Maria soll Göttin werden !?
Es mag zwar ein wenig dramatisch und keineswegs überspitzt klingen, aber die
klitzekleine Insel der interreligiösen Verständigung scheint im Zuge einer
gewaltigen Überflutung unterzugehen. Eine Insel, die, symbolisch dargestellt,
einer Plattform gleicht, rings umgeben von Mißverständnissen, Monologen,
Diffamierungen, Vorurteilen und Gewalt, als jahrhundertealte Begegnungsstätte
der Offenbarungsreligionen, die in ihrem Bestreben all diese Gefahren zu
zerschlagen, nunmehr selbst bedroht sind, von riesigen Wassersäulen erschlagen
zu werden.
Nun, was aber verbirgt sich hinter diesem zerstörerischen Szenario? Welcher
Gefahr ist diese Plattform eigentlich ausgesetzt? Vielleicht müssen wir viel tiefer
in dem brodelnden Kessel der Menschheitsgeschichte umherrühren, vielleicht
müssen wir auch, im wahrsten Sinne des Wortes, bei Adam und Eva beginnen,
um die Ursache dieser Bedrohung ausfindig zu machen. Folgendes aber können
wir jetzt schon klarstellen: Tatsächlich besteht eine Kausalität zwischen unserer
Insel, der Gefahr, dem Kessel und Adam und Eva.
Versuchten wir die Irrungen und Wirrungen der Menscheit seit Adam und Eva
bis in unsere heutigen Tage auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so hieße
die Lösung : GÖTZENDIENST. Die Prophetenbiographien lehren uns, daß
allen Gesandten primär folgende Aufgabe auferlegt wurde: Die Menschen
aufzurufen, sich von den Götzen abzuwenden und in aufrichtiger Ergebenheit nur
den einen Gott, ALLAH, anzubeten. LA ILAHE ILLA ALLAH (keine Gottheit
außer ALLAH) war die Botschaft aller Propheten.
„Und dem Moses gaben Wir die Schrift und ließen ihm Gesandte
nachfolgen; und Wir gaben Jesus, dem Sohn der Maria, die deutlichen
Zeichen und stärkten ihn mit dem Heiligen Geist. Sooft euch aber ein
Gesandter brachte, was euch nicht gefiel, wurdet ihr da nicht hoffärtig
und ziehet einen Teil der Lüge und erschlugt andere?“ (2:87)
„Götzendienst in unserer Gesellschaft, auf unseren Breitengraden? Unmöglich!“
Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Wir leben in einer Zeit, in der die
Anbetung von Götzen in mannigfaltiger Art und Weise geschieht und ihren
Höhepunkt erreicht hat. Den Dienst an eigenhändig geformten Götzenfiguren,
den Glauben an mehrere Götter, würden wir heutzutage als „rückständig“, sogar
als „unzivilisiert“ bezeichnen und belächeln, ohne zu bemerken, daß die
unaufhörliche Gier nach Ruhm, Reichtum und Macht
die Götzenfiguren enthauptet und sich an ihrer Stelle „statuiert“ hat. So schleicht
sich dieses „unzivilisierte“ Verhalten in unseren Alltag hinein und wird obendrein
noch gesellschaftstauglich gemacht. Götzendienst kann sich aber auch auf eine
ganz andere Art und Weise manifestieren. Wo das Streben nach materiellen
Gütern und Ruhm abgelehnt wird, da greift man auf scheinbar edlere Motive oder
Objekte zurück. Die Skala der Verehrung z.B. von Vorbildern reicht vom Idol,
über Kultfigur, bis hin zur Vergöttlichung. So spiegeln Bezeichnungen wie
Fußballgott, King of Pop und God of House-Music diese fatale Entwicklung
wider. Das Paradoxe an der ganzen Angelegenheit ist, daß diese Entwicklung
sogar vor religiösen Figuren keinen Halt macht. Propheten werden zu Gottheiten
erhoben, obwohl sie es doch waren, die die Menschen zum Monotheismus
aufriefen. Ja, wir sind über Umwege wieder einmal beim Thema Jesus angelangt.
Jesus, Sohn der Maria, als Scheidepunkt, an dem sich die Wege trennen. Eine
Aufarbeitung dieses Themas, was leider für viele abgegriffen und „ein alter Hut“ zu
sein scheint, aber meiner Meinung nach für das Verständnis unserer derzeitigen
Situation unerläßlich ist, kommt für viele nicht in Frage, weil erstens: über
Glaubensgrundsätze „grundsätzlich“ nicht diskutiert wird und zweitens: man fest
davon überzeugt ist, daß die Lehre der Dreieinigkeit für uns Muslime sowieso ein
Mysterium darstelle und wir dem Inhalt dieser Lehre nicht gewachsen seien, so
verlautbarte es ein Verfechter der Trinität. Die Möglichkeit, über
Glaubensgrundsätze zu diskutieren, von vorneherein abzuweisen, bewerte ich
entweder als Ignoranz oder als Vorwand, um fehlende Sachkenntnis zu
kaschieren. Daß die Dreieinigkeit für die Muslime ein Mysterium sei, dem stimme
ich ganz und gar zu, mit dem Zusatz, daß sie ein solches auch für ihre Verfechter
darstellt. Da wir dieses Thema in der zweiten Ausgabe der KAABA (Jesus im
Qur’an) gesondert behandelt haben, möchte ich an dieser Stelle mit dem
eigentlichen Thema fortfahren. Zurück zu unserer Insel, der Begegnungsstätte der
Offenbahrungsreligionen. Hier wurde seit geraumer Zeit versucht, so gut es geht,
die interreligiöse Verständigung aufrecht zu erhalten. Manchmal erfolgreicher,
manchmal weniger. Vordergründig war/ist der Austausch von Informationen
gewesen, die es ermöglichen sollten, für ein bißchen mehr Verständnis zu sorgen.
Natürlich bildeten sich zeitweise, im Zuge der kritischen Näherung, auch
Reibungspunkte, die keinesfalls gemieden werden wollten und konnten.
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