ML-Begriffe: Kapitalistische Krisen

Proletarische Rundschau Nr. 19, Mai 2005

Alle Krisen legen den Kern der Erscheinungen oder der Prozesse bloß, fegen das Oberflächliche, Nebensächliche,Äußerliche hinweg, offenbaren die tieferen Wurzeln des Geschehens...“(LW 17, S. 175, 176)

Lenin spricht hier von Krisen allgemein; im folgenden wird es jedoch nicht um persönliche oder psychische Befindlichkeiten gehen, auch nicht um politische oder Regierungskrisen, sondern um wirtschaftliche Krisen, um zyklische Krisen im kapitalistischen Wirtschaftsprozess.
Versuchen wir uns an die tieferen Wurzeln des Geschehens heranzutasten.Ökonomische Krisen sind höchst komplizierte Erscheinungen und sie entstehen aufgrund vieler unterschiedlicher Faktoren. Krisen sind jedenfalls: Stockungen in der Zirkulation, sie hängen zusammen mit Schwierigkeiten der Kapitalisten, ihre Profite zu realisieren und produzierte Waren abzusetzen. Doch entstehen Krisen nicht an der Oberfläche der Zirkulation, sondern in der Produktion. Ihr eigentlicher Grund ist wieder einmal der dem Kapitalismus innewohnende Widerspruch zwischen gesellschaftlichem Charakter der Produktion (durch die Arbeiter/innenklasse) und privater Form der Aneignung (durch die Kapitalisten).
Ein stark vereinfachtes Modell: Kapitalist A lässt produzieren, sagen wir Schuhe. Es wird für den kapitalistischen Markt, das heißt für den Profit von A produziert. Arbeiter/innen produzieren und produzieren Berge von immer mehr Schuhen. Doch das Bedürfnis der Leute nach Schuhen ist irgendeinmal gestillt und: die Leute haben kein Geld mehr, sich noch mehr Schuhe zu kaufen.
Schuhe sind zwar produziert worden, sie werden aber nicht verkauft, sie bleiben liegen, der arme A (und B und C) kann daher seinen Profit nicht realisieren.
Gleichzeitig passieren aber auch noch andere Dinge, z.B.: Während des Produktionsprozesses werden ständig Maschinen verbessert, die Arbeit wird„effizienter“gestaltet... dabei kommt heraus, dass noch mehr Schuhe in kürzerer Zeit produziert werden können, und dazu wiederum sind weniger Leute notwendig als vorher...
A muss in diese neuen Maschinen investieren. Dabei hat er darauf zu achten, dass sein Profit hoch bleibt. Er muss also aufpassen, dass das Verhältnis zwischen dem, was er neuerdings in Löhne und in Maschinen investiert zu dem, was er nach dem Verkauf der Schuhe und Abzug seiner Investitionen herausbekommt„sich rechnet“... der Arme ist großem Druck ausgesetzt... und steckt ganz schön im Schlamassel.
Was kann er tun? Was hat er für Möglichkeiten?
Eine wäre, sich aus dem Schuhgeschäft zurückzuziehen und in einer anderen Sparte zu investieren. Er kann auch die Flucht antreten und den„Standort"wechseln.
Oder er kann hier bleiben und Teetrinken und auf einen günstigen Moment waren, wo er trotz seiner misslichen Situation wieder möglichst viel herausschlagen kann.
Was er jedenfalls tun kann: noch mehr Leute entlassen (es tut ihm wirklich leid, aber was soll er tun?). Allerdings können die so Freigesetzten jetzt auch nicht mehr Schuhe kaufen als vorher... im Gegenteil. Doch erfüllen sie eine wichtige Funktion für A: sie drücken die Löhne derer, die noch nicht hinausgeschmissen wurden–und das kann A ausnützen, es kommt seinen Profitinteressen entgegen. Die Löhne sinken, während die Arbeitslosigkeit steigt. Und die produzierten Schuhe werden billiger und billiger angeboten und so weiter. So werden Kapital und Waren entwertet und letztlich vernichtet–solange, bis das Rad wieder von vorne beginnen kann sich zu drehen, wenn es wieder Möglichkeiten des profitablen Absatzes gibt, kommt nach der Depression wieder ein Aufschwung. A kann, wenn er als Kapitalistüberlebt hat, reinvestieren, er kann sogar wieder bessere Löhne zahlen und Leute einstellen–es folgt eine Phase der Hochkonjunktur, wo immer mehr produziert wird, was irgendwann niemand mehr braucht und kaufen kann, die Märkte sind wieder voll mit unnötigen Waren, die Profite können wieder nicht realisiert werden, darauf folgt die nächste Krise aufgrund vonÜberproduktion stockt das Werkel, sie wird, abgelöst von der nächsten Depression... Denn:„Wodurchüberwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; andererseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daßsie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.“(Manifest der Kommunistischen Partei; MEW 4, S 468)
Solange wird das weitergehen, bis die Produzent/innen die Besitzer der Produktionsmittel enteignen und planmäßig ihren eigenen Bedürfnissen gemäß, und nicht mehr für die Profitinteressen der Kapitalisten produzieren...

 

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