Sozialismus in Österreich

Es ist nicht ganz neu, dass sich Leute in Österreich für den Sozialismus interessieren und auch einsetzen. Sozialistische Ideen kursierten bereits zur Zeit der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848.

Proletarische Rundschau Nr. 16, September 2004

Nach 1867 erlebte die sozialistische Arbeiter/ innenbewegung einen erheblichen Aufschwung, marxistische Positionen begannen sich zunehmend gegenüber dem Lassalleanismus und anderen opportunistischen Anschauungen durchzusetzen. Mit der Prinzipienerklärung des Hainfelder Parteitags hat die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs zum Jahreswechsel 1888/89 ein marxistisches Programm beschlossen. Darin heißt es: "Der Übergang der Arbeitsmittel in den gemeinschaftlichen Besitz der Gesamtheit des arbeitenden Volkes bedeutet also nicht nur die Befreiung der Arbeiterklasse, sondern auch die Erfüllung einer geschichtlich notwendigen Entwicklung. Der Träger dieser Entwicklung kann nur das klassenbewußte und als politische Partei organisierte Proletariat sein. Das Proletariat politisch zu organisieren, es mit dem Bewußtsein seiner Lage und seiner Aufgabe zu erfüllen, es geistig und physisch kampffähig zu machen und zu erhalten, ist daher das eigentliche Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich..."

Am Ende des 19. Jahrhunderts trat der Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium ein, was für die ArbeiterInnenbewegung nicht folgenlos bleiben sollte, ganz im Gegenteil. Besonders ungünstig wirkt sich seither die Herausbildung einer Arbeiteraristokratie aus. Es ist dies eine aus imperialistischen Extraprofiten priviligierte Oberschicht der ArbeiterInnenklasse. V.a. die Funktionäre in Gewerkschaften und Arbeiterparteien wurden und werden mit materiellen Mitteln korrumpiert, damit sie ihren Einfluss in der ArbeiterInnenklasse geltend machen um die Aussöhnung mit dem Kapitalismus propagieren, um für Reformen im Kapitalismus anstatt für die proletarische Revolution einzutreten.
Die besitzenden Klassen des Habsburgerstaates, der ein Vielvölkerstaat war, haben die nationale Spaltung der ArbeiterInnenklasse und des arbeitenden Volkes als Herrschaftsmittel instrumentalisiert. Besonders die deutschsprachigen Arbeiter/innen wurden Es ist nicht ganz neu, dass sich Leute in Österreich für den Sozialismus interessieren und auch einsetzen. Sozialistische Ideen kursierten bereits zur Zeit der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848. gegenüber den Arbeiter/innen der slawischen Nationen priviligiert. Die "austromarxistischen" Führer der Sozialdemokratie sind prompt in die Fallen des bürgerlichen Nationalismus getappt.

Nach der provokatorischen Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien und dem Beginn des Ersten imperialistischen Weltkriegs verwarf die SP-Führung alle proletarisch- internationalistischen Verpflichtungen und ging stattdessen ganz offen auf die Position eines hemmungslosen Sozialchauvinismus über. Trotzdem begann sich schon bald ein neuer Aufschwung der ArbeiterInnenbewegung abzuzeichnen. Das traumatische Kriegserlebnis und die Nachricht von der Revolution in Russland beförderten auch in der österreichischen ArbeiterInnenklasse einen starken Linkstrend. Im Kampf gegen diesen linken Trend waren die Führer des Austomarxismus sehr gefordert. Obwohl sie ihre offen konterrevolutionäre Rolle während der revolutionären Nachkriegskrise 1918/19 stolz hinausposaunten hielt sich die erwiesene Dankbarkeit der durch sie als herrschende Klasse geretteten Bourgeoisie in weiterer Folge in Grenzen. Otto Bauer, einer der bedeutendsten Führer und Theoretiker des "Austromarxismus", schrieb in seinem Buch "Die österreichische Revolution":
"Es herrschte tiefe Unruhe in den Kasernen der Volksarmee. Die Armee fühlte, daß sie der Träger der Revolution war, die Avantgarde des Proletariats ... 'Diktatur des Proletariats', 'Alle Macht den Räten!' war das einzige, was man in den Straßen hören konnte ... Keine bürgerliche Regierung hätte mit einer solchen Aufgabe fertig werden können. Sie wäre entwaffnet worden durch das Mißtrauen und die Verachtung der Massen. In einer Woche wäre sie durch einen Straßenaufstand gestürzt und von ihren eigenen Soldaten entwaffnet worden. Nur die Sozialdemokraten konnten eine so beispielhaft schwierige Situation sicher meistern, weil sie das Vertrauen der arbeitenden Massen besassen ... Nur die Sozialdemokraten konnten die stürmischen Demonstrationen durch Verhandlungen und Überzeugung friedlich beenden. Nur die Sozialdemokraten konnten die Volksarmee führen und die revolutionären Abenteuer der arbeitenden Massen eindämmen ... Die tiefe Erschütterung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung fand ihren Ausdruck darin, daß eine bürgerliche Regierung, eine Regierung ohne Teilnahme der Sozialdemokraten, einfach undenkbar geworden war."

Damals gelang es in Ungarn und Bayern, die Arbeitermacht in Form von Räterepubliken zu errichten. Eine österreichische Räterepublik hätte ein wesentliches Kettenglied im Kampf für ein sozialistisches Europa bilden können. Verbal betonten einzelne austromarxistische Führer sehr wohl ihre Sympathie mit dem bolschewistischen Russland. Sie verstiegen sich jedoch zu Erklärungen, wonach der Sozialismus in "Mitteleuropa" auf "zivilisierterem" Weg durchzusetzen sei, anders als im halbasiatischen Russland. Die Abgründe mitteleuropäischer Zivilisation sollten sich bald in Form des Faschismus an der Macht zeigen.
Tatsächlich hat in den Jahrzehnten seit der Oktoberrevolution die bloße Existenz der sozialistischen Sowjetunion jeden Kampf um sozialen Fortschritt auch in Österreich beflügelt. Die Bourgeoisie eines jeden Landes fühlt sich zu Recht durch jede wirklich sozialistische Alternative auf der Welt bedroht, weil dadurch die Endlichkeit ihrer eigenen Herrschaft bewiesen ist, was zugleich ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen deutlich erhöht. Fest steht, dass die Bourgeoisie, seit im Weltmaßstab offensichtlich keine sozialistische Alternative mehr existiert, wieder erheblich skrupelloser geworden ist.

Mit ihrer reformistischen Praxis, die der Arbeiterschaft kurzfristig durchaus Vorteile brachte (z.B. Rotes Wien), ihren linken Phrasen und ihrem ständigen Zurückweichlertum gegenüber der Reaktion, haben die SP-Führer letztendlich die faschistische Konterrevolution ermutigt. Bezeichnenderweise gingen nicht wenige verbitterte SPler nach der Niederlage des Februar 1934 zu den Nazi-Faschisten über. Ein anderer Teil ehemaliger SPler machten illegal als "Revolutionäre Sozialisten" weiter. Diese wiederum verhöhnten die Kommunisten als "Rechtsopportunisten", weil sie im Kampf gegen den erstarkenden NS-Faschismus eine eigenständige österreichische Nation propagierten. Bezeichnenderweise ist z.B. der SP-Linke Fritz Adler nach 1945 nicht aus dem Exil zurückgekehrt, weil ihm das Anschlussverbot an Deutschland als Anachronismus erschien.
1945 ist die SP wiederauferstanden, nachdem sie ihre organisierte Tätigkeit im Gegensatz zur KP während der Zeit der NS-Herrschaft praktisch eingestellt hatte. Wieder einem Linkstrend Folge leistend nannte sich die SP ab sofort "sozialistisch" anstatt "sozialdemokratisch". Rückbenannt hat sich die SP erst wieder unter ihrem Vorsitzenden Vranitzky. Äußerer Anlass dafür war der Zusammenbruch der revisionistischen Sowjetunion.
Der berüchtigte SP-Führer Karl Renner ist 1945, noch vor Kriegsende, mit einem Brief an den "Sehr geehrten Genossen!" Stalin hervorgetreten: "Die österreichischen Sozialdemokraten werden sich mit der KP brüderlich auseinandersetzen und bei der Neugründung der Republik auf gleichem Fuß zusammenarbeiten. Daß die Zukunft des Landes dem Sozialismus gehört, ist unfraglich und bedarf keiner Betonung." Tatsächlich hat die SP alles getan, den angeschlagenen Kapitalisten wieder auf die Füße zu helfen. Nazibesitz und deutsches Eigentum wurden verstaatlicht, um sie dem Zugriff der Alliierten und deren Reparationsforderungen zu entziehen und in weiterer Folge Privatkapitalisten zu subventionieren und nicht um den Grundstein einer antikapitalistischen Entwicklung zu setzen.

Die Zeit der SP-Alleinregierung, die so genannte "Ära-Kreisky" von Anfang der 1970er Jahre bis 1983, erscheint manchen, die diese Zeit bewusst miterlebt haben, als goldenes sozialdemokratisches Zeitalter. Tatsächlich war es eine Zeit der Reallohnsteigerung, gesellschaftlicher Reformen, die den Arbeiter/innen kampflos gewährt wurden usw. Es schien fast so als würde der Sozialismus nun doch auf friedlich-parlamentarischem Weg daherkommen. In Wirklichkeit war Österreich bis in die 1960er Jahre im Vergleich zu anderen kapitalistisch/ imperialistischen Staaten erheblich zurückgeblieben. Die Kreisky-Reformen waren in erster Linie Ausdruck einer längst überfälligen nachholenden Modernisierung, um gegenüber der imperialistischen Konkurrenz nicht allzusehr ins Hintertreffen zu geraten.
Aus Anlass von Feierstunden berufen sich die SP-Führer von heute gerne auf weit zurückreichende Traditionen. Das ist allerdings pure Augenauswischerei. In der Zweiten Republik wurde die SPÖ zu einer Partei des imperialistischen Monopolkapitals. In der Strategie und Taktik der herrschenden Klasse spielt die SP allerdings eine ganz besondere Rolle, weil keine andere bürgerliche Partei über einen auch nur annähernd vergleichbaren Einfluss in der ArbeiterInnenklasse verfügt. Pünktlich vor jeder Wahl treten sogenannte Linke an uns heran, um für die Wahl der SP zu mobilisieren, ansonsten würden katastrofale Zustände drohen. In den Staaten der EU mit SP-Regierungsbeteiligung unterscheidet sich die Regierungspolitik jedoch gar nicht gravierend von der rechts-rechten, wie wir sie derzeit in Österreich haben. Dass die Gusenbauer-SP nicht einmal mehr scheindemokratische Skrupel kennt, hat sich auch in ihrer Beihilfe zur Wiederwahl Haiders, eines Vorreiters des europäischen Rechtsextremismus, zum Landeshauptmann von Kärnten, gezeigt. Wer für einen wirklichen, nämlich sozialstischen Ausweg aus der imperialistischen Barbarei eintritt, muss mit der monopolkapitalistischen SPÖ genauso radikal brechen wie mit der kleinbürgerlichen KPÖ und stattdessen den Aufbau einer Kampfpartei, die ausschließlich den unteilbaren Interessen der Arbeiter/ innen-Klasse verpflichtet ist, unterstützen und daran mitwirken.

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