„Alle Krisen legen den Kern der Erscheinungen oder der Prozesse bloß, fegen das Oberflächliche, Nebensächliche,Äußerliche hinweg, offenbaren die tieferen Wurzeln des Geschehens...“(LW 17, S. 175, 176)
Lenin spricht hier von Krisen allgemein; im folgenden wird es jedoch nicht
um persönliche oder psychische Befindlichkeiten gehen, auch nicht um politische
oder Regierungskrisen, sondern um wirtschaftliche Krisen, um zyklische Krisen
im kapitalistischen Wirtschaftsprozess.
Versuchen wir uns an die tieferen Wurzeln des Geschehens heranzutasten.Ökonomische
Krisen sind höchst komplizierte Erscheinungen und sie entstehen aufgrund
vieler unterschiedlicher Faktoren. Krisen sind jedenfalls: Stockungen in der
Zirkulation, sie hängen zusammen mit Schwierigkeiten der Kapitalisten,
ihre Profite zu realisieren und produzierte Waren abzusetzen. Doch entstehen
Krisen nicht an der Oberfläche der Zirkulation, sondern in der Produktion.
Ihr eigentlicher Grund ist wieder einmal der dem Kapitalismus innewohnende
Widerspruch zwischen gesellschaftlichem Charakter der Produktion (durch die
Arbeiter/innenklasse) und privater Form der Aneignung (durch die Kapitalisten).
Ein stark vereinfachtes Modell: Kapitalist A lässt produzieren, sagen
wir Schuhe. Es wird für den kapitalistischen Markt, das heißt für
den Profit von A produziert. Arbeiter/innen produzieren und produzieren Berge
von immer mehr Schuhen. Doch das Bedürfnis der Leute nach Schuhen ist
irgendeinmal gestillt und: die Leute haben kein Geld mehr, sich noch mehr Schuhe
zu kaufen.
Schuhe sind zwar produziert worden, sie werden aber nicht verkauft, sie bleiben
liegen, der arme A (und B und C) kann daher seinen Profit nicht realisieren.
Gleichzeitig passieren aber auch noch andere Dinge, z.B.: Während des
Produktionsprozesses werden ständig Maschinen verbessert, die Arbeit wird„effizienter“gestaltet...
dabei kommt heraus, dass noch mehr Schuhe in kürzerer Zeit produziert
werden können, und dazu wiederum sind weniger Leute notwendig als vorher...
A muss in diese neuen Maschinen investieren. Dabei hat er darauf zu achten,
dass sein Profit hoch bleibt. Er muss also aufpassen, dass das Verhältnis
zwischen dem, was er neuerdings in Löhne und in Maschinen investiert zu
dem, was er nach dem Verkauf der Schuhe und Abzug seiner Investitionen herausbekommt„sich
rechnet“... der Arme ist großem Druck ausgesetzt... und steckt ganz schön
im Schlamassel.
Was kann er tun? Was hat er für Möglichkeiten?
Eine wäre, sich aus dem Schuhgeschäft zurückzuziehen und in
einer anderen Sparte zu investieren. Er kann auch die Flucht antreten und den„Standort"wechseln.
Oder er kann hier bleiben und Teetrinken und auf einen günstigen Moment
waren, wo er trotz seiner misslichen Situation wieder möglichst viel herausschlagen
kann.
Was er jedenfalls tun kann: noch mehr Leute entlassen (es tut ihm wirklich
leid, aber was soll er tun?). Allerdings können die so Freigesetzten jetzt
auch nicht mehr Schuhe kaufen als vorher... im Gegenteil. Doch erfüllen
sie eine wichtige Funktion für A: sie drücken die Löhne derer,
die noch nicht hinausgeschmissen wurden–und das kann A ausnützen, es kommt
seinen Profitinteressen entgegen. Die Löhne sinken, während die Arbeitslosigkeit
steigt. Und die produzierten Schuhe werden billiger und billiger angeboten
und so weiter. So werden Kapital und Waren entwertet und letztlich vernichtet–solange,
bis das Rad wieder von vorne beginnen kann sich zu drehen, wenn es wieder Möglichkeiten
des profitablen Absatzes gibt, kommt nach der Depression wieder ein Aufschwung.
A kann, wenn er als Kapitalistüberlebt hat, reinvestieren, er kann sogar
wieder bessere Löhne zahlen und Leute einstellen–es folgt eine Phase der
Hochkonjunktur, wo immer mehr produziert wird, was irgendwann niemand mehr
braucht und kaufen kann, die Märkte sind wieder voll mit unnötigen
Waren, die Profite können wieder nicht realisiert werden, darauf folgt
die nächste Krise aufgrund vonÜberproduktion stockt das Werkel, sie
wird, abgelöst von der nächsten Depression... Denn:„Wodurchüberwindet
die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer
Masse von Produktivkräften; andererseits durch die Eroberung neuer Märkte
und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch,
daßsie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel,
den Krisen vorzubeugen, vermindert.“(Manifest der Kommunistischen Partei;
MEW 4, S 468)
Solange wird das weitergehen, bis die Produzent/innen die Besitzer der Produktionsmittel
enteignen und planmäßig ihren eigenen Bedürfnissen gemäß,
und nicht mehr für die Profitinteressen der Kapitalisten produzieren...