Ansichten
eines Balltreters
(Autor: Michi)
Zum qualifizierten Umgang mit den Vertretern des Profifußballs gehört nicht
nur die Würdigung ihres Tuns auf dem grünen Viereck, sondern auch die
Auseinandersetzung mit ihren Erkenntnissen und Ansichten über ihre Tätigkeit
sowie andere wichtige Bereiche des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen
Lebens. Diese Überzeugung hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten bei
vielen - wenn auch nicht allen - Machern und Konsumenten der Massenmedien in
zunehmendem Maße durchgesetzt.
Im folgenden sind nun einige Statements zusammengetragen, welche in ihrer
Gesamtheit das Selbstverständnis des Balltreters konkret und detailliert
greifbar machen. Um ein möglichst aussagekräftiges Gesamtbild entstehen zu
lassen, sind auch Zitate derjenigen aufgeführt, die das Wirken und Werken des
bezahlten Kickers lenkend und bewertend begleiten - also von Trainern, Funktionären
und Reportern. Zur besseren Veranschaulichung der Zusammenhänge sind die
Aussagen nach folgenden Themengebieten sortiert:
(1.) |
Die
grundsätzliche Frage nach dem Sinn |
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(2.) |
Die
Sprache als Gestaltungsmittel |
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(2.1.) |
Begriffsvertauschung |
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(2.2.) |
Sonderbehandlung der Fälle |
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(2.3.) |
Fremdsprachen |
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(2.4.) |
Fremdwörter |
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(3.) |
Das
Fußballspiel als solches |
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(3.1.) |
Vor dem Spiel |
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(3.2.) |
Während des Spiels |
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(3.3.) |
Nach dem Spiel |
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(4.) |
Der
Fußballer als Privatperson |
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(4.1.) |
Vergangenheitsbewältigung |
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(4.2.) |
Gegenwart |
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(4.3.) |
Zukunft |
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(5.) |
Naturwissenschaften |
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(5.1.) |
Mathematik |
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(5.2.) |
Elementare
Aussagelogik |
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(5.3.) |
Physik |
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(5.4.) |
Biologie |
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(5.5.) |
Medizin |
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(6.) |
Gesellschaftswissenschaften |
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(6.1.) |
Politik |
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(6.2.) |
Geographie |
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(6.3.) |
Religion |
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(7.) |
Geisteswissenschaften |
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(7.1.) |
Psychologie |
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(7.2.) |
Philosophie |
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(8.) |
Poesie |
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(9.) |
Wertung
aus Sicht der Hauptdarsteller |
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(10.) |
Schlusswort |
Um diese Abhandlung bezüglich
ihrer Notwendigkeit von vornherein korrekt einordnen zu können, sei ihr
vorangestellt. Tut der bezahlte Kicker sich selbst überhaupt einen Gefallen,
wenn er von seinem Verstand - anstelle seinen Füßen - Gebrauch macht ? Gerd
Müller, bis heute unangefochtener Spitzenreiter der Ewigen
Bundesliga-Torschützenliste, stellt hierzu fest:
Wenn's
denkst, ist eh zu spät.
Lothar Matthäus kennzeichnet
den Widerspruch zwischen dieser Weisheit und seinem Mitteilungsbedürfnis wie
folgt:
Manchmal
spreche ich zuviel.
Wobei ihm der Hinweis darauf gestattet sein soll, dass seine Redseligkeit nur
eine Konsequenz des öffentlichen Interesses darstellt:
Und
wenn dein Reden auch stockfalsch und blödsinnig ist: Hauptsache, du tust wieder
den Mund auf.
Im Prinzip sind sich die Herren Müller und Matthäus jedenfalls einig. Was
einen Großteil der im folgenden wiedergegebenen Aussagen mit einem gewissen
Notwendigkeitsvorbehalt versieht.
Bevor es nun ans Eingemachte - sprich: an die inhaltliche Dimension der fußballspezifischen
Rhetorik - geht, soll unsere Aufmerksamkeit der Art und Weise, wie die
kurzbehosten Volkshelden
einsetzen, gelten. Betrachten wir hierzu als erstes das Prinzip der
als einfache, aber wirksame Methode, welche ihren Reiz dem Kontrast zwischen
korrekter Wahl der Worte und inkorrekter Anordung derselben verdankt. Beispiele:
Da
muss dann mal einer die Hand ins Heft nehmen. (Thomas Helmer )
Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken. (Lothar Matthäus)
Wie so oft liegt auch hier die Mitte in der Wahrheit. (Rudi Völler)
Ein weiteres sprachliches Gestaltungsmittel, dem eine ausführliche Betrachtung
zusteht, ist die
als Ausdruck der allgemein bekannten Tatsache, dass "Jeder redet, wie ihm
der Schnabel gewachsen ist." Jürgen
Klinsmann demonstriert beispielhaft die Mutation des Akkusativs
zur Ortsangabe:
Das
sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann.
Lothar Emmerich macht sich in
vergleichbarer Weise zum Sprachrohr der Kampagne "Helft den Akkusativ !",
indem er fordert:
Gib
mich die Kirsche !
Unterstützung findet er dabei auf einem Hinweisschild
im Gelsenkirchener Parkstadion:
Zu
die Pressetische.
Die Gegenbewegung "Rettet dem Dativ !" findet ihren Wortführer
in Andreas Brehme, welcher uns
folgendes mitteilt:
Bedanken
möchten wir uns auch bei den Fans, auf denen wir uns immer verlassen konnten.
Den Höhepunkt des in diesen Statements zum Ausdruck kommenden Konfliktes
zwischen Dativ und Akkusativ verdanken wir jenem (leider nicht namentlich
bekannten) Schiedsrichter,
welcher Willi "Ente" Lippens
mit den Worten
Ich
verwarne Ihnen !
die Gelbe Karte zeigte, worauf Herr Lippens folgerichtig entgegnete:
Ich
danke Sie !
Dass es hierfür die Rote Karte gab, gehört zu den historischen
Absonderlichkeiten des fußballspezifischen Sprachkonfliktes. Lobend erwähnt
sei Jürgen Wegmann für seinen
Hinweis auf die Probleme ausländischer Spieler mit derartigen linguistischen
Skurrilitäten:
Das
muss man verstehen, dass er Schwierigkeiten hat, sich einzugewöhnen. Er ist die
deutsche Sprache noch nicht mächtig.
Womit Herr Wegmann sehr elegant die Überleitung vom phantasiereichen Umgang mit
der Muttersprache zu einem ebensolchen mit
hergestellt hat. Für Waldemar Hartmann
beginnt es bereits bei der Begrüßung seiner Zuschauer:
Guten
Abend, meine Damen und Herren, und - bonne noir.
Ein noch höheres kreatives Potential offenbart jene finnische
Zeitung, welche die Feststellung des walisischen
Nationaltrainers mit dem Wortlaut "Rush an' Hughes are some
of the best attackers in the world" wie folgt wiedergibt:
Russische
Juden sind mit die besten Stürmer der Welt.
Betrachten wir schließlich die Mischform aus mutter- und fremdsprachlicher
Artikulation. Viele Aussagen gewinnen erheblich an Ausdruckskraft, wenn an den
entscheidenden Stellen
eingebaut werden. Die Sicherheit im Umgang mit letzteren variiert dabei jedoch
von (zumindest angenommener) Souveränität ...
Körperlich
bin ich gut drauf, physisch natürlich auch. (Thomas Häßler)
Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär. (Hans Krankl)
Wir sind eine gut intrigierte Truppe. (Lothar Matthäus)
Ich habe ihn nur ganz leicht retuschiert. (Olaf Thon)
... über leichten Zweifel ...
Ja
gut, der arbeitet von morgens bis abends. Ja gut, sowas nennt man im Volksmund,
glaube ich, Alcoholic. (Rudi Völler über Reiner Calmund)
... bis hin zum offenen Eingeständnis der Unwissenheit:
In
der ersten Halbzeit haben wir ganz gut gespielt, in der zweiten fehlte uns die
Kontinu..., äh, Kontuni..., ach, Scheiß-Fremdwörter. Wir waren nicht beständig
genug ! (Pierre Littbarski)
Man beachte, dass Herr Littbarski hier gleich zwei Offenbarungseide leistet - je
einen sprachlichen und fußballerischen. Dies führt uns nun zum nächsten
Kapitel.
Die Zeit unmittelbar vor dem Anpfiff ist die Zeit für Spekulation ...
Ich
wage mal eine Prognose: Es könnte so oder so ausgehen. (Ron Atkinson)
... Motivation ...
Mach
et, Otze ! (Erich Rutemöller)
... taktische Orientierung ...
Wir
spielen hinten Mann gegen Mann, und ich spiel gegen den Mann. (Olaf Thon)
... Gedanken über den Umgang mit einem Erfolg ...
Wir
fahren hin, hau'n die weg und fahren wieder zurück. (Peter Neururer)
... Gedanken über den Umgang mit einem Mißerfolg ...
Wir
sind hierher gefahren und haben gesagt: Okay, wenn wir verlieren, fahren wir
wieder nach Hause. (Marco Rehmer)
... gelegentlich auch für Gedanken über einen etwas anderen Umgang mit einem
Mißerfolg:
Wenn
wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.
(Rolf Rüssmann)
Wobei den Befürwortern der letztgenannten Vorgehensweise die Folgen klar sein
sollten:
Wer
in Bochum von Strafraum zu Strafraum geht und sich dabei nicht den Knöchel
bricht, dem gebe ich einen aus. (Christoph Daum)
Über die Bedeutung der bevorstehenden neunzig Minuten bestehen in jedem Fall
keine Zweifel:
Grau
is alle Theorie, maßgebend is auffen Platz. (Adi Preißler)
gilt natürlich die ganze Aufmerksamkeit der Akteure dem Geschehen:
Es
ist wichtig, dass man neunzig Minuten mit voller Konzentration an das nächste
Spiel denkt. (Lothar Matthäus)
Die Beurteilung desselben obliegt hingegen den Herren Kommentatoren ...
Zwei
Minuten gespielt, noch immer hohes Tempo. (Holger Obermann)
Wenn man über rechts kommt, muss die hintere Mitte links wandern, da es sonst
vorne Einbrüche gibt ! (Karl-Heinz Rummenigge)
Das Spiel ist zu weit, zu eng. (Wolfram Esser)
... wobei sie jedoch stets damit rechnen müssen,
von den Cheftaktikern korrigiert zu werden:
Das
Spielfeld war zu lang für Doppelpässe. (Berti Vogts)
Naturgemäß ist nach dem Schlußpfiff die Zeit für detaillierte Analysen, sei
es nun psychologischer ...
Wir
waren alle vorher überzeugt davon, dass wir das Spiel gewinnen. So war auch das
Auftreten meiner Mannschaft, zumindest in den ersten zweieinhalb Minuten. (Peter
Neururer)
... zahlenmäßiger ...
Ich
habe zwei verschiedene Halbzeiten gesehen. (Volker Finke)
Meine Mannschaft ist fünfzehn- oder sechzehnmal ins Abseits gerannt. Das haben
wir auch die ganze Woche geübt. (Manfred Krafft)
... oder strategischer Natur:
Das
macht uns so unberechenbar. Keiner weiß, wann er ausgewechselt wird. (Thomas
Helmer - Frage an Herrn
Helmer: Unberechenbar für wen ?)
Thomas Häßler sei das
Herausstellen des Teilerfolges gegönnt ...
Wir
wollten in Bremen kein Gegentor kassieren. Das hat auch bis zum Gegentor ganz
gut geklappt.
... sowie den Herren Berichterstattern zum einen die abschließende Wertung ...
Auch
ohne Matthias Sammer hat die deutsche Mannschaft bewiesen, dass sie in der Lage
ist, ihn zu ersetzen. (Marcel Reif)
... und zum anderen - natürlich - das Verkünden der Ergebnisse:
Saarbrücken
bezwang Freiburg mit 1:1. (Klaus Schwarze)
Wolfsburg hat die letzten drei Heimspiele verloren zu Hause. (Michael Wiese)
Wo denn auch sonst, wenn nicht zuhause ? Bestimmt nicht im Stadion von
Schalke
05 (Carmen Thomas).
Des Kickers menschlicher Werdegang dreht sich - natürlich - um Fußball ...
Früher
war ich ein großer Fan von Mönchengladbach. Doch da hatte ich noch keine
Ahnung vom Fußball. (Marco Reich)
... aber auch um andere Dinge, die sein irdisches Dasein sinnvoll erscheinen
lassen.
Ich
habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben ...
Den Rest habe ich einfach verpraßt. (George Best)
Mr. Best demonstriert hier einen bemerkenswert differenzierten Umgang mit seinen
finanziellen Möglichkeiten. Derartige Lehren aus der Vergangenheit prägen
naturgemäß die
des Kickerdaseins, wie wir von Klaus Täuber
erfahren:
Heute
knall ich mir die Birne voll, bis mir das Bier zu den Ohren rausläuft !.
Wobei allerdings ab einer gewissen menschlichen Reife grundsätzlichere Dinge
wie z.B. Wohnkultur in den Vordergrund treten:
Soll
ich etwa ein Lagerfeuer im Wohnzimmer machen ? (Anthony Yeboah
auf die Feststellung des "Kicker", er wohne "wie ein deutscher
Musterbürger")
Korrekt, Herr Yeboah - es empfiehlt sich bisweilen, auf Dinge hinzuweisen, mit
denen man sich nicht assoziert sehen möchte:
Die
Fans müssen wissen, dass ich kein Clown bin. (Oliver Kahn)
Auch von seiner
hat der Profifußballer konkrete Vorstellungen. Martin
Wagner gelingt es gar, Eßkultur und sportlichen Ehrgeiz
miteinander zu verbinden:
Wir
werden die Spitze mit Messer und Gabel verteidigen.
Die nächsten Kapitel sollen nun die vielschichtige Auseinandersetzung des
bezahlten Balltreters mit dem wissenschaftlichen Leben darlegen.
Seitdem die Viererkette in der Abwehr zum taktischen Repertoire der Fußballehrer
zählt, wird vom Profikicker erwartet, weiter als bis drei zählen zu können.
(Gerüchte, dass bei einem norddeutschen Stadtteilklub das Spiel mit der
Viererkette an eben dieser Voraussetzung gescheitert sei, sollen hier nicht
weiter untersucht werden.) Der Umgang des Fußballers mit der Zahlenkunde sei im
folgenden illustriert durch Beispiele aus der Mengenlehre (hier
praktiziert auf der Basis der natürlichen Zahlen) ...
Der
Rizzitelli und ich, wir sind schon ein tolles Trio, äh, Quartett. (Jürgen
Klinsmann).
... den Vier Grundrechenarten ...
Ihr
fünf spielt jetzt vier gegen drei. (Fritz Langner).
... der Bruchrechnung ...
Ein
Drittel ? Nee, ich will mindestens ein Viertel. (Horst Szymaniak).
... der Prozentrechnung ...
Zu
fünfzig Prozent haben wir es geschafft, aber die halbe Miete ist das noch
nicht. (Rudi Völler)
Zwei Chancen, ein Tor - das nenne ich hundertprozentige Chancenauswertung.
(Roland Wohlfarth)
... und der Wahrscheinlichkeitsrechnung:
Ich
bleibe auf jeden Fall wahrscheinlich beim KSC. (Sean Dundee)
Die Wahrscheinlichkeit, nicht Meister zu werden, ist größer als die
Wahrscheinlichkeit, dem Abstieg nicht zu entgehen. (Dettmar Cramer).
Als die bevorzugte mathematische Disziplin in Kickerkreisen muss jedoch
zweifellos die
gelten, weshalb dieser hier ein eigenes Unterkapitel zugestanden wird. Die große
Menge der diesem Gebiet zuzuordnenden Zitate bedarf wohl keiner ausführlichen
Kommentare, eher einer Kategorisierung nach Gestalt der logischen Relation, um
die fußballspezifische Komplexität dieses Betrachtungsfeldes besser
nachvollziehbar zu machen.
Eigentlich
bin ich ein Supertyp. Aber ich kann wohl auch ein richtiger Arsch sein. (Mario
Basler)
Ich
habe ihn ausgewechselt, weil ich einen anderen Spieler einwechseln wollte. Da
musste ich einen auswechseln. (Ewald Lienen)
Rosenborg
hat 66 Spiele gewonnen, und sie haben in jedem getroffen ! (Brian Moore)
In erster Linie stehe ich voll hinter dem Trainer, in zweiter Linie hat er
recht. (Olaf Thon)
Entweder
ich gehe links vorbei, oder ich gehe rechts vorbei. (Ludwig Kögl)
Wenn man ein 0:2 kassiert, dann ist ein 1:1 nicht mehr möglich. (Aleksander
Ristic)
Würden wir jede Woche so spielen, wären unsere Leistungen nicht so schwankend.
(Bryan Robson)
Nach diesen Beispielen für klassische, auch aus anderen Umfeldern bekannte Abhängigkeiten
hier nun einige Ausformungen individualistischer Logik:
Mein
Problem ist, dass ich immer sehr selbstkritisch bin, auch mir selbst gegenüber.
(Andreas Möller)
Das nächste Spiel ist immer das nächste. (Matthias Sammer
mit einer Verallgemeinerung der Sepp Herberger-Weisheit "Das nächste
Spiel ist immer das schwerste")
Ich denke, wenn die Geschichte sich wiederholt, können wir nochmal das gleiche
erwarten. (Terry Venables)
Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß ! (Andreas Brehme)
(Als Beleg dafür, dass das letztgenannte Ereignis auch tatsächlich eintreten
kann, sei hier Hermann Gerland
zitiert:
Heute
hatten wir Scheiße anne Füße !)
Im
großen und ganzen war es ein Spiel, das, wenn es anders läuft, auch anders hätte
ausgehen können. (Eike Immel)
(Man beachte hier die verallgemeinernde Einleitung "Im großen und
ganzen" - in diesen Worten manifestiert sich der Respekt des Herrn Immel
vor den Gesetzen der elementaren Logik und seine Behutsamkeit im Umgang mit
denselben.)
Man
hetzt die Leute auf mit Tatsachen, die nicht der Wahrheit entsprechen. (Toni
Polster)
Für uns war die Trainerfrage nie eine Trainerfrage. (KSC-Präsident Roland
Schmider)
Ein besonders elegantes - da weniger vordergründig formuliertes - Beispiel für
ein sich selbst ausschließendes Ereignis liefert uns Paul
Gascoigne:
Ich
mache nie Voraussagen und werde das auch niemals tun.
Aus diesem Gebiet sind nicht viele, aber dennoch recht beachtenswerte Statements
von Profikickern und ihren Weggefährten bekannt. Ex-DFB-Präsident Hermann
Neuberger faßt seine Beobachtungen über die Verformung der
Materie wie folgt in Worte:
Die
Breite an der Spitze ist dichter geworden.
Inwieweit Wolfram Wuttke seine
Feststellung
Immer,
wenn ich breit bin, werde ich spitz
auf die des Herrn Neuberger bezogen sehen wollte, ist leider nicht bekannt.
Leichter zu interpretieren ist die Aussage des Heribert
Faßbender über die Temperaturen auf Teneriffa:
Tagsüber,
wenn die Sonne scheint, ist es hier noch wärmer !
Ebenso wie die Physik spielt auch die
in unseren Betrachtungen eine eher untergeordnete Rolle - zumindest mengenmäßig.
Betrachten wollen wir zwei Versuche des Gerd
Rubenbauer, die menschlichen Körperteile zu sortieren ...
Einen
so harten Ellenbogen hat der in ganz Kolumbien noch nicht erlebt. Aber
genaugenommen war es das Knie.
Die Achillesferse von Bobic ist die rechte Schulter.
... sowie den des Fabrizio Hayer,
den Lebensraum und die bevorzugte Körperhaltung gewisser Reptilien zu ergründen:
Ich
weiß auch nicht, wo bei uns der Wurm hängt.
Reiner Calmund schließlich
beschreibt die tierische Komponente seines Klubs wie folgt:
Wir
sind nur Underducks.
Hier haben wir es mit einem Genre zu tun, welches für den Fußballer in
fundamental verschiedener Hinsicht von Bedeutung ist. Frank
Pagelsdorf demonstriert seine Art des Umgangs mit der Prämisse
"Vorbeugen ist besser als heilen":
Wir
werden nur noch Einzelgespräche führen, damit sich keiner verletzt.
Bruno Labbadia konstatiert den
keimfreien Journalismus:
Das
wird alles von den Medien hochsterilisiert.
Michael Tarnat braucht keinen
Arzt, er operiert sich selbst:
Ich
will an meinem rechten Fuß feilen.
Dragoslav Stepanovic urteilt über
Vitalität im Alter:
Was
der Rudi Bommer heute mit seinen 800 Jahren geleistet hat, war schon phänomenal.
Ulf Kirsten stellt fest, dass
auch das irgendwann einmal vorbei ist:
Wir
waren bereits klinisch tot.
Und Peter Pacult schließlich
beschäftigt sich schon mit den Konsequenzen daraus:
Ja,
der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich.
Leistungssport - insbesondere Fußball - und Politik sind nicht mehr sinnvoll
voneinander zu trennen, und die Athleten wissen dies auch. Anthony
Baffoe mahnt beim Schiedsrichter, der ihm die Gelbe Karte zeigt,
die Solidarität im Kampf gegen Rassendiskriminierung an:
Mann,
wir Schwatten müssen doch zusammenhalten !
Und Johannes Rau, ehemaliger
Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, macht sich um die Gleichberechtigung
der Frau in der Gesellschaft verdient, indem er zu dem Vorschlag, das neue
Stadion in Gelsenkirchen nach einer Frau zu benennen, folgendes anmerkt:
Wie
soll das denn dann heißen? Ernst-Kuzorra-seine-Frau-ihr-Stadion ?
Im Vergleich zum Normalbürger darf sich der Profikicker - insbesondere der mit
Verpflichtungen internationaler Art - einer gewaltigen Jahreskilometerleistung rühmen.
Kein Wunder, dass er sich besonders gut auf dem Globus auskennt.
Mailand
oder Madrid - Hauptsache Italien ! (Andreas Möller)
Es war, als würde ich im Ausland spielen. (Ian Rush
über seine Zeit bei Juventus Turin)
Ich fliege irgendwo in den Süden - vielleicht nach Kanada oder so. (Mehmet
Scholl)
Natürlich ist ein interessiertes Verfolgen der Geschehnisse in fernen Ländern
diesem Wissen dienlich:
Und
wie sieht's in Brasilien aus, dem Mutterland des Fußballs ? (Wolf-Dieter
Poschmann)
Mit der Konsequenz, dass einem auf Dauer nicht nur die Länder, sondern auch
deren Bewohner bestens vertraut sind:
Die
Schweden sind keine Holländer - das hat man ganz genau gesehen. (Franz
Beckenbauer)
Auch größenmäßig ist es der größte Nachteil, dass die Torhüter in Japan
nicht die Allergrößten sind ! (Klaus Lufen, ARD)
Wenn wir Deutschen tanzen, und nebenan tanzen Brasilianer, dann sieht das bei
uns eben aus wie bei Kühlschränken. (Berti Vogts)
Wohlgemerkt ist ein derartiges Differenzierungsvermögen nicht nur bezogen auf Länder
oder Völker, sondern bisweilen auch bezogen auf Einzelpersonen von Nutzen ...
Jeremies
ist kein Eilts ! (Heribert Faßbender)
... zumal dies nicht allen in gleichem Maße zueigen ist:
Die
"Rudi"-Rufe hat es vorher nur für Uwe Seeler gegeben. (Gerd
Rubenbauer)
Hier haben wir es nun mit einem Gebiet zu tun, dem die balltretenden Volkshelden
mit auffälliger Zurückhaltung gegenüber stehen - in krassem Gegensatz zu
ihren Anhängern, welche je nach Mentalität den Fußballsport in seiner
Gesamtheit oder speziell ihren Lieblingsklub zu einer "Religion" erklären
und dies dahingehend präzisieren, dass ausgewählte Spieler zum "Fußballgott"
ernannt werden. Der italienische Schriftsteller Umberto
Eco beschreibt dieses Phänomen wie folgt:
Der
Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer
Zeit. Er ist heute das wirkliche Opium des Volkes.
Horst Heldt hingegen hingegen
positioniert sich jenseits derartiger Wertesysteme, indem er die Frage, woran er
glaube, folgendermaßen beantwortet:
An
die fünf lebenswichtigen Bausteine in Nutella.
Bis hierhin mag der Eindruck entstanden sein, dass des Fußballers Rede überwiegend
oder gar ausschließlich von rationalen Aspekten geprägt sei - sprachliche
Ausgefeiltheit, analytischer Scharfsinn, Darstellung von Zusammenhängen nach
den Regeln der Logik, detaillierte Auseinandersetzung mit Natur- und
Gesellschaftwissenschaften. Ein solcher Eindruck wäre allerdings nicht korrekt.
Selbstverständlich ist das Leben des Profikickers - wie das jeder anderen
menschlichen Kreatur - ebenso von Gefühlen bestimmt. Und er scheut sich auch
nicht, sie preiszugeben ...
Ich
hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl. (Andreas Möller)
... und über den Umgang mit ihnen nachzudenken:
Haß
gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau
daheim im Wohnzimmer ausleben. (Berti Vogts)
Betrachten wir nun als letzten Wissenschaftzweig die
in ihrer Funktion als Betätigungsfeld für Gedanken aller Art, ohne vorgegebene
Zweckbestimmung. Jean-Paul Sartre
stellt folgende Betrachtung grundsätzlicher Natur an:
Bei
einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit
der gegnerischen Mannschaft.
Und Berti Vogts seinerseits
nimmt diese Erkenntnis zu Anlaß, darüber nachzudenken, wie es ohne eine
gegnerische Mannschaft wäre:
Ich
glaube, dass der Tabellenerste jederzeit den Spitzenreiter schlagen kann.
Ein besonders beliebter Themenschwerpunkt fußballerischer Philosophie ist die
Auseinandersetzung mit dem Schicksal als solchem. Lothar Matthäus stellt sich dem scheinbar Unabänderlichen
entgegen:
Ein
Lothar Matthäus läßt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus
entscheidet selbst über sein Schicksal.
Andere hingegen beschränken sich auf die Kontemplation dessen, was - scheinbar
oder tatsächlich - nicht zu ändern ist:
Die
Eintracht ist vom Pech begünstigt. (Karl-Heinz Körbel)
Wer hinten steht, hat das Pech der Glücklosen. (Helmut Schulte)
Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu. (Jürgen
Wegmann)
Derartige Anflüge resignativen Selbstmitleids werden vielleicht verständlich,
wenn man sich die Bedeutung der ganzen Angelegenheit vor Augen führt:
Einige
Leute halten Fußball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ich mag diese
Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es weit ernster ist. (Bill
Shankley, Manager des FC Liverpool)
Die Kunst der gebundenen Sprache ist in Kickerkreisen eher wenig verbreitet.
Dokumentiert ist lediglich der Versuch eines Akteurs mit Namen Hubert
Finken in Diensten der Berliner Tasmania, sich auf lyrischem Wege
seinem Gegenspieler bekannt zu machen:
Mein
Name ist Finken, und Du wirst gleich hinken.
Der Inhalt dieses Verses läßt erahnen, warum seinen Zunftgenossen eher wenig
nach fußballspezifischer Dichtkunst zumute ist.
Nachdem wir nun die Gedankenwelt des professionellen Fußballers als
weitestgehend erschlossen betrachten können, wollen wir uns einen Moment Zeit für
die
nehmen. Spielt es für den bezahlten Kicker überhaupt eine Rolle, ob und wie
die Öffentlichkeit von seinen Ansichten und Erkenntnissen Notiz nimmt ?
Die Antwort auf diese Frage weiß Dieter Eilts:
Das
interessiert mich wie eine geplatzte Currywurst im ostfriesischen Wattenmeer.
Womit wir wieder bei Gerd Müller und Lothar Matthäus sind, die den Sinn dieser
Abhandlung bereits ganz zu Beginn in Frage
gestellt haben. Das
sei einem Gentleman vorbehalten, dem wir den eindrucksvollen Beweis
dafür verdanken, dass sprachliche Hilflosigkeit und inhaltliche Überzeugungskraft
sich nicht zwingend gegenseitig ausschließen müssen:
Ich
habe fertig. (Giovanni Trappatoni)