Arbeiter/innen aller Länder, vereinigt euch!
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Nichts ist vergessen! Nichts ist vergeben!

Zum 40. Jahrestag der Ermordung des kommunistischen Wiederstandskämpfers Ernst Kirchweger

März 2005

Wer war Ernst Kirchweger?

gehrer

Die Ermordung des Genossen Ernst Kirchweger jährt sich heuer zum vierzigsten mal. Am 31. März 1965 fand in Wien eine antifaschistische Demonstration statt, die sich gegen den Nazi-Ungeist an denösterreichischen Hochschulen richtete. Konkreter Anlassfall war die extrem antisemitische und den Nazi-Faschismus verherrlichende Hetze, die vom Professor der damaligen Hochschule für Welthandel Borodajkewycz im Hörsaal vorgebracht wurde. (Zwanzig Jahre nach der Errichtung der Zweiten Republik!) Dieser Herr war kein Einzelfall. Nach dem Ende des NS-Staates fand bekanntlich ein würdeloses Buhlen der bürgerlichen Parteien, einschließlich der SPÖum ehemalige NS-Kader statt. Vor allem der bedingungslose Antikommunismus dieses Personenkreises hatte es der nach wie vor 1945 inÖsterreich herrschenden Bourgeoisie angetan. Der kommunistische Aktivist Ernst Kirchweger sah trotz seines Alters von 67 Jahren weit und breit keinen Grund sich auf das Altenteil zurückzuziehen. Darum beteiligte er sich am 31. März 1965 ganz selbstverständlich an der von fortschrittlichen Student/innen einberufenen Demonstration. Ein von der Polizei unbehelligter Haufen vonüberwiegend jungen Nazi-Schlägern hat die Demonstration angegriffen. Im Zuge dieses Vorfalls wurde Ernst Kirchweger von einem Jungnazi tödlich verletzt. Es ist typisch für die Feigheit und Brutalität der Nazis, dass sie hinterhältig auf körperlich unterlegene Personen losgehen. In vielen Nachrufen wurde seinerzeit geschrieben, dass Ernst Kirchweger das erste Naziopfer in der Zweiten RepublikÖsterreich gewesen sei. Das ist jedoch ungenau. Schon 1947 wurde in Südkärnten, in Zelesna Kapla / Eisenkappel eine Aktivistin der Osvobodilna Fronta / Slowenische Befreiungsfront bei einer Demonstration ermordet. Kirchweger war aber auch keineswegs das letzte Todesopfer des NaziTerrors inÖsterreich. Nur ein paar Beispiele: Zu Silvester 1993/94 wurde Goran, ein jugendlicher Rom in Wien-Favoriten von einem Faschisten mit einem Bajonett tödlich verletzt. 1994 wurde der obdachlose Wolfgang Tschernutter von Jungnazis ermordet. 1995 wurden die vier Roma, Erwin und Karl Horvath, Josef Simon und Peter Sarközi in Oberwart von einer von Faschisten gelegten Rohrbombe getötet. Auch außerhalb derösterreichischen Landesgrenzen habenösterreichische Nazis immer wieder gemordet. Das bekannteste Beispiel ist der faschistische Südtirol-Terror der 1950er- und 1960er-Jahre, der mindestens 30 Todesopfer gefordert hat. Die Täter die ihr Unwesen in verschiedenen Teilen Italiens trieben rekrutierten sichüberwiegend aus Burschenschafter­kreisen.
Ein Skandal für sich ist der wohlwollende Umgang derösterreichischen Klassenjustiz mit den Nazimördern. Schon der Umgang mit denösterreichischen Verbrechern des NS-Staates war eine Farce nach dem Motto„eine Krähe hackt einer anderen kein Auge aus". Entsprechend glimpflich ist auch der Mörder Ernst Kirchwegers, der damals 24jährige Kümel davongekommen. Er hat lediglich zehn Monate wegen„Notwehrüberschreitung"ausgefasst.
Die Biografie Ernst Kirchwegers ist typisch für die vieler revolutionärer Kommunist/innen. Bereits in jungen Jahren nahm Kirchweger, der das Kind einer Wiener Arbeiter/innen Familie war, an den revolutionären Kämpfen seiner Zeit teil. Herausragend und prägend war gewiss seine Beteiligung am revolutionären Aufstand der Matrosen von Cattaro / Kotor (1918) gegen den imperialistischen Völkerkerker der Habsburger. In den revolutionären Kämpfen nach dem Ersten Weltkrieg gelang es Kirchweger, wie vielen seiner Altersgenoss/innen noch nicht die verhängnisvollen Rolle, die der Austromarxismus in derösterreichischen Arbeiter/innen-Bewegung spielt, in ihrer ganzen Tragweite zu erkennen. Durch eine reformistische Praxis, die partiell tatsächlich die Lage der Arbeiter/innen-Klasse verbesserte und durch radikale Phrasen verstanden es die Führer des Austromarxismus bis 1934 weite Teile auch der fort­geschrittensten Arbeiter/innen an sich zu binden. Erst als die austromarxistischen Illusionen in den Februarkämpfen des Jahres 1934 wie Seifenblasen zerbarsten, erkannten viele das verhängnisvolle Wesen des Reformismus in der Arbeiter/innen-Bewegung. Als Folge der blutigen 34er Niederlage brachen tausende der fortgeschrittensten Arbeiter/innen mit dem Austromarxismus um sich der damals noch revolutionären, marxistisch-leninistisch ausgerichteten KPÖanzuschließen. Ernst Kirchweger war einer von denen, die in der Illegalität, vorwätsgetrieben von der konterrevolutionären Gewalt, zum revolutionären Kommunismus stießen. In den Jahren 1934 bis 1945 war Kirchweger ein unermüdlicher Kämpfer gegen Austro- und Nazifaschismus. Als erfahrener Kommunist geriet Kirchweger nach 1945 zunehmend in Widerspruch zu der bereits damals auf der schiefen Bahn des Revisionismus befindlichen KPÖ.

Wozu Geschichte?

Verteidigt das Emst-Kirchweger-Haus (EKH)!

Als Anfang der 1990er Jahre die damals noch im Besitz der„K"PÖbefindliche Wielandschule in Wien-Favoriten besetzt wurde, um dort ein soziales Zentrum zu schaffen, gaben die Hausbesetzer/innen ihrem Projekt bewusst den Namen„Emst-Kirchweger-Haus (EKH)". Die Benennung nach einem bescheidenen kommunistischen Kämpfer gegen Kapitalismus, Imperialismus, Faschismus und Reaktion war ein programmatisches Bekenntnis gegen antikommunistische Kiebitze, die darüber frohlockten, dass ausgerechnet eine im Besitz der„K"PÖbefindliche Immobilie besetzt worden war. Wenn sich heutige Nutzer/innen des EKH in antikommunistischen Tiraden ergehen, weil sich die Baier-Graber- Clique wie ein echter Hausbesitzer benimmt, dann unterscheiden sie sich nicht wirklich von wildgewordenen Spießern, die die Welt nicht mehr verstehen. Selbstverständlich ist es notwendig des EKH zu verteidigen. Aber das ist völlig unabhängig davon ob sich das Haus nun im Besitz eines kleinbürgerlichen Wahlvereins befindet oder von neurechten Spekulanten. Gewiss, die„K"PÖwar ein bequemerer Gegner als die rechtsrechten Schnösel die das Objekt Wielandgasse inzwischen erworben haben, aber der antifaschistische Anspruch, so er mehr als eine Phrase ist, lässt sich gegenüber den neuen Besitzern bestimmt nicht schlechter als gegenüber den alten vertreten. Zur Verteidigung des EKH unter den gegenwärtigen Umständen bedarf es großer Kampfbereitschaft. Die Losung„EKH bleibt!"erinnert leider eher an einen frommen Wunsch als an die feste Absicht das EKH im militanten Kampf seinem derzeitigen Zweck zu erhalten.

Im heurigen Jahr droht eine ideologische Offensive derösterreichischen Bourgeoisie. Eine Reihe von runden Jah­restagen soll dazu herhalten uns das Geschichtsbild der herrschenden Klasse auf's Aug zu drücken. Wer die Macht hat, legt die Geschichte im eigenen Interesse aus um unter den Beherrschten das Bewusstsein zu verankern, dass die Gegenwart und Zukunft folgerichtig und alternativlos aus der Vergangenheit folgt. In Wirklichkeit entwickeln sich Gesellschaften nicht geradlinig, wie nach einem vorgegebenen Plan. Wer die Geschichteüber einen größeren Zeitraum hinweg betrachtet, einen Zeitraum der weitüber die Lebenszeit eines Einzelmenschen hinausreicht, wird deutlich erkennen, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung ungleichmäßig und in Sprüngen vollzieht, dass auf Dauer nichts so bleibt wie es ist. Die Herrschenden haben panische Angst vor einer grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzung, weil eine solche Umwälzung ihr auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhendes System beenden könnte. Wissenschaftlich betrachtet ist die Geschichte seit dem Entstehen von Privateigentum eine Abfolge von Klassenkämpfen (z.B. Sklaven gegen Sklavenhalter, Leibeigene gegen Feudalherrn, Arbeiter/innen gegen Kapitalistenklasse ...) Um eine grundlegende gesellschaftliche Umwälzung herbeizuführen müssen die Beherrschten unter anderem die weltanschauliche Vorherrschaft der Bourgeoisie brechen.