Begriffserklärung: Revolution

Grundbegriffe des Marxismus-Leninismus

Proletarische Rundschau Nr. 21, November 2005

„Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte.“
(Marx, Klassenkämpfe in Frankreich, MEW 7,85)

„Die Revolutionen bedürfen nämlich eines passiven Elementes, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie Verwirklichung seiner Bedürfnisse ist. Wird nun dem ungeheuren Zwiespalt zwischen den Forderungen des deutschen Gedankens und den Antworten der deutschen Wirklichkeit derselbe Zwiespalt der bürgerlichen Gesellschaft mit dem Staat und mit sich selbst entsprechen? Werden die theoretischen Bedürfnisse unmittelbar praktische Bedürfnisse sein? Es genügt nicht, dass der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muss sich selbst zum Gedanken drängen. ... Eine radikale Revolution kann nur die Revolution radikaler Bedürfnisse sein...
(Marx, zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie / Einleitung, MEW 1,386/387)

Der gesellschaftswissenschaftliche Begriff„Revolution“ist aus der Naturwissenschaft entlehnt. Ist z.B. in der Astronomie von einer Revolution die Rede, dann ist der Umlauf eines Himmelskörpers um ein Hauptgestirn gemeint. Heute wird das Wort„Revolution“häufig z.B. in der Werbesprache bei gleichzeitiger Entsorgung seines Inhalts gebraucht.
Der wissenschaftliche Kommunismus legt auf den strikten und präzisen Gebrauch des Begriffs„Revolution“Wert. Nehmen Kommunist/innen das Wort in den Mund, dann sprechen sie zumeist von einer grundlegenden Umwälzung der Gesellschaft als Ganzes (soziale Revolution). Marxist/innen sprechen aber auch von Revolution, um eine grundlegende Umwälzung in einem wesentlichen gesellschaftlichen Teilbereich zu bezeichnen, z.B.:„Kulturrevolution“.
Eine soziale Revolution ist dann erfolgreich, wenn es einem revolutionären Subjekt - das ist das Kollektiv derjenigen, die objektiv am meisten Interesse an einer grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzung haben -gelingt, die Ablösung einer historischüberlebten Gesellschaftsformation durch eine andere, fortgeschrittenerer zu bewerkstelligen. Soziale Revolutionen sind in der antagonistischen Klassengesellschaft eine gesetzmäßige Erscheinung. Das heißt, Gesellschaften, denen unversöhnliche Klassengegensätze eingeschrieben sind, stoßen unvermeidlich, notwendig an historische Grenzen. Bleibt die Gesellschaft diesseits der Grenzen stehen, geht sie unter, einschließlich aller Klassen, die die Gesellschaft bilden. Nur die Revolution, die nicht allein von unserem subjektiven Willen herbeigeführt werden kann, kann den absoluten Hemmschuh, den die Verfasstheit der alten Gesellschaft darstellt,überwinden.
Die eigentliche Ursache sozialer Revolutionen besteht im Gegensatz zwischen entwickelten Produktivkräften undüberlebten Produktionsverhältnissen. Dieser Gegensatz ist die soziale Grundlage des Klassenkampfs zwischen fortschrittlichen und reaktionären Klassen. Letztere sind bestrebt, dieüberlebten Produktionsverhältnisse und die darauf beruhende soziale und politische Ordnung mit allen Mitteln, vor allem der Staatsgewalt, aufrechtzuerhalten. Die soziale Revolution ist der Höhepunkt des Klassenkampfs in der Klassengesellschaft. Das politische Hauptmerkmal der sozialen Revolution ist derÜbergang der Staatsmacht aus den Händen der reaktionären Klasse in die Hände der revolutionären Klasse. Deshalb ist jede soziale Revolution zugleich eine politische Revolution. Mit der Eroberung der zentralen Staatsmacht kann die revolutionäre Klasse ihre Interessen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens durchsetzen. In der proletarischen Revolution können die neuen Produktionsverhältnisseüberhaupt erst nach der politischen Entmachtung der Bourgeoisie und der Machtergreifung durch die Arbeiter/innenklasse geschaffen werden. Dasökonomische Hauptmerkmal sozialer Revolutionen besteht stets in der Ablösung einer herrschenden Klasse durch eine andere und einem damit einhergehenden Umsturz im Verhältnis zum Eigentum.
In revolutionären Epochen erfolgt eine gewaltige Beschleunigung der gesellschaftlichen Entwicklung, weil unverhältnismäßig mehr Menschen als in ruhigen Zeitung vom revolutionären Schwung erfasst werden.
Nicht jede Ablösung einer Klassenherrschaft durch eine andere ist eine Revolution. Wenn es einerüberlebten Klasse gelingt, ihre bereits verlorene Herrschaft zeitweilig wiederherzustellen, dann sprechen wir von einer Konterrevolution. Anfang der 1950er Jahre war die Arbeiter/innenklasse bereits auf einem Drittel der Erdoberfläche an der Macht. In allen Ländern der Diktatur des Proletariats wurde von 1956 bis Mitte der 1970er Jahre die Diktatur der Bourgeoisie wiederhergestellt.
Der Begriff„Revolution“ist nicht mit Begriffen wie„bewaffneter Aufstand“oder„Bürgerkrieg“identisch, obwohl ein enger Zusammenhang besteht. In der Geschichte fallen Revolutionen zwar praktisch immer mit bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Klassen zusammen, trotzdem gab es zahlreiche bewaffnete Aufstände und Bürgerkriege, die nicht den Charakter von Revolutionen hatten, weil sie nicht darauf abzielten, eine neue sozialökonomische Ordnung zu errichten (z.B. der bewaffnete Aufstand der Arbeiter/innen und Bürgerkrieg 1934 inÖsterreich zielte„nur“darauf ab die demokratische Republik zu verteidigen). Damit ein Aufstand in unserer Zeit, wir leben im Zeitalter des Imperialismus und der proletarischen Revolution, revolutionären Charakter annehmen kann, müssen die revolutionären Kräfte erstensüber ideologische Hegemonie in der Gesellschaft verfügen und sie brauchen zweitens eine revolutionär-kommunistische Partei, die allein zu garantieren vermag, dass ein revolutionärer Aufstand zielgerichtet ist. Und trotzdem kann eine Revolution scheitern.
Die inneren Widersprüche einer Gesellschaft sind immer die Hauptursachen einer Revolution. Als Folge derökonomisch ungleichmäßigen Entwicklung im Kapitalismus/Imperialismus gibt es weltweit eine große Zahl von Ländern mit einem schwach entwickelten Kapitalismus. Zugleich leben in diesen Ländern (v.a. in Asien, Lateinamerika und Afrika) aber der Großteil der Menschen, die die Erde bevölkern. Vieleökonomisch schwach entwickelte Länder werden von den kapitalistisch am meisten entwickelten Staaten ausgebeutet. In den Ländern der drei Kontinente kann die nationale Bourgeoisie (im Gegensatz zur Kompradorenbourgeoisie) trotz schwankender Haltung und Inkonsequenz im Kampf gegen den Imperialismus und gegen feudale Kräfte innerhalb ihrer Länder noch zeitweilig als fortschrittliche Kraft gelten. Für eine revolutionär kommunistische Perspektive braucht es in allen Ländern der Welt die ideologische Hegemonie der Arbeiter/innenklasse. Alles andere ist reaktionäre Utopie.
Sozialistische Revolutionen stellen im Unterschied zu bürgerlichen Revolutionen einen gänzlich neuen Revolutionstyp dar. Sozialistische Revolutionen zielen darauf ab, jede Form der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen abzuschaffen, dass heißt die Entwicklung der klassenlosen Gesellschaft einzuleiten. Dazu ist es notwendig, die Bourgeoisie politisch zu entmachten, den alten Staatsapparat vollständig zu zerschlagen und an seiner Stelle die revolutionäre Diktatur des Proletariats zu errichten.
Eine Revolution ist immer eine herausragende Phase der gesellschaftlichen Entwicklung. Sie ist aber notwendig nur ein Punkt der Entwicklung. In der sozialistischen Sowjetunion zur Zeit Lenins und Stalins ist es gelungen den revolutionären Schwung von 1917 ca. 35 Jahre lang mitzunehmen. Als dieser Schwung - verursacht durch eine Reihe von v.a. politischen Fehlern - nachließbzw. abhanden kam, gelang es der bereits entmachteten Bourgeoisie aus der vormals kommunistischen und nunmehr revisionistischen Partei heraus, in kurzer Frist ihre Macht wieder herzustellen.

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