Klassenkämpfe, Organisierung und Parteiaufbau

Proletarische Rundschau Nr. 20, September 2005

„Lernen–organisieren–kämpfen“lautet der Titel eines Flugblatts zum 1. Mai 1996, in dem es unter anderem heißt:„Wir müssen ... für innerbetriebliche wie gesamtgesellschaftliche Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen und gleichzeitig für den revolutionären Sturz des ganzen kapitalistischen Systems kämpfen. (...) Die stärksten Waffen der Arbeiterklasse sind der Marxismus-Leninismus und die revolutionäre Geschlossenheit im Klassenkampf.“(Sammelheft 2, S.4)

Die KOMAK-ML hat auch bei ihrer Gründung 2002 die Notwendigkeit der engen Verbindung von revolutionärer Theorie mit revolutionärer Praxis im Klassenkampf bekräftigt. Wir sind uns bewusst, dass die Entwicklung von Kadern in einer Situation der sehr schwach entwickelten Klassenkämpfe inÖsterreich schwierig ist und nur sehr langsam vor sich gehen kann. Aber wir sind uns sicher, dass das wir nur durch die unmittelbare Teilnahme am Klassenkampf im Betrieb und auf der Straße Fortschritte machen können.
Die Organisation muss einen Parteiaufbau-Plan entwerfen, der sowohl prinzipienfest als auch realistisch ist. Ziel ist die Schaffung einer kommunistischen Kampfpartei, die die Arbeiter/innenklasse und Volksmassen zu proletarischen Revolution führen kann; der Weg auf organisatorischem Gebiet ist die Schaffung einer Parteiaufbau-Organisation.
Entsprechend den Klassenkämpfen und dem Bewusstsein der Arbeiter/innenklasse gibt es organisatorische Sprünge vorwärts, sowie Zeiten des Stillstands und Rückschläge, die durchgestanden werden müssen.
In jeder Situation ist jedoch eine enge Verbindung von Theorie und Praxis im Klassenkampf notwendig. Es kann keine Fase geben, in der eine kommunistische Organisation ausschließlich den theoretischen Kampf führt.
Nach den 1970er Jahren gab es inÖsterreich ein unheimlich schnelles Sinken des theoretischen Niveaus der fortgeschrittensten Arbeiter/innen (abgesehen von den wenigen standhaften, marxistisch geschulten Arbeiter/innen). Bezeichnend ist für diese Zeit eine klare Abkehr der fortschrittlichen Intelligenz von der Arbeiter/innenklasse und die Entwicklung eigener kleinbürgerlicher Theorien und Ideologie abseits der Arbeiter/innentradition (z.B. Autonome und Grüne). Das führte unter anderem auch zur vollständigen Verkleinbürgerlichung der revisionistischen„KPÖ“, die seit dieser Zeit nur noch von der ruhmreichen antifaschistischen Tradition lebt, aber keinerlei ernsthafte Perspektive auf den Sozialismus mehr entwickelt hat.
Seit Anfang der 1960er Jahre haben sich aber marxistisch-leninistische Kräfte um die 1963 gegründete„Rote Fahne“und die Marxistisch-Leninistische ParteiÖsterreichs gesammelt, die 1967 aus der Organisation MLÖentstanden ist.
Zur heutigen Situation der marxistisch-leninistischen Organisationen inÖsterreich zitieren wir im folgenden einige Passagen aus einem Entwurf für eine Gemeinsame Erklärung von MLPÖund KOMAK-ML vom September 2004, der von Vertreter/innen der Leitungen beider Organisationen verfasst, aber schließlich von der KOMAK-ML wegen bestimmter anderer Passagen nicht beschlossen wurde:
„InÖsterreich gibt es derzeit zwei Organisationen, die nicht nur die Bezeichnung„marxistisch-leninistisch“in ihrem Namen tragen, sondern den wissenschaftlichen Sozialismus, die Lehre vom Sturz des kapitalistischen Systems durch die proletarische Revolution und vom Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung gemäßden Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin tatsächlich als Ausgangspunkt und Leitlinie ihrer gesamten Theorie und Praxis zugrunde legen, sich aber auch auf die entscheidenden positiven Inhalte der Lehren und Werke Mao Tse­tungs, Enver Hoxhas und aller anderen großen proletarischen Revolutionäre stützen, denen in bestimmten Situationen und in Bezug auf manche Probleme auch ernste Fehler unterliefen.
Die eine der beiden genannten Organisationen ist die„Marxistisch-Leninistische ParteiÖsterreichs"( MLPÖ), die andere die„Kommunistische Aktion–marxistisch-leninistisch“( Komak-ml) .“
(Entwurf für eine Gemeinsame Erklärung von MLPÖund KOMAK-ML vom September 2004)

„Die KOMAK-ML wurde am 12. Februar 2002 von verschiedenen Vorläuferorganisationen gegründet, um planmäßig den Parteiaufbau anzupacken und stellte sich somit das gleiche Ziel wie die MLPÖ. Nach Einschätzung der MLPÖwaren aber um 2002 die Voraussetzungen für ihre unmittelbare Beteiligung am organisatorischen Zusammenschluss noch nicht gegeben.“(ebenda)
„Da schon die Vorläuferorganisationen der KOMAK-ML die programmatischen Dokumente der MLPÖals eine wichtige Grundlage ihres Kampfes anerkannt hatten, stellte sich auch die Gründungskonferenz der KOMAK-ML 2002 neuerdings klar in die proletarisch-revolutionäre Tradition der MLPÖund ihres Kampfes gegen den KPÖ-Revisionismus seit 1963. In der Gründungserklärung der KOMAK-ML wird ausdrücklich bedauert, dass es damals nicht gelungen ist, die MLPÖin den Vereinigungsprozess 1998 bis 2002 einzubeziehen.

Dass sich die MLPÖdamals der Vereinigung von IML, KomAk und BPÖsterreich nicht anschloss, hatte zwei wesentliche Gründe:
a) Zwischen ihr und den drei genannten Organisationen gab und gibt es zwar sehr freundschaftliche Beziehungen und hohe gegenseitige Achtung, dich damals auch noch relativ weitgehende Meinungsverschiedenheiten in zum Teil auch grundlegenden Fragen. HierÜbereinstimmung zu schaffen, konnte nicht erst nach der Vereinigung auf die Tagesordnung gesetzt werden, sondern war sogar ihre entscheidende Voraussetzung, die eben noch nicht gegeben war.
b) Die MLPÖbesteht seit mehr als 30 Jahren als politische Partei und auch wenn sie noch nicht imstande war, allen Anforderungen zu genügen, die an eine marxistisch-leninistische Partei gestellt werden, hat sie doch jahrzehntelang aufopferungsvoll dafür gearbeitet und gekämpft, ihrem Namen, der zugleich Programm ist, auf den sie stolz ist, gerecht zu werden. Sich unter diesen Umständen an der Gründung einer Organisation zu beteiligen, die sich nicht als marxistisch-leninistische Partei, sondern weiter als eine Vorläufer-Organisation von ihr versteht, wäre ein offensichtlicher Schritt zurück gewesen und wäre nicht nur bei den Mitgliedern und Sympathisanten und Freunden der MLPÖ, sondern in der ganzenösterreichischen und internationalen revolutionären Bewegung als Kapitulation vor Schwierigkeiten verstanden worden. Er hätte keine mobilisierende, vorantreibende Wirkung gehabt, sondern eine gegenteilige.
So kam die MLPÖzum Beschluss, zwar noch nicht an der organisatorischen Vereinigung teilzunehmen, die Gründung der KOMAK-ML aber als Schritt vorwärts zu betrachten und die freundschaftlichen Beziehungen, die sie schon mit den Gründerorganisationen der KOMAK-ML hatte, mit der aus dem Zusammenschluss entstandenen neuen Organisation fortzusetzen und weiterzuentwickeln.
Was die noch offenen Fragen und die zum Teil wesentlichen Unterschiede und politischen Nichtübereinstimmungen betrifft - in manchen Arbeitsmethoden, in der Herangehensweise an Probleme wie der Handhabung und Form gegenseitiger Kritik, in Fragen der revolutionären Taktik, des Parteiverständnisses usw. usf. - gab es zwischen MLPÖund KOMAK-ML ständig Diskussionen, die einige Missverständnisse ausräumten und auch bei effektiv unterschiedlichen theoretischen und praktischen Standpunkten Annäherungen brachten. Allerdings muss kritisch und selbst­kritisch auch festgestellt werden, dass diese Diskussionen unter dem Druck von Arbeitsüberlastung und Terminzwängen nicht im erforderlichen Umfang und vor allem nicht systematisch geführt wurden. Die beiden Organisationen sind sich darüber einig, dass dieser ernste Mangel raschest und gründlich behoben werden muss.“(ebenda)

Seit Herbst 2004 haben sich die Beziehungen zwischen unseren beiden Organisationen wieder verschlechtert, was auch mit Auffassungsunterschieden in Fragen der kommunistischen Organisation und des Parteiaufbaus zusammenhängt. Insbesondere verwendet die KOMAK-ML für eine Organisation auf dem Entwicklungsstand der MLPÖnicht den Begriff„Partei“. Das ist für uns völlig unabhängig davon, wie sich diese Organisation selbst aus propagandistischen Gründen nennt, wobei wir uns keinesfalls in die Namensgebung anderer Organisationen einmischen wollen. Sehr wohl nehmen wir uns aber das Recht heraus, offen dazu Stellung zu nehmen, wie weit die revolutionären kommunistischen Kräfte inÖsterreich im Parteiaufbau vorangekommen sind. Und da sagen wir: Es gibt noch keine revolutionäre kommunistische Partei inÖsterreich, sie muss erst mit vereinten Kräften geschaffen werden. Es werden noch einige Jahre Anstrengung und eine weitere Verschärfung der Klassenkämpfe nötig sein, bis wirklich eine Organisation steht, die ein fundiertes Programm hat, bundesweit zumindest mit Stützpunkten tätig ist, enge Verbindungen in die Arbeiter/innenklasse hat usw.
Unserer Meinung nach verfügt die MLPÖderzeit alleinüber keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten und kapselt sich seit vielen Jahren ab, anstatt im Klassenkampf und in den verschiedenen Volksbewegungen neue Kräfte anzusprechen und zu gewinnen.

„Die„Rote Fahne“, das spätere Zentralorgan der MLPÖ, wurde im Oktober 1963 von teilweise führenden Kadern der KPÖin scharfem ideologischen Kampf gegen dieösterreichische Variante des Chruschtschow-Breschnew-Revisionismus gegründet, dessen Anhänger die ehemals wirklich kommunistische KPÖzur Abkehr von allen revolutionären Positionen gebracht hatten. Dreieinhalb Jahre später, am 12. Februar 1967, wurde die MLPÖals revolutionäre kommunistische Partei derösterreichischen Arbeiter/innenklasse neu gegründet.
Damals entschied sich ein Teil der entschlossensten, klassenbewusstesten und theoretisch-ideologisch gefestigtsten Kader und einfachen Mitglieder der KPÖbewusst für die MLPÖund die entstehende internationale marxistisch-leninistische Bewegung. Diese entwickelte sich weltweit in klarer Abgrenzung gegen den Modernen Revisionismus, vor allem den Moskau-Revisionismus und gegen die Restauration des Kapitalismus, die seit dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 in Osteuropa vorangetrieben wurde. In Europa war die„Rote Fahne“1963 eine der allerersten Zeitungen, die in ihrer eigenen Partei unversöhnlich die Papageien des Chruschtschow-Revisionismus angriffen und die marxistisch-leninistischen Kräfte zusammenschlossen.
1977 war die Rote Fahne der MLPÖwieder eines der allerersten kommunistischen Parteiorgane weltweit, die nicht nur die Machtübernahme der Deng-Revisionisten in der KP Chinas verurteilten, sondern auch auf theoretischer Ebene deren bürgerliche Drei-Welten-Theorie entlarvten und wissenschaftlich widerlegten.
In den vier Jahrzehnten ihres Kampfes gegen den Revisionismus und für die Revolutionierung derösterreichischen Arbeiter/innenklasse hat die MLPÖund ihr Zentralorgan„Rote Fahne“unersetzliche Grundlagen für den Neuaufbau einer revolutionären kommunistischen Partei der Arbeiter/innenklasse inÖsterreich geschaffen. (vgl. Rote-Fahne-Sammelband I und II:„Kampf gegen den KPÖ-Revisionismus!“und„Kampf für die Bewusstmachung und Revolutionierung derösterreichischen Arbeiterklasse!“sowie„Programmatische Erklärung der MLPÖ“,auch die RF-Nummern zu„30 Jahre MLPÖ“und„40 Jahre Rote Fahne“)“

Die MLPÖhat bereits auf ihrem 3. Parteitag (1981) einige schwere Fehler auf organisatorischem Gebiet der vorangegangenen Jahre vertieft und damit einzementiert. Der schwerwiegendste ist das Auseinanderreißen von Theorie und Praxis und die nahezu ausschließliche Konzentration auf die„Hauptseite Theorie“.
So richtig es ist, zu betonen:„Die einzige richtige Politik ist die prinzipienfeste! (RF 160, 1975), so falsch ist es in den nächsten 30 Jahren fast nur theoretische Arbeiten zu machen–mit Ausnahme einer knapp 10-jährigen Fase zwischen 1984 und 1992, in der auch zaghaft in die Klassenkämpfe eingegriffen wurde. Die größten Leistungen der MLPÖseit Mitte der 1970er Jahre sind ihre theoretischen Ausarbeitungen, auf die wir wiederholt in der Proletarischen Rundschau aufmerksam gemacht haben (z.B. im Artikel„... in der Tradition der MLPÖ“, PR Nr. 19, S. 41-44). Zu einer„prinzipienfesten Politik“gehören zwei Dinge: Wir Kommunist/innen müssen eine prinzipienfeste revolutionäre Linie für das Eingreifen in die Klassenkämpfe entwickeln und wir müssen uns durch unser prinzipienfestes politisches Auftreten in den Klassenkämpfen bewähren, d.h. zu Vorkämpfer/innen werden und Einfluss erringen, auch wenn die real stattfindenden Bewegungen im heutigenÖsterreich im Vergleich zu anderen Ländern und Zeiten mickrig sind.
Selbstverständlich ist es im Parteiaufbau auch unter bürgerlich-demokratischen Zuständen notwendig, dem Klassenfeind nicht die Zahl oder Namen der Mitglieder und Funktionäre zu offenbaren. Das darf aber nicht dazu führen, dass die kommunistische Organisation für die kämpfenden Arbeiter/innen nicht mehr sichtbar ist. Die Organisation muss sowohl in den Kämpfen selbst sichtbar und erreichbar sein (d.h. nicht nur die Organisation tritt einseitig an bewusste Elemente heran), sondern es muss auch möglich sein, sich an die kommunistische Organisation zu wenden. Dazu muss die Organisation, ihre Zeitung und Kontaktmöglichkeiten bekannt sein–möglicherweise auchüber Komitees, Vorfeldorganisationen usw.
Die Aufnahme-Kriterien in die kommunistische Organisation müssen entsprechend dem Stand der Klassenkämpfe und dem theoretisch-ideologischen Entwicklungsstand der Arbeiter/innen-Bewegung festgelegt werden. Die Voraussetzungen dürfen einerseits nicht so niedrig angesetzt werden, dass die Entwicklung der Kandidat/innen und Mitglieder zu Kommunst/innen erschwert oder behindert wird. Diese Gefahr besteht dann, wenn das Niveau der theoretischen Auseinandersetzung und der praktischen Aktivitäten der Organisation insgesamt so flach ist, dass dass sichÖkonomismus, Spontaneismus, Aktionismus oder Resignation ausbreiten. Die Aufnahme-Kriterien dürfen aber auch nicht so hoch angesetzt werden, dass kaum noch wer neu dazu gewonnen werden kann, weil ohne neue Aktivist/innen trocknet die Organisation aus. Für die meisten Menschen, die sich heute inÖsterreich für den Kommunismus interessieren, ist der Beitritt vor allem eine Absichtserklärung, sich in den nächsten 5 Jahren zu Kommunist/innen zu entwickeln. In Zeiten wenig entwickelter Klassenkämpfe ist auch vielen ernsthaft revolutionär gesinnten Menschen, ein planmäßiges, nahezu berufsmäßiges Arbeiten für die Ausbreitung der Organisation und des kommunistischen Einflusses fremd. Das muss bei der Gestaltung der Organisation unbedingt berücksichtigt werden, sonst schrumpft die Organisation und ist nicht mehr wirklich lebendig.

(Entwurf für eine Gemeinsame Erklärung von MLPÖund KOMAK-ML vom September 2004)

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