Medzev/Metzenseifen

Im ungarischen Schwabenland

Unsere Tanzgruppe Schadiradtam/Metzenseifen folgte der Einladung des Vorsitzenden der Ortsselbstverwaltung der Ungarndeutschen in Wetschesch Hr. Michael Frühwirth zu einer Kulturveranstaltung am 20. Feber. Nach der planmäßigen Ankunft und dem herzlichen Empfang durch unsere Gastgeber, besichtigten wir den Neubau einer modern ausgestatteten Schule in Begleitung ihres Direktors Hr. Dr. Patkós József. Im Schulprojekt wurden besonders die architektonischen Eigenheiten des regionalen Baustils betont. Unter den vier Grundschulen in Wetschesch wird in dieser auch ein fünfstündiger wöchentlicher Deutsch-unterricht erteilt. Die Ortschaft selbst, mit einer Einwohnerzahl von rund 20.000 Einwohnern wurde noch nicht zur Stadt erhoben und gehört be-stimmt zu den größten Ortschaften Ungarns. Die unmittelbare Nähe zu Budapest könnte der Grund dafür sein. In der beinahe ununterbrochenen Häuserreihe kommt überraschend der Hinweis durch das ungarische und deutsche Ortsschild, dass man die Großstadt schon verlassen hat.

In den Nachmittagsstunden versammelte sich in der Aula der Schule eine ansehnliche Besucherzahl. Ein vielfältiges Angebot von einheimischen deutschen Tänzen und Volksliedern kam zur Aufführung. Unsere Tanzgruppe unter der Lei-tung von Mgr. Vilma Bröstl, zweisprachig deutsch und ungarisch vorgestellt von unserem Regionsvorsitzenden Ing. Bartolomej Eiben, begleitet von der Jugendmusikkapelle “Ameisen”, erntete grossen Beifall. Es war für viele der Anwesenden unbekannt, dass wir uns als Karpatendeutsche in der Slowakei für die Bewahrung unserer Identität genauso bestreben. Man kann den Ungarndeutschen nicht verübeln, dass der Programmablauf ungarisch komentiert wurde. Der spürbare deutsche Belebungswille hat bei den Auftritten der Jugend verdeutlicht, dass es wieder aufwärts gehen wird. Die lange Zeitspanne der Madjarisierung konnte nicht spurlos an ihnen vorüber gehen. Viele ihrer Stammesgenossen sind der Entfremdung anheim gefallen. Die zahlreichen Kulturkörper von Tanz- und Gesanggruppen, sozusagen aller Altersstufen haben die Renaisaance des deutschen Kulturlebens in Wetschesch unter Beweis gestellt. Wir hoffen, dass es ihnen gelingen wird, sich in der Verwirklichung der Minderheitengesetze durchzusetzen, um einem besseren Jahrhundert entgegen zu gehen.

Nach der Veranstaltung kam es zu einem regen Informationsaustausch unter den Kulturaktivisten. Wenn die sprachliche Verständigung nicht reichte, wurde diese mit Gesten verständlich gemacht. Die nachfolgende Tanzunterhaltung aber überbrück-te alle Barrieren und setzte einen heiteren Schlußpunkt dem erlebnisreichen Tag. Bei Gastfamilien untergebracht, kam uns dann wieder die berüchtigte Gastfreundschaft zu Gute. Eine unausbleibliche Erwähnung gebührt einer auch uns aufge-tischten Spezialität, dem weit be-rühmten Wetscheschischen gefüllten Kraut.

Anläßlich des 200- jährigen Bestehens der Dorfschule in Wetschesch kam ein Jubiläumsband unter dem Titel “Es erzählt die Vergangenheit” zur Ausgabe. Brauchtum, Geschichte und Lebensweise der örtlichen Schwaben werden darin eindrucksvoll geschildert. Hoch einzuschätzen sind die Autoren aus der Reihe der Schülerschaft, die man mit ihren Aufsätzen zu Wort kommen ließ. Mündlich überliefert von den Großeltern, wurde die traurigste Epoche des über 200 Jah-re bestehenden Ungarndaseins dokumentarisch verarbeitet. Der Schuldirektor Dr. József Patkós hat mit dieser Ausgabe auch unserer Lehrerschaft einen Weg gezeigt, wie man in der Schülerschaft Interesse an der Historie wecken kann, um sie wahrheitsgemäß und unverfälscht widerzugeben.

Unter der Regierung des Kaisers Josef des II. (1780-90) wurden die durch die Türkenkriege dezimierten menschenleeren Gebiete Ungarns erneut besiedelt. Aus der Ulmer Gegend kamen die Schwaben auf Wohnkähnen den sog. “Ulmer Schachteln”, die sie auf den Fluten der Donau stromabwärts steuerten. In der neuen Heimat im ungarischen Tiefland angekommen, wurden die Kähne zerlegt und dienten als Baumaterial für die neuentstandenen Dörfer. Sie ließen die verkommenen Landstriche bald aufblühen, so wie ihre Vorgänger, die unter den Regenten Géza II., Andreas II., Béla IV., Karl VI. und Maria Theresia ins Land kamen. Sie brachten dem Land der neuen Heimat einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung und beschleunigten die Integration in die christlich-europäische Gemeinschaft. Den Neusiedlern wurden von den Regenten reichliche Privilegien er-teilt, deren sie sich durch Fleiß und Wissen durch die Jahrhunderte würdig erwiesen. Das 20. Jahrhundert aber kehrte ihnen den Rücken und übte schmählichen Verrat durch verbrecherische Gesetze der Nachkriegszeit des II.Weltkrieges. Verschleppung, Enteignung, Vertreibung und allen Menschenrechten widersprechende Behandlungen, das wurde der Dank der Heimat. Man nützte den Vorwand der Kollektivschuld auch in Ungarn, um sich noch der restlichen, nach der seit 1867 angelaufenen Madjarisierung verbliebenen deutschen Minderheit zu “entledigen”. Die in rund 200 Ortschaften verbliebenen Überreste der deutschen Minderheit versuchen tatkräftig den Kindern und Enkelkindern die deutsche Sprache zu vermitteln. Leider sind die Regierungsstellen öfters schwerhörig bei der Unterstützung dieses Vorhabens.

Am folgenden Tag hieß es Ab-schied nehmen von unseren ungarndeutschen Freunden. Noch eine Rundfahrt durch Budapest in Begleitung einer Deutschlehrerin, die uns die Sehenswürdigkeiten der Donau-metropole kommentierte. Dann traten wir den Heimweg an. Bestärkt in der Feststellung, dass wir unser Freundschaftsnetz vergrössert, weit über die Grenzen ausgebreitet haben. Walter BISTIKA

 

 

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