Newsletter-Archiv

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    Newsletter "de.jp.Freundeskreis"           02.10.2004
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Ohayou gozaimasu ! Guten Morgen !
Sie können sich sicher gut an die Wiedervereinigung der beiden deutschen Saaten erinnern.
Japaner haben es wahrscheinlich übers Fernsehen erfahren und Deutsche ganz real.
Es ist für Japaner bestimmt sehr interessant, aus der Sicht eines Deutschen die Geschichte der Deutschen Einheit zu erfahren !
Denis Tang berichtet.

Konnichi wa minnasan,

aus Anlaß des am Sonntag zu begehenden "Tages der Deutschen Einheit" und den in letzter Zeit wiederholt berichteten Umfragen über die Gefühle der Deutschen bezüglich des damit begangenen Ereignisses, schreibe ich mal meine Sicht der Dinge zu diesem Thema.

Wie bekannt, kam es infolge der Herbstdemonstrationen von 1989 und des daraufhin einsetzenden Zerfalls der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Jahre 1991 zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Der Enthusiasmus auf beiden Seiten war groß, zumal die reale Chance dafür nach 40 Jahren Teilung den meisten Deutschen nur noch als theoretisch erschien. Diese unverhoffte Möglichkeit erzeugte in ganz Deutschland ein einmaliges, weil echtes und ehrliches Gefühl der Zusammengehörigkeit und den Glauben an den Aufbau einer neuen, gemeinsamen Republik. Ein Gefühl, das leider nicht sehr lange anhielt.

Den Bürgern in der nun ehemaligen DDR wurde als logische Konsequenz der Wiedervereinigung eine Angleichung ihrer Lebensverhältnisse an die Gegebenheiten der ehemaligen Bundesrepublik und damit der Anschluß an westliche Standards in Aussicht gestellt – eine Tatsache, die vielen den Abschied aus der Vergangenheit und den Blick in eine "neue" Zukunft erleichterte. Und die meisten "Neubürger" waren davon überzeugt, dass dies alles in relativ kurzer Zeit bewältigt werden könnte. Es herrschte eine allgemeine Aufbruchstimmung und die Bereitschaft, die sich bietenden Chancen zu nutzen. Leider hatte man in diesem Zusammenhang übersehen (oder aus politischem Opportunismus verschwiegen), dass es mit der wirtschaftlichen Situation der ehemaligen Bundesrepublik schon nicht mehr zum besten stand und man ohne Wiedervereinigung auf dem besten Wege in eine Rezession gewesen war. Die Umstände des Zusammenschlusses beider deutscher Staaten vermochten dies einige Zeit hinauszuschieben – aber das Versäumnis von grundlegenden Strukturreformen musste über kurz oder lang doch die entsprechenden negativen Folgen zeitigen. Die Auswirkungen waren für die neuen Bundesländer besonders unerwartet und hart, da der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung nun nicht in einem notwendigen Maße zustande kam, um eine selbsttragende Wirtschaftsstruktur aufzubauen. Dies führte zu Arbeitslosenzahlen von weit über 20 Prozent (durch Statistikmanipulationen und ABM-Massnahmen offiziell geschönt), einer flächendeckenden De-Industrialisierung (die westdeutschen Kapazitäten waren ausreichend für die gesamte Republik) und einer beginnenden Unzufriedenheit der vermeintlichen Verlierer der Wiedervereinigung.
Um diesen Auswirkungen entgegenzusteuern, begannen die Transferleistungen von West nach Ost, sowie die zusätzlichen Belastungen aller in eine Art Dauerzustand auf sehr hohem Niveau überzugehen, ohne Aussicht auf eine positive Veränderung in absehbarer Zeit. Das führte zu Unverständnis und Missgunst in Teilen der westdeutschen Bevölkerung, zumal sich deren Situation gleichfalls verschlechterte und sich Ihnen der Osten mehr und mehr als Fass ohne Boden darstellte.

Wenn man nun in letzter Zeit die Äußerungen hoch- und niederrangiger Politiker zu diesen Problemen einerseits und diejenigen der unabhängigen Medien andererseits betrachtet, erweckt es den Anschein als sollte dieses Gefühl von gegenseitigem Misstrauen auf längere Sicht konserviert werden. Es werden häufig pauschalisierte Urteile abgegeben, welche den jeweiligen Sündenbock zu diskreditieren und zu diffamieren versuchen. Es wird beispielsweise den gegen Hartz IV demonstrierenden mehrheitlich Ostdeutschen unterstellt, demokratiefeindlich und staatssubversiv – zumindest aber rückwärtsgewandt, uneinsichtig und beschränkt zu sein. Ostdeutsche fühlen sich als Menschen zweiter Klasse, sowie ungerecht behandelt und werfen den Westdeutschen Arroganz, Dummheit und Obrigkeitsgehabe vor.
Es ist vermutlich nicht ganz einfach nachzuvollziehen, warum wir Deutschen der Meinung sind, uns auf diese Art und Weise miteinander beschäftigen zu müssen. Allerdings halte ich solche merkwürdigen Entgleisungen – abweichend von der überproportionalen Medienaufmerksamkeit – nicht für flächendeckende Phänomene, sondern eher für eine verzerrende Wiedergabe von Einzelmeinungen, die entweder dem Profilierungsstreben von Politikern bzw. der Sensationsgier der Medien entspringen. Eine Umfrage die zu dem Ergebnis kommt, dass sich 15 Prozent hier oder 20 Prozent dort für die Wiedererrichtung der Berliner Mauer und die daraus folgende erneute Teilung aussprechen würden, spiegelt sicherlich nicht die Realität oder eine Mehrheitsmeinung wider. Nach 13 Jahren ist die Wiedervereinigung – nicht perfekt, aber vermutlich im Rahmen der Möglichkeiten und den solchen Prozessen immanenten Reibungsverlusten – auf einem guten Weg. Vielleicht bedarf es einfach etwas mehr Unaufgeregtheit und Geduld!
  – die nachfolgenden Generationen werden auf jeden Fall selbstverständlicher damit umgehen können.

In diesem Sinne – schönen Feiertag, auch wenn es ein Sonntag ist.

Denis Tang


+Ankündigung
Stamm-Chat:Dienstag, Donnerstag und Samstag ab 15:00 Uhr (in Japan ab 22:00 Uhr an dem Tag)
Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag ab 22:00 Uhr (in Japan ab 5:00 Uhr am nächsten Tag)
Thema-Chat am Sonntag: Morgen chatten wir über dieses Thema "deutsche Wiedervereinigung" ab 15Uhr (in Japan ab 22Uhr)!

+Gruß
soredeha minasan sutekina shuumatsu wo osugoshikudasai !
Wir wünschen allen schönes Wochenende !


Alles Gute und bis bald
Ihr Newsletter Team


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