nicht die Rede sein. Mit Müh und Not schaffte es Julia, ihre 60 Kilo zu halten. Langsam fand sich Julia mit ihren weicheren Formen ab. Auch stellte sie sich darauf ein, die besonders knappen Bikinis aus zu sortieren. Eigentlich passten auch die Bademode noch immer. Im April hatte Julia dies vor dem Spiegel getestet. Fünf Kilo waren ja nicht extrem viel. Auch war sich Julia gar nicht sicher, ob die fünf Kilo mehr tatsächlich auffielen - selbst wenn sie gerade einen ihrer Bikinis trug. Zum ersten mal schoss Julia auch der Gedanke durch den Kopf, dass ihr die 60 Kilo gar nicht so schlecht standen. Durchaus möglich, dass sie in den Augen des einen oder anderen Kerl dadurch vielleicht sogar weiblicher aussah. Aber Julia verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Das klang sehr nach Selbsttäuschung, um sich zu beruhigen und sich keine Vorwürfe machen zu müssen. Wenn sie sich einmal mit solchen Selbsttäuschungen abfand, würden sehr schnell weitere Kilos zu den 60 Kilos hinzukommen.

Ein paar Wochen später wog Julia 55 Kilo. Einer Blinddarmentzündung, der Operation und einige Tage Krankenhausaufenthalt hatte sie dieses Wunder zu verdanken. Natürlich empfand Julia diesen Nebeneffekt der Blinddarmentzündung ganz angenehm. Endlich wieder 55 Kilo, die Sorgen, die sie sich um Sommermode etc. gemacht hatte, hatten sich vorerst in Luft aufgelöst! Komischer Weise schlich sich aber auch ein seltsames Gefühl der Orientierungslosigkeit unter die positiven Emotionen. Julia hatte es fast schon geschafft, sich mit den 60 Kilos abzufinden. Und wie sie selbst feststellte, war dies alles andere als leicht gewesen. Jetzt aber waren diese Bemühungen, eine neue Einstellung zu ihrem Körper und ihren etwas kurvigeren Kurven zu gewinnen, umsonst gewesen. Jetzt wog sie wieder 55 Kilo. Falls sie wieder begann, zuzunehmen, stand ihr all dies neuerlich bevor.

Als Julia am ersten hochsommerlichen Tag nach der Arbeit noch baden ging, hatte sie ständig das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war ihr Körper, der sich irgendwie "falsch" anfühlte, stellte sie überrascht fest. Hatte sie sich tatsächlich schon so sehr mit den 60 Kilo abgefunden, dass ihr nun die 55 Kilo unpassend vorkamen. Früher kamen Julia ihr 55 Kilo-Körper perfekt vor. Durchaus selbstbewusst setzte sie ihn in Szene. Jetzt aber stellte sich dieses Körpergefühl nicht ein. Wenn sie an sich entlang sah, konnte sie wenig erkennen, was sie sinnlich oder wohlgeformt empfand. Knochig, schmalbrüstig, schlaksig und dürr kam sie sich nun vor! Julia verstand die Welt nicht mehr!

Trotzdem bemühte sich Julia weiter, ihre 55 Kilo zu halten. Das alte Körpergefühl stellte sie sicher bald wieder ein, redete sie sich ein. Doch nichts dergleichen passierte. Immer unklarer wurden Julias Gefühle, was ihren Körper anbelangte.

Perfekt wurde Julias Verwirrung, als sie mit ihrer Freundin - jener, die zu Weihnachten sechs Kilo zugelegt hatte und inzwischen noch mal drei - und deren Freund an einem sonnigen Julisamstag baden gingen. Lena sah man ihre neue Fülligkeit deutlich an, trotzdem trug sie ihren supermodischen Bikini mit riesigem Selbstbewusstsein und nicht den geringsten Selbstzweifeln. Und dies trotz kleinem Bäuchlein, robusten Oberschenkeln und J.Lo-mäßigem Hinterteil. Auch machte sie keine großen Versuche, den kleinen Speckring, der sich rund um ihre Hüfte bildete, wenn sie saß, zu verstecken. Man sah ihr einfach an, dass sie ein paar Kilos zu viel auf den Rippen hatte, und trotzdem standen ihr diese Kilos perfekt! Julia kapierte gar nichts mehr! Lena sah einfach toll aus! Und ihr Freund vergötterte sie - das war offensichtlich. Wie zärtlich er gerade Lenas Fettpölsterchen beim eincremen mit Sonnencreme behandelte, war sensationell, fand Julia.

Später stellte Julia fest, dass dieses Erlebnis ein besonderes Erlebnis war. Ab diesem Zeitpunkt ließ ihr Durchhaltevermögen, was die Diät betraf, rasant nach. Anfänglich genoss Julia diesen Umstand sehr. Denn auch das schlechte Gewissen darüber hielt sich sehr in Grenzen. Endlich keine energie- und nervenraubende Diät mehr. Und Sorgen über ihre Figur machte sie sich nun auch viel weniger - denn inzwischen war sie sich gar nichtt mehr sicher, ob ihr 55-Kilo-Körper tatsächlich der ideale war! Als sich dann aber die ersten zwei Kilos zurückmeldeten, begann Julia doch wieder ein wenig zu grübeln. So sehr hatte sie sich monatelang gequält, um endlich diese verdammten 55 Kilos zu erreichen und zu halten! Und jetzt schwand ihre Selbstdisziplin beim Essen und sie wehrte sich dagegen kaum. Natürlich - ab und zu begann sie einen Tag mit guten Vorsätzen und einem kleinen Frühstück. Doch viel weiter kam sie mit ihrer Diät nun nicht mehr. Für ihre schlanke Figur ganz und gar nicht zuträgliche Angewohnheiten handelte sich Julia in den nächsten Wochen ein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder bei den 60 Kilos angelangt war, dachte Julia. Wieder schlichen sich ganz und gar unvernünftige Gedanken in Julias Bewusstsein. Sie konnte ja ruhig die Zügel ein wenig schweifen lassen - wenn sie wieder ihre 60 Kilos auf den Rippen haben würde, käme auch das schlechte Gewissen ziemlich verlässlich wieder zurück. Mit einer ordentlichen Portion Schuldgefühlen wegen zu großzügiger Naschereien würde ihr dann auch wieder ihre strenge Diät leichter fallen.

Wieder versuchte Julia, diese unbotmäßigen Gedanken zu verdrängen. Dies war nicht anderes als ein Versuch ihres schlechten Gewissens, eine Rechtfertigung für ihre Hungerattacken zu konstruieren und sie damit ruhig zu stellen! Und doch ertappte sich Julia in den nächsten sommerlichen Wochen, wie genau diese Einstellung ("die Motivation für ihre Diät würde schon wieder zurückkehren, wenn ich wieder genug Fett auf den Rippen habe") immer mehr ihr Verhalten steuerte. Darum verwunderte es Julia diesmal auch gar nicht, als die Waage mehr als "ihre" 55 Kilos anzuzeigen begann. Ziemlich gelassen registrierte Julia erst die 56 und dann die 57 Kilos. Julia fand es seltsam, wie gelassen sie diese Gewichtszunahme zur Kenntnis nahm. Offenbar hatte sie sich wirklich damit abgefunden, wieder zuzunehmen. Julia wunderte es doch ein wenig, wie sehr die eigenen Einstellung mithelfen konnte, nicht panisch auf eine Gewichtzunahme zu reagieren. Ähnlich verhielt es sich mit dem Essen - endlich kein schlechtes Gewissen, wenn sie den vielen Verlockungen nachgab.

Verlockungen gab es mehr als genug in diesem Sommer für Julia. Es erschreckte sie selbst, dass sie auf alles und jedes einen solchen Appetit entwickelte! Die zartesten Essensdüfte, die ihr in von irgendwoher in die Nase stiegen, ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen! Selbst wenn sie gerade gegessen hatte überkam sie sehr bald der Appetit auf etwas Neues. Außerdem begann sie sich, auf ihre Mittagspause zu freuen - und zwar nicht, weil sie einmal von ihrem Schreibtisch wegkam. Die Mittagspause gewann nun an Wert für Julia, weil es die Zeit war, in der sie endlich ihren Appetit stillen konnte! Schon um halb zehn am Vormittag begann Julia die Zeit bis zur Mittagspause zu zählen! All diese Veränderungen waren Julia natürlich bewusst, erklären konnte sie sich das alles aber noch immer nicht. Vielmehr verstand sie sich selbst nicht. Wie hatte sie es tatsächlich geschafft, wochen- und monatelang den Willen aufzubringen und all diesen Köstlichkeiten, die diese Welt bot, zu entsagen?! Dies wurde Julia in diesen Tagen immer rätselhafter. Noch rätselhafter war ihr, dass sie früher der Nahrungsaufnahme so emotionslos gegenüber stand! In diesen Tagen merkte Julia, wie ihr mit jedem Tag das Essen wichtiger und wichtiger wurde. Julia wollte nicht einfach mehr zu essen - Abwechslung in ihrem immer kalorienreicher werdenden Menüplänen wurde ihr nun auch immer wichtiger.

In relativ kurzer Zeit brachte Julia wieder ihre 60 Kilo auf die Waage. In den unbekümmert kalorienreichen Wochen hatte sie gelassen beobachtet, wie ihre runderen Formen zurückkehrten. Die Hüften wurden eine Spur runder, ihre Rippen zeichneten sich nicht mehr ganz so deutlich unter ihrer Haut ab, auch ihre Wangen waren nicht mehr so eingefallen wie früher. Manchmal fand sie es ein wenig seltsam, so teilnahmslos zu zusehen, wie ihr eigener Körper ein wenig Fett ansetzte. Aber irgendwie schaffte es Julia nicht, negative Emotionen zu diesem Veränderungen zu entwickeln. Fast schein es Julia so, als ob es ihr egal sei, zuzunehmen.

Dies änderte sich schlagartig, als sie wieder gefragt wurde, ob sie zugenommen habe. Dieses mal stellte diese Frage ihre Großmutter, die sich auch in delikateren Belangen nie ein Blatt vor den Mund nahm. Natürlich hatte sie diese Frage nicht als Nagriff gegen ihre Enkelin gemeint. Julias Gelassenheit war aber mit einem Schlag dahin. Jetzt rätselte sie, wie eine solch kleine Bemerkung etliche Schalter in ihrem Gehirn umlegen konnte. Nun fand sie ihre kleinen Rundungen nicht mehr so toll wie nicht vor 24 Stunden. Jetzt kamen Julia 60 Kilo viel zu viel vor. Die knappe Bademode, die sie in den letzten Wochen trug, fand sie nun völlig unpassend, die eigene Gelassenheit einer Gewichtzunahme von fünf Kilos in wenigen Wochen gegenüber war ihr völlig unverständlich. Nur eine Schalter war offenbar nicht umgelegt worden - noch immer drehte sich alles in ihrem Kopf ums Essen!

Der restliche Sommer wurde für Julia die reinste Qual. Die 60 Kilo zu halten, war nur unter Aufbietung aller Kräfte möglich. Erschwerend kam hinzu, dass die totale Ablehnung ihrer ohnehin nur wenig runder gewordenen Figur wieder zu schwinden begann. Manchmal hatte Julia das Gefühl, ein klein bisschen schizophren geworden zu sein! Ein Teil ihrer Persönlichkeit akzeptierte ihre neue Figur. Vielmehr noch - Julia fand sie sogar attraktiv. Dann aber gab es dann wieder jene Momente, wo sie sich nicht sehnlicher wünschte als ihre superdünne Figur.

Über den Sommer hinweg plagte Julia dieser Zwiespalt immer mehr. Gleichzeitig merkte Julia, dass die Aussichten, wieder auf 55 Kilo zu kommen, geringer wurden. Ihr innerer Kampf zwischen der 55-Kilo-Persönlichkeit und der 60-Kilo-Persönlichkeit tobte noch immer. Allerdings stand der 60-Kilo-Persönlichkeit in Julias Psyche ein mächtiger Verbündeter zur Seite - und das war ihr unersättlicher Appetit...

In den letzten Sommerwochen hatte sich Julia eine Lösung zusammengezimmert. Bis zum Ende der warmen Jahreszeit würde sie ihre Diät durchhalten. Und dann würde sie es sich erlauben, ihre Diät etwas weniger streng auszulegen. Mal sehen, was dann passieren würde, dachte Julia.

Die letzten Sommerwochen waren diätmäßig nicht mehr so schlimm. Wahrscheinlich war der Grund dafür, dass ein Ende in Aussicht war!

Pünktlich am 1. September war in diesem Jahr der Sommer vorbei. Hatte es am 31. August noch fast 30° gehabt, brachte es das Thermometer am nächsten Tag nur noch auf 14°. Eine "nachhaltige Abkühlung" nannten das die Meteorologen. Julia ertappte sich dabei, dass sie sich über das Ende des Sommers freute. Für den Grund dieser Freude schämte sie sich ein wenig - Ende des Sommers bedeutete Ende ihrer Diät! Der Ausflug in den Supermarkt war einer der kostspieligsten, den sie jemals unternommen hatte! Julia wusste zwar, dass all die Dinge, die sie da einkaufte, auch für ihre 60-Kilo-Figur den Ruin bedeuten könnten. Doch das war ihr jetzt egal. Kaum zu Hause angekommen, schob sie eine riesige Tiefkühlpizza in das Backrohr. In den 25 Minuten, die die Pizza brauchte, um fertig zu werden, kostete sich Julia gierig durch das üppige Wurst- und Käsesortiment, das sie aus dem Supermarkt mitgebracht hatte. Langsam verbreitete sich der Duft der Pizza in der Küche. Die 25 Minuten dauerten eine Ewigkeit, fand Julia. Ihre Fixiertheit auf diese gewöhnliche Tiefkühlpizza fiel Julia gar nicht mehr auf. Endlich war dann die Pizza fertig. Gierig und hastig stopfte sie riesige Portionen in ihren Mund. Endlich ihrem Appetit nachgeben, endlich keine Diät mehr! Erst jetzt, während sie sich viele Pizza-Kalorien vergönnte, merkte sie, wie sehr sie das Diäthalten hasste! "Nie mehr Diät!", schwor sie sich, während sie kaute und schluckte, kaute und schluckte.

"Und wenn ich zunehme?", meldete sich ihr lästiges, schlechte Gewissen plötzlich. Doch auch das war Julia in diesem Moment egal. "Wenn das der Preis ist, um endlich nach Lust und Laune leben zu können, dann zahle ich diesen Preis gerne!", hörte sie ihr anderes Ich sagen. Wieder stopfte sie eine Gabel voll Pizza in ihren Mund, obwohl sie den vorigen noch gar nicht ganz geschluckt hatte. "Du wirst Fett ansetzten! So wie Lena!", meldete sich die andere Stimme wieder. "Ja? Gut so!", sagte die andere Stimme. "Habe Lena noch nie so ausgeglichen und gutgelaunt gesehen wie an jenem Tag im Bad, an dem ich ihre neuen Fettpölsterchen zu Gesicht bekam!" Julia hatte die Pizza fast fertiggegessen. "Schau dir den heutigen Einkauf an! Wenn das die Regel wird, wirst du richtig fett werden!", meldete sich Julias schlechtes Gewissen wieder. "So fette Pizzen wie diese müssen die Ausnahme blieben!", dröhnte es in Julias Kopf. "Besser richtig fett als gefrustet und dürr! Außerdem: War dir deine 55-Kilo-Figur zuletzt so wichtig? Und ab heute wird gegessen, solange ich Spaß und Lust daran habe!", meinte die andere Stimme.

Julia hatte Lust auf eine zweite Pizza. Sie erschrak ein wenig von ihrer Idee, tatsächlich eine zweite Pizza in den noch heißen Ofen zu schieben. "Wenn du anfängst, zwei Pizzen zu essen, dann endest du als Schwergewicht!", hörte sie ihr schlechtes Gewissen noch leise sagen. "Iß die zweite Pizza! Du hast solange Diät gehalten! Du hast dir diese Extraportion verdient! Genieße jeden Bissen! Und falls du zunehmen solltest - na und? Kann ja nicht so schlimm sein! Vielleicht macht es ja sogar Spaß!" Diese Stimme hörte Julia viel lauter. Trotzdem beschlich sie ein etwas mulmiges Gefühl, als sie die zweite Pizza aus der Verpackung holte. Wie ferngesteuert begann Julia, Extra-Käse auf der Pizza zu verteilen. "So ist es richtig!", hörte Julia ihre eigene Stimme sagen. "Erst, wenn die Pizza vor Fett trieft, ist sie für dich richtig!" Julia legte ein weiteres Stück Käse auf die Pizza. Die andere Stimme war verschwunden....

"Mensch, das gibt's ja nicht!", sagte Julia zu sich selbst und stieg von der Waage. Seit dem Ende ihrer Diät war erst ein Monat vergangen. In diesem Monat hatte es sich Julia so richtig gut gehen lassen. Nichts Essbares war in diesen Wochen vor ihr sicher. Manchmal fand sie es richtig ulkig, wie verfressen sie geworden war. Manchmal verstand sie dies alles nicht. Die Aussicht auf weitere Gewichtszunahmen war ihr nun doch nicht so egal, hatte Julia festgestellt. Versuche, sich doch ein wenig mit dem Essen und Naschen einzuschränken, hatte sie nur am Anfang gemacht. Bald stellte sie fest, dass derartige Bemühungen völlig zwecklos waren. Diese seltsame Gier war einfach stärker. Julia setzte ihr dann auch nichts mehr entgegen.

Julia hatte an diesem Abend festgestellt, dass eine ihrer Hosen irgendwie nicht mehr so richtig passte. Es war eine jener Hosen, die nur bis zu den Hüftknochen reichten. Wenn man sich setzte, gab frau ziemlich tiefe Einblicke in die Poritze frei. Kombiniert mit kurzen Tops waren eventuell vorhandener Hüft- und Bauchspeck in voller Pracht zu sehen. Julia war an diesem Abend mit Freundinnen ins Kino gegangen. Schon als sie die Hose anzog, merkte Julia, dass sie nicht wie gewohnt saß. Die Gründe dafür waren naheliegend, trotzdem dachte Julia nicht einen Moment daran, dass sie zugenommen haben könnte. Auch als sie vor der Kinokasse ankam und sich Carina und Franziska bei ihrem Anblick komisch ansahen, kapierte Julia noch immer nicht, was los war. Noch blöder guckten ihre Freundinnen aus der Wäsche, als sie sich noch schnell mit Cola, M&M's und einer großen Portion Popcorn eindeckte.

Erst während des Filmes verschwendete Julia wieder einen Gedanken an ihre Hose. Unbequem war das Teil, stellte sie fest. Schnitt überall höllisch ein, bemerkte sie dann.

Nach dem Film setzten sich die drei noch schnell in ein südamerikanisches Restaurant. Julia schaufelte überbackene Kartoffelstücke in sich hinein. Wieder verhielten sich Carina und Franziska ein wenig seltsam. Von diesen kleinen Irritationen abgesehen war es ein netter Abend, stellte Julia fest, als sie spätabends gutgelaunt nach Hause kam. Wie immer sperrte sie den Schlüssel ihrer Wohnung auf und machte das Licht an, als sie schockiert ihr Spiegelbild sah.

Seit wenigen Tagen hatte Julia in Vorraum neben der Garderobe einen eleganten, schmal und geschwungen geformten Spiegel hängen. In diesem Spiegel sah sie nun ihr Spiegelbild. Was sie sah, unterschied sich doch erheblich von ihrem alten Spiegelbild! Ziemlich prall füllten ihre Oberschenkel die schmalen Röhren ihrer Hüfthose aus. Das Fleisch, in das sich der Bund der Hose grub, sah seltsam weich aus. Ihr Bauch formte tatsächlich eine kleine Wölbung! Und das Top passte auf den Millimeter genau. Julia stellte fest, dass das Mädchen, das ihr da aus dem Spiegel entgegenblickte, alles andere als verhungert wirkte. Das stimmte auch, schoss es Julia dann auch sofort durch den Kopf. Plötzlich war Julia bewusst, dass sie wohl zugenommen haben musste. Eigentlich war eine solche Entwicklung unausweichlich, trotzdem war Julia nun wie vor den Kopf gestoßen. Schnell schlüpfte sie aus ihren Klamotten und stellte sich auf die Waage.

"Mensch, das gibt's ja nicht!" Julia stieg von der Waage. Hatte sie tatsächlich vier Kilos zugenommen? In einem Monat? Das konnte es doch einfach nicht geben! Ein wenig Verzweiflung machte sich in Julia breit. Natürlich hatte sie es sich gut gehen lassen in den letzten Wochen. Hatte sie aber tatsächlich derart extrem gefuttert, dass eine solche Gewichtszunahme zu erklären war?

Als sich Julia dann aber nochmals nackt vor den Spiegel stellte, bestätigte sich das Urteil ihrer Waage: Man sah die vier weiteren zusätzlichen Kilos ganz deutlich. Kleine Fettpölsterchen begannen sich zu entwickeln! An Bauch, Hüften und Po sah und fühlte Julia diese nun auch.

Julia wusste nicht, was sie von diesen Entdeckungen halten sollte. Wirklich begeistert war sie darüber natürlich nicht. Die Gedanken an ihre Diät waren sofort wieder da. Eine Diät ist der einzige Ausweg, überlegte Julia. Dann erinnerte sie sich, wie sehr ihr ihre letzten Diätbemühungen zugesetzt hatten. Die Aussicht auf noch rigorosere Diättage bereiteten Julia Magenschmerzen. Aber so konnte es auch unmöglich weiter gehen, dachte sie. Schließlich war sie drauf und dran, dick zu werden, wenn sie der ewigen Fresserei jetzt keinen Schranken vorsetzte!

Julias Gedanken drehten sich aber nicht nur um die Option "Diät" als Ausweg aus

dieser Zwickmühle. Es war natürlich auch möglich, die Gewichtszunahme zu akzeptieren. Schließlich hatte sie es ja auch geschafft, mit ihrem 60 Kilo-Körper zufrieden zu sein. Vielleicht war ja wirklich alles nur eine Einstellungssache? Irgendwie klang diese Option ziemlich verlockend, dachte Julia. Es wäre keine Diät nötig, und wenn sie sich mit den vier neuen Kilo angefreundet haben würde, war alles wieder in Butter. Aber wie groß war die Gefahr, dass sie sich bald mit weiteren 4 Kilos auf ihrer Waage wiederfinden würde? Ziemlich groß, schloss Julia zerknirscht. Würde sie sich dann wieder mit neuen Fettpölsterchen anfreunden, nur um keine Diät halten zu müssen? Wie dick konnte man werden, ohne unzufrieden mit der eigenen Figur zu sein? Diese Anti-Diät-Lösung war zwar verlockend, aber auch immens riskant, fand Julia. Ohne sich für eine Lösung entschieden zu haben, schlief Julia an diesem Abend ein.

In den nächsten Tagen herrschte in Julia totale Orientierungslosigkeit. Für welche ihrer Strategien sollte sie sich entscheiden? Gab es vielleicht einen Mittelweg? War es möglich, auf eine Diät zu verzichten, wenn sie nicht hemmungslos allen Verlockungen nachgab? Einfach wieder ein normales Essverhalten zu entwickeln? Genau das hatte sie ja vorgehabt - doch ihr extremer Heißhunger machte ihr in den letzten Monaten einen Strich durch diese Rechnung. Außerdem würde der Verzicht auf eine Diät gleichbedeutend sein mit einer längeren 64 Kilo-Phase. Denn soviel war sicher: Abnehmen würde sie ohne Diät auf keinen Fall.

An manchen Tagen hielt Julia Diät. Festentschlossen hungerte sie sich durch den Tag. An anderen Tagen schwor sich Julia, für immer und ewig auf Diäten zu verzichten. Egal, ob sie zunahm und wie dick sie werden würde, sie wollte nur ihrem ungezügelten Appetit nachgeben. Julias Gewicht pendelte nun zwischen 62 und 65 Kilo. Anfangs irritierten sie ihre neuen Kilos doch ein wenig. Es schreckte sie auch noch sehr, wenn die Waage wieder auf 65 Kilos kletterte. Nach einer nicht allzu langen Zeit hatte sich Julia aber an beides gewöhnt. Julia wusste, dass sie nun deutlich mehr Po als in ihrer 55 Kilo-Zeit hatte. Zuerst hielt sie dies für einen Makel und konnte nichts positives daran finden, dass ihre Klamotten vor allem rund um ihr Gesäß knalleng geworden waren. Doch bald bemerkte sie, dass sich niemand negativ über diese spezielle Veränderung äußerte. Im Gegenteil. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass vor allem Jungs ihr kurviges Hinterteil gar nicht so übel fanden. Zumindest manche. Langsam wuchs Julias Selbstbewusstsein. Irgendwann stellte Julia fest, dass sie begann, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen. Dies galt zuerst nur für die 62- und 63-Kilo-Tage. Da fühlte sie sich attraktiv, kurvig, aber nicht zu dick, einfach gut proportioniert. Eigentlich gefiel ihr, was sie da im Spiegel sah. Zarte Fettpölsterchen, die sich da und dort bemerkbar machen, störten sie nun an diesen Tagen gar nicht mehr.

Leider gab es auch die 64- und 65-Kilo-Tage. Da fühle sie sich nicht mehr so wohl. Wirkliche Veränderungen zu den 62- und 63-Kilo-Tagen gab es natürlich nicht. Das wusste auch Julia. Trotzdem hatte sie an den 64- und 65-Kilo-Tagen das Gefühl, zu dick geworden zu sein. Ihre Fettpölsterchen waren an diesen Tagen einfach zu üppig, ihr Fleisch dort und da zu weich, ihre Kurven eine Spur zu großzügig. An diesen Tagen verzichtete Julia auf ihre figurbetonten Klamotten, ihr positives Körpergefühl war verschwunden. Wie konnte es sein, dass diese leichten Verschiebungen auf dem Ziffernblatt ihrer Waage ihre Stimmungslage so beeinflussen konnten? Warum ließ sich ein erwachsener Mensch wie so durch solche Kleinigkeiten - was waren schon zwei, oder drei Kilos? - so aus dem Gleichgewicht bringen. Doch so sehr Julia versuchte, mit Vernunft dem Problem beizukommen, es änderte sich nichts an diesen gewichtabhängigen Stimmungsschwankungen.

Julia überlegte, ob sie ihre Waage in den Müll werfen soll. Dann gab es keine 64- und 65-Kilo-Tage mehr, an denen sie sich schlecht fühlen musste. Aber leider gab es auch keine 62- und 63-Kilo-Tage mehr! Schon jetzt wurde sie ganz nervös, wenn sie sich zwei oder drei Tage nicht wiegen konnte. Wirkliche Wohlfühltage waren nur solche, an denen sie mit Bestimmtheit wusste, dass sie nur 62- oder 63-Kilo wog.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass die 64- und 65-Kilo-Tage immer auch Diättage waren. Kein Wunder, wenn sie sich an diesen Tagen nicht wohl fühlte. Den Mut, auf ihre Diät einfach wieder total zu verzichten, den brachte Julia aber nicht mehr auf. 65 Kilo bei 1,67 Körpergröße - irgendwie klang das einfach zu viel, fand Julia. 62 Kilo bei 1,67 - das klang schon viel besser in ihren Ohren. Seltsam, was simple Zahlen so bewirkten.

Auf diese Weise pendelte sich Julia nun für geraume Zeit auf einem Gewicht von 63, 64 Kilo ein. Ihre 55-Kilo-Figur gehörte nun endgültig der Vergangenheit an. Falls sich die Gelegenheit geboten hätte, die acht, neun neuen Kilos wieder abzuspecken, hätte sie diese wohl genutzt. Da sich aber ihr Appetit ständig so fordernd einstellte, war aus Julias Perspektive eine Diät von vorne herein zum scheitern verurteilt. Außerdem fühlte sich Julia inzwischen auch ziemlich wohl in ihrer Haut und sah auch deshalb keinen Grund, ihr neu gefundenes Gleichgewicht zu gefährden.

Manchmal träumte Julia aber noch immer von ihrer früheren, zarten Figur. Manchmal stellte sich Julia aber auch vor, wie herrlich es sein musste, allen kulinarischen Sünden ohne schlechtem Gewissen nachgeben zu können. Besonders beeindruckend fand Julia richtig dicke Geschlechtsgenossinnen, die fröhlich ihrer Leidenschaft - dem Essen - nachgaben und sich dabei auch von argwöhnischen Zeitgenossen nicht irritieren ließen. Vor kurzem etwa besuchte Julia eine Vernissage, die in einem großzügigen Büffet gipfelte. Ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen in ihrem Alter und mit gut 30 Kilos mehr auf den Rippen bediente sich derart leidenschaftlich, dass Julia nur so staunte. Beim Beladen ihres Tellers mit Köstlichkeiten war ihr ein ebenfalls sehr gut aussehender junger Herr äußerst hilfreich. Die beiden schienen richtig Spaß daran zu haben, gemeinsam Köstlichkeiten auszusuchen und auf ihren Teller zu verfrachten. Die dunkelhaarige Schönheit wiederum bemühte sich hingebungsvoll darum, diese Köstlichkeiten möglichst flott in ihrer prallen Figur verschwinden zu lassen. Julia konnte nicht anders, als die beiden zu beobachten. Was sich da vor ihren Augen abspielte, konnte sie nicht wirklich einordnen.

Das Mädchen war für geltende Maßstäbe eindeutig zu dick. Ihre umfangreichen Oberschenkel füllten die an sich weit geschnittene, dunkle Baumwollhose völlig aus. Ein auffälliger, silbern glänzender Gürtel mit auffälligen Ornamenten zierte ihre beeindruckenden Hüften. Dieser Gürtel zog die Blicke unweigerlich auf die beiden mächtigen Pobacken der jungen Frau. Rund, elastisch und weich präsentierte sich das eng vom Stoff der Hose umspannte Gesäß. Kleine Bewegungen genügten und man konnte deutlich sehen, dass es keine Muskeln waren, die diese Üppigkeit geformt hatten. Das ärmellose, hoch aufgeschlossene Top machte auch die Üppigkeit ihres Oberkörpers deutlich. Zwei gut ausgebildete Speckröllchen schoben sich über dem Gürtel auf ihrem Bauch zusammen, tiefe Falten bildeten sich auch auf ihrem Rücken. Auch die üppige Oberweite des Mädchens passte zu diesem Bild, das sich Julia bot.

Mehrere Dinge verwunderten Julia: Warum machte dieses Mädchen nicht die geringsten Anstalten, um ihre vielen Fettpölsterchen zu kaschieren? Machte es ihr gar nichts aus, dass jedermann sehen konnte, wie viel Gewicht sie mit sich herumtrug? Ganz offenbar nicht, dachte Julia. Peinlich schien diesem Mädchen ihr Gewicht nicht im geringsten zu sein. Ansonsten hätte sie sich wohl etwas mehr beim Essen zurückgehalten. Viele Übergewichtige sehen sich ja dazu genötigt, in der Öffentlichkeit an Salaten herumzuknabbern - diese Frau schaufelte aber ohne das geringste Anzeichen von Verunsicherung Unmengen in sich hinein. Sie schien sogar bester Laune zu sein - Mimik und Gestik waren dementsprechend. Und dann war da natürlich ihre männliche Begleitung. Eine Diät verlangte er von ihr sicher nicht, schoss es Julia durch den Kopf.

Leider konnte Julia das Schauspiel nicht lange verfolgen, da die beiden sehr bald und eng umschlungen die Vernissage verließen. Wenig später machte sich auch Julia auf den Heimweg - irgendwie hatte sie nun das Interesse verloren...

Noch einige Tage schwirrten die Bilder dieses Abends in Julia Gedankenwelt umher. Erst langsam wurde ihr bewusst, dass die dunkelhaarige Frau attraktiv war - trotz ihrer üppigen Formen. Von nun an beobachtete Julia etwas rundere Frauen genauer. Erstaunt stellte Julia bald fest, dass es gar nicht wenige junge Frauen gab, die nicht dem schlanken Schönheitsideal entsprachen. Erst jetzt, als sie bewusst darauf achtete, fiel ihr dies so richtig auf. Und tatsächlich gab es einige, die es schafften, ihre Kurven zu ihrem Vorteil - wie Julia fand - zu nutzen. Es gab aber auch einige, die kein Gespür für ihre Schokoladenseite hatten, die falschen Körperpartien betonten, die reizvollen versteckten oder sich überhaupt bemühten, ihre Körper jeglichen Blickes zu entziehen. Immer mehr Interesse entwickelte Julia nun für die Strategien ihrer üppigen Geschlechtsgenossinnen, ihre Formen geschickt zur Geltung zu bringen.

Je länger Julia sich dafür interessierte, umso öfter stellte sie fest, dass auch stämmige Beine, gut gepolsterte Hüften und sogar ein kleines Bäuchlein reizvoll aussehen konnten. Hatte sie dies früher übersehen? Oder entwickelte sich in ihr ein anderes Schönheitsempfinden? Ein wenig war Julia stolz auf ihr neue Einstellung. Irgendwie haftete ihr etwas feministisches, selbstbestimmtes an. Aber auch etwas seltsam fand sie ihre neue Sichtweise. Komisch fand sie auch, dass sich ihre Toleranz gegenüber etwas Speck auf den Rippen nur auf Frauen beschränkte. Bei Männern fand sie noch immer den schlanken, sportlichen Typen am attraktivsten.

Ohne, dass es Julia am Anfang richtig bewusst wurde, verschob sich in den nächsten Wochen die Gewichtsgrenze, ab der sie sich unwohl fühlte, ein wenig nach oben. An Tagen, an denen sie 64 oder 65 Kilos wog, meldeten sich nun ihre Gewissensbisse und unangenehmen Gefühle immer unverlässlicher. Immer öfter passierte es, dass Julia nicht gleich am ersten Tag, an dem die Waage 64 oder 65 Kilos anzeigte, ihren Diätplan aktivierte. Auch verzichtete sie nicht gleich auf ihre etwas figurbetonteren Kleidungsstücke, nur weil sie gerade nicht 62 oder 63 Kilos wog. Es war vielmehr ihre augenblickliche - und vom Gewicht unabhängige - Stimmungslage, die bestimmte, was sie trug oder nicht. So passierte es, dass sie genau an dem Tag, an dem sie das erste mal 66 Kilo wog, Lust verspürte, ihre engste Jeans zu tragen. Und aus einem für Julia vorerst unerfindlichen Grund hatte sie nun auch das Selbstvertrauen, die Jeans auch tatsächlich anzuziehen. Wenn es viel üppigeren Frauen gelang, in enger Kleidung gute Figur zu machen, dann konnte sie dies auch, dachte Julia und erinnerte sich an die Beobachtungen, die sie vor Wochen während der Vernissage gemacht hatte.

Julias Jeans war ziemlich eng. Doch das war wohl der Sinn einer Stretchjeans, dachte sie, während sie sich im Spiegel musterte. Natürlich sah ihr Po ungewohnt üppig aus. Aber auch diese Erkenntnis störte Julia nun nicht mehr. Im Gegenteil. Julia stellte zu ihrer Verwunderung fest, dass der Anblick ihres etwas runder gewordenen Pos in ihr eine tiefe Zufriedenheit auslöste. Fast wäre sie etwas enttäuscht gewesen, wenn sie keine Veränderung zu den 62-Kilo-Zeiten festgestellt hätte.

Der Abend - Julia traf sich mit einer Freundin beim Italiener und besuchte mit dieser später noch das eine oder andere Innenstadtlokal - verlief perfekt. Selten hatte sie sich wohler gefühlt.

Julias Gewicht pendelte sich nun zwischen 65 und 66 Kilos ein. Vor wenigen Wochen noch ein Grund für eine Sofortdiät, war Julia nun mit diesem Gewicht rundherum zufrieden. Manchmal wurde ihr zwar bewusst, dass sie inzwischen zehn Kilo mehr als noch vor einem Jahr wog, doch belastete sie dies überhaupt nicht. Weiterhin beobachtete Julia bei jeder Gelegenheit rundere Frauen. Und immer öfter stellte sie fest, wie attraktiv viele von ihnen waren. Doch nicht nur das: Julia kam immer mehr zu Erkenntnis, dass sie diese Frauen nicht trotz, sondern gerade WEGEN ihrer angeblich überflüssigen Kilos attraktiv fand!

Zuerst erlaubte sich Julia diesen Gedankengang nicht. Im haftete etwas Ungehöriges, Verbotenes an. Doch Julia kam dieser Gedanke in den folgenden Tagen und Wochen immer wieder. Und ob sie es wollte oder nicht - je öfter sie diesen Gedanken dachte, umso mehr integrierte sie ihn in ihre Vorstellungswelt. Nach einigen Wochen akzeptierte sie schließlich die Vorstellung, dass es die Fülle und Üppigkeit an sich war, die sie attraktiv fand.

Julia wog weiterhin 65, 66 Kilo. Mit erstaunlicher Leichtigkeit hielt sie dieses Gewicht. Egal, ob sie viel oder wenig aß, die Waage zeigte mit erstaunlicher Beharrlichkeit 65 oder 66 Kilo. Und Julia war es egal, ob die Waage 65 oder 66 Kilo anzeigte. Die "66" sorgte nicht im geringsten dafür, dass sie sich weniger wohl fühlte. Julias Aufmerksamkeit bezüglich gut im Futter stehender junger Frauen blieb auch in dieser Zeit groß. Wieder regten sich in Julia erneut Gedanken und Gefühle, die sie zuerst verdrängen wollte. Es handelte sich um Neid.

Gerade hatte Julia eine Buchhandlung betreten und nach einem Buch zu suchen begonnen, als sie diese außergewöhnlich üppige, rothaarige Frau bemerkte. Sie war rund um die 30, schätzte Julia. Sofort fiel Julia auf, wie elegant gekleidet die Rothaarige war. Und wie dick. Sie wog sicher jenseits der 100 Kilo, schätze Julia. Wahrscheinlich deutlich über 100. Ihre Oberschenkel, ihr Po und ihr Bauch waren wahrlich imposant. Ihre Ausstrahlung ebenso. Julia konnte nicht anders, als sie zu beobachten. Julia sah, wie sie in einem Bildband mit modernen Skulpturen blätterte. Die Rothaarige drehte sich ein wenig. Es verschlug Julia regelrecht die Sprache, als sie diese Oberschenkel von der Seite sah! Unweigerlich sah sie sich ihre eigenen zum Vergleich an und ebenso unweigerlich kam Julia der Gedanke, wie es wohl sein musste, mit solch unendlich füllig wirkenden Beinen gesegnet zu sein. Zu ihrem Entsetzen merkte Julia, wie gleichzeitig dieses leichte Neidgefühl in ihr aufkam. Doch sie konnte es nicht leugnen - in diesem Augenblick wünschte sie sich, ebenfalls so auszusehen wie die Frau, die gerade das Buch weglegte und zu einem anderen Griff. Julia war gerade dabei, etwas Ordnung in das Chaos in ihrem Kopf zu bringen, als sie eine männliche Stimme hörte. "Sie mal, was ich gefunden habe!", sagte ein blonder Mann, der mit einem Buch in der Hand aus einer anderen Ecke der Buchhandlung auf die üppige rothaarige Frau zukam. Er gab ihr das Buch, sie schlug es auf und beide steckten ihre Köpfe in den Band. Leider drehten sie Julia den Rücken zu. Trotzdem bot sich Julia ein faszinierendes Bild. Ein derart ausuferndes, breites und gleichzeitig atemberaubend kurviges Hinterteil bekam man nicht oft zu sehen. Gerade, als Julia dies festgestellt hatte, führte der Mann beiläufig eine Hand zum Po der Frau, streichelte kurz mit der flachen Hand über die sanfte Rundung und kniff dann herzhaft in das weiche Fett. Julia meinte, ihr Herz bliebe stehen! Sie fand die ganze Szene unglaublich erotisch. Und wieder meldete sich dieses Neidgefühl, dieses mal stärker als zuvor.

Der kräftige Griff des Mannes in das üppige Sitzfleisch der Frau ließ ihren ganzen Po erzittern. Halbherzig versuchte die Frau, die Hand des Mannes weg zu schieben. Dieser jedoch wanderte mit seiner Hand etwa fünfzehn Zentimeter weiter und nahm dann wieder lustvoll eine handvoll Fett zwischen seine Finger. Sofort lockerte er seinen Griff wieder, versetzte seiner Freundin noch schnell einen heftigen Klaps auf den Po - der daraufhin wieder wie verrückt zu zittern und zu hüpfen begann - und beendete damit die zärtlichen Berührungen der verführerischen Rundungen der Frau.

Unweigerlich untersuchte Julia nun ihren eigenen Po. Die Zufriedenheit mit den noch gar nicht so lange vorhandenen Formen ihres Pos war verschwunden. Sie konnte bei weitem nicht mit der Rothaarigen mithalten, stellte Julia enttäuscht fest und wunderte sich gleichzeitig, warum sie darüber enttäuscht war.

Ab nun war Julia öfters mit diesen Neidgefühlen konfrontiert. Es war zwar schwierig, sich dies einzugestehen, aber Julia wünschte sich immer mehr, auch mit etwas üppigeren Fettpölsterchen ausgestattet zu sein. Zwar war sie mit ihren 65, 66 Kilo nicht mehr richtig dünn, aber mollig oder gar dick konnte man sie auch nicht bezeichnen. Es war wirklich seltsam, welchen Veränderungen sie ausgesetzt war. Erst dieser wochen- und monatelange Heißhunger, nun dieser Wunsch nach üppigeren Formen.

Doch Julia war nicht bereit, diesen Wunsch aktiv zu verfolgen. Sie hatte ohnehin sehr damit zu kämpfen, all die Veränderungen zu akzeptieren. Die Idee, absichtlich zuzunehmen kam ihr aber zur Zeit ein ganzes Stück zu seltsam vor. Darum war Julia durchaus froh, dass ihre Waage weiterhin 65, 66 Kilo zeigte und sich ihr Heißhunger nicht bemerkbar machte. In ihrer Phantasie aber stellte sich Julia nun immer öfter vor, wie es wohl sein würde, so richtig zu schlemmen und langsam immer mehr zuzunehmen. Manchmal dachte Julia, dass es im Grunde ganz leicht war, diese Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Sie brauchte nur beim nächsten Einkauf im Supermarkt all jene wunderbaren Dinge einkaufen, auf die sie normaler Weise verzichtete. Dinge, von denen sie wusste, dass sie kalorienreich waren. Und denen sie einfach nicht widerstehen können würde, wenn sie einmal zu Hause eingelagert wären. Gerade jetzt, wo ihr der Verzicht auf diese köstlichen Dickmacher nicht ganz so schwer fiel, wäre es fahrlässig, ihr ohnehin schon ungewohnt hohes Gewicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Andererseits waren da aber auch diese ständige Gedanken, wie toll sich ein weicherer, runderer Körper anfühlen würde. Julia war unschlüssig, wie sie sich in nächster Zeit verhalten sollte.

Vorerst veränderte sich nichts an Julias Situation. Manchmal war sie knapp daran, alle Bedenken beiseite zu wischen und einfach zu probieren, wie ein Leben voller Genuss und ohne Gewichtssorgen sein würde. Zweimal ging Julia sogar mit dem festen Entschluss zum Einkauf, heute den Schritt zu wagen und richtig unvernünftig -sprich zu viel, zu süß und zu fett- einzukaufen. Dann aber hielt sie doch irgendetwas zurück. Gleichzeitig merkte sie, wie sich ihr Interesse für rundere, weichere Formen immer mehr in eine Faszination wandelte. Julia konnte es sich einfach nicht erklären, aber überquellende Fleischmassen, die sich in zu engen Jeans, T-Shirts, Röcken etc. mehr als deutlich bemerkbar machten, begeisterten sie zunehmend. Ein wenig Panik machte sich in Julia breit, wenn sie an diese immer intensiver werdende Leidenschaft für solche üppige Formen dachte. Vor allem verunsicherte es Julia, dass sie sich all diese Fettmassen, die sie so gerne beobachtete, am liebsten auf ihrem eigenen Körper wünschte. Julia sehnte sich von Woche zu Woche mehr danach. Ihre 66 Kilo waren für ihre Verhältnisse wirklich ziemlich viel. Trotzdem kam sie sich nun etwas lächerlich vor, wenn sie vor dem Spiegel versuchte, ihren kaum vorhandenen Bauchspeck zwischen ihre Finger zu nehmen oder ihrem Po jene Vibrationen abzuringen, die ein Klaps auf den Po der Frau in der Bibliothek verursachen konnte. Julia bevorzugte nun nur noch ihre ganz engen Klamotten in der Hoffnung, damit einen fülligen Eindruck erreichen zu können. Die Resultate befriedigten sie aber immer weniger. Julia ahnte, dass sich irgendetwas ändern musste, wollte sie diesen unzufriedenstellenden Zustand endlich beenden.

Doch noch immer brache Julia nicht den Mut für eine radikale Kehrtwendung in ihrem Leben auf. Vielmehr stellte sie fest, dass sich langsame Veränderungen ergaben. So begann sie, pro Einkauf ein, zwei "unvernünftige" Köstlichkeiten einzupacken. Außerdem gestattete sie es sich ab und zu, ihrem Appetit nachzuhelfen, in dem sie ganz gezielt kleine Imbisse einschob. Noch geschah all dies zu selten, um Auswirkungen auf ihr Gewicht zu haben. Julia wusste aber, dass sie damit den ersten Schritt zu besser gefüllten Fettzellen gemacht hatte. Wenn sie weiterhin den Verlockungen der Supermarktregale, Fast-Food-Ketten, Schnellimbisse und Konditoreien nachgab - mit der Zeit immer mehr nachgab - dann würden sich die langersehnten Fettpölsterchen schon einstellen. Langsam wurde Julia klar, dass sie damit auch eine grundsätzliche Entscheidung getroffen hatte. Sie wollte dick werden. Und sie hatte begonnen, dieses Ziel zu ernsthaft zu verfolgen...

Ein wenig bekümmerte es Julia schon, dass sie ihr Heißhunger, der sie monatelang derart gequält hatte, nun im Stich ließ. Wie einfach wäre es, richtig fett zu werden, wenn wieder so einen starken Trieb hätte, zu essen? Jetzt aber musste sich Julia regelrecht daran erinnern, ab und zu einen überflüssigen Imbiss einzulegen, mehr als bisher zu kochen, nach den Mahlzeiten kleine Nachspeisen einzulegen und immer etwas zu Naschen dabei zu haben. Bald gewöhnte sich Julia aber an ihre neue Routine. Und erstmals kletterte die Waage auf 67 Kilo. Bei ihrer Größe von 1,67 war dies nicht irgendein Gewicht, dacht Julia stolz und fragte sich, wo sich das neue Kilo wohl festgesetzt hatte. Obwohl Julia noch nie so viel auf die Waage brachte wie in diesem Moment, kamen ihr die 67 Kilo nur noch als kaum bedeutender Teilerfolg vor. Julia hatte noch keine Ahnung, wie viel sie eigentlich zulegen wollte. Doch mit 67 Kilo war sie natürlich noch ganz und gar nicht zufrieden. Dies war erst der Anfang. Noch viele weitere Kilos sollten folgen, viele neue Fettpölsterchen würden sich unter ihrer Haut ausbreiten, weicher, elastischer Speck ihre jetzige Figur vergessen machen. Julia war sich nun hundertprozentig sicher, dass es genau das war, was sie sich wünschte. Nun hatte sie keine Zweifel mehr.





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