WIR WAREN ZU BESUCH

Kniesen

... wo die Kälber niesen,

wo die Gäns zum Opfer gehn

und die Ziegen Paten stehn!

Sicher verzeihen mir die Landsleute aus Kniesen, aber auch die in der Welt zerstreuten, dass ich mein Erzählen über ihren Geburtsort mit diesem Slogan beginne. Es gibt viele Sagen von der Entstehung dieser witzigen Verse, die bis heute bekannt sind, weil sie bei ihrem Aussprechen ein Lächeln im Gesicht auch bei dem größten Griesgram hervorzaubern. Nicht nur Leute, die ihren Geburtsort, ihre Heimat lieben, sondern auch Historiker geben mir recht, dass Kniesen am Schicksal der Zips mit gleichem Mass teilnahm, wie die anderen Zipser Städte, Städtchen und Gemeinden. Auch Kniesen ist auf seine Landsleute und Persönlichkeiten stolz, die seine bewegte Geschichte bildeten. Und gerade in diese nordöstliche Ecke der Zips begab ich mich an einem Frühlingssamstag. Kniesen lag immer ein bisschen abseits von historischen Ereignissen. Es bedeutet aber nicht, dass sich von seiner Gründung an bis heute dort nichts ereignete. Kein bedeutendes Ereignis umging es, ob es schon um Kriegskonflikte ging, oder um Ereignisse, welche die Zipser Städte und Gemeinden nach dem Zweitem Weltkrieg betrafen. Kniesen erlebte Zeiten seines Ruhms, aber auch Zeiten, die seiner Entwicklung mißgönnten.

Die erste und bis jetzt auch einzige vorhandene Erwähnung von Kniesen kommt aus dem Jahr 1286, in der die Gemeinde mit dem heutigen Namen Knysen erwähnt wird. Es bedeutet, dass schon in dieser Zeit die Deutschen die Einwohner bildeten. Historiker nehmen an, dass Kniesen (Hniezdne) schon im Jahr 1262 Scholtisprivilegien bekam. Der Name der Gemeinde überdauerte 7 Jahrhunderte und wurde nur wenig verändert: Gniezda, Gnezen, Gnezt, Gniesna, Gnizda, aber auch Gentz. Man sagt, der heutige slowakische Name Hniezdne kommt aus dem polnischen gniazdo - hniezdo (Nest). In den Jahren 1412- 1772 gehörte es zu den Ortschaften der polnischen Verpfändung zusammen mit Podolinec (Pudlein) und Stará ¼ubovòa (Alt Lublau), die seit dem Jahr 1774 die Provinz der 16 Zipser Städte bildeten. Zur Stadt wurde Kniesen dank des ungarischen Königs Si-gismund im Jahr 1412 erklärt (es war am Mittwoch nach Ostern). Dieses Recht verlor die Stadt laut Anordnung der Zipser Gespanschaft im Jahr 1885.

Kniesen trug gemeinsame Schicksale wie die anderen Zipser Städte. Den Ruhm brachte ihm das hohe Niveau von Handwerken und Zünften, die hier schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt waren. Zu den ersten bekannten Handwerken gehörten Brauermeister, Schmieder, Schneider und Schuhmacher, die ihre Ware nicht nur auf den Jahrmärkten zu Hause, sondern auch im benach-barten Polen verkaufen konnten. Als Interessantes erwähne ich, dass man in den Eintragungen der Brauerzunft aus dem Jahr 1668 schreibt, Bier dürfen gleichzeitig zwei Meister verkaufen, aber nur einmal in 8 Tagen. Jeder von uns erinnert sich mehr oder weniger gern an die Schulzeit. Die Geschichte der Schule beginnt schon im 15. Jahrhundert, als das Schulgebäude an der Kirche
stand. 1840 wurde aus Mitteln des Kaisers Ferdinand V. das neue Gebäude gebaut. Die lebenden Zeugen erinnere ich nur an die Namen Alexander Kollbay, Maria Gondžinska, Edith
Hesse, Franz Lindenthal und viele andere.

Seit dem Jahr 1820 dient den Gläubigen die römisch-katholische Kirche des hl. Bartholomäus. Das Gebäude des Rathauses, das seinem Zweck bis heute dient, wurde 1880 gebaut. Beim Blättern in historischen Eintragungen umging ich auch die Einwohnerzahl und ihre nationale Struktur nicht. Die höchste Einwohnerzahl in ihrer Geschichte erreichte die Gemeinde im Jahr 1850 (1341), dann 1880 (1295, davon 1034 Einwohner deutscher Nationalität). In der Gegenwart hat Kniesen 1355 Einwohner, davon meldeten sich zur
deutschen Nationalität bei der letzten Volkszäh-lung 18 Einwohner.

Nicht nur Kniesen, sondern alle Zipser Gemeinden erlebten während ihres Bestehens Jahre berühmter Geschichte, Blütezeit der Handwerke, des Kultur- und Gesellschaftslebens, an dem im bedeutenden Mass gerade die Deutschen teilnah-men. Die Zips erlebte auch bewegte Kriegsjahre und was diese nicht zu zerstören und zu verwüsten vermochten, beendeten Naturkatastrophen und Epidemien. Zur Ehre der Gründer des Ruhms und guten Namens ihres Geburtsortes trug auch das friedliches Zusammenleben von Deutschen mit Slowaken, Polen und Russinen bei. Leider beraubten die Ereignisse des II. Weltkrieges auch die ehrlichsten Einwohner der Gemeinde um Illusionen und Freude aus dem Leben. Ihren Geburtsort mußten über 500 Deutsche verlassen, später wurden ca 100 interniert, von denen nur ein geringer Teil bis heute in der Gemeinde blieb. Die Schicksale von Vertriebenen und eine neue Heimat suchenden Leuten sind uns einigermaßen bekannt, auch wenn viele von ihnen bis heute mit einem Geheimnis umhüllt sind. Es wird uns freuen, wenn uns noch lebende Zeugen dieser Zeit - Landsleute aus Kniesen - in die Redaktion schreiben.

Ich schließe das große Buch der Geschichte der ehemaligen stolzen Zipser Stadt und im Gedächtnis kehre ich in die Gegenwart zurück. Ich steige aus dem Bus aus, der mich vor die alte Schule brachte und denke nach, wo ich anfangen soll. Es half mir der Zufall. Aus der Ortskirche kommen von der gerade beendeten Morgenmesse in kleinen Gruppen die Gläubigen heraus. Im Gesprächgewirr höre ich Deutsch. Ich bleibe bei Frau Eleonore Simonik, Elisabeth Kiszelyi und Rosi Kschenschigh stehen. “So wurden wir alt, die Kinder wuchsen uns auf, heirateten, gingen aus dem Geburtsort weg und von uns Deutschen blieb so herzlich wenig. Wir leben nur mehr mit unseren Erinnerungen”. In einem kurzen aber wertvollen Gespräch verweile ich auch mit Frau Elli Scholtz-Simak. Diese von Energie sprühende Frau ist die lebende Legende der Geschichte von Kniesen. Sie legt mir nur einen Wunsch ans Herz, die Reinheit der Sprache in unserem Monatsblatt und lädt mich zu Besuch ein. Leider wurde uns ein weiteres Treffen nicht gegönnt und so richte ich aus: “Ich komme, geehrte Frau Elli sicher vorbei. Mit Ihnen kann man sich nämlich immer über etwas unterhalten!” Unsere Landsleute aus Kniesen sind im KDV in Kesmark organisiert, wo sie zu den sehr aktiven Mitgliedern gehören.

Ich spaziere auf der Winter- und auch Sommerseite der Hauptstraße, ich mache noch auf dem Friedhof halt, - dem stummen Zeugen längst vergangener Zeiten. Pünktlich zur vereinbarten Zeit treffe ich mich mit dem jetzigen Bürgermeister Herrn Štefan Krafèík (1938). Im gemütlichen Arbeitszimmer des rekonstruierten Rathauses spielen sich gegenwärtige Schicksale der Gemeinde ab. Wunderschöne Holztäfelung, Boden und Türen des Rathauses stellten hiesige Meister her. Es liess sich dabei auch die Geschicktheit des Bürgermeisters nicht verleugnen, der Absolvent der Bau- und Holzgewerbeschule in Prešov ist. Ich teile mit ihm Freuden und Leid seines Berufs, weil diese vielleicht jeden Bürgermeister in der Slowakei begleiten. Das größte Problem ist auch in Kniesen die hohe Arbeitslosigkeit (über 32%) und Mangel an Geld. Er ist der Bürgermeister einer Gemeinde, die eines des größten Gemeindegebietes im Kreis besitzt. (zusammen mit Forst im Militär-Gebiet 2590 ha) Arbeitsmöglichkeiten gibt es wenig. Die landwirtschaftliche Genossenschaft und die Firma Zamer orientieren sich auf die Futterproduktion und Schweinezucht. Die Gemeinde allein bietet Arbeitsmöglichkeiten für 15-20 Saisonarbeiter. Die Gemeinde stellt 17 Angestellte in der Gemeindeverwaltung und in der Tisch-lerwerkstatt an und kümmert sich um das Forstrevier der Gemeinde im Ausmass von 1521 ha. Auch in der Kreisstadt Alt Lublau (Stará ¼ubovòa) wurden alle größeren Betriebe aufgelöst. Ich frage den Bürgermeister nach seiner Beziehung zu den Deutschen. Begeistert antwortet er mir, die Gemeinde unterhalte lebendige Beziehungen mit den in Deutschland lebenden Landsleuten, von denen v. a. Herr Wilhelm Nigrini der Initiator der Sammlung für die Renovierung von Altären in der Ortskirche war. Die deutsche Messe fand gerade bei ihrer Installation statt. Die Messe las der Pfarrer Herr Meers-mann. Ich komme dem Wunsch des Bürgermeis-ters nach und auf diese Art grüße ich alle Landsleute aus Kniesen und bedanke mich bei ihnen für finanzielle und moralische Hilfe. Sie sind in ihrem Ge-burtsort immer herzlich willkommen.

Das gegenwärtige Kultur- und Gesellschaftsleben konzentriert sich im neuen Kulturhaus. Sein Gehalt sind die Gemeindebibliothek, Aktivitäten der Grundschule und des Kindergartens. Auch hier lebt die junge Generation im Disco-Rhythmus. Man vergißt auch Fasching nicht und Treffen mit Rentnern und Müttern anläßlich des Muttertages.

Ich nehme Abschied von Herrn Krafèík und seiner Frau Marta (die nebenbei die Tochter von Stefan Alexy ist und selbst Leiden der Evakuation deutscher Einwohner erlebte) mit dem Versprechen, dass auch mittels unseres Monatsblattes seine Leser über die Vergangenheit und auch Gegenwart von Kniesen nicht nur in der Slowakei, sondern auch in weiter Ferne erfahren.

Mein letzter Blick gehört der herrlichen Kirche, den Bürgerhäusern mit erhaltenen Fassaden, aber auch ebenerdigen Häusern, windend sich an der Hauptstraße, der seinerzeit berühmten Bernsteinstraße, die den Süden und Norden Europas verbunden hatte. Sicher machte sich mancher Händler oder Handwerker aus Kniesen auf ihr nach seinen Geschäften auf den Weg, um schon damals den Ruhm seines Könnens und seiner fleißigen Hände zu verbreiten.

P.S. Irgendwo las oder hörte ich, dass der deutsche Name aus “Knie sehen” stammt. Ob es
stimmt, weiß ich nicht, das könnten unsere Leser beurteilen. Vladimír MAJOVSKÝ

 

 

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