FELICITAS
Eine fast wahre Geschichte

Drittes Kapitel

In der Schule wurde ich nun ständig zur Zielscheibe des Spots. Häufiger noch als Josefine. Die war ja schon dick in die Klasse gekommen. Bei mir war das anders. Ich hatte erst in den vergangenen Wochen so zugelegt. Am schlimmsten fand ich jetzt den Turnunterricht. Mit den knapp 80 Kilos hatte ich meine Mühe beim Laufen, ganz abgesehen von den Sprüngen oder dem Turnen am Barren. Zu den zuletzt genannten Übungen war ich eigentlich gar nicht mehr fähig.

"Felicitas, sie hängen wie ein Sack an der Stange!" Die Stimme des Sportlehrers war voll beißendem Spott. Ich wurde rot und lies mich auf die Matte fallen. Natürlich war ich wütend. Nicht auf mich, nein! Auf dieser arroganten Tölpel von Sportlehrer natürlich.

"Komm, Felie!" Josefine zog mich auf die Seite. Wir setzten uns abseits auf eine Bank. Ich war noch immer wütend. Was konnte ich denn dafür, wenn ich nicht mehr so beweglich war?"Du, Josefine", beschwerte ich mich. "Was fällt dem Tölpel nur ein? Was denkt der, wer er ist?!" Josefine versuchte mich zu beruhigen. Ich brauchte aber noch ein paar Minuten. Es saß doch ganz schön tief. "Felie, ehrlich! Du haast serr zugenommen, onne Zweifel. Du weist daas auch! Muust diech ebben draan gewönnen, dass mahn diech fobbt. Iest so bei uns Diecken!" Wahrscheinlich hatte Josefine sogar Recht. Das half mir aber auch nicht weiter. Ich wusste, es würde mir schwer fallen, mich einfach so ins Schicksal zu ergeben. "Josi, es schmerzt aber!"

Die Freundin umarmte mich. Ihr Trost tat richtig gut. Ich konnte fast schon wieder lächeln.. "Felie, du haast ganz schönnen Bauch bekommen in letzte Zeit. Iest schnell gegangen, niecht?" Josefine hatte die Umarmung gelöst und schaute mich mit Anerkennung im Blick an. Ich nickte. "Wahnsinnig schnell, wirklich! Da haben `ne Menge Pommes und Schokolade dabei geholfen. Wen wundert's also?" Ich schaute herab. Der Bauch legte sich ein Stück auf die Oberschenkel. Und die wurden durch das Sitzen irrsinnig breitgedrückt. Untenrum war ich wahnsinnig auseinander gegangen, das konnte jeder sehen. Meine Blicke wanderten zum prallen Busen. Der dehnte das Turntrikot in erheblichem Maße. Kein Wunder, ich brauchte inzwischen bereits Körbchengröße F. Es hatte sich ganz schön was getan. Ohne Zweifel!

"Ich finde mich toll so, Josi." Ich zögerte einen Moment. Dann sagte ich es aber doch. "Bisher habe ich das nur meiner Schwester geschrieben, Josi, nun sage ich es auch dir. Ich bin gerne dick, wirklich! Und wenn noch ein paar Kilos dazukommen, hätte ich nichts dagegen." Josefine schaute mich mit einem seltsamen Lächeln an. Es war eine Spur Triumph darin. Nachher, auf dem Schulhof, ging es weiter. Jetzt frotzelten die Mädchen. Es fielen Worte wie Fettäuglein, Speckröllchen oder Mastgans. Besonders Teresa tat sich dabei hervor. Aber auch Karin und Anne beteiligten sich in kaum minderer Weise.

"He, Felicitas!", spöttelte Theresa, "wenn du noch ein Kilo zunimmst, platzt dir der BH. Deinen Hintern könnte man inzwischen Preiskrönen! Nicht bei `ner Miss-Wahl, eher bei `ner Pferdeausstellung!" Alles lachte. Anne sogar so heftig, dass sie sich dabei verschluckte. Ich zuckte bei dem Wort Miss-Wahl zusammen und lief rot an. Denn da war ja mal was gewesen! Nun erinnerten mich die blöden Ziegen daran. Wissen konnten die allerdings nichts davon. Nur Josefine hatte ich davon erzählt. Das mit dem Pferdearsch war natürlich ein ganz starkes Stück! Ich musste zugeben, das traf mich wirklich. Mehr als ich das wahrhaben wollte. Was bildeten sich diese Ziegen bloß ein. So über mich zu reden, dazu hatten die noch lange kein Recht! Mir kamen die Tränen. Ich lief davon. Hinter der nächsten Hausecke hielt ich inne und suchte in der Rocktasche nach einem Schokoriegel. Doch ich fand keinen. Den letzten hatte ich wohl gleich nach der Turnstunde gefuttert.

Ich suchte Josefine. Im Schulhof war sie nicht. Ich fand sie endlich auf dem Klo. Sie zog sich den Liedstrich nach. "Du, Josi, hast du was Süßes für mich? Mir ist leider alles ausgegangen." "Hier, Felie."Sie reichte mir eine halbe Tafel Nougatschokolade. Ich steckte mir gleich einen ganzen Riegel in den Mund. Oh Gott, tat das gut! "Haast du Ärger gehabt?" Josefine schielte mich aus den Augenwinkeln heraus an. Ich schüttelte den Kopf. Im Moment wollte ich nicht darüber sprechen. Durch die Schokolade sah für mich die Welt auch gleich anders aus.

Am Abend erzählte ich Paps von den Spötteleien der Mädchen. Er streichelte meine Wange und sagte: "Musst dir nicht draus machen, Kleines. Das sind doch nur dumme Sprüche. Am Besten, du legst dir `ne dicke Haut zu. Dann stört dich nichts mehr." Auch das war nur ein schwacher Trost. Ich war einfach zu sensibel. Und ich wusste auch, dass mich solche dummen Sprüche auch weiterhin ärgern würden. Ich ging früh ins Bett. Mama saß allein vorm Fernseher. Auf dem Tisch stand wie immer eine Flasche Sekt. Sie war drauf und dran, eine Trinkerin zu werden. Mir war das egal, Hauptsache, sie lies mich in Ruhe. Und das tat sie in letzter Zeit auch.

Im Bett futterte ich noch einige Gummibärchen. Eigentlich mochte ich die nicht. Doch ich hatte nichts Besseres im Schrank. Das war ein ganz schön beschissener Tag gewesen, sagte ich zu mir, ehe ich einschlief. Am anderen Tag hatte ich erneut ein nerviges Erlebnis. Die Mädchen konnten einfach keine Ruhe geben. Wieder war Theresa die Initiatorin. Unser Verhältnis war inzwischen total in die Brüche gegangen. Warum gerade sie sich auf mich einschoss, war mir rätselhaft. Wegen der zu raschen Gewichtszunahme litt ich fast ständig unter Ermüdungserscheinungen. Es kam nicht selten vor, dass ich im Unterricht einschlief. So wie auch an diesem Tag. Natürlich ausgerechnet in Mathe, wo ich ohnehin immer mehr abrutschte. Ich bekam einen Stoß in den Rücken, wovon ich aufwachte. Verärgert drehte ich mich um. Fanny und Karin sahen mich spöttisch lächelnd an."Na, ausgeschlafen, Speckröllchen?", fragte Fanny süßlich. Ich zeigte ihr einen Vogel. Dann sagte jemand links hinter mir: "Die Felicitas braucht ihren Erholungsschlaf, damit sie nachher richtig futtern kann!" Am gehässigen Tonfall erkannte ich, dass es Theresa war. Also wieder sie! Ich konnte die Hexe nicht mehr ausstehen!

In der großen Pause sprach ich Josefine an. "Josi, die ständige Fopperei geht mir nun wirklich auf den Docht! Wir sollten endlich was dagegen tun, meinst du nicht? Du hast doch auch drunter zu leiden?" Josefine schüttelte den Kopf. "Waas denn? Iech wüsste niecht, waas wirr machen könnten. Wirr beide siend doch nur zwei. Von der Schulleitung bekommen wirr auch niecht Hielfe. Nein, wirr müssen das ebben ertraggen." Sie zuckte die Schultern. "Schau, morgen iest wieder anderer Tagg." Ich war zwar anderer Meinung, hatte aber auch keine Lösung parat.

Später, auf dem Nachhauseweg ging die Fopperei weiter. Theresa ging hinter uns. "Seht nur", krähte sie. "Wie dass wabbelt bei der Felicitas. Ist es nicht eklig, wie die Fettrollen über den Hosenbund quellen?! Und bei der Josefine könnte man annehmen, dass, wenn sie hinfallen täte, nur noch ein großer Fettfleck übrig bliebe!" Einige Mädchen lachten laut. Ich erstarrte. Das ging an die Nieren. Ich schaute Josefine empört an. Und ich spürte, dass ich puderrot wurde.

"Komm", sagte Josefine. "Lass uns zu McDonald gehen. Wirr essen uns den Frust von Seele." Ich fand den Vorschlag vernünftig. Was hätte besser helfen können, als in leckeren Pommes zu schwelgen?

Ich hatte einen Riesenhunger. Josefine bat mich, ich solle bei McDonald nicht zuviel essen. Denn ihre Mam lies ausrichten, ich sei heute zum Abendessen eingeladen. Es würde dann soviel leckere Dinge auf dem Tisch stehen, dass es mir bestimmt leid täte, wenn mein Magen nur wenig davon aufnehmen könnte. Ich lachte. "Josi, du müsstest doch wissen, dass ich unheimlich viel futtern kann, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Ich werde das heute Abend schon schaffen."

Mein Magen hatte sich mit der Zeit immer weiter gedehnt. Und weil ich immer größere Mengen futterte, fehlte mir alsbald jedes Maß. Ich konnte sozusagen Futtern ohne Ende. Damit befand ich mich in einer Situation, die so ihre Probleme mit sich brachte. Ich stillte zwar immer den Hunger, hatte nachher aber immer öfters das Gefühl, ich müsse noch viel mehr essen. Mein Magen schien ein Fass ohne Boden zu sein. Ich befand mich ähnlich wie früher, da Mam mich mit dem Essen kurz gehalten hatte, in einer Situation, aus der es nur schwer ein Entrinnen gab. Es hatten sich bloß die Vorzeichen geändert. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich in einem Teufelskreis befand.

Der Tisch stand tatsächlich voll mit lauter leckeren Speisen, von denen ich allerdings die wenigsten kannte. Die Namen und Rezepte der anderen Speisen erklärte mir dann während des Essens Josefine. Mehr noch als die gedeckte Tafel beeindruckte mich Josefines Mam. Obwohl meine Freundin mir vorher ihre Mam beschrieben hatte, blieb mir der Mund offen stehen. Frau Luschenkowa war nicht nur sehr fett, ich fand, sie war sogar wahnsinnig fett. Josefines Mam trug ein kariertes halblanges Kleid mit einem herzförmigen Ausschnitt. Ihr mächtiger Bauch stand ein gutes Stück weiter vor als der Busen. Der hing bis zum Oberbauch und war sehr üppig. Unter dem Rocksaum guckten zwei unheimlich stramme Waden hervor. Die im Vergleich zum massigen Körper kleinen Füße steckten in Pumps mit halbhohen Absätzen. Frau Luschenkowa ging beim Laufen ins Hohlkreuz, wohl bedingt durch die Massen vorn. Josefine erzählte mir später, dass ihre Man immer ein Korsett trug, um die Massen bändigen zu können. Ich vermutete, das Frau Luschenkowa früher einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein musste. Zwar wurden ihre Gesichtszüge durch das Fett und das starke Doppelkinn verwischt, ein Rest von Schönheit war jedoch noch vorhanden. Zum Beispiel ihre schönen blauen Augen und der volle, fast immer lachende Mund. Allerdings fand ich, dass sie etwas zu stark geschminkt war. Und ihr Parfüm, das sie umwehte, war vielleicht eine Note zu süßlich. Frau Luschenkowa hatte dieselben schönen weisblonden Haare wie Josefine. Sie trug diese zu einer Hochfrisur aufgesteckt. Ich war stark beeindruckt.

Leider sprach Frau Luschenkowa kaum deutsch. Josefine musste immer übersetzten. Aber während des Essens sprachen wir ohnehin nicht viel. Es gab zuerst eine Suppe mit Schweinefleisch und Gemüse, die Borschtsch hieß und ganz lecker schmeckte. Dann folgten Holubsti und Pyrohy (die mache ich heute noch gern). Das sind kleine gefüllte Krautrollen und gefüllte Teigtaschen. Die Füllungen bestehen aus Buchweizen bzw. Powidl Marmelade. Alles sehr lecker. Dazu gab es einen Schmorbraten, dessen Namen ich vergessen habe. Frau Luschenkowa achtete darauf, dass mein Teller immer voll war. Ich futterte was das Zeug hielt und schaute weder nach rechts noch nach links. Nach einer dreiviertel Stunde machte sich mein voller Bauch bemerkbar. Er drückte oben gegen den Rockbund. "Josi, ist es schlimm, wenn ich den Rock aufmache?" Die Freundin lachte. Frau Luschenkowa blickte mich fragend an. Josefine übersetzte ins Ukrainische. Dann lachte auch Josefines Mam und sagte etwas in meine Richtung. Da ich nicht verstand, sah ich wiederum Josefine fragend an. "Mama saggt, du biest eine gutte Esserin. Natürrlich kannst du den Rock aufmachen. Sieh, ich habb die Jeans auch schon offen." Sie stand kurz auf und zeigte mir den geöffneten Reißverschluss. Ich öffnete den Rockbund und atmete befreit auf. Dann widmete ich mich den Kuchen und Keksen. Besonders schmeckte mir der Honig-Kuchen. Ich aß mindestens genau soviel wie Josefines Mam. Nach den zwei Stunden platzte mir fast der Magen. Eine solche Menge hatte ich noch nie in mir gehabt. Das Völlegefühl war dann auch entsprechend stark. Und ich war kaum imstande, mich zu erheben. Frau Luschenkowa musterte mich einen Moment und sagte dann etwas zu mir. Josefine übersetzte. "Mama sagt, du wierst einmal serr fett werden. Du haast Anlagge dazu." Ich errötete. Ich wusste nicht, ob das nun ein Lob oder ein Tadel war. Da Frau Luschenkowa mir aber freundlich zulächelte, war wohl eher das letztere gemeint.

Wir gingen hinüber in Josefines Zimmer. Es war gemütlich eingerichtet mit einem breiten bunt gemusterten Sofa und einem kleinen Tisch davor. An der Wand standen das Bett und der Kleiderschrank. Wir setzten uns. Eigentlich hatten wir noch Mathe üben wollen. Doch weder Josi noch ich hatten dafür noch einen Bock. Wir waren einfach viel zu knülle nach dem Essen. Ich merkte auch, dass ich langsam müde wurde. "Felie?", fragte Josefine. "Du biest serr beeindrucht von Mama, nicht?" Ich wurde rot, nickte aber. "Ich gebe sogar zu, nicht zu knapp! Es stimmte wirklich. Ich sah Frau Luschenkowa immer noch vor mir. Ich hatte jede Kleinigkeit registriert an ihr. Wie unter dem Kleiderstoff das Fett erzitterte, wie der füllige Busen aus dem Ausschnitt quoll, wenn sie sich über den Tisch beugte, um mir noch mehr auf den Teller zu häufen. Und nicht zuletzt dachte ich an den massigen Hintern, für den der Küchenstuhl beiweitem nicht ausreichte.

"Ahn waas denkst du jetzt?" Josefine sah mich von der Seite an. Ich schluckte. "Sag' es aber bitte nicht weiter, hörst du!", mahnte ich. Mit belegter Stimme fuhr ich fort: "Ich wär' gern einmal so fett wie deine Mama." Oh Gott, jetzt war es heraus! Ich glühte vor Scham. Josefine lachte. "Das habb iech gewusst, Felie. Ich habb das an deine Augen gesehen. Vorhin, als du Mama zum erste Mal gesehen haast. Du hattest so waas ihn deine Blick." Ich war total verlegen. Mir wurde erst jetzt richtig bewusst, was ich gesagt hatte. Okay, ich hatte mich eindeutig geäußert. Eindeutiger ging es nicht! Einmal so richtig fett werden zu wollen, dieser Wunsch war mit Sicherheit latent schon längst vorhanden gewesen. Das war mir bis heute nur nicht bewusst gewesen. Josefines Mam war letzten Endes nur der Auslöser gewesen, um diese Erkenntnis zu gewinnen. Nun, wie und was auch immer, ich hatte mich damit natürlich geoutet. Josefine wusste nun, wie ich dachte. Die Freundin würde das nötige Verständnis haben. An Mam wagte ich aber nicht zu denken! Mich interessierte natürlich noch das aktuelle Gewicht von Josefines Mam. Also fragte ich. "So um die 165 Kilo", gab Josefine lächelnd Auskunft. Mir blieb wieder einmal der Mund offen stehen.



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