FELICITAS
Eine fast wahre Geschichte

Elfes Kapitel

Die nächsten Tage verliefen ohne besondere Höhepunkte. Ich kümmerte mich weiterhin um den Haushalt während Samantha mit irgendwelchen Leuten durch die Gegend zog. Mam und Paps wollten zwar erst nach dem Trauerjahr heiraten, doch Paps sprach immer öfter davon, Mam und Josefine bereits jetzt ins Haus zu holen. Ihm wäre es daher am liebsten gewesen, wenn meine Schwester sich eine eigene Wohnung gesucht hätte. Doch Samantha dachte gar nicht daran. Obwohl sie sich kaum noch zu Hause blicken ließ. Dies dann höchstens zum Schlafen. Ingrid, der ich davon erzählte, schlug vor, ich solle zu ihr ziehen. Dann würde mein Zimmer für Josefine frei. Mir gefiel die Idee. Ich hatte die Hausarbeit ohnehin langsam Leid. Nicht weil ich zu faul war. Es war mir einfach nur langweilig geworden. Ich erlebte einfach nichts und kam kaum noch mit anderen Leuten zusammen. Paps verkroch sich ohnehin den ganzen Tag hinter seinem Computer. Und mit Ingrid traf ich mich auch nur ein bis zweimal mal in der Woche. Ich futterte unterdessen aus purer Langeweile. Kein Wunder also, wenn ich weiter ungebremst zunahm.

An dem Tag, als ich Paps eröffnete, ich würde zu Ingrid nach Weiden ziehen und dort auch bleiben, brachte ich bereits 141 Kilo auf die Waage. Langsam stieß ich in die Regionen vor, in denen sich Mam und Anna-Lena bewegten. Dagegen stagnierte es bei den anderen. Josefine hielt ihre 125 Kilo, Jenny und Ingrid kamen kaum über die 120 hinaus. Die Maisonette-Wohnung von Ingrid bot genug Raum für uns beide. Auf der unteren Ebene war der Wohn- und Kochbereich, oben der Schlafbereich. Hinauf führte eine gewedelte Holztreppe. Wenn ich diese hinauf stieg, knarrte es verdächtig. Und ich kam jedes Mal außer Atem. Mein Gewicht machte sich mehr als deutlich bemerkbar, keine Frage. Ingrid sagte, ich würde wie ein kleines Walross schnaufen.

"Hast du dir das wegen der Teilhaberschaft überlegt?" , fragte mich Ingrid eines Abends, als wir auf der Couch saßen.
"Klar! Auch die Sache mit dem Beauty-Shop müsste laufen. Und die Idee mit dem Nagelstudio ist ebenfalls gut. Ich bin überzeugt, dass so ein Konzept voll aufgeht. Unseren Kundinnen die zwei Leistungen zusätzlich anzubieten, wird der Hit. Glaube mir!"
Ingrid nippte an ihrem Rotwein, lehnte sich dann zurück und verschränkte die Arme vor dem üppigen Busen.
"Sehr gut möglich. Wer soll das aber finanzieren?"
"Liebes, ich habe doch mit Paps gesprochen. Der würde alles übernehmen. Da musst du dir gar keine Gedanken machen!"

Also machten wir Pläne und malten uns aus, wie die neue Boutique aussehen könnte. Das wir sie um mindestens zwei Räume erweitern müssten, war natürlich klar. Ingrid wusste auch schon wie. Denn der kleine Blumenladen nebenan ging schon lange nicht mehr. Die Besitzerin, eine im Rentenalter befindliche Dame, würde in sofort verkaufen. Das hatte sie Ingrid vor einiger Zeit bereits signalisiert. Damals hatte Ingrid an eine Übernahme jedoch nicht gedacht.
"Kleines, wir würden drei Räume hinzu gewinnen. Der Verkaufsraum würde der Beauty-Shop, der mittlere das Nagelstudio und der kleine das Büro. Denn ein richtiges Büro würden wir dann schon brauchen."
Mir fiel auch schon der neue Name unserer Boutique ein. "Du, Liebes! Über dem Eingang stelle ich mir eine verrückte Reklame vor. Natürlich Neon und auch nachts beleuchtet. Und der Name der Boutique könnte sein: "Pfundgrube" oder so. Und darunter kleiner: "XXL-Mode-Beauty-Nail - alles für die pfundige Weiblichkeit". Toll, nicht?"
Ingrid lachte. "Pfundgrube finde ich herrlich! Auf was für Ideen du nur kommst!"

Nachdem sie sich beruhigt hatte, schaute sie mich nachdenklich an. "Felie, vielleicht solltest du in dem Zusammengang mal dran denken, dir ein neues Outfit zuzulegen. Wie wäre es mit einer neuen Frisur?"
Hatte ich auch schon dran gedacht. Mir gefielen die langen Haare auch nicht mehr. Vielleicht wären kürzere besser? Und auch `ne andere Haarfarbe vielleicht.

Einen Monat später waren die Pläne fertig. Mit dem Umbau konnte begonnen werden. Den würde Jenny überwachen. Ingrid und ich hatten vor, für 14 Tage nach Venedig zu reisen. Wir wollten ausspannen und unsere Zweisamkeit genießen. Außerdem würde es neben dem rein touristischen auch ein kulinarischer Ausflug werden. Ich freute mich darauf, einmal die echt italienische Küche kennen zu lernen.
Im Flieger nahmen wir beide die drei Sitze auf unserer Seite ein. Mich in nur einen zu zwängen wäre praktisch kaum möglich gewesen. Mein Hintern war viel zu breit geworden, als dass er zwischen die Armlehnen gepasst hätte. Die Stewardess guckte zwar etwas komisch, ließ mich aber in Ruhe.
Was hätte sie aber auch tun können? Andere, breitere Sitze gab es nirgends im Flieger. Zum Glück war der Mittelsitz nicht reserviert und wir konnten uns in der Sitzreihe frei bewegen. Nur mit dem Anschnallgurt funktionierte es nicht ganz.
"Verdecke ihn, tu so, als wäre er eingerastet!" , zischte mir Ingrid ins Ohr. "Nur, bis die Kleine da vorbei ist!" Ingrid blickte in Richtung der blonden Stewardess. Und ich machte es so, obwohl ich mich nicht gerade wohl in meiner Haut fühlte.
Wir bezogen auf dem Lido ein Hotelzimmer mit rückwärtigem Blick auf einen wunderschönen gepflegten Garten. An der Wand stand breites eisernes, sehr altmodisches Bett. Ingrid prüfte es sofort. Doch es schien stabil genug zu sein.
Vor dem Fenster hingen schwere grüne Fensterläden, durch deren Ritzen schwach die Strahlen der nachmittäglichen Sonne drangen. Die dunklen Schleiflackmöbel, die Messinglüster und die rotgoldene Tapete vermittelten eine gewisse Atmosphäre. Das Zimmer schien dafür geschaffen zu sein, um hier zwei herrlich intime Wochen genießen zu können.
"Sehr schön!" , verfiel Ingrid ins Schwärmen. Sie ließ sich aufs Bett fallen und hielt mir die Hände hin. "Komm, Kleines! Lass uns die Zeit bis zum Abendessen genießen…"

Das Abendessen war phänomenal! Zwar machte ich mir nichts aus den Austern, die waren mir einfach zu salzig. Ich schüttelte mich. Ansonsten stimmte aber alles. Als Antipasti hatte ich Farfalle mit Pilzen und Artischocken gewählt, auf das dann noch ein Gemüseauflauf folgte, Parmigiana die malanzane (Auberginen mit Käse überbacken). Als Hauptgericht aß ich eine Riesenportion Lasagne mit Champignons und Tomaten. Die füllte ordentlich den Magen. Das Dessert aus Tirami su und einigen Kugeln Melonen-Eis bildete den krönenden Abschluss. Ich schwelgte geradezu in den herrlichen Speisen.
Beim Essen musste ich zwangsläufig in einen der Spiegel schauen, der zu der Spiegelwand in Ingrids Rücken gehörte. Ich sah darin ein junges Mädchen mit tizianroten, halblangen, gestuften Haaren. Wenn es sich nicht gerade den Mund voll stopfte, plapperte es in einer Tour. Es hatte ein deutliches Doppelkinn und sehr volle, runde Wangen, hinter denen die dunklen Augen fast verschwanden. Die Stupsnase saß keck in einem Gesicht, dessen glatte Haut beim Essen entweder vor Aufregung oder vor Wärme glänzte.
Das Mädchen war weder besonders hübsch noch hässlich, fand ich. Aber es war eben ziemlich fett. Dennoch konnte man dem Mädchen ein gewisses Etwas nicht absprechen. Ohne jeden Zweifel, ich war dieses Mädchen. Denn ein anderes fettes Mädchen war weit und breit nicht zu sehen.

"Ich sehe, es hat dir geschmeckt" , riss mich Ingrid aus den Gedanken.
"Kann man wohl sagen. Satt bin ich aber noch lange nicht. Auch wenn ich nach der Lasagne eine Minute lang den Eindruck hatte, ich würde heute nichts mehr brauchen. Am liebsten wäre mir, ich könnte irgend woher eine Portion Pommes bekommen."
"Du bist eine Gourmet-Banausin! Jetzt von Pommes zu sprechen, also!" Ingrid schüttelte den Kopf.
Ich verteidigte mich. "Ich steh' nun mal auf Pommes!"
"Die wirst du hier aber nicht bekommen" , war Ingrid überzeugt.
"Schade, und ich dachte, die gibt es überall!"
"Musst du denn immer nur ans Essen denken?!"

Ich setzte mich gerade auf. "Und wenn schon. Was stört dich daran. Kannst du mir das sagen, Ingrid."
Ingrid machte ein bestürztes Gesicht. "Kleines, mir wird langsam Angst, wenn ich verfolge, wie zu ständig zunimmst. Solltest du nicht wenigstens versuchen, dein Gewicht zu halten?" "Es geht nicht! Denn ich möchte gern so fett wie Mam oder Anna-Lena werden. So, nun weist auch du es!"
Ich warf Ingrid einen entschlossenen Blick zu. Die sagte nichts, sah mich aber mit einer Miene an, als säße ein seltenes Getier vor ihr. Der Kellner kam, um abzurechnen. Wir wurden abgelenkt und verließen das Thema.

Am Vormittag besuchten wir den Dogenpalast, die Markuskirche und die Seufzerbrücke. Der Piazza San Marco war überfüllt von Touristen. Und überall liefen Tauben herum. Es war genau so, wie ich es in verschiedenen Filmen gesehen hatte. Das Viereck des großen Platzes wurde von zahlreichen Läden und Cafes umsäumt. Vom Gehen etwas müde geworden, ruhten wir uns erst einmal aus. In einem Staßencafe bestellte ich mir ein großes Stück Sahnetorte, Ingrid aß ein Gebäck, dessen Namen ich vergessen habe. Das half uns wieder etwas auf die Beine. Die anschließende Rundfahrt auf dem Canale Grande machte dann richtig Spaß. Vielleicht deswegen, weil ich die ganze Zeit sitzen konnte. Als unser Boot sich einmal etwas auf die Seite neigte, sagte Ingrid mit leichtem Spott in der Stimme: "Kleines, du bist bereits so schwer, dass du für die Schifffahrt eine echte Gefahr darstellst."
Auf was für Ideen Ingrid nur kam! Ich kicherte und richtete den Blick auf die vorbeiziehenden Häuser und Paläste. Doch ich nahm kaum etwas davon wahr. Mir gingen einfach die Worte von Ingrid nicht aus dem Kopf. Denn Ingrids Äußerung machte es deutlich. Aus mir war inzwischen ein wirklich schweres Kaliber geworden. Und der Gedanke, ich könne das Boot tatsächlich dazu bringen, sich auf die Seite zu neigen, erzeugte einen wohliger Schauer. Diese Vorstellung machte mich ganz schön an.

Am darauf folgenden Tag machten wir eine Bootsfahrt und besuchten einige Laguneninseln. Auf Murano besichtigten wir eine alte Glasbläserei. Das war zwar interessant, ermüdete aber. Wir hielten uns dort dann auch nicht allzu lange auf. Burano gefiel mir dann auch viel besser. Ich war von den kunstvollen handgeklöppelten Spitzen beeindruckt, die dort hergestellt werden. Diese lagen überall zum Verkauf aus. In manchen der Läden, die sich zu beiden Seiten des kleinen Kanals aneinander reihten, konnte man Frauen bei der Klöppelei zusehen. Ingrid kaufte eine Tischdecke und ein paar Tischläufer. Das Stehen und langsame Laufen ermüdete mich jedoch alsbald, so dass ich Ingrid bat, mit dem nächsten Boot zurück zu fahren.
Am nächsten Tag legten wir uns in die Sonne. Zehn Minuten vom Hotel entfernt befand sich der öffentliche Strand. Wir mieteten einen Sonnenschirm und zwei Liegen im oberen Strandbereich. Ich schätzte, der Platz lag mehr als vierzig Meter vom Wasser entfernt. Die Adria hatte eine tiefblaue Farbe. Der böige Wind erzeugte weiter draußen Wellen, die eine Höhe von fast einem Meter erreichten. Mir war das Meer unheimlich. Schon deswegen wagte ich mich nicht ins Wasser. Aber auch Ingrid machte keine Anstalten, hineingehen zu wollen. Wir zogen uns nackt aus, obwohl wir wussten, dass Nacktbaden verboten war. Doch wir waren an diesem Tag fast allein am Strand. Außer einer Familie mit zwei kleinen Kindern und einem jungen Paar war niemand in unserer Nähe. Und zu denen war bestimmt ein Abstand von mehr als zwanzig Metern.
"Felie, du hast ganz schöne Hänger" , sagte Ingrid und fing an, mich einzucremen.
"Ist das nun ´n Tadel oder was?"
Ingrid lachte. "Natürlich nicht, Dummchen! Ich mag dich so, wie du bist."
Aber Ingrid hatte Recht. Meine Brüste hingen ganz schön. Bei der Schwere auch kein Wunder. Doch ich hatte mich längst daran gewöhnt. Eigentlich war ich sogar stolz auf sie. Wenn nur die unschönen Dehnungsstreifen nicht gewesen wären.

Am Abreisetag stellte ich mich im Bad auf die dort befindliche Waage. Der Zeiger blieb genau auf der 159 stehen! Das hätte ich nun doch nicht erwartet. Ich hatte mein Gewicht damit fast verdreifacht. Wahnsinn!!! Und ich stand damit kurz vor der magischen 165-Kilo-Grenze! Ich war überwältigt. Zu Hause angekommen, reckte ich Bauch und Busen stolz heraus. Samantha verschlug es fast die Sprache.
"Mensch, Felie!" , sagte sie und musterte mich neidisch. "Das muss man dir lassen. Wenn du dir was vornimmst, dann ziehst du es auch durch!"
"Du, das war nicht immer so! Du weist das."

Samantha nickte. "Das stimmt, Felie. Daran kann ich mich erinnern. Nun trägst du aber deine vielen Kilos herum, als hättest du vor, zu ´ner Miss-Wahl zu gehen!"
"Gibt es denn so was auch für schwere Mädchen?"

Samantha nickte. "In Amerika gibt es so was."
Das machte mich nachdenklich. Sollte sich hier etwa der Kreis schließen? Eine Miss-Wahl für Mollige und richtig Fette, dass könnte es doch auch hier geben, oder? Na, vielleicht gab es die schon und ich hatte nur noch nie davon gehört.

Statt in den folgenden Tagen und Wochen alles etwas langsamer anzugehen, setzte ich noch einen drauf und forcierte die Gewichtszunahme. Mit der Folge, dass ich vor Weihnachten stolze 172 Kilo auf die Waage brachte. Ich hatte damit mehr Kilos drauf als Mama. "Felie, du solltest an deine Gesundheit denken!" , mahnte Ingrid, der diese Gewichtszunahme zu weit ging.
Auch Mam und Paps versuchten mich zu nun bremsen. Doch wenn einmal der Stein ins Rollen kommt, ist er nur noch schwer aufzuhalten. Das war auch bei mir so. Weihnachten hatten wir Besuch von Anna-Lena und Marietta. Anna-Lena sagte, sie hätte die lange Reise hauptsächlich nur wegen mir auf sich genommen. Sie wolle mit eigenen Augen sehen, was aus mir geworden ist. Die zwischenzeitlichen Berichte von Josefine hätten sie echt neugierig gemacht. Natürlich war sie beeindruckt, mich in dieser Verfassung vorzufinden. Wir beide nahmen uns überhaupt nichts mehr. "Felie" , sagte sie. "Iech habe iemer schon gewusst, was ien dir steckt."
"Deine Liebste hat aber auch ganz schön zugelegt, alle Achtung!"
Ich schaute Marietta an. Was ich sah, erfüllte mich mit einer gewissen Befriedigung. Marietta wog nach eigenen Angaben aktuell 87 Kilo! Die zusätzlichen Kilos verliehen ihr ein gänzlich anderes Aussehen. Alles Strenge und Unnahbare war von ihr gewichen. Rasse hatte sie aber trotzdem noch, keine Frage.
"Marietta, ich finde, du siehst toll aus" , machte ich ihr ein Kompliment. Ich meinte es ehrlich. Mit ihren runden Formen konnten sich wirklich sehen lassen. Der Speck auf ihren Hüften erinnerte mich an frühere Zeiten. Bei mir hatte es genauso angefangen. Und auch ihr Hintern schien eine ähnliche Entwicklung zu nehmen.
Sie lächelte. "Oh, danke!"
Es war nichts mehr übrig von der ehemaligen Arroganz und Zickigkeit. Marietta hatte mit den zusätzlichen Kilos ihr Wesen vollständig geändert. Ich fand sie richtig symphatisch. Unsere ehemaligen Querelen waren vergessen. Und ich nahm an, dass bei ihr die Gewichtszunahme zum Selbstläufer werden würde. Sie trug ihren üppigen Busen mit einem Stolz vor sich her, der erkennen lies, woher der Wind wehte. Mehrfach fragte sie nach, ob ich noch ältere Kleidungsstücke besäße, die ihr passen könnten. Sie fügte hinzu, sie würde natürlich auch solche nehmen, die einen Zuwachs zuließen.

EPILOG

Unsere Boutique lief wirklich ausgezeichnet. Im größeren der hinzu gemieteten Räume hatte Jenny ihren Beauty-Shop eingerichtet. Den mittelgroßen Raum würde Ende der Woche Josefine beziehen. Die machte in Bayreuth gerade eine mehrtägige Ausbildung zur Nageldesignerin. Sie hatte die Schule vor Weihnachten verlassen. Und das, obwohl Mama nicht dafür war. Doch Paps und ich hatten Mama letztendlich doch noch überreden können. Samantha war in die Staaten zurückgegangen, um weiterhin als Model zu arbeiten. Von ihr hörte ich wenig. Einmal kam ein kurzer Brief. Sie schrieb, sie wäre ständig auf irgendwelchen Partys. Dem Brief hatte sie ein paar Fotos beigelegt. Ich fand die sehr gewagt. Ob ich mir das trauen würde, bezweifelte ich. Aber Samantha war da wohl anders. Aktuell, so schrieb sie, sei sie jetzt bei 145 Kilo. Na, immerhin!

Ina arbeite ab und zu bei uns. Zur Aushilfe, weil sie sich doch noch entschlossen hatte, ein Medizin-Studium aufzunehmen. Sie hatte ordentlich zugelegt und stand unmittelbar davor, über die 80 Kilo-Marke zu springen. Aus der Superschlanken war ein üppiges Püppchen geworden. Ina in diese Richtung zu bringen, hatte zwar etwas Mühe gekostet. Aber sie hatte sich letzten Endes unseren Essgewohnheiten nicht entziehen können. Ich fragte mich, ob es überhaupt jemand in unserem Umfeld gab, der dem widerstanden hätte. Mir fiel da wirklich niemand ein. Ich selbst saß hauptsächlich im Büro am Computer. Manchmal auch vorn an der Kasse. Durch die Vielfalt der angebotenen Leistungen hatten sich die Buchhaltungsaufgaben vervielfacht. Doch mir gefiel meine Aufgabe ganz gut. Ich stand ohnehin nicht mehr gerne rum. Denn meine 180 Kilos waren schon zu spüren.

Wenn ich vor dem Computer saß, quoll der Bauch extrem weit vor. Meine Brüste lagen wie auf einem dicken Kissen. Der Hintern ging in die Breite und ragte weit über den Bürostuhl hinaus. Ingrid sagte, ich müsse wohl bald auf zwei Stühlen sitzen. Gott, wie machte mich das an! Vor ein paar Tagen hatte ich ein Gespräch zwischen Ingrid, Jenny und Ina belauscht, die sich in der Pantry Kaffe machten. Hinter dem Vorhang hörte ich ihre Stimmen.
"Die Felicitas muss aufpassen, dass sie die Kontrolle über sich nicht verliert, meint ihr das nicht auch?" Es war Jenny, die das sagte.
"Ich habe ihr schon gesagt, sie solle weniger Futtern und sich auch etwas mehr bewegen. Aber sie hört einfach nicht auf mich!" Ingrid klang etwas genervt.
"Nein, so fett möchte ich nicht werden!" , meldete sich Ina zu Wort. Warte nur ab, dachte ich. In dir steckt soviel Potential, meine Kleine! Da wollen wir doch mal sehen.
"Ich habe Felicitas neulich erst gefragt, was sie vorhat. Was denkt ihr, was sie geantwortet hat?" Ich sah Ingrid im Geiste, wie sie die Hände in die Hüften stemmte.
"Sag schon!" , drängte Jenny.
"Ob ihr es glaubt oder nicht! Felicitas hat gesagt, sie denkt, das 200 Kilo machbar wären. Könnt ihr euch das vorstellen?"
Ina prustete los. "Die ist nicht ganz bei Trost, oder?"
Was weiter geredet wurde, konnte ich nicht mehr hören. Das Telefon klingelte und ich musste abnehmen.

Es stimmte, was Ingrid gesagt hatte. Ich dachte wirklich daran, die 200-Kilo-Marke zu erreichen. Mich reizte das unwahrscheinlich. Ich konnte einfach nicht damit aufhören, immer fetter werden zu wollen. Es war zur richtigen Sucht geworden. Allerdings wagte ich kaum daran zu denken, wo das alles einmal enden würde.

ENDE



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