Black Box

Um 18.00 Uhr sollte ich meine Geburtstagsüberraschung bekommen. Keine Ahnung, was sich Stefan dieses mal hat einfallen lassen. Er macht zwar in solchen Fällen immer ein großes Geheimnis, heute plant er aber irgendetwas besonderes. So etwas fühle ich. Es ist schon ein seltsames Gefühl, am eigenen Geburtstag allein in seiner Wohnung zu sitzen und zu warten, dass irgendetwas passiert. Stefan hat nur gemeint, ich soll mich auf eine Art Ausflug vorbereiten. Dachte eigentlich, wir würden heute fein essen gehen. Danach sieht es jetzt aber gar nicht aus. Bin schon neugierig.

Jemand ist an der Tür. Kann nur hoffen, dass es Stefan ist. Schön langsam ist mir die Warterei auf die Nerven gegangen.

"Hallo Liebling!". Es ist Stefan. Und er ist bester Laune. "Hallo Stefan! Bin schon gespannt, was du dir dieses mal ausgedacht hast!" Er grinst. "Meine Barbara wird doch nicht neugierig sein?", meint er, und spielt den Überraschten. "Wie sollte ich nicht? Schon seit Wochen diese Geheimniskrämerei, und jetzt lässt du mich auch noch ewig warten!" "Du wirst es nicht bereuen! Bist du fertig?". "Klar, kann es nicht mehr erwarten!", antworte ich wahrheitsgetreu. "Dann dreh dich um!". Das wird ja immer seltsamer, denke ich, als Stefan beginnt, mir mit einem Tuch die Augen zu verbinden. Meine Neugierde wächst immer mehr...

Jetzt sitze ich seit gut 20 Minuten mit verbundenen Augen in Stefans Auto. Was hat er bloß mit mir vor? Ich habe keine Ahnung! Vielleicht plant er einen romantischen Abend in einem Hotel. Das wäre nett. Irgendwie scheint aber der übertriebene Aufwand und die Geheimniskrämerei der letzten Zeit dafür etwas übertrieben. Normalerweise neigt Stefan nicht zu Übertreibungen. Wenn er etwas Besonderes andeutet, dann nicht ohne Grund. Ich versuche, ihm den einen oder anderen Hinweis auf sein Geheimnis zu entlocken. Er schweigt eisern und amüsiert sich über meine Neugierde und Ahnungslosigkeit. Langsam beginnt mich dieser Zustand zu nerven. Aber noch finde ich dieses kleine Rätsel lustig.

Wir fahren langsamer. Offenbar sind wir in einer Art Tunnel oder Tiefgarage. "Wir sind da!", sagt Stefan. Das Auto hält. "Darf ich jetzt diese Augenbinde wegtun?", frage ich. "Nein, noch nicht! Aber bald!" Also heißt es nochmals, sich in Geduld zu üben. Gleichzeitig steigt meine Spannung.

Stefan führt mich zu einem Aufzug. Die Luft ist kühl. Nach kurzer Fahrt verlassen wir den Aufzug. Stefan schließt eine Tür auf. Wir gehen durch diese Tür. Stefan schließt die Tür sofort wieder ab. Seltsam. Zuerst glaube ich, wir hätten ein Zimmer betreten. Dann gehen wir allerdings einen Art Korridor entlang. Stefan schließt eine zweite Tür auf. Nachdem wir auch durch diese Tür gegangen sind, schließt Stefan die Tür, ohne sie abzusperren. "Jetzt sind wir da!", meinte Stefan. "Brauch ich jetzt die Augenbinde noch immer?" "Zähl bis dreißig, dann kannst du damit machen, was du willst!"

Ich beginne zu zählen. Irgendwie ist das alles doch etwas kindisch. Plötzlich höre ich, wie Stefan die Tür aufmacht, den Raum, in dem wir uns befunden haben, verlässt, und die Tür von außen verschließt. Irgendwie irritiert mich Stefans Verhalten schon ein wenig. Ich verliere den Faden beim zählen - warte deshalb noch ein paar Augenblicke und reiße mir dann die Binde vom Kopf.

Ich stehe in einem großen Raum. Er ist mir sofort vertraut, obwohl ich noch nie hier war. Ich kenne diesen Raum aus einer Weight Gain Geschichte. Einer Geschichte, die ich selber geschrieben habe. Meine Feedee-Fantasien zu träumen gehört zu meinen geheimsten Leidenschaften. Noch nie habe ich irgendjemandem davon erzählt. Nicht mal Stefan. Und jetzt stehe ich in einem Raum, den ich selber in einer meiner Geschichten beschrieben habe. Dieser reale Raum entspricht dem Zimmer in meiner Geschichte bis ins Detail.

Die Geschichte, in dem dieser Raum eine zentrale Rolle spielt, handelt von einem anfangs schlanken Mädchen - das mein alter ego ist - welches von einem geheimnisvollen Mann festgehalten wird und mit bösartigen psychologischen Spielchen dazu animiert wird, übermäßig zu essen. Dazu ist zu sagen, dass meine weight gain-Fantasien leider nicht die einzig dunkle Seite meiner Seele sind. Auch das Gefühl, jemandem völlig ausgeliefert zu sein, ohne Einschränkungen dem Willen einer anderen Person gehorchen zu müssen, finde ich irgendwie prickelnd - vor allem, wenn dieses Gefühle auch einen sexuellen Aspekt haben. Wirklich seltsam, wie man als halbwegs selbstbewusste Person solchen dem eigenen Selbstbild völlig widersprechenden Handlungen etwas abgewinnen kann - und sei es auch nur in meiner Fantasie. Manchmal schäme ich mich sogar für diese Gedanken und Traumbildern.

Plötzlich geht das Licht aus. Es ist völlig dunkel, ich kann die eigenen Hand vor Augen nicht sehen. Mit einem Schlag macht sich ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend breit. Gleichzeitig macht sich ein unglaublicher Gedanken in meinem Kopf breit. Was sich hier abspielt, ist meine Geschichte! Fast alles, was bisher passierte, hält sich strikt an diese Geschichte. Die Fahrt mit verbundenen Augen, das Zimmer, und jetzt die Dunkelheit! Das Mädchen, das in meiner Geschichte Opfer dieser Entführung war, tappe stundelang verzweifelt in der Dunkelheit herum. Dabei fand sie nichts, was sie nicht schon in den wenigen Minuten, in denen das Licht brannte, nicht schon gesehen hatte: Ein Bett, ein Tisch mit Stuhl, ein Kühlschrank, eine Mikrowelle, eine durch eine Trennwand vom restlichen Zimmer abgetrennte Nasszelle mit der üblichen Duschkabine, einer Waschbecken und einem WC. Ich brauche mich gar nicht erst durch das Dunkel vortasten, all diese Dinge sind auch hier vorhanden.

Der letzte Beweis, dass ich mich in einem von mir selbst erdachten Szenario bewege, ist der verlockende Lasagneduft, der sich in der Dunkelheit breit macht. Wenn sich hier wirklich alles an meine Vorlage hält, gibt es hier irgendwo eine Durchreiche in der Wand, wo in regelmäßigen Abständen eine Mahlzeit nach der anderen abgestellt wird. Die Barbara in meiner Geschichte lässt die Mahlzeit lange Zeit stehen, obwohl sie hungrig ist und die Lasagne in der Durchreiche bald entdeckt hat. Sie hat schlicht Angst, irgendetwas mit dem Essen könnte nicht in Ordnung sein. Ihr Kampfgeist und Zuversicht, einen Ausweg aus diesem Gefängnis zu finden, schwindet aber mit jeder Stunde. Hungrig und von dieser angsteinflößenden totalen Dunkelheit immer stärker demoralisiert, beginnt sie dann, etwas zu finden, um wenigstens ein bisschen Licht in diese Dunkelheit zu bringen. Doch es gibt keinen Lichtschalter, keine Kerze, kein Fenster. Nicht ein mal ein Schlüsselloch, durch das ein winziger Lichtstrahl durchscheinen könnte. Nur mehr mit Mühe die Fassung behaltend, beginnt meine Heldin dann doch, die inzwischen kalte Lasagne zu essen. Mit dem ersten Bissen geht plötzlich wie von Geisterhand das Licht an. Dies ist der grausame Trick, mit dem ich mein alter ego dazu zwinge, zu essen.

Ich sitze auf dem Bett in völliger Dunkelheit. Die Lasagne duftet. Stefan hat meine Geschichte gefunden - kein Zweifel. Ich habe im des öfteren erzählt, dass ich manchmal völlig abartige Fantasien habe, ich mich aber nicht traue, sie ihm zu erzählen. Er hat dies immer akzeptiert, sich aber die Freiheit vorbehalten, meinem Geheimnis nachzuforschen. Irgendwie ist ihm dies jetzt gelungen. Nun weiß er also von meinen Feedeeträumereien. Apropos Träumereinen. Letztens haben wir eines abends bei einem langen Abendessen in einem Restaurant davon gesprochen, dass man Träume, die man bisher nicht verwirklicht hat, unbedingt umsetzten sollte. Wenn es irgendwie möglich, finanzierbar, machbar ist. Darin waren wir uns einig. Wir stimmten auch darüber ein, dass vieles einfach unmöglich war - eine Zeitreise in die 60er Jahre, die Stefan sich wünschte, oder einen Flug ins All. Vieles war aber möglich, wenn man über den eigenen Schatten springt und sich nicht von anderen bei der Verwirklichung behindern lässt. Und ich sagte damals noch, dass ich einfach nicht den Mut aufbringen würde, einige der eigentlich realisierbaren Träume zu verwirklichen. Wahrscheinlich müsste man mich zu meinem Glück zwingen - das war die Conclusio dieses Abends - zumindest aus meiner Warte. Für Stefan war die Angelegenheit damit offenbar nicht erledigt. Sonst würde ich mich jetzt nicht mitten in einer meiner dunkelsten Fantasien befinden.

Wenn es nach dieser Fantasie ging, würde ich essen, um im Gegenzug für wenige Momente etwas Licht zu bekommen. Anfänglich würden normale Mahlzeiten dafür reichen. Bald jedoch würde das Licht erst nach einem Viertel der Mahlzeit angehen. Später erst dann, wenn die Hälfte des Tellers leer ist. Die Portionen würden größer werden. Ich würde verzweifelt zu immer größeren Mahlzeiten gezwungen. Die ersten Fettzellen würden beginnen, sich zu füllen. Bald würden daraus kleine Fettpölsterchen und noch später ansehnliche Speckrollen entwickeln. Ab einer gewissen Gewichtszunahme würde das Leben in diesem Gefängnis angenehmer werden. Musik, Bücher, Zeitschriften und andere Vergünstigungen würden als Belohnung für fleißiges Fettansetzen winken.

Wie weit würde Stefan gehen? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er meine Geschichte wirklich bis zu ihrem fetten Ende umsetzen würde! Ich würde Wochen, Monate hier eingesperrt sein! Das war doch völlig unrealistisch. Oder doch nicht? Stefan würde den ganzen Aufwand mit diesem rekonstruierten Zimmer nicht auf sich nehmen, um nach ein paar Stunden die ganze Sache zu beenden. Ein paar Tage und ein paar kleine "Erfolge" in Form des einen oder anderen Kilo werden wohl zu investieren sein, dachte ich.

Irgendwie war ich jetzt beruhigt. Sogar mehr als beruhigt - irgendwie bin ich jetzt gespannt, was sich in der nächsten Zeit so abspielen würde. Ich würde mit Augenzwinkern in die Rolle meiner Weight-Gain-Heldin schlüpfen. Erst jetzt erkenne ich, welch grausame Geschichte ich mir ausgedacht habe! Die reale Situation, in der ich mich jetzt gerade befand, hatte schon seine Vorteile - kein Zweifel!

Es wird Zeit, sich über die Lasagne herzumachen. Hungrig bin ich eigentlich noch gar nicht, möchte aber gern checken, ob das mit dem Licht auch funktioniert. Das mit der Dunkelheit funktioniert übrigens nicht - zumindest nicht bisher. Kein Spur von Panik wegen der fehlenden Lichts. Eigentlich logisch, es fehlt ja die Ungewissheit, die die Heldin meiner Geschichte völlig in ihren Bann schlug.

Die Lasagne schmeckt wunderbar, und das Licht geht tatsächlich sofort an! Irgendwo muss die Infrarot-Webcam sein, mit der Stefan den Raum überblicken kann. Aber wo? Kann nirgends etwas auffälliges entdecken. Wenigstens hat er mir ein Magazin überlassen, damit mir nicht ganz so langweilig wird.

Der Kühlschrank ist vollgeräumt mit Getränken, neben dem Kühlschrank steht ein Pappkarton mit Unmengen an Schokolade, Keksen, Fruchtgummis, Chips, Erdnüssen und derlei Dingen - das komplette Sortiment. Da ich Stefans Spielchen ja mitspiele, mach' ich mich über eine Packung Chips her. Lese dabei einen Artikel über die neueste Strandmode. Werde dann aber bald versuchen, etwas zu schlafen. Habe meine Rolle als Stefans Opfer mehr als erfüllt - unter normalen Umständen würde es mir nie einfallen, eine ganze Familienpackung Chips zu vertilgen. Ist gar nicht so übel.

Bin gerade aufgewacht. Natürlich ist es dunkel. Habe keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe oder wie spät es ist. Eigentlich ärgert mich schon ein wenig, dass mich Stefan hier tatsächlich einsperrt und sich jetzt schon zwölf Stunden nicht mehr blicken ließ. Habe mir gestern ein paar Schokoriegel mit ans Bett genommen. War mir nämlich nicht sicher, ob ich nicht doch irgendwann von der ewigen Dunkelheit genervt würde. Werde einen dieser Schokoriegel essen und schauen, ob schon so etwas wie ein Frühstück in der Durchreiche steht. Das wäre wenigstens ein Indikator, wie spät es ist. Es ist kaum zu glauben, wie sehr ich gewohnt bin, immer über die aktuelle Uhrzeit informiert zu sein! Bringt mir jetzt gar nichts, zu wissen, ob es fünf Uhr morgens oder schon zehn Uhr am Vormittag ist. Es nicht zu wissen macht mich irgendwie trotzdem nervös!

Habe inzwischen gefrühstückt - war ein ziemlich ausgiebiges Frühstück. Im Grunde war mein Hunger gar nicht so arg, trotzdem hab' ich brav alles zusammengefuttert! Hab' dabei kaum gelesen! Verstehe nicht, wieso ich mich so ohne weiteres auf Stefans Spielchen einlasse! So spannend und aufregend, wie ich mir eine solche Situation in meiner Fantasie vorgestellt habe, ist das gar nicht! Aber essen muss man tatsächlich mehr als normal! Im Dunkeln die Morgentoilette hinter sich zu bringen ist alles andere als einfach. Ohne irgendetwas kalorienhältiges zwischen den Zähnen ist zum Beispiel ein Blick in den Spiegel unmöglich! Nur das Zähneputzen muss zwangsläufig im Dunklen erledigt werden...

Liege seit Stunden auf dem Bett. Zumindest fühlt sich die abgelaufene Zeit wie Stunden an! Gleich nach dem Frühstück ist in der Durchreiche ein Mikrowellengericht deponiert worden. Offenbar soll das mein Mittagsessen sein. Damit verliere ich den letzten konkreten Anhaltspunkt über die Tageszeit!

Das absolute Nichtstun wird jetzt wirklich fade. Hab' schon längst festgestellt, dass mich eher die Langeweile zum Vielfrass macht als die Dunkelheit. Vielleicht sollte ich mich über eine Packung Fruchtgummis hermachen. Hab' eine Schwäche für das Zeug und hab' mich bisher bloß immer beherrscht - jetzt könnt' ich mal so richtig zuschlagen. Außerdem könnte ich daneben bequem lesen.

Die Fruchtgummis waren wirklich lecker! Noch nie habe ich eine ganze Packung auf einmal verdrückt. Wenn ich so weiter mache und Stefan mich noch lange hier einsperrt werde ich wirklich noch zunehmen! Ansonsten ist mir wieder ziemlich langweilig. Werde mich mal dem Mikrowellengericht widmen. Wie ich dann die Zeit totschlagen soll, ist mir ein Rätsel.

Habe es tatsächlich geschafft, nach dem Mittagessen nicht vor Langeweile zu sterben! Zwischen all' den Süßigkeiten hab' ich Kinder-Überraschungseier gefunden. Insgesamt sechs dieser Schokoeier hab' ich verputzt. Eine bunte Figur aus einem Disneyfilm, ein Plastikhaus, ein Fußballspieler mit ulkigem Schussmechanismus, ein Minipuzzle, ein Auto mit Schwungrad und eine Plastikwindmühle stehen jetzt auf dem Tisch herum. Dann habe ich mit Hilfe einer relativen großen Menge an Cashewkernen das Magazin ausgelesen. Jetzt warte ich auf das Abendessen. Es ist wirklich schlimm, aber das ist das aufregendste, was mir heute noch passieren wird!

Das Abendessen war herrlich, aber viel zu viel! Stefan hat sich beim Chinesen mit Köstlichkeiten eingedeckt. Kein Mensch hätte aber diese Mengen aufessen können! Ich weiß nicht warum, ich hab's aber trotzdem versucht! Jetzt lieg' ich völlig groggy auf der Matratze, mit dem prallsten und kugeligsten Bauch, den ich je hatte! Mein Magen schmerzt, die Haut spannt wie irre und tief zu atmen fällt mir schwer!



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