Immer wieder schockieren uns die Massenmedien mit Berichten über brutale Misshandlung von Kindern in ihren Familien. Das passiert in allen Klassen und Schichten der österreichischen Gesellschaft, auch wenn die bürgerlichen Massenmedien es so darstellen und rassistisch verdrehen, als gäbe es Gewalt nur in proletarischen Familien und vor allem bei Immigrant/innen. Jährlich werden hunderte Eltern wegen körperlicher Gewalt gegen ihre Kinder angeklagt (nach bürgerlichen Statistiken im vorletzten Jahr gegen Kinder unter 6 Jahren: 2 Morde, 94 Körperverletzungen und 31 Quälen oder Vernachlässigen eines Unmündigen; insgesamt 1417 Delikte "gegen Leib und Leben" von Kindern unter 14 Jahren). Die Dunkelziffer bei Straftaten ohne sichtbare schwere Folgen ist noch viel höher. Was sind die Ursachen?
In den letzten Jahrzehnten wurden zwar die Rechte der Kinder (Züchtigungsverbot,...) und der Frauen (Familienrechtsreform, Fristenlösung,...) in der Familie verbessert, doch gleichzeitig zersetzt sich die Familie immer weiter. Diese Form der Gemeinschaft hat keine Zukunft. Ursprünglich war die patriarchale Familie die Grundlage für die Sicherung des Reichtums und der Nachkommenschaft der Männer der besitzenden Klassen. Seit der bürgerlichen Revolution wird diese Familien"ordnung" auch für die Arbeiter/innenklasse als "ideale Lebensform" propagiert. Doch die wirklichen kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse nagen an der Familie als Grundeinheit für die Sicherung und Wiederherstellung der bürgerlichen Gesellschaft. So untergräbt die Bourgeoisie einerseits immer stärker die Reproduktion derjenigen Klasse, von deren Arbeit sie lebt. Andererseits gibt es immer neue Projekte für ein "gelungenes Miteinander der Generationen", für eine "neue Partnerschaft", für die "Förderung von Kindern und Familien" usw., um diesen Prozess zu verlangsamen. Wie groß das Interesse der Kapitalistenklasse an der Familie als Ort der Sicherung der Arbeitskräfte ist, zeigt sich an den ständigen Versuchen, die Fortsetzung der bürgerlichen Familien"ordnung" auf dem Rücken der Frauen zu retten und zu stabilisieren.
Aus Profitgründen ist die herrschende Kapitalistenklasse aber nicht bereit, die vor Jahrzehnten kleinweise begonnene Vergesellschaftung der Hausarbeit fortzuführen, die seit über 150 Jahren von der Arbeiter/innenbewegung gefordert wird und die eine Grundlage für neue Formen der Partnerschaft sein könnte. Im Gegenteil: Immer weniger Steuergeld ist für Kranken-, Behinderten- und Altenbetreuung da, für Schulen, Kinderbetreuung, subventionierte Großküchen usw. Alles wird wieder den Frauen aufgehalst, und zwar zusätzlich zu ihrer inzwischen selbstverständlich gewordenen Lohnarbeit. Statt Kindergärten, Krippen, Nachmittagsbetreuung in der Schule usw. gibt's ... Teilzeitarbeit für die Frauen. Statt öffentlichen Restaurants und Kantinen gibt's ... Heimarbeitsplätze für die Frauen usw. So gut es ist, dass immer mehr Frauen eigenes Geld verdienen, so schlecht ist es, dass die Hausarbeit zwar individuell erleichtert wurde (Staubsauger, Mikrowelle,...) aber nur in sehr geringem Ausmaß von öffentlichen Diensten oder betrieblichen Sozialeinrichtungen (Betriebskindergärten,...) übernommen wurde. Kein Wunder, dass trotz groß bejubeltem Kindergeld die Geburtenrate auch im vergangenen Jahr weiter gesunken ist!
Auch wenn die Idee einer netten bürgerlichen Familie (mit trautem Heim, lieben Kindern usw.) immer noch in vielen Köpfen herumspukt und von den Massenmedien, vor allem in TV-Serien, als wünschenswertes Ideal propagiert wird, leben heute vor allem in den Städten die meisten Menschen nicht mehr in traditionellen Familienstrukturen. Aus der lebenslangen Ehe ("bis der Tod euch scheidet") wurden zeitweilige Partnerschaften, oft Single-Haushalte. Ein großer Teil der Kinder wächst nicht bei ihren leiblichen Vätern auf, die Zahl der Alleinerzieher/innen hat in den letzten Jahren rapid zugenommen. Alles das sind unaufhaltsame gesellschaftliche Entwicklungen im Kapitalismus - und wir trauern der alten patriarchalen Familie mit dem Mann als unumschränktem Familienoberhaupt und Alleinherrscher innerhalb der 4 Wände keineswegs nach!
Durch die zunehmende Vereinzelung wird das Leben in der kapitalistischen Gesellschaft immer unerträglicher, aber es gibt keine Grundlage für wirklich alternative Lebensformen. Erst in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung kann es Beziehungen ohne Abhängigkeiten geben.
Aber wir kämpfen nicht nur für eine bessere Gesellschaft, sondern schon heute gegen das Elend in den kaputten Kleinfamilien. Wir können nicht akzeptieren, dass ein Arbeiter aus Wut über die tatsächlich oft unerträglichen Zustände seine Frau oder Kinder schlägt oder sie psychisch oder sexuell terrorisiert! Auch gegen das Zurückdrängen der Frauen an Heim und Herd müssen wir Widerstand leisten. Durch die Organisierung in gewerkschaftlichen und revolutionären Bewegungen kann die berechtigte Wut über die herrschenden Verhältnisse in produktive verändernde Kraft umgesetzt werden.
Mit dem Übergang des Kapitalismus in sein monopolkapitalistisch-imperialistisches Stadium wurde die Kleinfamilie auch im Proletariat zu einer relativ stabilen Form des Zusammenlebens. Zwar gab es - anders als beim Bürgertum und Kleinbürgertum - keine unmittelbare ökonomische Notwendigkeit, weil es keinen Besitz zu sichern und zu vererben gab. Aber die Bourgeoisie setzte z.B. nach dem 1. und 2. imperialistischen Weltkrieg alles daran, die Frauen wieder aus der Produktion wegzubekommen und politisch-ideologisch den Mann (wieder) zum formalen "Alleinverdiener" und rechtlichen "Oberhaupt" auch der proletarischen Familie zu machen. Bis Ende der 1950er Jahre war dieser Prozess der Stabilisierung der patriarchalen Kleinfamilie im Proletariat weitgehend abgeschlossen. Doch in den 1960er Jahren kam es in ganz Westeuropa zu großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen.
So gab es ab 1970 auch in Österreich einen "Modernisierungsschub" auf zwei Ebenen. Einerseits eine sprunghafte Modernisierung der Produktion durch Rationalisierung und weitere Konzentration des Kapitals. Andererseits eine Welle von Reformen im Familienrecht, die vor allem die Stellung der Frauen und Kinder deutlich verbesserten.
Gleichzeitig begann am Arbeitsmarkt eine zunehmende Vernichtung von traditionellen Industriearbeitsplätzen und eine rasche Ausdehnung von sogenannten "Dienstleistungs"-Arbeitsplätzen, die zwar volkswirtschaftlich zur Produktion gehören, von den bürgerlichen Statistiken (und vielen Beschäftigten selbst) aber als nicht zur Produktion gehörende Tätigkeiten verstanden werden. Auf einen großen Teil dieser neuen Arbeitsplätze in Büro, Handel usw. kamen Frauen. Dementsprechend stieg die Zahl der erwerbstätigen Frauen in den 1970er und 80er Jahren drastisch an (z.B. bei den 25-30jährigen von 56% auf 66%, bei den 35-40jährigen von 50% auf 63%, während sie bei den Männern leicht zurückging - von 94% auf 89% wegen Weiterbildung usw.).
Immer mehr dieser Arbeitsplätze betrafen Teilzeit-Arbeit mit extremer Flexibilisierung, niedrigen Löhnen usw. (20,3% der Frauen sind teilzeitbeschäftigt, aber nur 1,6% der Männer). Die Frauen wurden dabei als Vorreiterinnen bei der immer weiteren Durchlöcherung von Arbeitsschutzgesetzen eingesetzt (heute machen die "atypischen" Arbeitsverhältnisse schon über 10% aus - 60% der Betroffenen sind Frauen). Der "Normalarbeitstag" wurde immer weniger normal (ca. 75% der Beschäftigten arbeiten zumindest gelegentlich außerhalb der Normalarbeitszeit!) .
Die heutige staatliche Frauen- und Familienpolitik verkündet Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und tatsächlich wurden schrittweise Maßnahmen zur Entlastung der Frauen als wichtigstem Reproduktionsfaktor in der bürgerlichen Gesellschaft unternommen: Die Versorgung mit Kinderkrippen, Kindergärten, Horte, Altenheime, Krankenanstalten usw. wurden ausgebaut, die Zahl der Sozialberatungsstellen, Sozialarbeiter/innen, psychologischen Beratungsstellen usw. boomte.
Damit wurde aber der private Charakter der Haushaltsführung, der Kindererziehung, der psychologischen Betreuung usw. nicht grundsätzlich angetastet. Es handelte sich immer nur um "ergänzende Maßnahmen", um die Frauen zu entlasten und dauerhaft in die Produktion einzubeziehen. Die technische Revolution im Haushalt und die beschleunigte Ausstattung mit immer neuen Haushaltsgeräten führte zu einer erhöhten Arbeitsproduktivität, bewirkte aber gleichzeitig eine Verteuerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten der Arbeiter/innenfamilie. Heute ist - anders als vor einem halben Jahrhundert - die Erwerbstätigkeit der Frauen für die Produktion und Reproduktion der Ware Arbeitskraft unerlässlich. Seit den 1980er Jahren ist für die Arbeiter/innenklasse die Lohnarbeit von 2 Personen notwendig, um einen 4-Personenhaushalt (d.h. Paar mit 2 Kindern) führen zu können.
Der ökonomische Zwang zur Lohnarbeit traf zusammen mit dem Wunsch der Frauen nach eigenem Einkommen, selbstständiger Existenzsicherung, verändertem Selbstbewusstsein (auch im Zusammenhang mit Forderung nach selbstbestimmter Sexualität, durch neue Verhütungsmethoden und Einschränkung des Abtreibungsverbots). Das Bildungsniveau von Frauen ist seit den 1970er Jahren gestiegen, aber die Löhne und Gehälter blieben deutlich hinter dieser Entwicklung zurück.
Heute führen Sparprogramme mit Kürzungen bei den Sozial- und Bildungsausgaben zu einer Rückverlagerung der zeitweise vom bürgerlichen Staat übernommenen Funktionen wieder an die Familien, die aber so nicht mehr existieren... Ausbildung, Krankenpflege, Kinder-, Behinderten- und Altenbetreuung - wer soll das in der "Familie" machen?? ( Selbst bürgerliche Statistiken geben an, dass z.B. etwa 100.000 Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen.) Soweit die Partner/innen noch zusammen wohnen, arbeiten sie zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten, werden ständig versetzt, müssen auf Abruf für die Firma bereit sein - so nehmen die körperliche und psychische Überlastung und die Suchterkrankungen (Alkohol, Medikamente, ...) immer mehr zu. Stress wird zum Dauerzustand nicht nur in der Arbeit sondern auch in den "Familienresten" (Alleinerzieher/innen, die noch dazu ihre alten Eltern betreuen, dem Kind Nachhilfe geben sollen usw.) Gleichzeitig redet das Kapital wieder von verstärkter "Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen" (d.h. der Familien und damit vor allem der Frauen als Reproduktionszentrale), obwohl gerade Österreich bei Kinderbetreuungsplätzen für Kinder bis 3 Jahren und über 6 Jahren EU-weit ziemlich am untersten Level liegt (3% bzw. 6% - in Belgien oder Dänemark 30% bzw. 48%) .
In der sinkenden Kinderzahl, der steigenden Rate von Ehe-Auflösungen und der Tendenz zur Familienlosigkeit zeigt sich die zunehmende Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, seine Reproduktion zu gewährleisten. Diese Krise der klein-bürgerlichen Familienordnung ist Ausdruck der Rebellion der Produktivkräfte gegen die Produktionsverhältnisse, die zu einer Fessel für den Fortschritt geworden sind.
Die vollständige Vergesellschaftung der Hausarbeit, insbesondere der Kinderbetreuung und Kindererziehung, stellt einen gewaltigen, befreienden Fortschritt dar. Dies ist aber nur möglich durch die Überwindung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung in einer proletarischen Revolution.