Die
Geschichte des österreichischen Trotzkismus 1927-1950 - seine Geschichte,
seine Politik, sein Kampf
Niemals
gebrochen!
Der Trotzkismus
- benannt nach dem Führer der russischen Revolution 1917 Leo Trotzki
- gründet auf den Lehren der revolutionären ArbeiterInnenbewegung.
Trotzki entwickelte die Lehren von Marx und Lenin weiter und kämpfte
in der Sowjetunion in den 1920er Jahren gegen die aufkommende bürokratische
Diktatur Stalins. Trotz Verfolgung durch die GESTAPO der Nazis und den
sowjetischen Geheimdienst bauten die TrotzkistInnen die Vierte Internationale
als revolutionäre Alternative zu Sozialdemokratie und Stalinismus
auf, deren Ziel im Sturz des Imperialismus und herrschender Bürokratie
und dem Aufbau eines auf basisdemokartischen Räten gründenden
ArbeiterInnenstaates besteht. Diesen Kampf setzt heute unsere Organisation
- die Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt - und unsere internationale Tendenz,
die Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale,
fort.
Der Trotzkismus
ist in Österreich - wie auch in anderen Ländern - in den späten
1920er Jahre aus der kommunistischen Partei hervorgegangen. Einfluß
und Gewicht des Trotzkismus blieben in der österreichischen ArbeiterInnenbewegung
relativ bescheiden. Eine Isolierung, die sich die TrotzkistInnen nicht
selbst ausgesucht haben: 1933 durch die Dollfuß-Regierung verboten,
wurden die TrotzkistInnen so wie die gesamte österreichische ArbeiterInnenbewegung
in die Illegalität gedrängt.
Während die reaktionäre antisemitische Massenhysterie nach dem
Einmarsch des Führers im März 1938 ihren Höhepunkt
entfaltete, kapitulierten die TrotzkistInnen nicht: Sie lösten ihre
Organisationen nicht auf. In strengster Illegalität, ständig
in Gefahr, von der Gestapo ertappt zu werden, bauten sie in Wien ihre
Organisationen auf, organisierten Treffen, gaben ihr illegales Propagandamaterial
heraus. Nicht ohne Opfer: Franz Kascha und Joschi Jakobovits, Mitglieder
der Gruppe Gegen den Strom fielen der Gestapo in die Hände.
Der faschistische Blutsenat machte ihnen zum Vorwurf, einen
Hochverrat vorzubereiten, und verurteilte sie im Wiener Landesgericht
zum Tode.
Den TrotzkistInnen war es verwehrt, von der wiedererlangten Freiheit nach
1945 zu profitieren, der sich Sozialdemokratie und KPÖ erfreuen konnten.
Ostösterreich war durch die Rote Armee besetzt. Die TrotzkistInnen
waren gezwungen, weitere 10 Jahre bis zum Abschluß des Staatsvertrages
1955 im Untergrund zu wirken. Das bedeutete, vorsichtig zu agieren, um
nicht von den heimischen StalinistInnen enttarnt und an die sowjetischen
Besatzungsbehörden überführt zu werden.
Die Gefahren, die den österreichischen TrotzkistInnen durch den Stalinismus
drohten, waren durchaus real: der österreichische Arbeiter und Revolutionär
Karl Fischer ist als Trotzkist - was für die in Österreich
stationierten stalinistischen Beamten gleichbedeutend mit Faschist
war - im Winter 1947 durch den stalinistischen Geheimdienst nach Sibirien
in den Gulag verschleppt worden. Fischer mußte in den Lagern 8 Jahre
lang Zwangsarbeit verrichten.
Warum
Trotzkismus?
Die TrotzkistInnen
entstanden, um für eine neue revolutionäre Führung in der
österreichischen ArbeiterInnenbewegung zu kämpfen, da die Sozialdemokratie
spätestens seit ihrer Kriegsunterstützung für die Habsburger
Monarchie zu Beginn des 1. Weltkrieges 1914 aufgehört hat, eine revolutionäre
Kraft zu sein. Andererseits wurde aus der KPÖ - wie die gesamte Kommunistische
Internationale - eine bürokratisierte-stalinisierte Partei, die immer
mehr bürokratischen Eigeninteressen gehorchte. Im Gegensatz zur Sozialdemokratie
war die KPÖ im herrschenden bürgerlichen System der ersten Republik
nicht integriert. Ihre bürokratische Degeneration war also nicht
die Folge der Einbindung in den Kapitalismus, sondern eng mit der entstehenden
Bürokratie in der nachrevolutionären Sowjetunion verknüpft.
Die Politik der sowjetischen Bürokratie war keineswegs mehr ident
mit den objektiven Interessen der ArbeiterInnenklasse, da sie in der Sowjetunion
die ArbeiterInnendemokratie unterdrückte und international nicht
mehr für den Sturz des Kapitalismus kämpfte. Vielmehr verteidigte
sie ihre bürokratischen Eigeninteressen und Privilegien. In der Außenpolitik
begann die Sowjetbürokratie, bürgerliche Regimes zu unterstützen.
In China hatte 1927 die Stalin-Bucharin-Führung die chinesische Nationalbourgeoisie
bedingungslos unterstützt, obwohl diese die revolutionäre Erhebung
des chinesischen Proletariats blutig niedergeschlug.
Der
Beginn der Linksopposition
Die Entstehung
des österreichischen Trotzkismus ist eng mit dem Namen Josef Frey
verbunden. Frey - ein Führer der KPÖ - führte einen Fraktionskampf
innerhalb der KPÖ und wurde infolgedessen im Jänner 1927 von
der Parteiführung zusammen mit anderen WeggefährtInnen aus der
KPÖ ausgeschlossen. Anschließend gründete er, gemeinsam
mit Kurt Landau, eine neue Organisation, die KPÖ (O) , wobei das
O für Opposition stand. Landau war Mitglied des kommunistischen
Jugendverbandes (KJ), die KJ und die Partei schlossen ihn aber aufgrund
seiner Sympathie für die russische Linksopposition aus.
Bei ihrer Gründung zählte die KPÖ (O) immerhin an die 100-150
Mitglieder, darunter hauptsächlich ArbeiterInnen und nur wenige Intellektuelle.
Die überwiegend proletarische Zusammensetzung und der geringe Anteil
an Intellektuellen war ein bis in die 1960 Jahre geltendes Merkmal der
kleinen trotzkistischen Gruppen. Da die KPÖ nicht mehr als 3000 Mitglieder
zählte, war die Position der linken Opposition gegenüber der
KPÖ stärker als üblicherweise angenommen wird.
Die gegründete österreichische Linksopposition erkannte die
bürokratische Degeneration der Kommunistischen Internationale (Komintern)
und ihrer nationalen Sektionen. Die Linksopposition sah auch die damit
verbundenen Gefahren, die für die kommunistischen Parteien daraus
entstanden. Die Linksopposition schrieb aber diese Parteien nicht kampflos
ab, sondern kämpfte im Gegenteil für deren Reformierung. Angesichts
der Tatsache, daß in vielen Ländern der fortgeschrittenste
Teil der ArbeiterInnen sich auf die Komintern orientierte und die Bürokratie
ihren Griff auf die Parteien noch nicht völlig gefestigt hatte, war
diese strategische Orientierung auch absolut richtig. Doch mit dem weltpolitisch
bedeutsamen Versagen der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) im
Kampf gegen den Hitler-Faschismus und der kritik- losen Unterstützung
des KPD-Kurses durch die Komintern änderte sich dies. Viele ArbeiterInnen
wendeten sich enttäuscht von der Komintern ab und ihre nun vollständig
zu Handlangern der Moskauer Bürokratie gewordenen Parteien entwickelten
sich rasch in eine reformistische Richtung. Damit entstand die Notwendigkeit,
für neue revolutionäre Parteien und eine neue Internationale
zu kämpfen.
Dem Unterfangen, die bürokratisierten kommunistischen Parteien zu
reformieren, standen auch der KPÖ (O) mächtige Hürden im
Wege, die nur sehr schwer zu überwinden waren. Das Haupthindernis
stellte die Parteiführung der KPÖ dar, da diese kurzerhand die
Oppositionellen ausschloß. Zuvor (1924) hatte das Zentralkomitee
- die Leitung der KPÖ - gemäß der Mehrheitsverhältnisse
in der russischen Partei den Trotzkismus einstimmig verurteilt.
Anstatt eine demokratische innerparteiliche Diskussion über die neue
Politik der Kom -intern zuzulassen, unterdrückte die Parteiführung
jede kritische Wortmeldung und schloß alle Oppositionellen aus,
obwohl diese in keinster Weise die Parteidisziplin brachen. Nach ihrem
Ausschluß konnten die TrotzkistInnen nur mehr von außen, nicht
von innen auf die Politik der offiziellen Partei Einfluß nehmen.
Mitte der 1920er Jahre setzte auch die Hetzkampagne der KPÖ gegen
die Opposition ein, die dann in den 1930er Jahren zu einem Vernichtungskampf
gegen die TrotzkistInnen ausartete. Um einen Eindruck der durch die Rote
Fahne, dem Organ der KPÖ, eröffneten Verleumdungskampagne gegen
die TrotzkistInnen zu bekommen, ein Zitat. So hieß es (1927) u.a.
...bei dem Lumpen Frey bedeutet sogar das Ausspucken eine Ehrenbezeichnung.
Gegen
den Reformismus kämpfen - aber wie?
Worin
unterschieden sich nun die TrotzkistInnen von der KPÖ? Auf ihrer
Gründungskonferenz hat die Opposition erklärt und sich zum Ziel
gesetzt: die österreichische Arbeiterbewegung vom Reformismus
zu befreien. Der zentrale Streitpunkt zwischen den österreichischen
TrotzkistInnen und der KPÖ betraf infolgedessen die Taktik der schwachen
kommunistischen Partei gegenüber einer starken Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei (SDAP). Eine Frage, die auch heute noch eine wesentliche
Rolle in der Linken spielt und deshalb genauer behandelt werden soll.
Die KPÖ(O) forderte, daß sich die Partei nicht auf die bloße
Entlarvung der sozialdemokratischen Politik beschränken dürfe,
die mit einer weitgehenden Passivität gegenüber den sozialdemokratischen
AktivistInnen verbunden war. Doch diese hatten noch große Illusionen
in ihre Parteiführung. Vielmehr müsse man daher die SDAP - sowohl
Basis als auch Führung - zu gemeinsamen Aktionen für konkrete
Reformen auffordern. Denn die ArbeiterInnenklasse kann letztendlich nur
durch praktische Erfahrungen in Aktionen ihr reformistisches, bürgerliches
Bewußtsein überwinden. Gleichzeitig müßten KommunistInnen
aber vor dem Verrat der sozialdemokratischen Parteiführung warnen
und versuchen, die Basismitglieder von der SDAP wegzubrechen und für
den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen.
Die Komintern systematisierte am 3. Weltkongreß (1921) die revolutionäre
Einheitsfronttaktik. (Nicht uninteressant ist dabei die Tatsache, daß
Frey der einzige der KPÖ-Führer war, der die Einheitsfronttaktik
vorbehaltlos unterstützte).
Die Periode der Einheitsfrontarbeit war für die KPÖ eine Periode,
in der fruchtbare Ansätze unternommen wurden, um aus dem Hinterhof
der österreichischen Arbeiterbewegung (Trotzki) hinauszukommen.
Eines von mehreren Beispielen für die zunehmende Mobilisierungskraft
der Partei war die 30.000 TeilnehmerInnen zählende Demonstration
gegen das Genfer Sanierungspaket (1922). Dies war die größte
Einzelaktion der KPÖ der Nachkriegsgeschichte, die dadurch zustandegekommen
ist, weil die SP-Parteiführung den Vorschlag der KPÖ-Führung
(in dieser Phase spielte Frey eine maßgebliche Rolle in der Führung)
zurückgewiesen hatte.
Stalinismus
Ab 1924
wurde die revolutionäre Einheitsfrontarbeit der KPÖ durch die
zunehmend stalinistische Komintern-Führung eingestellt. Ultralinke
und rechtsopportunistische Wendungen wechselten, um 1927 in der ultralinken
Sozialfaschismus-Theorie zu münden. Diese bezeichnete
die Sozialdemokratie als bloßen Zwilling des Faschismus,
den es dementsprechend zu bekämpfen galt. Für die KPÖ hatte
dies besonders tragische Folgen. Zwar war die Putschperiode abgeschlossen,
doch der von nun an eingeschlagene Kurs war mit seiner grundsätzlichen
Ablehnung der Einheitsfrontpolitik sehr ähnlich.
Mit der Faschisierungstheorie der Sozialdemokratie versperrte
sich die KPÖ zu den sozialdemokratischen Massen, die es zu erreichen
galt. Daher lehnte sie die Forderungen der TrotzkistInnen ab, eine Einheitsfrontpolitik
gegenüber der SDAP nach dem Motto gemeinsamer Kampf um gemeinsame
Interessen zu verfolgen. Erfolglos warnten die österreichischen
TrotzkistInnen in ihrem Organ Arbeiterstimme davor, daß
sich die KPÖ ins Abseits begibt und dem tatsächlichen Faschismus
wehrlos gegenübersteht.
Die StalinistInnen quittierten die Vorschläge der TrotzkistInnen
mit endlosen Denunzierungen. Um sich die Mühe der Argumentation zu
ersparen, beschuldigte die KP-Führung die TrotzkistInnen als Geheimspitzel,
ohne freilich auch nur einen einzigen Beweis vorlegen zu können.
Die Einheitsfrontvorschläge, welche die TrotzkistInnen der KPÖ
unterbreiteten, waren für die StalinistInnen Schwindelmanöver
einer Zutreibergruppe Otto Bauers. (Otto Bauer war der Führer
der SDAP)
Dabei eröffnete die objektive Klassenkampflage in Österreich
vor dem Februar 1934 der KPÖ Möglichkeiten zu wachsen, nachdem
die Sozialdemokratie Schritt für Schritt vor dem wachsenden Faschismus
und staatlicher Reaktion zurückgewichen ist - vorausgesetzt, die
KPÖ hätte eine richtige Politik betrieben. Das Beispiel des
steirischen Heimwehrputsches (1931) und des 6-wöchigen Grünbacher
Bergarbeiterstreiks veranschaulichen, wie der Sozialfaschismuswahn
(Frey) der KPÖ dazu beitrug, daß sich diese selbst schwächte,
anstatt die reformistische Rückzugspolitik auszunutzen (worum es
in der Einheitsfrontpolitik eigentlich ging und geht).
Anläßlich des Heimwehrputsches weigerte sich die KPÖ,
der sozialdemokratischen Führung ein Angebot zur Abwehr des Putsches
zu machen, nur um dann schließlich selbst passiv zu bleiben. Auch
im Fall der KPÖ sieht man analog zur KPD, wie die Faschisierungtheorie
der Sozialdemokratie Vorschub leistete, den wirklichen Faschismus zu verkennen,
um letztendlich vor ihm zu kapitulieren. Interessant ist die Begründung,
welche die stalinistischen FührerInnen dafür lieferten, der
reformistischen Parteiführung kein Aktionsangebot zu unterbreiten.
Wie viele Linke auch heute noch meinte die Rote Fahne: ...die SP
wäre durch ihre Tatenlosigkeit bereits entlarvt.
Richtig daran ist, daß die Sozialdemokratie gegen den Faschismus
nicht kämpft bzw. nicht konsequent kämpft. Aber was war mit
der fortgeschrittenen Minderheit sozialdemokratischer ArbeiterInnen in
der Steiermark, die nicht nur kampfbereit waren, sondern sich auch ausdrücklich
an ihre Führung wandten, weil sie von ihr eine Hilfe erwarteten?
Es war ein Trugschluß anzunehmen, die reformistischen ArbeiterInnen
hätten die Tatenlosigkeit ihrer Führung erkannt.
Mit einem Einheitsfront- angebot hätten die KommunistInnen an Einfluß
unter diesen AktivistInnen gewinnen können, doch davon war die KPÖ
weit entfernt.
Beim Grünbacher Bergarbeiterstreik (1932) stellte die KPÖ neben
dem sozialdemokratischen Streikkomitee ein eigenes kommunistisches Streikkomitee
auf. Dies entsprach ihrer Linie, die Einheitsfront mit der Sozialdemokratie
abzulehnen, anstattdessen selbständige reine kommunistische
Gewerkschaften, Arbeitslosenkomitees etc. aufzubauen. Doch mit dieser
Spaltung wurde ein möglichst geschlossener, breiter Streik unmöglich.
Statt den Streik gemeinsam mit den sozialdemokratischen ArbeiterInnen
zu organisieren, isolierten sich die KommunistInnen selber und erleichterten
es dadurch der reformistischen Streikführung wie auch der Betriebsleitung,
den Streik abzuwürgen.
Aufschlußreich für das Scheitern der ultralinken Linie der
KPÖ sind die Ergebnisse der darauffolgenden Betriebsratswahlen. Denn
da waren nicht die KommunistInnen diejenigen, die imstande waren, aus
der reformistischen Abwiegelei Nutzen zu ziehen, sondern es waren die
Nazis, die einen Stimmenzuwachs zu verzeichnen hatten. Ebenfalls aufschlußreich
sind die Gesamt- ergebnisse dieser Politik: die Mitgliederzahlen (an die
3000) stagnierten, die aktiven kommunistischen Betriebszellen schrumpften
und wurden immer bedeutungsloser.
Widersprüche
und Schwächen der Linksopposition
Im Zusammenhang
mit der Einheitsfrontfrage ist die von Trotzki geäußerte Kritik
hinsichtlich der Wahltaktik der KPÖ (O) interessant, die (ausgenommen
der kritischen SP-Wahlunterstützung 1927) für die KPÖ aufrief,
was Trotzki grundsätzlich unterstützte. Trotzki kritisierte
die Opposition aber deshalb, weil sie in der KPÖ nicht für eine
Wahlempfehlung für die ReformistInnen eintrat. Mit diesem Einwand
wies Trotzki darauf hin, daß die Einheitsfronttaktik auch bei den
Wahlen anzuwenden ist - eine weitere Frage, die vom Großteil der
zentristischen Linken nicht verstanden wird.
Aber so zutreffend die von der trotzkistischen Opposition vorgebrachten
Einwände gegen die ultralinke Linie der KPÖ auch waren - sie
sahen sich außerstande, daraus Nutzen zu ziehen. Nur wenige kommunistische
ArbeiterInnen waren der Kritik der TrotzkistInnen gegenüber der Parteiführung
zugänglich oder traten in die Reihen der KPÖ (O) über.
Die Ursachen dafür sind nicht nur alleine in der Repression durch
die kommunistische Parteiführung zu suchen, die relativ erfolgreich
die Opposition von der Parteimitgliedschaft isolierte. Ein wesentlicher
Grund dafür, weshalb die Opposition schwach und isoliert blieb, war
ihre innere spannungsgeladene Situation. Frey, dessen autoritäre
Züge durchschlugen, schloß Landau aus politisch zweifelhaften
Gründen aus (1928), obwohl die in der Opposition auftauchenden Differenzen
einen Platz innerhalb einer Organisation hätten (z.B. welchen Weg
die bürgerliche Konterrevolution in der Sowjetunion nehmen könne).
Folglich standen sich zwei linksoppositionelle Strömungen als eigenständige
Gruppierungen gegenüber: neben der KPÖ (O) entstand der Mahnruf,
der hauptsächlich in der Steiermark verankert war und dort bei seinen
Eigenkandidaturen besser als die KPÖ-KandidatInnen abschnitt. Zweifellos
hat die Spaltung die Opposition geschwächt. Ein weiterer, weitaus
folgenschwerer Rückschlag war die Weigerung der beiden Gruppen, der
Aufforderung der Internationale Linksopposition (ILO) nachzukommen und
sich ihr als vereinigte Organisation anzuschließen. Die ILO ging
zu Recht davon aus, daß die Spaltung politisch nicht gerechtfertigt
war. Doch die Vereinigung scheiterte an dem Fall Kernmayer,
der Mitglied der KPÖ (O) war, den die Mahnruf-Gruppe jedoch als eingeschleusten
Heimwehrspitzel ansah. In Wirklichkeit fehlte den beiden Gruppen der Wille,
ihre kleinlichen Differenzen dem Kampf für das revolutionäre
Programm und den Aufbau einer Internationalen unterzuordnen.
Seit dieser gescheiterten Episode, in der Frey versucht hatte, die nationale
Beschränktheit zu überwinden und einen Anschluß an die
Internationale anzustreben, führte er mit dem Kampfbund (so nannte
sich die KPÖ(O) seit 1934) eine nationale, auf Österreich beschränkte
Sonderexistenz. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil die Differenzen des
Kampfbundes zur internationalen Linksopposition nicht schwerwiegender
waren, als sie z.T. innerhalb der ILO existierten. Darüberhinaus
hat der Kampfbund selbst stets darauf verwiesen, in der 1938 gegründeten
Vierten Internationale eine revolutionäre Kraft zu sehen, eine Einschätzung,
an der Josef Frey auch nach dem Ende des zweiten Weltkrieges festgehalten
hat. Kurz, die nationale Borniertheit Freys sollte ein zentrales Merkmal
seiner Politik werden, die das spätere Abgleiten in den Zentrismus
unvermeidlich machte. Denn eine revolutionäre Partei und Programm
können aufgrund des grundsätzlich internationalen Charakters
des Kapitalismus und damit auch des Klassenkampfes nur international existieren.
Josef
Frey: Die Lehren des Februar
Kommen
wir zu den Ereignissen des Februar 1934. Die Führungen der beiden
ArbeiterInnenparteien - KPÖ und SDAP - verhielten sich im Februar
1934 nicht anders als in Deutschland. Die reformistische Parteiführung
kapitulierte bedingungslos vor dem Staatsstreich durch die Dollfuß-Heimwehr-Regierung.
Die KPÖ sah - wie die KPD 1933 - die Zerschlagung der Organisationen
der ArbeiterInnenbewegung als Voraussetzung dafür an, daß die
ArbeiterInnenklasse für die Revolution zu kämpfen beginne.
Doch in einer Hinsicht unterschieden sich die österreichischen von
den deutschen Ereignissen: Teile der durch den Schutzbund bewaffneten
ArbeiterInnenklasse (der Schutzbund war die Miliz der SDAP) nahmen die
Kapitulation der sozialdemokratischen Führung nicht hin, griffen
zu den Waffen und führten einen verzweifelten Abwehrkampf. Josef
Frey faßte von einem marxistischen Standpunkt aus die Lehren des
Februar 1934 zusammen, deshalb wollen wir daraus zitieren. Frey zog aus
dem Aufstand folgende Schlußfolgerungen: ...eine Aktion der
bewaffneten Avantgarde muß der revolutionären Massenaktion
untergeordnet sein..., ohne das ist und bleibt die heroische Aktion der
bewaffneten Avantgarde politisch ein Abenteuer. Frey weiters: ...das
erste Grundgesetz eines wirklichen Aufstandes ist der Angriff. Und
da eine organisierte revolutionäre Massenaktion nur von einer
proletarischen Klassenpartei geführt werden kann, besteht die
vordringliche Aufgabe, eine proletarische Revolutionspartei herauszubilden.
Die proletarische Revolutionspartei, der Kampfbund, hat nach
seiner Gründung 1934 im verschneiten Wienerwald, die illegale Arbeit
aufgenommen. Die TrotzkistInnen waren von nun an gezwungen, für mehr
als 20 Jahre in der Illegalität zu wirken. Der Mahnruf überstand
im Gegensatz zum Kampfbund die Repression der christlich-sozialen Heimwehr-Diktatur
nicht und löste sich auf. Dollfuß und die Heimwehr unterdrückten
alle legalen ArbeiterInnenorganisationen. Doch die ArbeiterInnenklasse
und v.a. ihre kämpferischsten und bewußtesten Elemente waren
nicht vollständig geschlagen. In der Illegalität gründeten
sich die Revolutionären Sozialisten (RS), eine nach links
gehende, zentristische Abspaltung von der SDAP; die KPÖ war rege
aktiv und konnte innerhalb kurzer Zeit stark anwachsen und auch der bewaffnete
Schutzbund war - bis zu seiner Auflösung durch die KPÖ und den
RS (1936/1937) - existent.
Trotzkismus
und der Eintritt von RevolutionärInnen in eine sozialdemokratische
Partei
1934
gingen die TrotzkistInnen der Vierten Internationale in Frankreich dazu
über, den Eintritt (Entrismus) in die reformistische Partei durchzuführen,
wobei sie innerhalb der Partei mit ihrem eigenen revolutionären Aktionsprogramm
kämpften, um die nach links gehenden AktivistInnen in der SP für
den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen. Ob sich RevolutionärInnen
dafür entscheiden, innerhalb einer reformistischen Partei die Arbeit
aufzunehmen, hängt von einer Reihe von zu berücksichtigenden
Umständen ab: Wie weit ist es möglich, innerhalb der Partei
offen für revolutionäre Positionen einzutreten; gibt es einen
sich nach links entwickelnden Flügel usw. Frey und der Kampfbund
lehnten jedoch den Entrismus im Gegensatz zur Vierten Internationale aus
prinzipiellen Erwägungen ab. Nach Ansicht von Frey wäre ein
Entrismus in eine klassenfremde Partei wie die Sozialdemokratie
nicht zulässig, denn er führe dazu, sich anzupassen. Darin widerspiegelte
sich nicht zuletzt sein Unverständnis der Sozialdemokratie: er hielt
sie bloß für eine kleinbürgerliche Partei statt eine bürgerliche
ArbeiterInnenpartei - also eine sich auf die ArbeiterInnenklasse stützende
Partei, die jedoch von einer mit dem Kapitalismus verbundenen Bürokratie
dominiert wird.
Freys Argumentationsweise spielte unter den österreichischen TrotzkistInnen
noch in der Nachkriegszeit eine große Rolle, als sich eine Mehrheit
der 1946 gegründeten IKÖ (Internationale KommunistInnen Österreichs)
bis 1954 aus den gleichen Gründen wie Frey dagegen wehrte, einen
Entrismus in die SPÖ durchzuführen. Allerdings argumentierte
Frey nicht gegen einen individuellen Eintritt oder von Teilen der Partei
von RevolutionärInnen. Er meinte nämlich, die Partei - der
Parteikern - als solche könne bzw. dürfe nicht in eine
sozialdemokratische Partei eintreten, da die revolutionäre
Klassenpartei ihre Unabhängigkeit bewahren müsse. Die
französische Sektion der Vierten Internationale trat als ganzes ein.
Jedoch betrieb die Vierte Internationale den Entrismus nicht unüberlegt.
Sie war sich des Problems einer Anpassung an das sozialdemokratische Milieu
durchaus bewußt. Wie schon erwähnt war eine Bedingung die Freiheit
der kommunistischen Propaganda, welche der reformistischen Parteibürokratie
natürlich ein Dorn im Auge war und sie deshalb ständig versuchte,
diese zu unterdrücken. Ein Blick zurück in die französischen
Verhältnisse Mitte der 1930er Jahre zeigt, daß unter gewissen
Umständen die reformistische Parteiführung nicht immer in der
Lage ist, ihre KritikerInnen mundtot zu machen, wie sie es in Zeiten des
Klassenfriedens tun kann.
Nach der österreichischen und deutschen Katastrophe drängten
die französischen ArbeiterInnenmassen nach Einheit, nach Überwindung
der Spaltung (ein Echo davon war, daß RS und KP zwischen 1935/1936,
eine Fusion anstrebten, deren Grundlage jedoch reformistisch war) und
wurden gegenüber ihren Führungen selbstbewußter und kämpferischer.
Das zeigte, weshalb Freys prinzipielle Einwände falsch waren und
weshalb RevolutionärInnen unter gewissen Voraussetzungen als RevolutionärInnen
und nicht als verkappte ReformistInnen innerhalb der reformistischen Partei
arbeiten können.
Der Entrismus war eine Anwendung der Einheitsfront, um den Reformismus
innerhalb und nicht außerhalb der reformistischen Partei zu bekämpfen.
Was den Entrismus in Österreich anlangt, war ein Eintritt in die
KPÖ aufgrund ihres aggressiven Antitrotzkismus unmöglich, dagegen
bei den RS durchaus realistisch. Eine aktive Intervention durch RevolutionärInnen
in diesem sich nach links bewegenden Milieu, das dabei war, die Februar-Niederlage
der Sozialdemokratie politisch aufzuarbeiten, wäre unter Umständen
auf fruchtbaren Boden gestoßen. Das Ausmaß dieser Radikalisierung
nach links wird deutlich, wenn man sich folgende Tatsachen vor Augen hält:
So gelang es der KPÖ, in der Illegalität zu einem entscheidenden
Faktor in der ArbeiterInnenbewegung zu werden. Viele Jugendliche aus der
Sozialdemokratischen Arbeiterjugend (SAJ) und der Gewerkschaftsjugend
traten zu ihr über - ihre Mitgliedschaft wuchs binnen kurzem von
3.000 auf ca. 15.000 an. Tausende verurteilten die reformistische Politik
der sozialdemokratischen Parteiführung und auch den Stalinismus und
bildeten die Revolutionären Sozialisten. Dadurch konnte
sich auch der Kampfbund stärken. Nach Schätzungen Franz Drexlers
- damals Mitglied des Kampfbundes und später der IKÖ - hatte
der Kampfbund aus dem illegalen Schutzbund an die 30 Mitglieder gewinnen
können (insgesamt zählte der Kampfbund bis 1937/38 an geschätzte
80 Mitglieder).
Die Ablehnung des Entrismus war sicherlich ein Fehler. Auch wenn das genaue
Ausmaß der Wachstumsmöglichkeiten natürlich schwer im
Nachhinein auszumachen ist, so spricht doch alles dafür, daß
hier gute Möglichkeiten für einen wichtigen Schritt im Aufbau
einer revolutionären Partei ausgelassen wurden.
Gegen
Faschismus, Krieg und Stalinismus
Die
Volksfront-Politik des Stalinismus
Der von
der stalinistischen Bürokratie vollzogene Schwenk zur Volksfrontpolitik
1935 beruhte auf folgendem Kalkül: Nachdem der Faschismus in Deutschland
gesiegt hatte, drohte der UdSSR ein Angriff Hitler-Deutschlands. Die Volksfrontpolitik
war ursprünglich als Verteidigungsstrategie konzipiert, um die UdSSR
vor Nazi-Deutschland zu schützen. Sie sollte außerhalb der
UdSSR Bündnisse mit den demokratischen antifaschistischen Fraktionen
der imperialistischen Weltbourgeoisie - konkret mit den herrschenden Klassen
des bürgerlich-demokratischen Frankreichs und Großbritanniens
- sichern.
Ein solches Bündnis mit der Bourgeoisie war an sich schon in der
von Stalin 1924 formulierten Theorie des Sozialismus in einem Land
angelegt. Denn wenn der Sozialismus in einem Land tatsächlich aufgebaut
werden kann, so stellt sich für eine ArbeiterInnenpartei nicht mehr
die vordringliche Aufgabe, eine internationale Revolution der ArbeiterInnenklasse
zu fördern. So betrachtet war es für die StalinistInnen daher
nicht notwendig, beim Kampf gegen den Faschismus und der Bedrohung der
UdSSR zentral auf die Mobilisierungen der ArbeiterInnenklasse zu setzen.
Gemäß der stalinistischen Volksfrontstrategie konnte der Faschismus
ja durch das Bündnis mit der antifaschistischen Bourgeoisie
abgewehrt werden.
Tatsache ist hingegen, daß überall, wo die StalinistInnen eine
Volksfrontpolitik mit den antifaschistischen bürgerlichen
Parteien betrieben - ob nun in den 1930er Jahren in Frankreich, Spanien
oder später in Chile (1973), diese kläglich gescheitert ist.
Überall ebnete die Volksfrontpolitik den Weg für Faschismus
und Reaktion, anstatt diese zu bekämpfen. Warum also verfolgten bzw.
verfolgen die stalinistische Führungen diese in die Niederlage führende
bürgerliche Volksfrontpolitik und keine revolutionäre Politik?
Die Spitzen der stalinistischen Bürokratie waren ja an sich nicht
daran interessiert, eine Niederlage nach der anderen einzufahren.
Die Bürokratie handelte bzw. handelt aber trotzdem rationell, d.h.
im Sinne der Sicherung ihrer Interessen. Um den Faschismus zu verhindern,
war und ist eine sozialistische Strategie erforderlich: d.h. breite, parteiübergreifende
ArbeiterInnenmobilisierungen, Streiks etc. gegen den Faschismus ohne Rücksicht
auf verschreckte UnternehmerInnen, Verbindung des Kampfes gegen die Reaktion
mit dem für die unmittelbaren Interessen der ArbeiterInnenklasse
(z.B. Arbeit für alle, ausreichender Mindestlohn), Zerschlagung der
Nazis durch ArbeiterInnenmilizen statt warten und an den bürgerlichen
Staat appellieren, Enteignung des Großkapitals und Kampf für
die Kontrolle des Produktionsprozesses im Betrieb durch die ArbeiterInnen,
und schließlich des Aufbaus von ArbeiterInnenräten - demokratischen
Massenorganen in Betrieben und Stadtteilen - sowie Kampf um die Eroberung
der Macht. Doch genau dazu war der Stalinismus aber nicht in der Lage,
da nämlich seine bürokratische Herrschaft auf der Unterdrückung
der politischen Rechte der ArbeiterInnenklasse aufbaute.
Die Bürokratie sah sich folglich genötigt, eine revolutionären
Entwicklung außerhalb der UdSSR in ihrem eigenen Interesse zu verhindern.
Die Sowjetbürokratie fürchtete die beispielgebende Wirkung einer
erfolgreichen Revolution der westlichen ArbeiterInnenklasse auf das sowjetische
Proletariat. Das war auch der wesentliche Grund dafür, weshalb sich
der stalinistische Geheimdienst in Spanien - gemeinsam mit den bürgerlichen
RepublikanerInnen - an der Zerschlagung der dort entstandenen ArbeiterInnenkomitees
und der Ermordung unzähliger antifaschistischer KämpferInnen
intensivst beteiligte.
Charakter
des Schuschnigg- Regimes
In Österreich
wandten die StalinistInnen die Volksfrontpolitik auf die Schuschnigg-Diktatur
an (1935/36). Hintergrund dafür bildeten wiederum die Verteidigungsinteressen
der Bürokratie, die darum bemüht war, unter Einschluß
Österreichs eine neutrale Pufferzone zwischen Deutschland und der
UdSSR zu errichten. Von da an versuchte die KPÖ in Einklang mit den
außenpolitischen Interessen der sowjetischen Bürokratie, zusammen
mit der österreichischen Bourgeoisie eine anti-nationalsozialistische
Front zwecks Verteidigung der österreichischen Unabhängigkeit
gegen Hitler-Deutschland zu bilden. In diese Front wollte
die KPÖ auch das Regierungslager und die darin beteiligten HeimwehrfaschistInnen
einbinden.
Die Strategie der österreichischen TrotzkistInnen stand hingegen
in diametralem Gegensatz zur Volksfrontpolitik der StalinistInnen und
Revolutionären Sozialisten (RS). Ihrer Ansicht nach kam es für
die ArbeiterInnenbewegung darauf an, daß sie die Gegensätze
und Schwächen des Regimes für sich ausnützen müsse,
um die Interessen der ArbeiterInnen (und auch der anderen unterdrückten
Klassen) durchzusetzen und die bürgerliche Diktatur von Schuschnigg
zu stürzen. Darauf gründete die von Trotzki vertretene Linie
des Zweifrontenkrieges: wer Schuschnigg nicht schlagen kann,
wird Hitler nicht aufhalten können. Im Gegensatz zu den StalinistInnen
und den RS stand daher für die TrotzkistInnen der Hauptfeind im eigenen
Land.
War aber ein Sturz des Regimes eine realistische Perspektive? War die
ArbeiterInnenbewegung nach ihrer schweren Niederlage im Februar 1934 nicht
zu schwach, um aus eigener Kraft Hitler abzuwehren? Dort, wo die ArbeiterInnenklasse,
wie in Spanien oder Frankreich, stark genug war, die faschistische Gefahr
zu beseitigen, wurde sie durch die StalinistInnen und ReformistInnen daran
aktiv gehindert. Auf die Schwäche der ArbeiterInnenklasse hinzuweisen,
kann somit nicht die durch RS und StalinistInnen vertretene Volksfrontpolitik
rechtfertigen. Die bürgerliche Diktatur der österreichischen
Bourgeoisie stand in Wirklichkeit auf einem äußerst schwachen
und labilen Fundament, woraus sich Möglichkeiten für die ArbeiterInnenklasse
auftaten, die z.T. auch genützt wurden (z.B. der 36-Stunden Streik
der Fiat-ArbeiterInnen im Februar 1936, der Streik der Versicherungsangestellten).
Von dieser objektiven Schwäche des Regimes ging Josef Frey - der
Führer der ursprünglichen Hauptorganisation des österreichischen
Trotzkismus, des Kampfbundes - aus, als er das Vaterländische
Regime als ein bloß auf die bewaffnete Staatsmacht sich
stützendes bonapartistisches Regime einschätzte. Was den
Bonapartismus der Schuschnigg-Diktatur ausmachte, war die im Unterschied
zu einem faschistischen Regime fehlende Massenbasis. Das Kräfteparallelogramm
der Schuschnigg-Regierung zeichnete sich dadurch aus, daß es im
Inneren unter den ArbeiterInnenmassen isoliert und verhaßt war,
und das österreichische KleinbürgerInnentum sich zunehmend Hitler
und den Nazis zuwandte. Außenpolitisch lavierte Schuschnigg zwischen
Italien und Deutschland, und nach dem Ausgleich 1936 zwischen
Mussolini und Hitler geriet die Diktatur stärker unter Druck von
letzterem.
Wir lehnen die in der Linken weit verbreitete These ab, daß es sich
beim Schuschnigg-Regime um eine faschistische Diktatur handelte. Ein solches
Regime wäre viel stärker gewesen. Im Gegensatz zum Bonapartismus
verfügt ein faschistisches Regime - v.a. in der Anfangsphase - über
eine (kleinbürgerliche) Massenbasis, die es ihm erlaubt, der ArbeiterInnenbewegung
eine historische Niederlage beizubringen, die diese auf Jahre hinweg vernichtet.
Es stimmt, daß der Bonapartismus Schuschniggs unbestritten faschistische
Züge aufwies, die sich in der Regierungsbeteiligung der Heimwehr
oder dem ständischen Staatsaufbau ausdrückten. Im Wesentlichen
stützte sich das Regime auf die bewaffnete Staatsmacht.
Die Schwäche der Diktatur der österreichischen Bourgeoisie gestattete
es dem Regime im Unterschied zu Deutschland oder Italien nicht, der Aktivität
tausender illegal aktiver Kader der ArbeiterInnenbewegung trotz ihres
Repressionsapparates Einhalt zu gebieten (genausowenig wie es trotz schärfster
Repressionsmaßnahmen ArbeiterInnenstreiks verhindern konnte).
Die Bestimmung des spezifischen politischen Charakters eines Regimes -
faschistisch oder bonapartistisch -, macht jedoch nur dann Sinn, wenn
daraus konkrete Perspektiven und Aufgaben für die ArbeiterInnenklasse
abgeleitet werden. Wegen seiner Einschätzung des bonapartistischen
Regimes als isoliert und schwach, hielt der Kampfbund den Sturz der Diktatur
mittelfristig für möglich (eine Orientierung, die unter einem
faschistischen Regime abenteuerlich gewesen wäre; die Organisation
hätte sich stattdessen auf eine langfristige illegale Arbeit einstellen
müssen).
Volksfrontpolitik
der KPÖ: Bündnis mit Schuschnigg
Es geht
nicht darum nachzuweisen, was nicht nachgewiesen werden kann, nämlich
ob nun das Schuschnigg-Regime vor dem März 1938 zu Fall gebracht
hätte werden können oder nicht (ungeachtet dessen, daß
von einem proletarischen Standpunkt aus betrachtet so und so keine Alternative
zum Kampf gegen die bürgerliche Diktatur bestand). Der Kampfbund
kritisierte die stalinisierte KPÖ und die in ihrem Sog stehenden
Revolutionären Sozialisten (RS) - der linke Flügel der Sozialdemokratie
- deshalb, weil sie durch ihre Volksfrontstrategie den Kampf gegen die
österreichische Bourgeoisie faktisch einstellten, um einen Deal
mit Schuschnigg zu erzielen, und zwar ganz unabhängig davon, ob die
ArbeiterInnenklasse kampfbereit war oder nicht.
Die ArbeiterInnenklasse war mobilisierbar. Das zeigte sich an den Streiks
von 1936 oder auch den Betriebsversammlungen während der Krise vor
dem Anschluß 1938. Die RS und die StalinistInnen hatten
aber gar nicht die Absicht, das vorhandene Mobilisierungspotential der
ArbeiterInnenklasse gegen Schuschnigg auszunützen. Ihnen ging es
primär darum, das patriotische Regierungslager der Vaterländischen
Front für den Kampf gegen den Hauptfeind Hitler
zu gewinnen - ein Ziel, dem eine kämpferische ArbeiterInnenklasse
entgegenstand. Denn diese wollte nicht nur gegen Hitler, sondern auch
gegen ihren unmittelbaren und langjährigen Unterdrücker Schuschnigg
kämpfen.
Um das Schuschnigg-Regime nicht zu verprellen, verzichteten die StalinistInnen
und die RS darauf, selbst für die Wiederherstellung der bürgerlichen
Demokratie einzutreten (weil die österreichischen Bourgeoisie daran
nicht interessiert war). Ihr Maximalprogramm bestand darin, die Demokratisierung
der bürgerlichen Diktatur anzustreben. Aber die von beiden zeitweilig
geforderte demokratische Verständigung, die sie als Bedingung
nannten, um für die Landesverteidigung gegenüber
Deutschland bereit zu sein, wurde spätestens im März 1938 wieder
fallengelassen. Sofern die StalinistInnen und die RS überhaupt demokratische
oder soziale Forderungen der ArbeiterInnenklasse aufnahmen, taten sie
dies nur wegen ihres Drucks.
Ein Beispiel: die ArbeiterInnen drängten in den Betrieben nach freier
Wahl der GewerkschaftsvertreterInnen, um dem enormen Ausbeutungsdruck
der UnternehmerInnen entgegenzuwirken. Aber die StalinistInnen unterbanden
im Sinne ihrer Volksfrontstrategie jeden Versuch der ArbeiterInnenklasse,
sich gegen die Regierung zu wenden. Anstatt den Kampf der ArbeiterInnen
zu organisieren, warnte das Zentralkomitee (ZK) der KPÖ in einer
Resolution vor einer Zersetzungsarbeit von ArbeiteraktivistInnen
in den gelben Einheitsgewerkschaften.
Für den Kampfbund waren bürgerlich-demokratische Forderungen
Bestandteil seines revolutionär-sozialistischen Programms. Deshalb
unterstützte der Kampfbund die vereinzelten demokratischen und sozialen
Forderungen der RS und der KPÖ, wovon die weitestgehenden Punkte
die freie Wahl der Gewerkschaftsvertreter und die unabhängige
Arbeiterpresse waren. Diese sozialen und demokratischen Forderungen
bildeten für den Kampfbund den Ausgangspunkt, um die ArbeiterInnenklasse
gegen die Diktatur und für die ArbeiterInnenmacht zu mobilisieren.
Ihre Zeitung, die Arbeitermacht, erklärte, weshalb die
StalinistInnen und LinksreformistInnen den Kampf gegen Schuschnigg abwiegelten:
RS und KP wollten die demokratischen Rechte erschachern, indem sie
der Bourgeoisie die Vaterlandsverteidigung als Gegenleistung antragen..
Warum sollten aber die StalinistInnen und die RS die ArbeiterInnenklasse
gegen Schuschnigg mobilisieren, wenn er ein potentieller Verbündeter
gegen Hitler war? Warum sollten die StalinistInnen bzw. RS mobilisieren,
wenn sie der Ansicht waren, ein Kampf der ArbeiterInnen stärke ohnedies
nur Hitler?
Ergebnis der österreichischen Volksfrontpolitik war, daß die
StalinistInnen und die RS Schuschnigg keine einzige noch so minimale soziale
oder demokratische Konzession für die ArbeiterInnenklasse abzuringen
vermochten. Die KPÖ rühmt sich immer wieder wegen ihres Widerstandes
gegen Hitler, den wir nicht schmälern wollen, obwohl wir seine reaktionäre
Zielsetzung - einen bürgerlichen Kleinstaat zu errichten - ganz und
gar nicht teilen. Die KPÖ vergißt aber darauf hinzuweisen,
daß sie vor Schuschnigg wie auch gegenüber Hitler 1938 kampflos
kapitulierte, und aufgrund ihrer Volksfrontpolitik mit der österreichischen
Bourgeoisie die österreichische ArbeiterInnenklasse dem deutschen
Faschismus wehrlos und unvorbereitet auslieferte.
Anti-Trotzkistische
Hetze der KPÖ
Während
der Stalinismus weltweit Bündnisse mit der Bourgeoisie schloß,
machte die Stalin-Bürokratie in der Sowjetunion vermeintlichen und
wirklichen Oppositionellen den Schauprozeß. Die österreichischen
StalinistInnen solidarisierten sich uneingeschränkt mit dem bürokratischen
Terror. Für die KPÖ handelte es sich bei den von der Stalin-Bürokratie
liquidierten alten Bolschewiki Radek, Bucharin, u.a. ohnehin
nur um eine Mörderbande faschistischer Agenten.
Das Zentralkomitee (ZK) der KPÖ machte nach dem Moskauer Vorbild
den Trotzkismus in Österreich zum Gegenstand eines Beschlußes,
laut dem der Kampf gegen den Trotzkismus zu den wichtigsten Aufgaben
des antifaschistischen Kampfes der KPÖ gehört. Ja zum
Bündnis mit den patriotischen HeimwehrfaschistInnen und dem Schuschnigg-Regime,
welche die ArbeiterInnenbewegung und tausende ihrer AktivistInnen verfolgte,
aber Kampf den vermeintlichen trotzkistischen Agenten des Faschismus
- so das Fazit der KPÖ-Volksfront-Politik.
Österreich war nicht Spanien, wo tausende Linksoppositionelle von
der stalinistischen Geheimpolizei in die Verhörkammern abgeführt
und ermordet wurden (darunter auch der österreichische Trotzkist
Kurt Landau). Aber auch in Wien waren die StalinistInnen nicht verlegen,
Oppositionelle rücksichtslos in der Öffentlichkeit zu denunzieren
und sie der Gefahr auszusetzen, an die Polizei ausgeliefert zu werden.
Darüber berichtet Georg Scheuer in seinen Erinnerungen Nur
Narren fürchten nichts. Scheuer stand voll bepackt mit illegalen
Zeitungen und Propagandamaterial auf der Straße, während er
zufällig ein ihm bekanntes KPÖ-Mitglied trifft, der ihn auf
offener Straße mit seinem Zivilnamen anspricht: Du weißt
ja, Trotzkistenschwein, was jetzt kommt. Wir sind gezwungen, Eure Namen
zu veröffentlichen, um die Arbeiteröffentlichkeit zu warnen...
verstehst Du Polizeispitzel...
Die blindwütigen Feindseligkeiten der StalinistInnen setzten sich
in den Konzentrationslagern der Nazis fort. Die TrotzkistInnen waren für
die StalinistInnen die Parias unter den politischen Häftlingen. Ernst
Federn war Leitungsmitglied der Revolutionären Kommunisten (RK) und
wurde von den Nazis bereits 1938 verhaftet. Federn, dessen trotzkistische
Gesinnung den StalinistInnen bekannt war, berichtete über die ihm
widerfahrene Behandlung durch die oftmals von StalinistInnen beeinflußten
Häftlingsorganisationen: Bei den zu verrichtenden Arbeiten oder ausgeteilten
kargen Essensrationen sorgten die stalinistischen Lager-Capos
üblicherweise dafür, daß ein trotzkistischer Häftling
die schlechtesten Arbeiten verrichten mußte oder die kleinsten Portionen
bekam. Als Karl Fischer im KZ-Buchenwald auf Federn traf, riet ihm dieser
deshalb, seine politische Vergangenheit und Gesinnung zu verleugnen, und
sich als reumütiger Stalinist zu bekennen, um von den lebensbedrohenden
Schikanen verschont zu bleiben.
Linke
Opposition in der kommunistischen Jugend
Teile
der Jugend in KPÖ und kommunistischem StudentInnenverband - der infolge
der Volksfrontwende der KPÖ vom Revolutionären Mittelschülerverband
(RMV) in den Antifaschistischen Mittelschülerverband (AMV) umgewandelt
wurde - opponierten gegen die Volksfrontpolitik der KPÖ. Daraus ging
1936 eine trotzkistische Opposition hervor, die sich als die Revolutionären
Kommunisten Österreich (RK) gründete. Ihr Organ nannte sich
der Bolschewik.
Die RK (Josef Hindels, Georg Scheuer, Ernst Federn, Karl Fischer u.a.)
entwickelten im Wiener Untergrund eine sehr rege Aktivität, die rasch
der Polizei auffiel. Im Juli 1937 machte der Ständestaat den jungen
RevolutionärInnen den Trotzkisten-Prozeß, verurteilte
die führenden Leitungsmitglieder der RK zu 5 Jahren schweren Kerkers
wegen Hochverrats. Mutig hielt Scheuer vor dem Gericht eine
Verteidigungsrede, die er in eine Anklage gegen das Regime umwandelte:...wir
Trotzkisten kämpfen in Österreich für die Freiheit, die
dem Proletariat im Februar geraubt wurde, aber wir führen diesen
Kampf mit der Perspektive der Errichtung der Diktatur des Proletariats.
Nach dem März 1938 und der von Schuschnigg ausgesprochenen Amnestie
mußten die führenden RK-Mitglieder Österreich verlassen
und ins Exil flüchten. Die RK konnten, im Gegensatz zu den anderen
trotzkistischen Organisationen, keine illegalen Strukturen aufrechterhalten
und zerfielen. Einige ihrer Mitglieder (z.B. Thomas, Pawelka), die im
Unterschied zur Mehrheit der RK dem Programm des Trotzkismus nach 1945
treu blieben, traten in die IKÖ über.
Die
inhaltlichen Positionen der RK
Die RK
waren die offiziell anerkannte Sektion der 4. Internationale - des internationalen
Zusammenschlusses der TrotzkistInnen. Ebenso wie der Kampfbund lehnten
die RK in ihrer Mehrheit eine entristische Arbeit bei den RS ab, obwohl
dazu eine ausdrückliche Einladung durch die Wiener Sektionsleitung
der RS an sie ergangen war und das IS (Internationales Sekretariat) der
4. Internationale eine Entrismus-Arbeit empfohlen hatte (Der Entrismus
ist eine Taktik der TrotzkistInnen, innerhalb reformistischer Massenorganisationen
mit dem Ziel mit dem Ziel zu arbeiten, einen Teil für das marxistische
Programm und den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen;
siehe den 1. Teil dieses Artikels). Die jungen RK-GenossInnen verließen
bald wieder die Reihen der 4. Internationale. Es war dies eine Entwicklung,
die einsetzte, nachdem Georg Scheuer und Karl Fischer, die Teilnehmer
an der Konferenz der 4. Internationale 1938 waren, ihre Gründung
ablehnten. Nach Scheuer und Fischer handelte es sich um eine Scheinproklamation.
Die Mehrheit der im französischen Exil lebenden RK-Mitglieder vollzog
bald eine vollständige Abkehr vom Trotzkismus. Sie sahen in der Sowjetunion
keinen degenerierten ArbeiterInnenstaat. Laut der Mehrheit der RK war
der Oktober liquidiert, da sich in der Sowjetunion eine neue
Bourgeoisie gebildet hatte, die Kriegspositionen der 4. Internationale
sozialchauvinistisch und das Übergangsprogramm zentristisch.
Einen Beweis für ihre scharfen Kritikpunkte erbrachten die RK jedoch
nicht.
Die RK glitten ins ultralinke Fahrwasser ab, vertraten aber hinsichtlich
der Kriegsfrage revolutionäre Grundpositionen (ausgenommen zur UdSSR,
die sie aufgrund ihrer staatskapitalistischen Theorie nicht verteidigten).
Die RK leisteten unter den deutschen Wehrmachtssoldaten in Frankreich
heroische revolutionär-defätistische Arbeit, verteilten Flugblätter
an sie , in welchen sie dazu aufriefen, das Gewehr umzudrehen
und gegen die eigenen Herrschenden zu richten. Die illegale revolutionäre
Arbeit der RK forderte Opfer: Arthur Streicher, RK-Mitglied, starb an
den Folgen der Verhaftung durch die Gestapo. Karl Fischer wurde von der
Gestapo in Paris verhaftet und in das KZ Buchenwald verfrachtet und auch
Melanie Berger ging in die Fänge der Vichy-Polizei.
Die
Kombinierte Kriegstaktik von Josef Frey
Am Vorabend
des zweiten Weltkrieges entwickelte Josef Frey die Kombinierte Kriegstaktik
(KKT). Die KKT hatte für den Kampfbund im mehrerlei Hinsicht eine
Reihe folgenschwerer Auswirkungen. Sie spaltete den Kampfbund in vier
voneinander unabhängige Gruppierungen. Es gab die Proletarischen
Revolutionäre (PR), die Gruppe gegen den Strom, die Proletarischen
Internationalisten (PI) sowie den Restbestand des Kampfbundes. Bereits
ab 1940 begann jedoch ein Vereinigungsprozeß, der dann auf Drängen
des IS (Internationales Sekretariat) der 4. Internationale 1946 zur Vereinigung
all dieser Gruppen und der Gründung der IKÖ (Internationalen
Kommunisten Österreichs) führte.
Worin bestand nun die KKT? Frey ging von der Tatsache aus, daß sich
für MarxistInnen die Situation vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges
insoferne von 1914 unterschied, als nun mit der UdSSR ein (bürokratisierter)
ArbeiterInnenstaat existierte. Die Existenz eines proletarischen
Staates war für Frey ausschlaggebend, um den revolutionären
Defätismus in jenen imperialistischen Staaten einzustellen, die entweder
mit der Sowjetunion verbündet waren oder in einer losen Interessenkoalition
gegen ihren Hauptfeind Deutschland standen (Österreich,
Frankreich, CSSR...). Unter revolutionärem Defätismus verstehen
MarxistInnen die Strategie, auch während eines Krieges den Kampf
gegen die eigene herrschende Klasse bis hin zu ihrem Sturz weiterzuführen.
Die Niederlage des eigenen Landes im Krieg ist das geringere Übel
gegenüber einer Unterordnung des Proletariats unter die AusbeuterInnenklasse.
Der Kampfbund forderte des weiteren die RevolutionärInnen auf, sich
in die von der Sowjetunion angeführte proletarische Weltfront
einzugliedern. Außer in den Staaten der faschistischen Achsenmächte
Deutschland, Italien und Japan - den unmittelbaren Hauptfeinden
der Sowjetunion - lehnte der Kampfbund den revolutionären Defätismus
somit ab.
Frey hatte den zweiten Weltkrieg als einen all-imperialistischen
Krieg gegen die Sowjetunion falsch charakterisiert. Die Aggression des
deutschen Imperialismus gegen den (degenerierten) ArbeiterInnenstaat war
einer von mehreren Aspekten des zweiten Weltkrieges, aber nicht sein wichtigster.
Entgegen der Frey´schen Einschätzung handelte es sich beim
zweiten Weltkrieg um einen Krieg, bei dem das imperialistische Element
das eindeutig dominierende Merkmal war (der deutsche Imperialismus und
seine anglosächsischen Rivalen kämpften um die Weltherrschaft).
Da es sich aber bei Frey in erster Linie um einen allimperialistischen
Krieg gegen den proletarischen Staat handelte, und die innerimperialistischen
Aspekte nur nebensächlicher Natur waren, war für den Kampfbund
der zweite Weltkrieg nicht beendet. Frey schrieb 1945 dazu: Der
zweite Weltkrieg ist nur unterbrochen, er geht weiter. Infolgedessen
erwartete der Kampfbund nach 1945 eine weitere kriegerische Auseinandersetzung,
diesmal zwischen UdSSR und USA.
Die
Position der 4. Internationale
Frey
betrachtete daher den revolutionären Defätismus als den Hauptfeind,
den es in den Reihen der RevolutionärInnen zu bekämpfen galt.
Nach Frey schade tder revolutionäre Defätismus der Sowjetunion
und nützt nur ihrem Hauptfeind Deutschland. Frey behauptete,
die KKT wäre ident mit der von der 4. Internationale vertretenen
Kriegsposition, ohne dafür aber einen Beleg anführen zu können.
Tatsache ist, daß die 4. Internationale in keinem imperialistischen
Staat, egal ob der betreffende Staat mit der Sowjetunion verfeindet war
oder nicht, den revolutionären Defätismus preisgab.
Wie auch für die Bolschewiki vor dem ersten Weltkrieg stellte sich
für die 4. Internationale die Aufgabe, die WeltarbeiterInnenklasse
darauf vorzubereiten, den zweiten imperialistischen Weltkrieg in eine
internationale proletarische Revolution umzuwandeln. Dazu war es notwendig,
daß eine revolutionäre Gruppe, die ArbeiterInnenklasse vor
und während des Krieges gegen die Kriegsanstrengungen der herrschenden
Klasse mobilisiert, um sie zu schwächen und ihren Sturz vorzubereiten
(nichts anderes bedeutet der revolutionäre Defätismus).
Es ging der 4. Internationale darum, die revolutionäre Entwicklung
der ArbeiterInnenklasse weltweit zu fördern, denn nur die internationale
Revolution ist fähig, den Krieg zu verhindern bzw. war fähig,
die noch bestehenden proletarischen Errungenschaften des sowjetischen
ArbeiterInnenstaates zu erhalten bzw. zu verteidigen. Die Verteidigung
der Sowjetunion war so eine Aufgabe der WeltarbeiterInnenklasse und konnte
weder der stalinistischen Bürokratie noch einer der ihr zeitweilig
verbündeten imperialistischen Mächte überlassen werden.
Dies war immer die Grundposition der MarxistInnen gegenüber einem
isolierten ArbeiterInnenstaat, egal ob in Friedens- oder Kriegszeiten.
Unserer Ansicht nach war die KKT keine revolutionäre Kriegstaktik,
eine Taktik also, die geeignet gewesen wäre, eine revolutionäre
Entwicklung der ArbeiterInnenklasse zu fördern, oder einen ArbeiterInnenstaat
zu verteidigen. Deswegen war bzw. ist die KKT als eine zentristische Konzeption
zurückzuweisen. Daran ändert(e) auch die von Frey eingeforderte
revolutionäre Opposition nichts, die der Kampfbund an
Stelle des revolutionären Defätismus in den mit der Sowjetunion
verbündeten imperialistischen Staaten spielen wollte. Gemäß
der KKT bestand für den Kampfbund die Hauptaufgabe der ArbeiterInnenklasse
darin, in den mit Deutschland verfeindeten imperialistischen Staaten für
den Sieg zu kämpfen.
Es konnte nicht die Aufgabe einer revolutionären Organisation sein,
eine imperialistische Staatengruppe (den anti-deutschen Block) gegen eine
andere imperialistische Staatengruppe (die faschistischen Achsenmächte)
zu unterstützen. Denn unabhängig davon, ob sie mit der Sowjetunion
verbündet waren oder nicht, führten beide Lager den Krieg ihrer
imperialistischen Ziele wegen. Daher war bzw. ist die von Frey aufgestellte
These vom Hauptfeind abzulehnen. Genausowenig konnte eine
revolutionäre Politik darin bestehen, die Verteidigung der Sowjetunion
den mit ihr verbündeten siegreichen imperialistischen Mächten
oder der sowjetischen Bürokratie zu übertragen.
Bezüglich der sowjetischen Bürokratie mußte unterschieden
werden, was an der Sowjetunion zu verteidigen war und was nicht. Die 4.
Internationale verteidigte an der Sowjetunion bedingungslos jene Elemente,
die vom ArbeiterInnenstaat noch übriggeblieben waren, und welche
die Grundlage eines jeden ArbeiterInnenstaates bilden (die verstaatlichten
Produktionsmittel, die Planwirtschaft, das Außenhandelsmonopol).
Solange die Bürokratie die nach-kapitalistischen Eigentumsverhältnisse
verteidigte, war eine militärische Einheitsfront der revolutionären
Partei mit ihr gegen jeden imperialistischen Staat an sich zulässig
und nötig. Das ist aber etwas anderes, als sich - wie die KKT des
Kampfbundes - hinter die Bündnispolitik der Kreml-Bürokratie
zu stellen, und zu fordern, den Kampf gegen Teile der imperialistischen
Weltfraktion einzustellen, und sich auf revolutionäre
Propaganda zu beschränken.
Die Moskauer Bürokratie handelte vom Gesichtspunkt ihrer nationalistisch-konservativen
bürokratischen Interessen aus, die sowohl im Widerspruch zu den Erfordernissen
der ArbeiterInnenklasse weltweit als auch zum ArbeiterInnenstaat selbst
standen. Daran änderte sich auch nichts durch den Kriegszustand mit
Deutschland, einem Krieg, den die Stalin-Bürokratie unter chauvinistisch-großrussischer
Flagge führte. Anstatt eine proletarische Weltfront anzuführen,
löste Stalin 1943 die 3. Internationale definitiv auf, um seine imperialistischen
Verbündeten zu beruhigen und teilte sich mit den ImperialistInnen
auf den Großkonferenzen in Teheran und Jalta noch während des
Krieges die Einflußsphären auf.
Wohin des Kampfbundes Hinterhertraben hinter der Bündnispolitik des
Kreml führte, veranschaulichte der Hitler-Stalin-Pakt recht deutlich.
Frey trat nach dem Abschluß des Paktes trotzdem dafür ein,
den revolutionären Defätismus in Deutschland weiterhin aufrechtzuerhalten.
Dies war völlig inkonsistent gegenüber der KKT, die in solchen
Fällen verlangte, sich in die proletarische Weltfront
einzugliedern. Wäre Frey konsequent geblieben, hätte er in der
Zeit des Hitler-Stalin-Paktes 1939-41 Nazi-Deutschland gegen Großbritannien
und Frankreich unterstützen müssen. Wie sehr der Kampfbund den
ArbeiterInnenstaat mit seiner bürokratischen Führung identifizierte
zeigte sich in aller Deutlichkeit in den 1950er Jahren. Der Kampfbund
sah sich genötigt, gemäß der KKT die Niederschlagung der
proletarischen Aufstände in Osteuropa durch die sowjetische Bürokratie
kritisch zu unterstützen, da sie dem Hauptfeind
der Sowjetunion nützen würden - dazumal war dies der US-Imperialismus.
Wenn aber eine revolutionäre Gruppe aufhört, eine von der stalinistischen
Bürokratie und dem (demokratischen) Imperialismus unabhängige
revolutionäre Rolle zu spielen, hat sie es unserer Ansicht nach aufgegeben,
für revolutionäre Ziele zu kämpfen. Mit der Strategie der
KKT und der mangelnden Korrektur verrannte sich der Kampfbund in den späten
1930er Jahren in eine Sackgasse und wandelte sich in eine zentristische
Organisation.
Volksabstimmung
im März 1938
Im März
1938 beabsichtigte Schuschnigg eine Volksabstimmung über die österreichische
Unabhängigkeit, die unter der Parole für ein freies, deutsches,
unabhängiges, christliches soziales Österreich stand,
durchführen zu lassen. Durch die Annexion durchkreuzte Hitler das
Vorhaben Schuschniggs.
Die stalinistische KPÖ stellte sich bedingungslos hinter den österreichischen
Staat und seine Unabhängigkeit. Die ohnehin geringe Kritik, welche
die KPÖ an der reaktionären Schuschnigg-Diktatur äußerte,
wurde angesichts der Annexion durch Hitler nunmehr völlig eingestellt.
Die superpatriotische Losung der StalinistInnen lautete Rot-Weiß-Rot
bis in den Tod. Die Führung der illegalen freien Gewerkschaften
hatte unmittelbar nach dem Februar 1934 der Bourgeoisie klargemacht, vorbehaltlos
für die Verteidigung der österreichischen Unabhängigkeit
bereit zu stehen. Die links von ihr stehenden RS, die bis dahin die Vaterlandsverteidigung
an eine Demokratisierung der Diktatur knüpften, empfahlen
ohne wenn und aber mit Ja zu stimmen.
Der Kampfbund entschied sich im Sinne seiner KKT ebenfalls für eine
kritische Ja-Empfehlung. Frey schrieb in der Arbeitermacht:
...ein Boykott würde den Nazis helfen, den deutschen Imperialismus
stärken, wodurch das internationale Kräfteverhältnis zum
Nachteil des proletarischen Staates verschoben werden ... würde.
Auch die Proletarischen Internationalisten (PI) gaben eine Ja-Empfehlung
ab, um die österreichische Unabhängigkeit zu verteidigen. Die
PI, welche die KKT ablehnten, begründeten ihre Position einerseits
mit der Hauptfeind-These, laut der Deutschland und Hitler
der Hauptfeind waren. Andererseits waren die PI der Ansicht,
die marxistische Position verlange in einem Kriegsfall, Kleinstaaten (Belgien,
Österreich) gegenüber imperialistischen Großmächten
zu verteidigen.
Im Gegensatz zu PI und Kampfbund vertrat Trotzki einen revolutionären
defätistischen Standpunkt. Trotzki meinte, RevolutionärInnen
dürfen den Unabhängigkeitsschwindel Schuschniggs
nicht mitmachen. Teile der RK knüpften im März 1938 an diese
revolutionäre, defätistische Position an, und riefen dazu auf,
anstatt das Ablenkungsmanöver mitzumachen, den Generalstreik
gegen Schuschnigg und auch Hitler zu mobilisieren (nach Berichten von
Zeitzeugen war die Kampfbereitschaft der Wiener ArbeiterInnenklasse stärker
als allgemein angenommen wird). Die PI hatten im Unterschied zum Kampfbund
ihren sozialpatriotischen Standpunkt revidiert und die unserer Auffassung
nach richtige revolutionär-defätistische Position eingenommen.
Revolutionärer
Defätismus und die Volksabstimmung
Von einem
marxistischen Standpunkt aus betrachtet war zunächst einmal zu klären,
was für einen Charakter jener Staat aufwies, der über seine
Unabhängigkeit abstimmen lassen wollte. Bemerkenswerterweise stellten
sich die VerteidigerInnen der österreichischen Unabhängigkeit
diese Frage von vornherein gar nicht. Ein von einer Großmacht bedrohter
und erdrückter Kleinstaat oder die Klassenunterdrückung ergibt
genausowenig eine Charakterisierung eines Staates, wie auf fehlende demokratische
Zustände zu verweisen. Demokratische Kleinstaaten wie Belgien oder
die Niederlande waren im Besitz von Kolonien und daher eindeutig unterdrückerische
imperialistische Staaten.
Mexiko z.B., das unter der bürgerlichen PRI-Diktatur stand, war kein
imperialistischer Staat, dafür aber ein vom Imperialismus unterdrücktes
und ausgebeutetes Land. Im Unterschied zum demokratischen Belgien hätten
MarxistInnen in einem kriegerischen Konflikt zwischen Mexiko und dem Imperialismus
Mexiko kritisch unterstützt, denn der Kampf gegen den Imperialismus,
der das Land in Rückständigkeit hielt, war fortschrittlich und
demokratisch.
Was aber den österreichischen Staat der Zwischenkriegszeit betrifft,
so war dieser zweifellos ein - wenn auch äußerst schwacher
- imperialistischer Staat, weshalb MarxistInnen das Referendum boykottieren
oder weiß abstimmen hätten müssen. Österreich
1938 gegen Hitler zu verteidigen, bzw. seine Eigenständigkeit zu
fordern, hätte deswegen bedeutet, sich hinter den österreichischen
Imperialismus und seine (imperialistischen) Ziele zu stellen. Imperialistische
Zielsetzungen verfolgte der österreichische Imperialismus insoweit,
als er sich damals wie heute daran beteiligt(e), Osteuropa und die Balkanstaaten
auszubeuten. Insbesondere auf dem Geld- und Kreditsektor verfügt(e)
er über eine nicht unbedeutende Stellung. An einer Ausbeutung halbkolonialer
Staaten können MarxistInnen nicht interessiert sein, wenn es ihnen
mit dem Internationalismus ernst ist.
Im März 1938 handelte es sich zweifellos um eine Annexion, da Hitler
ja die Volksabstimmung unterdrückte, wenngleich insbesondere unter
dem KleinbürgerInnentum und bei Teilen der österreichischen
Bourgeoisie starke Bestrebungen existierten, den Anschluß freiwillig
zu vollziehen. Aus einem annektierten Staat wird an sich aber noch kein
unterdrückter Staat. Belgien z.B., dessen Volk im Gegensatz zu den
ÖsterreicherInnen national diskriminiert wurde, behielt nach seiner
Annexion durch Deutschland die afrikanischen Kolonien. Aus Belgien wurde
daher kein unterdrückter Staat.
Der Fall der österreichischen Bourgeoisie stellte sich anders dar.
Die österreichische Bourgeoisie war zu schwach, um in der gegebenen
internationalen Kräftekonstellation am Vorabend des zweiten Weltkrieges
einen unabhängigen Staat zu erhalten. Sie hatte so nur mehr die Option,
sich am imperialistischen Beutezug des deutschen Imperialismus zu beteiligen,
oder sich in die Friedensfront des französischen Imperialismus
einzugliedern, um in dessen Einflußbereich zu schmarotzen (was ihr
die StalinistInnen und ReformistInnen als Alternative zum deutschen Imperialismus
anboten).
Es kann nicht Ziel einer ArbeiterInnenbewegung sein, dafür Verantwortung
zu übernehmen, wo sich ihre Bourgeoisie die Pfründe am Besten
verdienen kann. Genausowenig wie es eine Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung
sein kann, einen schwachen imperialistischen Staat am Leben zu erhalten,
den das Bürgertum schon abgeschrieben hat und für den es nicht
mehr bereit ist, auch nur eine einzige Kugel zu verschießen (wie
z.B. 1938 in Österreich).
Auch wenn Österreich 1938 eine bürgerliche Demokratie gewesen
wäre, hätte dies nichts am revolutionären Defätismus
von MarxistInnen geändert. Um der ArbeiterInnenklasse die Landesverteidigung
eines verhaßten Regimes zu erleichtern, machten StalinistInnen und
RS ja zeitweise ihre Vaterlandsverteidigung für ein paar Brosamen
(der Kampfbund) von der Diktatur abhängig. Aber im Gegensatz zu der
weitverbreiteten falschen Ansicht über den revolutionären Defätismus
bedeutet dieser nicht, neutral gegenüber den demokratischen
Freiheiten der ArbeiterInnenklasse und ihrer Organisationen zu sein. Sowohl
in Friedens- als auch in Kriegszeiten verteidigt eine revolutionäre
Partei grundsätzlich die Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse
gegen die Angriffe des bürgerlichen Staates. Aber nicht durch Appelle
an die Einsicht der Herrschenden, sondern durch konsequenten
Klassenkampf.
Das ist aber etwas gänzlich anderes, als einen imperialistischen
bürgerlichen Staat, sein Heer und seine Regierung gegen die feindliche
Armee zu unterstützen, wie es StalinistInnen und RS im März
1938 forderten. Kampfbund und PI waren eigentlich nur inkonsequent, als
sie ihre Ja-Empfehlung nicht damit verbanden, offen für
die Verteidigung des österreichischen Bundesheeres gegen Hitler einzutreten.
Während
des Weltkrieges
Unter
den Bedingungen der Nazi-Diktatur und des Weltkrieges war es für
die österreichischen TrotzkistInnen natürlich ungemein schwierig,
als politische Organisationen weiter zu existieren. Trotz einiger Opfer
gelang es ihnen, ihre Organisationen im Untergrund aufrechtzuerhalten.
Sie gaben kleine Untergrundzeitungen heraus, die allerdings nur im engsten
Umfeld vertrieben wurden. Bemerkenswert ist es, daß auf Initiative
der Proletarischen Internationalisten hin ein Vereinigungsprozeß
verknüpft mit intensiven Programmdiskussionen in Gang kam, der schließlich
im Jänner 1945 zu einer Fusion der meisten Gruppen und der Herausgabe
eines gemeinsamen Organs (Spartakus) führte.
Trotzkismus
nach 1945
Die in
der Wiener Illegalität arbeitenden TrotzkistInnen überstanden
die Repression des Faschismus weitgehend ungeschoren, was allein schon
nicht hoch genug geschätzt werden kann. Als ein amerikanischer Emissionär
der 4. Internationale nach 1945 nach Wien kam, konnte er es kaum fassen,
nach dem faschistischen Terror noch an die 100 österreichische TrotzkistInnen
am Leben zu finden. Eine Zahl, die den durchschnittlichen Mitgliederstand
der sich heute auf den Trotzkismus berufenden Organisationen übertrifft.
1946 vereinigten sich die gespaltenen Gruppen in der IKÖ wieder.
Die IKÖ hob sich vom Kampfbund dadurch ab, daß sie seine nationale
Beschränktheit überwand und die Bedeutung des Beitritts zur
4. Internationale erkannte. Für uns verkörpert die IKÖ
trotz einiger Mängel bis zu ihrer zentristischen Degeneration in
den 1950er Jahren eine revolutionäre Tradition.
Die illegale Arbeit der österreichischen TrotzkistInnen war unter
dem deutschen Faschismus von einer überragenden Perspektive bestimmt:
Sich auf die revolutionären Kämpfe in einem vom Krieg darniederliegenden
Europa vorzubereiten. Nach 1945 stellte sich aber die vorherrschende Weltlage
grundlegend anders dar, als es Trotzki und auch die österreichischen
TrotzkistInnen erwartet hatten. Die erwarteten revolutionären Krisensituationen
blieben weitestgehend aus (so auch in Österreich). Die österreichische
Situation war ein Spiegelbild der nach dem zweiten Weltkrieg gegebenen
internationalen Kräfteverhältnisse: KPÖ, SPÖ und ÖVP
bildeten eine volksfrontartige, auf bürgerlicher Grundlage
stehende Regierung. Hinzu kam, daß das Land durch die Siegermächte
in Besatzungszonen aufgeteilt war.
Die IKÖ trat für den Abzug aller Besatzungsmächte ein,
da sie eine Barriere für die Entwicklung des Klassenkampfes der österreichischen
ArbeiterInnen darstellten. Man darf nicht vergessen, daß damals
kaum ein eigener österreichischer Repressionsapparat existierte (das,
was vorhanden war, wie z.B. die Staatspolizei, wurde bemerkenswerterweise
von den StalinistInnen aufgebaut). Das heißt, die bewaffnete Staatsmacht
war zu einem bedeutenden Ausmaß ident mit den allierten Besatzungstruppen.
Der österreichische - wie überhaupt der europäische - Kapitalismus
stabilisierte sich rascher als anzunehmen war, wobei die durch den Marshall-Plan
bewirkte Außenhilfe des US-Imperialismus und das relativ geringe
Niveau an zerstörten Produktionsanlagen dafür hauptverantwortlich
waren (1948 erreichte das Bruttonationalprodukt beinahe das Vorkriegsniveau).
Vor allem aufgrund der größer werdenden Schere zwischen Löhnen
und Preisen, die durch die sozialpartnerschaftliche Paritätische
Kommission festgelegt wurden, entstand innerhalb der ArbeiterInnenklasse
Streikbereitschaft (herausragend darunter waren der SchuharbeiterInnen-
(1948) und der Oktoberstreik 1950). Doch durch deren Niederschlagung konnte
die die österreichische Nachkriegssituation prägende relative
Stabiliät nicht durchbrochen werden.
Die IKÖ erkannten diese Stabilisierung des österreichischen
Kapitalismus auch, aber trotzdem hielten sie an ihrer katastrophistischen
Perspektive für den österreichischen Kapitalismus fest. Wie
die 4. Internationale generell, so richteten auch die IKÖ ihre gesamte
Politik an der Erwartung der Todesagonie des imperialistischen Weltsystems
aus. Die IKÖ wie auch der außerhalb der 4. Internationale stehende
Kampfbund versäumten es, die Perspektive ihrer Gruppen auf die realen
nationalen und internationalen Kräfteverhältnisse einzustellen.
Vor der IKÖ bauten sich außerdem weitere schwere objektive
Hindernisse auf, die ihr das in der Illegalität aufgebaute Fundament
mehr und mehr unter den Füßen wegzogen. Die Besetzung Ostösterreichs
durch die Rote Armee bedeutete ein hohes Sicherheitsrisiko und weitere
10 Jahre illegaler Arbeit für die TrotzkistInnen. Verschärft
wurde das Sicherheitsproblem noch durch die Verschleppung von Karl Fischer
durch den sowjetischen Geheimdienst. Karl Fischer wurde in den Gulag abtransportiert,
wo er 8 Jahre lang darbte. Es war aber dennoch eine Schwäche der
IKÖ und des Kampfbundes, es nicht verstanden zu haben, eine stärkere
illegale Außenarbeit zu leisten.
Die
IKÖ beendet den Kampf für das revolutionäre Programm
Die schlechten
äußeren Rahmenbedingungen, äußerten sich zusammen
mit der Orientierungskrise in der IKÖ insofern, als Mitglieder begannen,
sich sukzessive demoralisiert und enttäuscht zurückzuziehen
(1946: an die 100 Mitglieder, 1949: an die 50 Mitglieder, Anfang der 60er
Jahre: weniger als 10 Mitglieder). Eine revolutionäre Gruppe kann
sich falsche Perspektiven setzen. Damit ist aber nicht gesagt, daß
dadurch notwendigerweise das Programm einer Organisation falsch sein muß.
Parallel zur 4. Internationale läßt sich auch in der schrittweisen
Anpassung ihrer österreichischen Sektion an die Sozialdemokratie
die zentristische Degeneration feststellen. Die 4. Internationale hatte
sich anderswo genauso dem Stalinismus angepaßt: z.B. an Tito oder
Mao. Die IKÖ orientierten sich auf einen Entrismus in die SPÖ.
Im Zuge der Entrismus-Perspektive entstand eine Spaltung zwischen Voll-
und TeilentristInnen, die sich 1954 wieder vereinigten. Die VollentristInnen
waren für den Eintritt der gesamten Organisation in die SPÖ,
die TeilentristInnen nicht. Unserer Ansicht nach waren aber für einen
Entrismus in die extrem antikommunistisch getrimmte SPÖ der Nachkriegsphase
die Voraussetzungen nicht gegeben.
Unter diesen Bedingungen war es unmöglich, innerhalb der SPÖ
für revolutionäre Positionen einzutreten, ohne von der Parteiführung
ausgeschlossen zu werden. Sowohl die Voll-als auchTeilentristInnen umgingen
dieses Problem dadurch, indem sie schrittweise überhaupt darauf verzichteten,
innerhalb der SPÖ revolutionäre Politik zu betreiben. Somit
bestand das Hauptziel der Voll- sowie TeilentristInnen darin, anstatt
einen revolutionären einen links-reformistischen Flügel herausbilden
zu wollen. Wenn aber eine Gruppe wie die IKÖ bewußt darauf
verzichtet, revolutionäre Politik zu betreiben, ist sie nicht mehr
revolutionär, sondern zentristisch.
Zusammenfassung
Der Mitte
der 1920er Jahre entstandene österreichische Trotzkismus gründete
sich, um in der österreichischen ArbeiterInnenbewegung für eine
revolutionäre Führung zu kämpfen. Diesen Anspruch konnten
die TrotzkistInnen bis jetzt nicht einlösen. Sie blieben von der
ArbeiterInnenbewegung isoliert. Trotzdem und trotz unserer prinzipiellen
Kritik, die wir in Grundfragen an den Generationen von TrotzkistInnen
vor uns haben, können wir eine Bilanz ziehen, die sich sowohl gegenüber
jener der SPÖ als auch jener der KPÖ sehen lassen kann. Trotz
aller Fehler und Schwächen haben die TrotzkistInnen im Unterschied
zu Sozialdemokratie und Stalinismus niemals vor den UnterdrückerInnen
der ArbeiterInnenklasse - Bourgeoisie und Stalin-Bürokratie - kapituliert.
Sie haben auch unter den schwierigsten Bedingungen das Banner des revolutionären
Klassenkampfes und Internationalismus aufrecht gehalten. Sie haben kompromißlos
gegen alle Entstellungen des Marxismus und zentristische Halbheiten gekämpft
und den Aufbau einer revolutionären Partei nicht auf bessere Zeiten
verschoben. Sie haben damit eine politische Grundlage geschaffen, auf
der wir heute aufbauen können. Die Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt
knüpft an diese Tradition an und setzt die revolutionäre Kontinuität,
die durch die zentristische Degeneration der IKÖ in den frühen
1950er Jahren abgerissen ist, fort. Wir sind stolz darauf, unter unseren
UnterstützerInnen noch alte KämpferInnen aus dieser Tradition
zu wissen. Ihr Werk gilt es heute fortzusetzen.
Organisationen:
* KPÖ
(Opposition): 1927-1934
* Kampfbund:
1934 gegründet
Spaltung des Kampfbundes 1937/1938 - 4 Gruppen entstanden: die Proletarischen
Internationalisten, die Proletarischen Revolutionäre, die Gruppe
gegen den Strom und der (Rest-)Kampfbund
* Revolutionäre
Kommunisten (RK): 1936/1937 gegründet, etwa um 1945 zerfallen
* IKÖ:
1946 gegründet - Wiedervereinigung der vom Kampfbund abgespaltenen
Gruppen (Auflösung Beginn der 60er Jahre)
* Kampfbund
spaltet sich 1947 von der IKÖ ab, bildet separate Organisation -
Auflösung Anfang der 1970er Jahre
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