Dr. Eva Kreissl � Volkskundlerin  � Kuratorin am Landesmuseum Joanneum Graz


Die Meistersch�ler im Schmetterlingsnetz

Gratwanderungen und Zerrei�proben der kulturwissenschaftlichen Arbeit.

Den Titel zu meinem Statement habe ich recht spontan �Die Meistersch�ler im Schmetterlingsnetz� genannt, da er meine Position und meine Gef�hle in meiner konkreten Arbeit als Volkskundlerin recht gut wiederzugeben scheint. Denn oft sehe ich mich in einem Netz aus Erwartungen verstrickt, dem Volkskundler gar nicht gerecht werden k�nnen � und viele wollen es auch nicht. Die zum Teil recht engen Maschen des Netzes sind aus der Geschichte unseres Fachs und der teilweise recht engen Verstrickung seiner Vertreter mit ihren Forschungsobjekten entstanden. Viele fr�here Volkskundler haben sich zu Werkzeugen oder Initiatoren der volkskulturellen Praxis gemacht und Prozesse in Brauch, Volkslied und Alltagskultur initiiert, unterst�tzt oder beeinflusst. Sie haben ihren Beobachterstatus aufgegeben, um eine kulturelle Entwicklung so zu ver�ndern, wie es ihnen w�nschenswert erschien. das ist f�r das heutige wissenschaftliche Selbstverst�ndnis der Volkskunde undenkbar. Wir beobachten, analysieren und dokumentieren, doch wir greifen nicht ein, um das zu ver�ndern, was wir eigentlich untersuchen sollen. Etwas anderes ist es, wenn wir auf die Wirkung des gesellschaftlichen Wandels hinweisen. Auch da d�rfen Forschungsergebnisse nicht beeinflusst werden, doch einige engagierte Kollegen oder Kolleginnen setzen sich auf politischem Wege daf�r ein, mit diesen Ergebnissen Rahmenbedingungen zu schaffen oder zu erhalten, damit sich kulturelle Prozesse frei entfalten oder negative soziale Folgen abgefangen werden k�nnen.

Als Ausstellungsmacherin widme ich mich einer Vielzahl von Themen. Sie reichen vom Umgang mit Wasser �ber die Produktion von Messern, vom europ�ischen Weihnachtsbrauchtum zum interkulturellen Vergleich des Maskenwesens, von der Rolle einiger Heimatdichter im Nationalsozialismus �ber die Funktion unserer Feste bis zur Geschichte der Volksmedizin. Und bei jedem dieser Themen werde ich � und vielen Kolleginnen und Kollegen geht es ebenso � als Fachfrau angesehen, als Spezialistin, die volkskulturelle Initiativen unterst�tzen soll, die sich mit dem jeweiligen Thema befassen. Doch genau darin sehe ich nicht unsere Aufgabe. Konkret: Ich kann zwar herausfinden, welche Zaunformen es einst gegeben hat, wie ein Dirndl geschneidert wurde, wo welcher Tanz verbreitet war oder auf welche Weise die Perchtnacht begangen wird, doch ich kann niemandem sagen, wie er seinen Zaun bauen soll, wie er oder sie schneidern, tanzen oder feiern soll. Dadurch w�rde ich das ver�ndern, was ich untersuchen will, und mein Wissen w�rde dazu benutzt, kulturelle Entwicklungen zu beeinflussen und in einen willk�rlich gew�hlten historischen Zustand einzuschwei�en. Das sind die Erwartungen, die wie ein Schmetterlingsnetz wirken, mit dem wir die Objekte unserer Untersuchungen einfangen, in dem wir jedoch oft genug Gefahr laufen, uns selbst zu verheddern.

So werde ich Ihnen auch heute nichts von vergangene Zeiten erz�hlen, in denen die Menschen angeblich einen unbefangenen Umgang mit der Natur hatten, sondern m�chte nur kurz auf die Bedeutungen und Funktionen des kulturellen Erbes hinweisen. Erlauben Sie mir dazu bitte eine Erinnerung aus meinem privaten Leben: Als meine Mutter vor 14 Jahren verstarb, wollte mein Vater nicht auch noch durch ihre vielen sch�nen, aber nun verwaisten Kleider an den Verlust der geliebten Frau erinnert werden. So bat er seine T�chter und Schwiegert�chter, sich so viele Kleider zu nehmen wie es uns gefiele. Aus der zaghaften Ann�herung an die Besitzst�cke unserer Mutter wurde ein langer Nachmittag des gemeinschaftlichen Anprobierens, gegenseitigen Bestaunens und Erinnerns an Feste, Termine und andere Begebenheiten, an denen unsere Mutter diese Kleider getragen hatte. Dieser Nachmittag kurz nach der Beerdigung wurde so zu einem ungeplanten, liebevollen Abschiedsfest. Jede von uns nahm zwei Koffer voller Abendroben, Kleider, Kost�me und M�ntel mit heim. Lange hingen sie ungetragen in unseren Schr�nken und erst Jahre sp�ter wanderten sie in die diversen wohlt�tigen Kleidersammlungen, wo sie hoffentlich an Menschen gerieten, die sie besser nutzen konnten, als wir selbst.
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Warum erz�hle ich Ihnen diese Geschichte? Nat�rlich weil sie von den Irrwegen des Erbens handelt. Im Akt der Weitergabe von Besitz bieten sich Chancen, lauern aber auch Fallen. Ein Erbe sollte zun�chst daraufhin gepr�ft werden, ob 1.) das Erbe einen materiellen oder immateriellen Wert besitzt, der 2.) auch in unser Leben passt oder zumindest irgendwie adaptierbar ist an unsere Verh�ltnisse und Bed�rfnisse, und 3.) ob nicht neue (materielle und immaterielle) Kosten durch seine Annahme entstehen, die wir wom�glich gar nicht in der Lage sind zu tragen. Ein weiterer �Erbfaktor� kommt hinzu: Die ersten drei Bedingungen hat unser famili�rer Beerbungsvorgang nicht im Geringsten erf�llt: Von den Kleidern meiner Mutter haben wir alle nicht profitieren k�nnen. Doch kurz nach ihrem Tod konnten wir sie einfach nicht loslassen. Und dennoch war der Akt des Erinnerns und Abschiednehmens bei der �bergabe dieses sp�ter ungenutzten Erbes ein wichtiger Tag unseres Lebens und ein gemeinschaftlich erlebter H�hepunkt in der Auseinandersetzung mit einem geliebten Menschen, der fortan unser Leben gepr�gt und latent begleitet hat. Will hei�en: Oft liegt der Wert eines Erbes nicht in seinem materiellen Anteil, sondern es hat einen unsichtbaren, unber�hrbaren, mentalen oder emotionalen Aspekt, der den Dingen innewohnt, und der den materiellen Besitz des Erbes �berdauert.

Im kulturellen Sinne ist die Frage des Erbens eine des �berlieferns. Dies geschieht unwillk�rlich in sozialen Gruppen wie Familien, Schulklassen, Fu�ballclubs oder Gesangsvereinen. Forschenden Kulturwissenschaftlern hingegen ist die kulturelle �berlieferung eine professionelle Aufgabe und wir greifen historische oder gegenw�rtige Ph�nomene auf, um sie � wie immer gepflegt, konserviert, bearbeitet oder interpretiert � an k�nftige Generationen weiterzugeben. Selbst dieser Prozess, von au�en kommend etwas dem Vergessen entrei�en zu wollen, stellt bereits einen Eingriff in das kulturelle Geschehen dar. Denn wie nat�rliche Prozesse haben auch kulturelle Ereignisse einen Anfang und ein Ende. Und � das klingt jetzt vielleicht etwas provokant � vielleicht muss auch das Vergessen zugelassen und ausgehalten werden, um Neues entstehen lassen zu k�nnen. Ohne unser Eingreifen, g�be es viele kulturelle Relikte der Vergangenheit nicht mehr. Unsere Angst vor dem Vergessen l�sst uns jedoch oft auch zerst�ren, indem wir es sch�tzen. Die Volkskunde ist selbst das beste Beispiel daf�r. Sie ist ein Kind der Romantik, in der erkannt wurde, dass durch die gesellschaftliche Entwicklung viele kulturelle Produkte und Ereignisse dem Wandel unterlegen waren, der auch deren Verschwinden nach sich ziehen konnte. Das Unbehagen an der damaligen Gegenwart lie� den Wunsch aufkeimen, die im Verschwinden begriffenen kulturellen Ereignisse zu dokumentieren und zu retten. Ein ber�hmtes Beispiel sind die Gebr�der Grimm und in ihrer Nachfolge auch Volkskundler oder Heimatforscher in der Steiermark, die m�ndlich tradierte M�rchen und Sagen bewahren wollten, indem sie sie aufschrieben. Die Folge war, dass ein M�rchen wie Dornr�schen zu einer Standardform wurde, die eine Mutter in gleicher Form vorlas wie die Gro�mutter und die Urgro�mutter � respektive in Ausnahmef�llen die dazugeh�rigen M�nner. Damit war eine spezielle Form dieses M�rchens vor dem Vergessen gerettet, doch die Tradition der m�ndlichen �berlieferung, die von ihren Varianten, von ihren pers�nlichen Noten und Assoziationen lebt, war zerst�rt. Seit den Br�dern Grimm gibt es eine autorisierte Weise, Dornr�schen weiterzugeben, doch nur als totes Relikt, denn den kulturellen Habitus des Erz�hlens haben sie zerst�rt.

Ein weiterer Punkt: Das kulturhistorische, also wissenschaftliche Retten eines Erbes hat immer nach dem geistigen Hintergrund, also der Denk- und Lebensweise zu fragen, vor dem die kulturellen Erzeugnisse entstanden sind, um sie richtig deuten und gegebenenfalls nutzbringend anwenden zu k�nnen. Auch dazu ein Beispiel: Im vergangenen Jahr habe ich die Ausstellung �heilsam. Volksmedizin zwischen Erfahrung und Glauben� am Volkskundemuseum Graz vorbereitet, die mich weit in dieses Fachgebiet hat vordringen lassen. Wer sich n�her mit dem Thema befasst, merkt, wie umfassend es ist und dass Volksmedizin weit mehr als Kr�uterkunde und Hausmittel bedeutet, so wie wir das heute gerne sehen. Vielmehr er�ffnet die Volksmedizin ein weites Feld von naturkundlichen, religi�sen und spirituellen Handlungen. Und vor allem stimmt die heute landl�ufige Vorstellung nicht, dass die Volksmedizin ein umfassendes, archaisches Wissen war, das im Grunde jeder beherrschte, weil der Mensch so nahe an der Natur lebte. Auch die Volksmedizin war ein Spezialwissen und der nicht Eingeweihte empfand vor den Unregelm��igkeiten und Anfechtungen des K�rpers zun�chst einmal nichts anderes als Angst. Anders w�re die wahre Flut an abergl�ubischen Pr�ventionsmitteln, wie sie etwa in den Sammlungen unseres Volkskundemuseums in Graz zu finden sind, kaum zu erkl�ren. Denn wozu br�uchte man diese vielen Amulette, Breverln, Schutzbriefe und dergleichen, wenn man im gegebenen Krankheitsfall gewusst h�tte, wie man der Bedrohung des K�rpers mit rationalen Ma�nahmen h�tte begegnen k�nnen?
Vielleicht hat jeder Mensch zwei oder drei Mittelchen gekannt, die sich bei Schnupfen oder Verletzungen als hilfreich erwiesen hatten. Doch von einem tief verankerten und weit verbreiteten Wissen �ber die Heilkraft, die uns die Natur anbietet, kann keine Rede sein. Dazu gab es Spezialisten wie Heiler, Kr�uterfrauen oder auch die Bader, die weit mehr konnten als Rasieren. Und auch deren Wissen beruhte nicht unbedingt auf der Logik von Ursache und Wirkung, sondern auf dem vormodernen Denken in Sympathien, also auf einem System der �hnlichkeit und Entsprechung aller physischen Erscheinungen dieser Welt. Eine Pflanze wurde demnach auch nicht wegen ihrer Wirkstoffe zur Heilung bestimmter Leiden verwendet, sondern aufgrund ihrer �u�erlichen Entsprechungen zu deren Symptomen. Bei manchen Pflanzen l�sst sich deren Wirkung mittlerweile chemisch nachweisen. Das beste Beispiel ist wohl das beliebte Johanniskraut (hypericum perforatum). Es erhielt seinen Namen, weil es zur Zeit der Sommersonnwende bl�ht, also zu einem Zeitpunkt, auf den die katholische Kirche nicht zuf�llig den Gedenktag eines ihrer wichtigsten Heiligen gelegt hatte. Zu dieser Zeit der Hochstimmung bl�ht das Johanniskraut unerm�dlich in goldgelben Bl�tenst�nden, deren blo�er Anblick bereits Freude bereitet und schlechte Stimmungen vertreibt. Reibt man seine Bl�tter, vor allem die der Bl�ten, entsteht ein roter Saft, was die Pflanze bereits in der Antike als blutstillendes Mittel auswies und zur Unterst�tzung der �u�eren und inneren Wundheilung eingesetzt wurde. Betrachtet man seine gr�nen Bl�tter gegen das Licht, so werden gr�ne Punktierungen sichtbar, die wie kleine Einstiche wirken und als Signatur f�r die Zust�ndigkeit des Krautes bei Stichwunden gedeutet wurden. Von Plinius bis Tabernaemontanus werden die medizinischen Eigenschaften des Johanniskrauts aufgrund seiner �u�eren Merkmale beschrieben, die von der Fuga daemonum (Vertreibung des Teufels) �ber die innere Reinigung bis zur Wundheilung reichen. Moderne Pharmakologen hingegen bem�hen sich immer noch, alle Wirkstoffe der Pflanze, also die Naphthodianthrone wie Hypericin, Pseudohypericin, Protohypericin, Protopseudohypericin, Phloroglucinderivate, die Flavonoide, Xanthone und Gerbstoffe, zu isolieren und zu untersuchen, um wissenschaftlich zu belegen, was die Volksheilkunde seit Jahrhunderten �berliefert. Einen Kollegen, der behauptete, Johanniskraut heile Depressionen, weil seine Bl�ten gelb sind und zur sch�nsten Zeit des Jahres erscheinen, m�ssten sie aus ihrer Zunft weisen.
Das Erbe vom Wissen um die Heilwirkung der Pflanzen besteht aus mehr als aus unbekannten Wirkstoffen, die wir m�hsam entr�tseln m�ssen. Es ist ein Gedankengeb�ude aus Erfahrungswissen und spirituellen Vorstellungen, das sich unserem Denken verschlie�t, wenn wir nur nach Ursache und Wirkung fragen. Bereits der Mann vom Tisenjoch, vulgo �tzi, trug bei seiner Wanderung �ber die Berge einige St�cke Birkenporling (piptoporus betulinus) bei sich. Dieser Pilz ist bekannt f�r seine blutstillende Wirkung. Der Mann scheint vor mehr als 5000 Jahren um diese Eigenschaft des Pilzes gewusst und sich daher f�r seinen Weg entsprechend ausger�stet zu haben. Es ist ein deutliches Zeichen f�r vorausplanendes Denken, wenn man ein Heilmittel in Erwartung m�glicher Verletzungen bei sich tr�gt. Doch sollten wir uns h�ten, dem fr�hen Wissen um die nat�rliche Heilkraft von Pflanzen, Pilzen und tierischen Stoffen allzu viel Rationalit�t zu unterstellen. Vielmehr reihten sich empirische Beobachtungen in ein vorreligi�ses magisches Weltbild ein, das die Menschheit noch Jahrtausende lang begleiten sollte. So wissen wir nicht, was der Mann aus dem Eis alles in dem Birkenporling sah, ob er ihn als Amulett, Zaubermittel oder heiliges Kleinod mitnahm. Doch gewiss ist, dass er nicht ausschlie�lich ein Instrument in ihm erkannte, das zur Blutstillung geeignet war. Denn reine Instrumentalisierung ist dem magischen Denken fremd. 
Weniger �konomisch angegriffen als die Volksmedizin zeigt die Brauchforschung deutlicher, wie ein Erbe in die Irre f�hren kann, wenn kulturelle Hintergr�nde bei der Tradierung auf Formen reduziert und die weltanschaulichen Pr�missen irgendwann einmal nicht mehr ber�cksichtigt werden. Formen, denen ihr Sinn abhanden gekommen ist, tendieren nun einmal dazu, zu erstarren und ohne ihren geistigen Hintergrund in diesem Fall zu leerer Folkloristik zu werden; so etwa im Brauchtum rund um die Percht, bei dem sich heute Volks- und Heimatkundler mit den Vertretern der �Krampusperchtenpassen� ernsthaft und erbittert �ber die Frage streiten, wie eine Percht auszusehen habe. Dabei hatte die Percht urspr�nglich �berhaupt kein Aussehen, da es sich bei ihr um eine Vorstellung gehandelt hat, um eine Sagengestalt, die als weibliche Schicksalsmahnerin vor all dem warnt, was zu viel ist oder zu sp�t kommt. Die �lteste erhaltene Abbildung der Percht als Person stammt aus dem fr�hen 15. Jahrhundert. Als verkleidete Person in Umzugsbr�uchen ist sie seit dem 17. Jahrhundert belegt, wo sie zur Jahreswende auftrat, um sozusagen einen Schlussstrich unter das alte Jahr zu ziehen und zu kontrollieren, ob die Arbeiten in Haus und Hof erledigt seien. Heute noch erinnern die Pudelmutter oder die Perchtln im steirischen Ennstal, vor allem aber die wei� gekleideten Gestalten des Luzienbrauchtums in Ungarn und den slawischen L�ndern an die urspr�ngliche Funktion der Percht. In vielen Regionen Salzburgs, Bayerns und Ober�sterreichs aber ist diese Gestalt hinter ihren teufelsartigen Begleitern verschwunden, die einst nur dem B�sen ein Gesicht geben sollten, das denjenigen trifft, der von der Percht ertappt worden ist, seine Arbeit nicht ordentlich erledigt zu haben. Von diesem Sinnzusammenhang ist heute keine Rede mehr, sondern man debattiert in den Krampuspassen und Heimatvereinen dar�ber, ob eine Percht zwei, drei oder vier H�rner haben muss, eine lange Nase haben, eine Maske aus Holz oder Fell tragen muss. Anscheinend wurde hier ein kulturelles Erbe angetreten, das so weit an die Gegebenheiten der Zeit adaptiert wurde, bis von dem Sinn dieses Erbes nichts mehr �brig war.
Nun abschlie�end zur Frage der Materialit�t eines Erbes, die wir ja bereits als einen Faktor kennengelernt haben, der nicht zwingend der wichtigste im Prozess des Erbens ist. Selbstverst�ndlich  gibt es in der dinglichen und habituellen Tradition Aspekte, die noch heute sinnvoll erscheinen und die Erw�hnung nahelegen, sie in die gegenw�rtige Praxis zur�ckzuholen. Das gilt vor allem in Fragen der Auseinandersetzung mit der Natur mit ihren medizinischen und �kologischen Implikationen, wo die Menschheit durch den Fortschritt Grenzen �berwunden hat, die ihr nicht nur gut tut. Es ist jedoch unm�glich, die Zeit zur�ckzukurbeln. Denn wie wir etwa an der Almwirtschaft sehen, haben wir nicht nur die Ebene der Fakten zu ber�cksichtigen, sondern ebenso eine Ebene der kulturellen Bedeutung, die in jedem menschlichen Tun mitschwingt. Leider vernehmen wir in der �konomisierung unserer Lebenswelten diese leise Begleitstimme jeglichen Handelns immer weniger. Die Intensit�t des Erlebens auf der Alm, das immer wieder beschrieben und im Erlebnistourismus heraufzubeschw�ren versucht wird, ist nicht nachzuvollziehen ohne die Umst�nde des Entbehrungsreichtums und der harten k�rperlichen Arbeit, und auch nicht ohne die restriktiven Lebensbedingungen, die auf den Heimh�fen herrschten. Diese Bedingungen sind jedoch nicht wieder herstellbar und dies w�re auch nicht unbedingt w�nschenswert. Ebenso wenig passte eine �bernahme des sympathischen Heilens mit seinen Hintergr�nden des magischen Denkens in unsere Lebenswelt. Das hei�t jedoch nicht, dass die Besch�ftigung mit diesen Traditionen �berfl�ssig geworden ist. Es kommt darauf an, wie wir uns damit befassen. Kulturwissenschaftliche Betrachtungen d�rfen nicht bei der Rekonstruktion menschlichen Handelns in der Vergangenheit stehenbleiben, also � und um nun endlich zum Thema dieser Tagung zu kommen- nicht alleine die Waffen und Ger�tschaften, die Lagerung und Verwendung von Beute und Sammelgut dem Vergessen zu entrei�en. Heute sind wir gefordert, auch einen Blick von au�en auf dieses Tun zu werfen, um seine Bedeutung entschl�sseln zu k�nnen. Wir m�ssen also quer zum Thema fragen: Warum ist die Jagd eine m�nnliche Dom�ne? Welche Folgen hatte dies f�r die gesellschaftliche Organisation des Zusammenlebens? Welche �nderungen stellen sich immer dort ein, wo Frauen in diese Dom�ne einbrechen? Welche gesellschaftliche Stellung wurde an die T�tigkeit des Sammelns gekn�pft? Welche Folgen hatte die Umwidmung von Jagd und Waldbesitz als herrschaftliches Privileg und Instrument? etc.
Die Konzentration auf solche Fragestellungen und ihre Kombination mit den Traditionen der kulturellen Pflege dieser T�tigkeiten, die am besten von Fachleuten wie J�gern, Fischern, Imkern geleistet werden kann, f�hrt uns zu einer zeitgem��en Behandlung dieser Fragen ohne anachronistische �bernahmegedanken. Und gerade Museen wie das Landesmuseum Joanneum, an dem ich arbeite, k�nnten ein geeignete Forum f�r diese Auseinandersetzung darstellen, da hier die dingliche Erinnerung an vergangene und zum Teil vergessene Traditionen lagert. Das Zusammentragen verschiedener Ans�tze w�rde Volkskundler aus der Rolle der Meistersch�ler  befreien und das Schmetterlingsnetz zu einer Art Wissenspool zwischen Fachspezialisten und kulturwissenschaftlichen Theoretikern machen. So kann die Besch�ftigung mit den eigenen Wurzeln unseren Blick sch�rfen f�r vergangene und aktuelle Lebensbedingungen. Und die Ber�cksichtung der Tatsache, dass wir eine Geschichte und Wurzeln in ihr haben kann unsere Verantwortung daf�r wecken, dass wir selbst die Geschichte und die Wurzeln jener sind, die nach uns kommen.
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