Nach 1867 erlebte die sozialistische Arbeiter/ innenbewegung einen erheblichen Aufschwung, marxistische Positionen begannen sich zunehmend gegenüber dem Lassalleanismus und anderen opportunistischen Anschauungen durchzusetzen. Mit der Prinzipienerklärung des Hainfelder Parteitags hat die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs zum Jahreswechsel 1888/89 ein marxistisches Programm beschlossen. Darin heißt es: "Der Übergang der Arbeitsmittel in den gemeinschaftlichen Besitz der Gesamtheit des arbeitenden Volkes bedeutet also nicht nur die Befreiung der Arbeiterklasse, sondern auch die Erfüllung einer geschichtlich notwendigen Entwicklung. Der Träger dieser Entwicklung kann nur das klassenbewußte und als politische Partei organisierte Proletariat sein. Das Proletariat politisch zu organisieren, es mit dem Bewußtsein seiner Lage und seiner Aufgabe zu erfüllen, es geistig und physisch kampffähig zu machen und zu erhalten, ist daher das eigentliche Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich..."
Am Ende des 19. Jahrhunderts trat der Kapitalismus
in sein imperialistisches Stadium
ein, was für die ArbeiterInnenbewegung
nicht folgenlos bleiben sollte, ganz im Gegenteil.
Besonders ungünstig wirkt sich seither
die Herausbildung einer Arbeiteraristokratie
aus. Es ist dies eine aus imperialistischen
Extraprofiten priviligierte Oberschicht
der ArbeiterInnenklasse. V.a. die Funktionäre
in Gewerkschaften und Arbeiterparteien wurden
und werden mit materiellen Mitteln korrumpiert,
damit sie ihren Einfluss in der ArbeiterInnenklasse
geltend machen um die
Aussöhnung mit dem Kapitalismus propagieren,
um für Reformen im Kapitalismus anstatt
für die proletarische Revolution einzutreten.
Die besitzenden Klassen des Habsburgerstaates,
der ein Vielvölkerstaat war, haben die
nationale Spaltung der ArbeiterInnenklasse
und des arbeitenden Volkes als Herrschaftsmittel
instrumentalisiert. Besonders die
deutschsprachigen Arbeiter/innen wurden
Es ist nicht ganz neu, dass sich Leute in Österreich für den Sozialismus
interessieren und
auch einsetzen. Sozialistische Ideen kursierten bereits zur Zeit der bürgerlich-demokratischen
Revolution von 1848.
gegenüber den Arbeiter/innen der slawischen
Nationen priviligiert. Die "austromarxistischen"
Führer der Sozialdemokratie sind
prompt in die Fallen des bürgerlichen Nationalismus
getappt.
Nach der provokatorischen Kriegserklärung
Österreich-Ungarns an Serbien und dem
Beginn des Ersten imperialistischen Weltkriegs
verwarf die SP-Führung alle proletarisch-
internationalistischen Verpflichtungen
und ging stattdessen ganz offen auf die Position
eines hemmungslosen Sozialchauvinismus
über. Trotzdem begann sich schon bald
ein neuer Aufschwung der ArbeiterInnenbewegung
abzuzeichnen. Das traumatische
Kriegserlebnis und die Nachricht von der Revolution
in Russland beförderten auch in der
österreichischen ArbeiterInnenklasse einen
starken Linkstrend. Im Kampf gegen diesen
linken Trend waren die Führer des Austomarxismus
sehr gefordert. Obwohl sie ihre offen
konterrevolutionäre Rolle während der revolutionären
Nachkriegskrise 1918/19 stolz hinausposaunten
hielt sich die erwiesene Dankbarkeit
der durch sie als herrschende Klasse
geretteten Bourgeoisie in weiterer Folge in
Grenzen. Otto Bauer, einer der bedeutendsten
Führer und Theoretiker des "Austromarxismus",
schrieb in seinem Buch "Die österreichische
Revolution":
"Es herrschte tiefe Unruhe in den Kasernen der
Volksarmee. Die Armee fühlte, daß sie der Träger
der Revolution war, die Avantgarde des Proletariats
... 'Diktatur des Proletariats', 'Alle Macht den Räten!'
war das einzige, was man in den Straßen hören
konnte ... Keine bürgerliche Regierung hätte
mit einer solchen Aufgabe fertig werden können.
Sie wäre entwaffnet worden durch das Mißtrauen
und die Verachtung der Massen. In einer Woche
wäre sie durch einen Straßenaufstand gestürzt und
von ihren eigenen Soldaten entwaffnet worden.
Nur die Sozialdemokraten konnten eine so beispielhaft
schwierige Situation sicher meistern, weil
sie das Vertrauen der arbeitenden Massen besassen
... Nur die Sozialdemokraten konnten die stürmischen
Demonstrationen durch Verhandlungen und
Überzeugung friedlich beenden. Nur die Sozialdemokraten
konnten die Volksarmee führen und die
revolutionären Abenteuer der arbeitenden Massen
eindämmen ... Die tiefe Erschütterung der bürgerlichen
Gesellschaftsordnung fand ihren Ausdruck
darin, daß eine bürgerliche Regierung, eine Regierung
ohne Teilnahme der Sozialdemokraten, einfach
undenkbar geworden war."
Damals gelang es in Ungarn und Bayern,
die Arbeitermacht in Form von Räterepubliken
zu errichten. Eine österreichische Räterepublik
hätte ein wesentliches Kettenglied im
Kampf für ein sozialistisches Europa bilden
können. Verbal betonten einzelne austromarxistische
Führer sehr wohl ihre Sympathie
mit dem bolschewistischen Russland. Sie verstiegen
sich jedoch zu Erklärungen, wonach
der Sozialismus in "Mitteleuropa" auf "zivilisierterem"
Weg durchzusetzen sei, anders als
im halbasiatischen Russland. Die Abgründe
mitteleuropäischer Zivilisation sollten sich
bald in Form des Faschismus an der Macht zeigen.
Tatsächlich hat in den Jahrzehnten seit der
Oktoberrevolution die bloße Existenz der sozialistischen
Sowjetunion jeden Kampf um sozialen
Fortschritt auch in Österreich beflügelt.
Die Bourgeoisie eines jeden Landes fühlt sich
zu Recht durch jede wirklich sozialistische Alternative
auf der Welt bedroht, weil dadurch
die Endlichkeit ihrer eigenen Herrschaft bewiesen
ist, was zugleich ihre Bereitschaft zu
Zugeständnissen deutlich erhöht. Fest steht,
dass die Bourgeoisie, seit im Weltmaßstab offensichtlich
keine sozialistische Alternative
mehr existiert, wieder erheblich skrupelloser
geworden ist.
Mit ihrer reformistischen Praxis, die der Arbeiterschaft
kurzfristig durchaus Vorteile
brachte (z.B. Rotes Wien), ihren linken Phrasen
und ihrem ständigen Zurückweichlertum
gegenüber der Reaktion, haben die SP-Führer
letztendlich die faschistische Konterrevolution
ermutigt. Bezeichnenderweise gingen
nicht wenige verbitterte SPler nach der Niederlage
des Februar 1934 zu den Nazi-Faschisten
über. Ein anderer Teil ehemaliger SPler
machten illegal als "Revolutionäre Sozialisten" weiter. Diese
wiederum verhöhnten die Kommunisten
als "Rechtsopportunisten", weil sie
im Kampf gegen den erstarkenden NS-Faschismus
eine eigenständige österreichische
Nation propagierten. Bezeichnenderweise ist
z.B. der SP-Linke Fritz Adler nach 1945 nicht
aus dem Exil zurückgekehrt, weil ihm das Anschlussverbot
an Deutschland als Anachronismus
erschien.
1945 ist die SP wiederauferstanden, nachdem
sie ihre organisierte Tätigkeit im Gegensatz
zur KP während der Zeit der NS-Herrschaft
praktisch eingestellt hatte. Wieder
einem Linkstrend Folge leistend nannte sich
die SP ab sofort "sozialistisch" anstatt "sozialdemokratisch".
Rückbenannt hat sich die SP
erst wieder unter ihrem Vorsitzenden Vranitzky.
Äußerer Anlass dafür war der Zusammenbruch
der revisionistischen Sowjetunion.
Der berüchtigte SP-Führer Karl Renner ist
1945, noch vor Kriegsende, mit einem Brief
an den "Sehr geehrten Genossen!" Stalin hervorgetreten:
"Die österreichischen Sozialdemokraten
werden sich mit der KP brüderlich
auseinandersetzen und bei der Neugründung
der Republik auf gleichem Fuß zusammenarbeiten.
Daß die Zukunft des Landes dem Sozialismus
gehört, ist unfraglich und bedarf
keiner Betonung." Tatsächlich hat die SP alles
getan, den angeschlagenen Kapitalisten wieder
auf die Füße zu helfen. Nazibesitz und
deutsches Eigentum wurden verstaatlicht, um
sie dem Zugriff der Alliierten und deren Reparationsforderungen
zu entziehen und in
weiterer Folge Privatkapitalisten zu subventionieren
und nicht um den Grundstein einer
antikapitalistischen Entwicklung zu setzen.
Die Zeit der SP-Alleinregierung, die so genannte "Ära-Kreisky" von Anfang der 1970er
Jahre bis 1983, erscheint manchen, die diese
Zeit bewusst miterlebt haben, als goldenes
sozialdemokratisches Zeitalter. Tatsächlich
war es eine Zeit der Reallohnsteigerung, gesellschaftlicher
Reformen, die den Arbeiter/innen
kampflos gewährt wurden usw. Es schien
fast so als würde der Sozialismus nun doch
auf friedlich-parlamentarischem Weg daherkommen.
In Wirklichkeit war Österreich bis in
die 1960er Jahre im Vergleich zu anderen kapitalistisch/
imperialistischen Staaten erheblich
zurückgeblieben. Die Kreisky-Reformen waren
in erster Linie Ausdruck einer längst überfälligen
nachholenden Modernisierung, um
gegenüber der imperialistischen Konkurrenz
nicht allzusehr ins Hintertreffen zu geraten.
Aus Anlass von Feierstunden berufen sich
die SP-Führer von heute gerne auf weit zurückreichende
Traditionen. Das ist allerdings
pure Augenauswischerei. In der Zweiten Republik
wurde die SPÖ zu einer Partei des imperialistischen
Monopolkapitals. In der Strategie
und Taktik der herrschenden Klasse
spielt die SP allerdings eine ganz besondere
Rolle, weil keine andere bürgerliche Partei
über einen auch nur annähernd vergleichbaren
Einfluss in der ArbeiterInnenklasse verfügt.
Pünktlich vor jeder Wahl treten sogenannte
Linke an uns heran, um für die Wahl
der SP zu mobilisieren, ansonsten würden katastrofale
Zustände drohen. In den Staaten
der EU mit SP-Regierungsbeteiligung unterscheidet
sich die Regierungspolitik jedoch gar
nicht gravierend von der rechts-rechten, wie
wir sie derzeit in Österreich haben. Dass die
Gusenbauer-SP nicht einmal mehr scheindemokratische
Skrupel kennt, hat sich auch in
ihrer Beihilfe zur Wiederwahl Haiders, eines
Vorreiters des europäischen Rechtsextremismus,
zum Landeshauptmann von Kärnten,
gezeigt.
Wer für einen wirklichen, nämlich sozialstischen
Ausweg aus der imperialistischen Barbarei
eintritt, muss mit der monopolkapitalistischen
SPÖ genauso radikal brechen wie mit
der kleinbürgerlichen KPÖ und stattdessen
den Aufbau einer Kampfpartei, die ausschließlich
den unteilbaren Interessen der Arbeiter/
innen-Klasse verpflichtet ist, unterstützen
und daran mitwirken.