Der Badeausflug

Mit bester Laune startete Petra in die neue Woche. Sie war sich sicher, bei ihrer Großmutter weiter zugenommen zu haben, trotzdem war sie fröhlich wie schon lange nicht mehr. Vergnügt deckte sie sich vor Arbeitsbeginn in der Redaktion mit kalorienreichen süßen Snacks ein und musterte sich in der verspiegelten Glasscheibe des Supermarktes: die Veränderungen ihres Körpers begannen nun, offensichtlich zu werden. Vor allem ihre Seitenansicht faszinierte Petra. Pralle Oberschenkel, die kleine Wölbung ihres Bäuchleins, ein zu kleiner BH, der leicht in das Fleisch unter ihrer Achsel einschnitt. Nein, sie fühlte sich nicht zu mollig - sondern kurviger und üppiger als früher, und äußerst attraktiv. An diesem Tag vernaschte Petra ihre Süßigkeiten ohne jedes schlechtes Gewissen. Vielmehr genoss sie es, den süßen Verlockungen einfach nachgeben zu können ohne das Gefühl zu haben, ihre Figur, ihr Aussehen, ihre Attraktivität zu ruinieren. Diese Erkenntnis löste bei Petra ein Gefühl der Erleichterung aus - erst jetzt merkte sie, wie sehr sie der ständige Druck, schlank bleiben zu müssen und nur wenig essen zu dürfen, tagtäglich belastet hatte.

Das Wochenende bei ihrer Großmutter brachte für Petra noch weitere Veränderungen. Neben der Überzeugung, dass ihr die vielen Kalorien nun nichts Negatives mehr anhaben können, war auch ihr Appetit sprungartig gestiegen. Das übermäßige Essen über ein ganzes Wochenende hinweg hatte ihren Magen scheinbar erst so richtig in Hochform gebracht. Plötzlich reichten Petra bisher ausreichende Portionen nicht mehr aus. Es brauchte immer eine kleine Extramenge an Nahrungsmittel, um das angenehme Völlegefühl zu erreichen. Außerdem schien Petras Magen nun auch flotter zu arbeiten. Die üblichen drei Mahlzeiten waren einfach zu wenig! Schon vormittags um zehn verlangte ihr Körper nach neuen Kalorien. Dasselbe galt für den Nachmittag. Um die Zeit zwischen Mittag und Abend zu überbrücken, brauchte es eine ordentliche Zwischenmahlzeit.

Sara fiel schon nach wenigen Tagen Petras ungezügeltes Essverhalten auf. "Du bist aber ziemlich hungrig in letzter Zeit!", stellte sie fest. "Kann man sagen!", lachte Petra. "Ich habe entdeckt, dass es mir nichts ausmacht, dicker zu werden. Warum soll ich also länger hungern?", fuhr Petra fort. "Dir macht das wirklich nichts aus?", fragte Sara ungläubig. "Nein! Das hätte ich selbst vor ein paar Monaten noch nicht für möglich gehalten. Es ist aber so!", antwortet Petra. "Ich nehme auch ständig zu - und trotzdem fühle ich mich um nichts schlechter als vorher." "Ziemlich schräg! Aber irgendwie auch cool!", meinte Sara.

In den Tagen bis zur nächsten Gourmetrunde genoss Petra ihre neue Unbeschwertheit in Sachen Essen in vollen Zügen. Erstaunlich schnell gewohnte sich Petra an die übermäßige Schlemmerei. Sie konnte sich gar nicht mehr vorstellen, wie sie früher das ständige Fasten ausgehalten hatte. So war es kein Wunder, dass sie nun noch schneller zunahm. Ihre Anprobejeans passte schon nach ihrer Rückkehr nicht mehr, und auch ihre anderen Sachen wurden nun sehr schnell enger. Die Besuche Petras in diversen Modetempeln und Boutiquen häuften sich demnach notgedrungen. Das Spiegelbild, dass sich ihr jeweils bot, stellte Petra mehr als zufrieden.

Wie sehr sie auseinander ging wurde Petra erst an der Reaktion Irenes klar, als sich die beiden einmal für's Kino verabredet hatten. "He, wie siehst denn du aus!", begrüßte sie Irene lachend. "Wie soll ich schon aussehen?", fragte Petra zurück und tat so, als wisse sie nicht, worauf Irene anspielte. Irene blies als Antwort auf Petras Gegenfrage nur ihre Backen auf und ließ ihr ohnehin schon rundes Gesicht noch runder aussehen. Dann lachte sie und meinte "So siehst du aus! Wow, du bist wohl wirklich auf den Geschmack gekommen!" "So schlimm ist er auch wieder nicht!", entgegnete eine doch etwas irritierte Petra. "Ich weiß nicht so recht! Schau doch mal in den Spiegel!", gab eine sichtlich amüsierte Irene zurück. "Ist es wirklich so arg?", wollte Petra nun wissen. "Arg ist gar nichts! Du wirst fett, das ist alles!", meinte Irene gelassen. Irgend etwas löste Irene mit dieser Antwort in Petra aus - Petra störte nicht die etwas drastische und ganz und gar nicht diplomatische Antwort ihrer Freundin. Sie war Irenes Direktheit schon gewohnt. Es war die Art der Formulierung. Irene wählte eine Formulierung, die suggerierte, dass das Urteil über die weitere Entwicklung ihrer Figur schon gesprochen wäre. Aus Irenes Mund klang es so, als ob es überhaupt keinen Zweifel mehr geben würde, dass sie weiter zunehmen und früher oder später gewichtsmäßig in Irenes Gewichtsklasse landen würde. Irene war ganz klar der Meinung, dass Petra den Weg Richtung Schwergewicht schon eingeschlagen hatte und eine Rückkehr unmöglich sei. Irenes nächste Äußerung, dass so was schon passieren könne und man dagegen halt nichts machen kann, bestätigte Petras Gefühl. Hatte Irene recht? Hatte sie selbst in den letzten Wochen durch ihre undisziplinierte Fresserei eine Lawine losgetreten, die sie nicht mehr kontrollieren, geschweige denn aufhalten konnte? Hatte sie vielleicht tatsächlich die Kontrolle darüber verloren? Steuerte sie tatsächlich unaufhaltsam auf massives Übergewicht zu? Irgendwie erschreckte sie die Vorstellung, hilflos Kilo für Kilo zuzunehmen, immer runder zu werden, in regelmäßigen Abständen neue Fettpölsterchen entdecken zu müssen, neue Kleidung zu benötigen. Würde es schrecklich sein, zu bemerken , dass man immer größere Essensmengen benötigte, eine total unkontrollierte Lust auf ständige Naschereien hat und dabei dicker und dicker wurde? Konnte ihr so was wirklich passieren? Eine Art Angstlust durchströmte ihren ganzen Körper, als sie Irene wieder aus ihren Grübeleien in die Realität zurückholte. "Ich lade dich auf eine Kleinigkeit ein! Das muss gefeiert werden!" "Mein Fettarsch muss gefeiert werden?", entgegnete Petra, noch immer von ihren eigenen Gedanken etwas mitgenommen. "Übertreib mal nicht! Noch hat sich nichts daran geändert, dass ich die einzige von uns beiden bin, die ihren Po zu recht als Fettarsch bezeichnen darf!", lachte Irene. "Wenn du aber so weiter machst, ist das nicht mehr lange so! Nein, gefeiert wird deine baldige Aufnahme als vollwertiges Mitglied der Gourmetrunde!" "Hab ich mich noch nicht qualifiziert? Du hast selber gesagt, dass ich fett werde!", wandte Petra ein. "Noch ist es nicht so weit. Dafür braucht es schon noch ein paar Kalorien! Darum lade ich dich auch gleich mal ein!", meinte eine noch immer prächtig gelaunte Irene.

Mit stetig wachsender Verunsicherung bemerkte Petra in den nächsten Tagen, dass sie den verschiedenen kalorienreichen Verlockungen tatsächlich entschieden zu wenig entgegenzusetzen hatte. Mehrmals täglich überkam sie der Gusto auf irgendeine Leckereien, und nie hatte Petra auch nur den Funken einer Chance, sich den Verlockungen zu entziehen. Oft hörte sie Irenes Feststellung "Du wirst fett, das ist alles!" in ihrem Kopf nachklingen, ständig verfolgte sie das Szenario, weiter und weiter zuzunehmen, ohne etwas dagegen tun zu können. Doch eines war noch seltsamer: Dieses Gefühl der Machtlosigkeit - es fühlte sich gar nicht so schlecht an. Auf eine spezielle Weise war es sogar herrlich, einmal über etwas nicht die Kontrolle ausüben zu können, sich einfach gehen und den Dingen seinen Lauf zu lassen.

Eigentlich lag dies gar nicht in ihrer Natur. Auch jagte ihr der Gedanke, weiter zuzunehmen - vielleicht sogar sehr viel zuzunehmen - ab und zu etwas Angst ein. Trotzdem fühlte sie sich im Grunde ausgezeichnet. Ihr Spiegelbild konfrontierte sie zwar in diesen Tagen mit langsam üppiger werdendem Fettgewebe, doch bot sie nach eigenem Befinden noch immer einen recht hübschen Anblick. Auch schien sich niemand an ihrem beginnenden Übergewicht zu stören. Zumindest bekam sie keine blöden Bemerkungen zu hören. Und die Mädchen in der Gourmetrunde taten alles, um sie von Diätgedanken und Selbstzweifeln abzubringen.

Relativ unbekümmert gingen die nächsten Wochen an Petra vorbei. Ihrem Appetit lies sie nun freien Lauf. Das geschah ja in den letzten Monaten immer wieder einmal, über so eine lange Zeit - es waren mehrere Wochen - hatte Petra noch nie jede Selbstbeherrschung in Sachen Ernährung aufgegeben. Schon während dieser Zeit merkte sie, dass sie dafür auch die Rechung präsentiert bekam. Hosen, die sie sich erst gegen Ende des Winters bzw. Anfang Frühling gekauft hatten, begannen, schon wieder zu klein zu werden. Immer deutlicher wurden Petra auch die verschiedenen körperlichen Veränderungen bewusst. Aus ihren schlanken Beinen waren ziemlich umfangreiche Stampfer geworden, ihr Po fühlte sich weich und unendlich breit an, aus den Fettpölsterchen auf ihrem Bauch waren Speckrollen geworden, die nur noch verschwanden, wenn sie ganz flach auf dem Rücken lag. Fast nicht zu glauben war, welche Menge an Fett sie zu fassen bekam, wenn sie sich in die Taille kniff. Eines war sicher - wenn sie nicht sofort aufhören würde, sich regelrecht zu mästen - dann würde ihre alte, schlanke Figur endgültig und sehr bald unter einer dicken, weichen Fettschicht verschwunden sein.

Dies bekam sie auch von Irene in deren üblich herzhaften Ausdrucksweise mitgeteilt: "Bald ist von der schlanken, zierlichen Nachwuchsjournalistin nichts mehr übrig, wenn ich dich so sehe!" Die Badesaison hatte begonnen. Während Petra voriges Jahr zu dieser Zeit noch mit relativ wenig Bikini-Stoff das Auslangen fand, brauchte es inzwischen schon weitaus mehr Textil, um das Notwendigste zu bedecken. Ganz wohl war Petra nicht gewesen, wenn sie an den Sommer und die dazugehörige Mode dachte. So passte es ihr gut in den Kram, dass sie den ersten Badeausflug an den See in diesem Jahr mit Irene und zwei weiteren Mädchen aus der Gourmetrunde unternahm. Zu Hause hatte Petra gar nicht erst den Versuch unternommen, in den alten Bikini reinzuschlüpfen. Sie holte ihn nur schnell ans Tageslicht, um ihn mit ihrer neuen Bademode, mit der sie sich eingedeckt hatte, zu vergleichen. Etwas mulmig war Petra schon geworden als sie sah, welch großer Unterschied zwischen ihren alten und ihren neuen Sachen festzustellen war.

Am Strand bemerkte sie dann, dass ihr der selbstbewusste Umgang mit all den neuen Pfunden nicht mehr ganz so gut gelang wie im Alltag. Fester Jeansstoff, kleine Tricks mit figurformender Unterwäsche und raffinierte Schnitte halfen, wenn nötig, doch etwas mit, wenn es darum ging, ihre immer runder werdenden Formen in etwas schlankere Bahnen zu zwingen. Nun war aber die Stunde der Wahrheit. Obwohl ihr neuer Bikini perfekt saß - die prallen Oberschenkel, ihr prächtiger Po, das elastische Fettgewebe auf Bauch und Hüften - alles war dem Auge des Betrachters unbarmherzig ausgeliefert. Als Petra die ersten Schritte aus der Umkleidekabine raus ins grelle Sonnenlicht machte, bereute sie es fast, zum Baden mitgegangen zu sein. Noch nie war ihr bewusst geworden, wie sehr so manche Körperpartie ins Wogen geriet, wenn sie einen Schritt vor den anderen setzte. Unwillkürlich zog sie ihren Bauch ein, als sie sich zwischen all den Badegästen zu ihren Freundinnen durchkämpfte. "Bauch und Brust heraus, Schultern zurück, Kopf hoch!", forderte sie Irene flüsternd auf, als sich Petra gerade auf ihr Badetuch niederließ - möglichst so, dass ihr Bauchspeck nichts allzu üppige Falten schlug. "Du hast keinen Grund, dich zu verstecken! Das falscheste, was du machen kannst, ist zu versuchen, deine Kurven zu verstecken!" In der Folge bemühte sich Petra, Irenes Tipps zu beachten. Ganz leicht fiel ihr dies allerdings nicht.

Bald bemerkte Petra eine Gruppe Mädchen, die sich ein paar Meter weiter auf dem Rasen niedergelassen hatte. Sie waren ganz das Gegenteil zur üppigen Runde, der Petra angehörte: Allesamt superdünn, wenn nicht mager, zwei in äußerst knappen Bikinis. Eines der Mädchen weigerte sich, mit den anderen auf ein Eis zu gehen - natürlich wegen der Figur. Eine andere machte sich nach kaum einer Stunde wieder auf den Heimweg, da sie noch ins Fitnesscenter musste, um ihre Beine in Form zu bringen. Langsam wurde Petra klar, wie lächerlich sich das alles anhörte, wie seltsam sich diese Mädchen benahmen. Sie hatten Bikinioberteile an, die kaum vorhandene Brüste verdeckten. Sie trugen gewagte Tangas, die den Blick auf die nichtvorhandenen Kurven ihrer Hinterteile erlauben sollten. Sie hielten sich zweifelsohne für ziemlich sexy, für Petra waren sie fast bemitleidenswert. Sie selbst fühlte sich von einem Moment zum anderen sehr wohl in ihrer Haut.

Ungläubig betrachtete sie einige Tage später die Fotos, die eine von Irenes Freundinnen am See geschossen hatte. Irene hatte sie per e-mail an Petra weitergeleitet, und nun saß Petra vor ihrem PC und erkannte sich nicht wieder. Zwar wusste sie, dass das Mädchen im knallroten Bikini sie selbst war, trotzdem konnte sie es nicht ganz glauben, was sie zu sehen bekam. Da war das Foto, das Irene mit einer Portion Pommes Frites zeigte. Doch auch sie selbst war zu sehen. Sie lag auf dem Bauch, den Blick in die gleiche Richtung wie die Fotografin gewandt. Breite, fette Oberschenkel lagen da auf dem Badetuch. Sie hatten jede Straffheit verloren und breiteten sich faul in alle Richtungen aus. Und der Po! Wenn das kein Fettarsch war! Einzig ihr Rücken schien bisher noch nicht von den sich festsetzenden Kilos in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Die Haut auf dem Rücken wirkte trotzdem etwas seltsam. So, als ob sie auf Grund des rasch wachsenden Unfangs der unter der Haut liegenden Fettzellen bis zum Platzen gespannt wäre. Es würde nicht mehr lange dauern, und dann würde auch ihr glatte, straffer Rücken Opfer ihrer Fresserei werden, weicher und weicher werden und irgendwann beginnen, ebenfalls Speckfalten zu bilden. Auf einem anderen Foto saß sie im Schneidersitz und war in ihr Buch vertieft. Von ihrem Kopf sah man nur ihre etwas zerzausten Haare. Mit der linken Hand drehte sie sich gerade eine Locke. Das tat sie immer, wenn sie beim Lesen ganz in die Geschichte vertieft war. Unglaublich, wie umfangreich und schwer ihr Busen auf diesem Foto wirkte. Zwar konnte man nicht gerade behaupten, dass die Schwerkraft ihre zweifelsfrei etwas üppiger gewordene Oberweite verschont hätte - trotzdem war es der hübscheste Ausschnitt, der jemals auf einem Foto von ihr zu sehen war. Der Bauch allerdings war schlicht immens! Der Bauchspeck hatte sich in dieser etwas kauernden Haltung zu zwei dicken Speckrollen zusammengeschoben. Von ihrem Nabel war überhaupt nichts mehr zu sehen. Der Bund des Höschens schnitt links und rechts in den Hüftespeck, am Bauch war er unter der untersten Speckrolle verschwunden. Die Oberschenkel - bei diesem Bild vor allen die Oberschenkelinnenseiten - präsentierten sich wiederum in voller Pracht. Weich, breit, und keine Spur mehr von Muskelstrukturen. Kaum ein Foto, auf dem sie nicht viel fetter aussah, als sie sich eigentlich fühlte.

Als sich Petra die Fotos dann ein zweites mal ansah, schaute alles nur noch halb so schlimm aus. Auf einem der Fotos war im Hintergrund die Gruppe der dürren Mädchen zu sehen. Jede einzelne Rippe konnte man sehen, knochige Hüften, ausgeronnen wirkende Oberschenkel, wenig hübsche, irgendwie kantige Kniegelenke, abnormal hervorstehende Schlüsselbeine und Schultergelenke. Lange betrachtete Petra dieses Foto - bald war ihr klar, wie hübsch sie eigentlich war und das es keinen Grund gab, ihre Kurven zu verstecken. Irene hatte völlig recht. Noch etwas war Petra aufgefallen. Sie passte inzwischen sehr gut in Irenes üppige Damenrunde. Noch war sie zwar mit einigem Abstand die "Dünnste", doch wusste Petra, dass die Chancen nicht schlecht standen, dass im Spätsommer kaum mehr ein Unterschied festzustellen sein würde.

Dazu trug bei, dass sie in ihrer Freizeit immer öfter mit Irene herumhing. Petra hatte in letzter Zeit festgestellt, dass sie immer fauler wurde. Zwar war sie nie ein Sportfreak gewesen, doch ab und zu machte ihr etwas Bewegung durchaus Spaß. Das konnte eine kleine Tour mit dem Fahrrad, Schwimmen oder Inline-Skating sein. Doch genauso, wie ihr Appetit und ihr Gewicht gestiegen war, hatte sich ihr Bewegungsdrang verflüchtigt. Aufgefallen war ihr dies erst, als sie beim Firmenausflug mit ihren Zeitungskollegen unzählige Stiegen auf einen Kirchturm hinauf erklimmen musste. Von dort oben hatte man angeblich einen besonders schönen Ausblick auf die Stadt, die sie besuchten. Nach kurzer Zeit war Petra allerdings die Lust auf den Ausblick vergangen, da sie sich, völlig außer Atem und schwitzend, die Stufen hinaufquälen musste. Die vielen neuen Kilos hatten sich auf diese Weise noch nie bemerkbar gemacht. Fast schämte sich Petra, derart außer Form geraten zu sein. Sara, die Sportstudentin aus dem Büro, sah sie mitfühlend an und munterte sie auf, die letzten Stufen auch noch zu erklimmen. Drei Tage lang plagte sie der aus dieser Aktion resultierende Muskelkater. Der Vorsatz, wieder etwas mehr Bewegung zu machen, verflog aber sehr schnell wieder.

Irene war diesbezüglich auch nicht gerade die beste Ratgeberin. Etwas verlegen erzählte ihr Petra, wie es ihr in diesem Kirchturm ergangen war. "Da wäre ich sowieso nicht rauf, wenn es keinen Lift gegeben hätte. Ich bin ja nicht wahnsinnig!", lachte Irene und stopfte sich den Rest einer Schaumrolle in den Mund. "Wozu gibt es denn die Segnungen der modernen Technik? Doch vor allem dazu, solchen Leuten wie uns unnötige Turnübungen zu ersparen!" Etwas extrem fand Petra Irenes Einstellung schon. In den nächsten Tagen fiel Petra aber auf, dass es Irene damit durchaus ernst war. Sie fuhr selbst kürzeste Strecken mit dem Auto, machte auf Rolltreppen in Einkaufszentren oder Kinos nicht einen unnötigen Schritt und benutzte prinzipiell den Aufzug.

Petra nahm auch in den Sommerwochen weiter ungebremst zu. Aus ihrem leichten Übergewicht Ende Juni war nun, Ende August schon ein ganz stattliches geworden. Noch immer hatte Petra keine Ahnung, wie viel sie jetzt eigentlich wog. Auffallend war nur, dass sie immer mehr Leute auf ihr Gewicht ansprachen. So etwa ihre Mutter. Petra verstand sich mit ihr immer ganz gut. Als sich die ersten Kilos festgesetzt hatten, ignorierte ihre Mutter dies einfach. Nun aber sprach sie Petra auf ihre ständig fülliger werdende Figur an. Petra beklagte sich darüber auch gar nicht. Sie war an einem Samstag gemeinsam mit ihrer Mutter durch die Stadt gebummelt. Dabei hatte sie eine schon wieder etwas zu eng gewordene Jeans an, in der vor allem ihr Po in voller Breite zur Geltung kam. Außerdem war es einer dieser Tage, an dem Petra ohne Unterbrechung hätte futtern können. Da sie in den letzten Monaten jede Selbstbeherrschung in Sachen Nahrungsaufnahme aufgegeben hatte, fiel ihr dies auch nun, in Anwesenheit ihrer Mutter, sehr schwer. Eine ganze Stunde hielt es Petra sogar aus, an Hot-Dog-Verkäufern, Konditoreien, McDonalds und Pizza Huts vorbeizugehen, ohne gleich hineinzustürmen und ihren Heißhunger zu stillen. Doch es fiel ihr unermesslich schwer. Jetzt bemerkte sie, dass ihr kleiner Alptraum Realität geworden war - sie konnte sich wirklich nicht mehr beherrschen, was das Essen betraf. Natürlich war ihr das in den letzten Wochen nie so aufgefallen, da sie nie in die Situation gekommen war, sich zurückhalten zu müssen.

Nach dieser einen, unendlich langen Stunde, siegte aber Petras Gier nach Kalorien über alle aufkommenden Bedenken. Es fing mit zwei Kugeln Eis an und endete schlussendlich mit einer großen Portion Pommes. "Du hast jetzt wirklich noch Lust auf Pommes?", staunte Petras Mutter, als ihr ihre Tochter etwas verlegen den Vorschlag machte, doch schnell noch auf eine Portion Pommes zu gehen. Es war noch keine halbe Stunde her, als die beiden in einem Straßencafe saßen und Petra ein Stück Sahnetorte verdrückt hatte. "Kein Wunder, dass du in letzter Zeit etwas..." - Petra merkte, dass ihre Mutter nach einem Wort suchte, dass sie nicht allzu sehr vor den Kopf stoßen sollte - "...nun, fester geworden bist!" "Du kannst ruhig sagen, dass ich fett werde, das stört mich längst nicht mehr!", erwiderte Petra cool. "Du scheinst das ziemlich gelassen zu nehmen!", wunderte sich ihre Mutter, als Petra trotzdem auf den Burger King zusteuerte, um sich ihre Pommes zu holen. "Ich hab schon so viel zugenommen, dass sich eine Diät sowieso nicht mehr auszahlt.", ergänzte sie. "So dick bist du nun auch wieder nicht! Mit ein bisschen Anstrengung würde das schon gehen!", versuchte die ältere der beiden Frauen die jüngere zu überzeugen. "Hab aber im Moment keine Lust auf ´ne öde Diät", meinte Petra. "Wie fiel wiegst du eigentlich?", ließ ihre Mutter nun nicht locker. "Ich habe keine Ahnung, hab´ mich noch nicht auf die Waage gestellt.", antwortete Petra, immer noch geduldig und im Gedanken längst schon bei ihren Pommes. "Noch kein einziges mal?" Petras Mum erstaunte das Verhalten ihrer Tochter schon ziemlich. Dass sie völlig aus dem Leim ging war eine Sache. Dass sie aber nicht den Versuch machte, ihr Gewicht wieder zu reduzieren, sondern - ganz im Gegenteil - weiter unglaubliche Mengen vertilgte und weiter zunehmen würde, verblüffte Petras Mutter doch sehr. Allerdings wollte sie Petra nicht mir weiteren Fragen auf die Nerven gehen und beließ es an diesem Tag dabei.

Auch Irene wollte wissen, wieviel Petra schon zugenommen hatte. "Wieviel hast du eigentlich zugelegt? Müsste schon ganz ordentlich sein!", meinte sie und musterte ihre Freundin von oben bis unten. Auch Irene fand es etwas seltsam, dass sich Petra noch nicht auf die Waage gestellt hatte. "Ich wäre viel zu neugierig an deiner Stelle!" "Wieviel könnten es den sein?", fragte Petra nun etwas verlegen. "Figurmäßig hast du Anna bald erreicht, und soviel ich weiß, wiegt sie etwas mehr als 80 Kilo." Irene würde wohl nicht so falsch liegen mit dieser Schätzung, befürchtete Petra. In ihren schlanken Tagen hatte sie immer knapp unter 60 Kilo gewogen - meist 57 oder 58 Kilo. Das würde eine Zunahme von +/- 20 Kilo bedeuten, und das in einem Jahr. Sofort verdrängte Petra den Gedanken an ihr Gewicht. Sie wusste auch so, dass sie nun mehr als nur ein wenig mollig war. Auf eine böse Überraschung auf ihrer Personenwaage konnte sie gern verzichten.



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