Die Habaner in der Slowakei

Ondrej PÖSS

Den Namen Habaner (slowakisch habáni, ungarisch habánerek, habánusok, russisch chabani, english habans, ähnlich auch französisch les habans) erhielten die Habaner während ihres Aufenthaltes in der Slowakei als volkstümliche Benennung, mit der das Dorfvolk die Angehörigen der anabaptistischen “Brüderhöfe”, der Siedlungen, in denen die Habaner wohnten, bezeichnete.

Das Wort Habaner - wie es in der letzten Zeit festgestellt wurde - ist vom hebräischen ha-banim abgeleitet, was die wahren Kinder Gottes bezeichnet. Es handelte sich also um eine Bezeichnung, mit der sich ursprünglich die Anabaptisten selbst untereinander als Mitglieder einer auf den Prinzipien des gemeinsamen Eigentums gegründeten Kommune nannten.

Die Ideenwurzeln der Habaner reichen in die Zeit der Reformation. Sie tauchten zum ersten Mal im Jahre 1524 in der Schweiz als eine markante religionssoziale Bewegung - Abzweigung des Protestantismus auf, zu deren Konstituierung in beträchtlichem Maße der schweizerische Reformator Ulrich Zwingli beitrug. Durch seinen Einfluß emanzipierten sich die Habaner und formierten sich zu einer selbständigen Kirche.

Mit beiden Reformatoren, Luther und Zwingli, äusserten die Angehörigen des neuen Glaubens ihre Unzufriedenheit, indem sie behaupteten, daß die Reformation zwar eine Auflockerung in den Fragen des Glaubens und der Kirche, aber keine soziale Befreiung von der materiellen Unterdrückung des Feudalismus brachte.

Als dann die Anhänger des neuen Glau-bens im Jahre 1524 den Stadtrat in Zürich um eine Bewilligung der Veranstaltung einer öffentlichen Disputation ansuchten, an der sie als eine neue Kirche manifestieren wollten, wurden sie von dem Stadtrat aufgefordert, ihre “Fehler” zu widerrufen oder aus der Stadt und auch aus dem Land fortzuziehen.

Die Anhänger des neuen Glaubens unterschieden sich von der allgemeinen Reformationsströmung auch mit der Ansicht auf die christliche Taufe der Kinder, die sie für “ein unnützliches Kopfwaschen des Neugeborenen” hielten, wobei sie verkündeten, daß nur die Taufe in der Reife gültig ist. Aus diesem Grund wurden sie Wiedertäufer (Anabaptisten) genannt und obwohl sie gegen diese Benennung entschieden protestierten, behauptend, daß sie keine zwei Taufen, sondern nur eine einzige Taufe in der Reife verkünden, blieb ihnen schon der Name Anababtisten.

Dadurch, daß sie keine Obrigkeit anerkannten und die Steuerzahlung ablehnten, riefen sie gegen sich den Haß des Staates hervor, der gleich vom Anfang an strenge Verordnungen zur Ausrottung der neuen religionssozialen Bewegung mit der Drohung der Verbrennung ihrer Angehörigen herausgab.

Dies alles führte dazu, daß sie aus ihren Heimatsländern flohen und daß wir sie im Jahre 1526 in Südmähren finden, das derzeit den Ruf eines Landes mit Religionsfreiheit genoß. Sie siedelten sich mit der Erlaubnis der Herren von Lichtenstein auf ihren Gütern in Südmähren, hauptsächlich in der Umgebung von Mikulov an. Der Führer der ersten Gruppe, die sich hier niederließ, war der gelehrte Doktor der Theologie, der ehemalige Pfarrer in Waldshut in Bayern, Balthasar Hubmaier, der aus Friedberg stammte (daraus seine lateinische Benennung Pacimontanus).

Hubmaier erwarb die Gunst der Lichten-steins. Mit ihrer Zustimmung berief er den Buchdrucker Simprecht Sorg, genannt Fro-schauer, aus Zürich, gründete eine Buch-druckerei, schrieb den Traktat über den
neuen Glauben, ließ ihn drucken und verbreiten. Er hatte einen riesigen Erfolg, bald versammelten sich um ihn fast zwölftausend Anhänger des neuen Glaubens. Das war ein Impuls für die alte Kirche, den Hubmaier nach Wien zur Verantwortung vorrief. Als er seine Lehre nicht widerrief, wurde er im Jahre 1528 verbrannt.

Der Beschluß des Znaimer Landtages aus dem Jahre 1535, noch vor Hutters Rückkehr nach Österreich, befahl, die Wiedertäufer aus Mähren auszuweisen. Die ausgewiesenen Habaner begannen, sich in den Ortschaften der Westslowakei niederzulassen, wo sie sich einige Zeit aufhielten, aber nach einem Jahr wurden sie wieder in Mähren aufgenommen.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erschei-nen dann auch in der Westslowakei die Vortrupps der ersten deutschen Neusiedlergruppe: der Habaner. Es handelt sich um jene in den Anfangsjahren der Reformation in der Schweiz entstandene, über weite Teile Deutschlands verbreitete wiedertäuferische Sekte, deren Anhänger, von Katholischen wie Evangelischen gleich erbittert bekämpft und verfolgt, seit dem Jahre 1526 auf verschiedenen Herrschaften des östlichen Südmährens Zuflucht gefunden hatten. Mit Erlaubnis einiger nordwestungarischer Grundherren, insbesondere des Franz Nyáry und Hans Bernhard von Lembach, welche die Täufer wegen ihres Fleißes und Ordnungssinns, ihres landwirt-schaftlichen und handwerklichen Könnens zu schätzen wußten, griffen sie bald auch über die March herüber. Bereits 1546 kauften die Habaner in Sobotischt / Sobotište einen Hof und eine Mühle. 1546 begannen sie in Deutsch-Nußdorf / Orešany sowie in Trent-schin/Trenèín und Banowitz/Bánovce nad Bebravou im Trentschiner Komitat zu hausen.1548 in Weißkirchen / Holíè, Schoßberg / Šaštín und Podbranè. 1550 wohnten sie bereits in Katow, 1551 in Popudin, 1554 in Brodsko /Brodské, 1582 in Sekeln, 1588 in Großschützen /Ve¾ké Leváre, 1602 in Kopt-schan /Kopèany, 1605 in St. Georgen / Sv. Jur am Föhrenwald, ferner in Groß-Bielitz /Ve¾ký Biel im Neutraner Komitat, 1620 in Tellnitz und Schächtitz / Èachtice mit dem zugehörigen Želowan. Manche dieser Niederlassungen wurden mit der Zeit aus unterschiedlichen Gründen wieder aufgegeben, bis der im Jahre 1622 nach der Schlacht auf dem Wei-ßen Berg an die mährischen Täufer ergangene Ausweisungsbefehl die Habanerhaushaben der Westslowakei zu neuem Leben erweck-te oder ihnen zumindest neuen Nachschub brachte. Noch in demselben Jahre ließen sich die landesverwiesenen Wiedertäufer teils auf angekauften, teils auf herrschaftlichen Zins- und Pachtgründen in Brodsko, Groß-Schützen, Sobotischt, Tellnitz und Schächtitz, aber auch in St. Johann a.d.M /Moravský Sv. Ján, Kesseldorf, Groß-Kostolan / Ve¾ké Kos-
tolany und Farkaschin sowie in Dubnitz/
Dubnica, Zobelhof und Tepla bei Trentschin/Trenèianska Teplá nieder, später wahrschein-lich auch in Tschastkowetz, Rowensko und Dechtitz/Dechtice, 1665 in Schattm
annsdorf/Èastá und vielleicht noch in einer Reihe an-derer Orte der Westslowakei. Zumeist am Rande dieser Ortschaften erhoben sich die aus langgestreckten und steilgiebeligen, außen wie innen peinlich sauberen Häusern bestehenden Habanerhöfe, die mit unter
eigene Ortsteile bildeten. In tiefer Frömmigkeit und Einfachheit, dem Getriebe der Welt bewußt abgekehrt, lebten hier die Brüder oft mehrere Hundert in einer “Haushabe”, um 1700 wahrscheinlich insgesamt mehrere Tausend an der Zahl, in Arbeits- und Güterge-meinschaft als tüchtige Bauern und kunstreiche Handwerker. Vor allem die habanischen Messerschmieden und Töpfenwerkstätten waren weitberühmt. Manche herrschaftlichen Meierhöfe und Mühlen standen ebenfalls unter Leitung von Habanern. Bei Preßburg z.B. gibt es eine Örtlichkeit, welche “Bei der Habanermühle” heißt. Auch als Gärtner, Köche, Bader, Ärzte usw. waren die Habaner weit und breit geschätzt und gesucht. Ihrem verhältnismäßigen Wohlstand ist es zuzuschreiben, daß sie in den Wirren des 17. und 18. Jahrhunderts durch Kriegsvölker aller Parteien unsagbar zu leiden hatten. Auch der staatlichen und kirchlichen Gewalt waren die Habaner als Ketzer ein ständiger Stein des Anstoßes. Das vielgerühmte Toleranzpatent Josefs II. vom Jahre 1781 nahm sie von der Duldung ausdrücklich aus. Nur mit großer Mühe gelang es den Jesuiten im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts, die Mehrzahl der in der Slowakei wohnenden Habaner zum Katholismus zu bekehren. Die ihrem Glauben treu bleiben wollten, flohen über Siebenbürgen in die Wallachei und von dort auf immer neuer Suche nach für sie erträglichen Lebens-möglichkeiten weiter nach Südrußland und Nordamerika, wo sie heute in mehr als 30 Bruderhöfen in den Vereinigten Staaten und in Kanada wohnen. Den im Lande verbliebenen, katholisch gewordenen Brüdern hatte man, um ihnen den Übertritt und die damit verbundene Aufgabe der Gütergemeinschaft weniger schmerzhaft zu gestalten, eine gewisse kirchliche und verwaltungsmäßige Selbständigkeit gewährt, die, so wie bisher die Glaubenschranke, die volkliche Eigenart der deutschen Habaner noch für einige Zeit zu schützen imstande war. Dennoch machte sich noch der erdrückende Einfluß der slowakischen Umwelt geltend, und zwar umso stärker, je mehr infolge der geänderten Verhältnisse das alte Arbeitsgeschick und der Wohlstand der Habaner dahinschwanden. So ist das einst so blühende und weiterberühmte brüderische Töpfenhandwerk, wie noch manches andere, im letzten Jahrhundert untergegangen. In Deutsch-Nußdorf
starb es um 1880 aus, in Kesseldorf etwas später. Um diese Zeit sind die katholischen Nachkommen der alten Wiedertäufer auch in Dechtitz noch als solche erkennbar. In Schächtitz gibt es heute noch zahlreiche habanische Sippennamen. Drei Orte, Sobo-
tischt, St. Johann a.d. M. und Groß-Schützen, besitzen auch noch gegenwärtig eine “Urbarialgemeinde Habanerhof” mit eigenem Gemeindebesitz und einer gewissen Selbst-verwaltung. Ihre Bewohner sind zumeist recht bescheidene Messerschmiede, Schuhmacher und Schneider. Es ist unbekannt, wann die einzelnen Habanersiedlungen, deren Zahl durch die Auswanderung der ihrem Glauben treu gebliebenen Brüder stark zurückgegangen war, der Slowakisierung anheimgefallen sind. Bei den meisten dürfte dies in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fall gewesen sein. In den Habanerhöfen der letztgenannten drei Orte wurde um die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch vornehmlich deutsch ge-sprochen, und zwar das dieser Gruppe eigene Habanerdeutsch, das eine altertümliche bayrische Mischmundart auf Tiroler Grundlage darstellt. Um 1880 jedoch sind die Habaner von Sobotischt zum Großteil bereits slowakisiert. Die deutsche Umgangssprache dürfte dort um 1900 vollständig untergegangen sein. In St. Johann a. d. M. ist sie in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts erloschen. Nur in Groß-Schützen erhielt sich in der Kapelle des Habanerhofes der deutsche Gottesdienst bis auf unsere Tage und einige ältere Leute verständigen sich dort auch noch in ihrer absterbenden habanischen Muttersprache. Das Bewußtsein der deutschen Abstammung ist aber in den Habanern aller dieser Orte niemals untergegangen und so beginnen sie in der jetzigen Zeit allmählich zu ihrem Volke zurückzufinden. Die seit einigen Jahren in St. Johann und Groß-Schützen bestehenden, gut besuchten deutschen Schulen sind der deutliche Beweis hierfür, und es ist zu hoffen, daß sich auch in Sobotischt die Entwicklung der Dinge nach dieser Richtung wenden wird.

 

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