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Wenedikt Jerofejew: "Die Reise nach Petuschki" (Gelesen von Robert Gernhard, Harry Rowohlt und Josef Bilous) Wenedikt Jerofejew studierte in Moskau und Wladimir Geschichte und Literatur. Dann flog er von der Universität, schlug sich als Heizer, Pfandflaschenannehmer, Milizionär, Straßenarbeiter und Fernmeldemonteur durchs Leben; und irgendwann schrieb er "Die Reise nach Petuschki": eine Art literarisch-halluzinatorisches Delirium oder ein autobiographisches Epos, vollgesogen mit Hochgeistigem wie eine Sprachsymphonie in Wodka. Jerofejew besteigt mit seinem Köfferchen voll Schnaps am Kursker Bahnhof den Vorortzug von Moskau nach Petuschki und säuft sich die Stationen entlang, bis Mitreisende und Hauptakteur nicht mehr wissen, ob Dante sich das Inferno in einem Vollrausch von der Seele geschrieben hat oder ob sich der alltäglich in Schnaps zu ersäufende Wahnsinn des real vegetierenden Sozialismus bloß mal wieder am Plansoll reibt. Das Buch erschien - man darf raten, weshalb - auf russisch erstmals in Israel 1973. In der Sowjetunion aber brauchte es bis zum Jahre 1988. Dann wurde es in der Zeitschrift "Nüchternheit und Kultur" abgedruckt. In deutscher Übersetzung erschien es 1978 bei Pieper und Robert Gernhard charakterisierte es zehn Jahre später in einer, wie er sagte, "Kurzkritik für den eiligen Leser" als: "Russisch! Literarisch! Ungewöhnlich komisch! Kaufen! Lesen! Lachen! Wobei das Lachen manchmal..." Und so ist es dann auch. Der Hintergrund des Buches ist das unendliche Sibirien der Zeit vor Glasnost - ob es danach besser wurde, möchte ich nicht beurteilen, jedenfalls wurde der Wodka von den neuen Moralwächtern erstmal offiziell missbilligt, und Gorbatschow fand sich im Westen auch prompt auf Flaschenetiketten wieder. Vorher aber durfte der Alkohol Stilmittel sein und in der Einöde aberwitziger Politkapriolen (wir schreiben die Ära Breschnew) gerät das Philosophieren über Gott, den Atheismus, die Welt, den Teufel (der ja den Schnaps gemacht hat) Komsomolzen, Parteimitglieder, vergewaltigte Blondinen und die Frage, wieviele parteilose Brünette im großsozialistischen Reich unberührt blieben, zu einer Tour de Force der augenzwinkernden Realsatire. Man mag über die Folgen des Alkoholgenusses denken, wie man will. In der Literatur jedenfalls hat sich das Hochgeistige noch immer vom Hochgeistigen befruchten lassen. Und Robert Gernhard bringt es auf den Punkt, wenn er die gängige Taktik der Kritiker dieses Buches beiseite wischt mit den Worten: "'Russland aus der Sicht eines Trinkers', ' Wodka Reise', 'Trunksucht - ein nationales Laster' sind ihre Rezensionen überschrieben [...] Genausogut könnte man Burroughs 'Naked Lunch' als 'Drogen-Roman aus den USA' oder Hemingways 'Der alte Mann und das Meer' als 'Angler-Roman aus der Karibik' bezeichnen. [...] Jerofejew schildert Rußland und den Rest der Welt nicht aus der Sicht eines Trinkers, sondern aus der Sicht dessen, der nicht mehr bereit ist, sich auf irgend etwas ernsthaft einzulassen, weder auf die Trunksucht seines Helden noch auf den Sozialismus noch auf den Kapitalismus noch auf sonstige historische, geistige oder emotionale Werte." Die Lesung dieses Geheimtips für Leute, die nach mehr verlangen als der monatlichen "Titanic", ist ein wunderschönes Beispiel dafür, dass Hörbücher die Leseversion eines Buches durchaus bereichern können. Die Live-Atmosphäre der Aufnahme springt über und schafft jenen Effekt, den Cineasten vom Kinobesuch kennen (wer lacht schon bei Woody Allen vor der heimischen Glotze). Die Vorlesenden wissen das Kitzeln der Worte zu setzen: Robert Gernhard als Lyriker, der den Witz in die hochernste Angelegenheit des Dichtens zurückgeholt hat und als Titanic-Mitarbeiter sowieso weiß, dass jenseits aller tiefgründigen Monumentalität immer noch die Satire lauert. Josef Bilous, der schon allein durch seinen russisch klingenden Akzent Authentizität in die Lesung bringt. Und Harry Rowohlt, der mit seinem Alter Ego "Pu der Bär" zumindest eines gemeinsam hat: den Sinn für den kleinen "Mundvoll" Geistiges. In diesem Sinne also: Prost! live aufgenommen im Literaturhaus Hamburg am 27.
Januar 1998 · 4 CDs/ 4 MCs 4 Std 50 Min. · Kein & Aber Records im Verlag
Antje Kunstmann 1998 |
Keinakter Theater Kritik Manche haben lieber ein ausgestopftes Reh.
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Der Streit (Pierre de Marivaux) Der Fürst und Hermiane streiten über die Frage, wer in der Liebe zuerst untreu wurde: die Männer oder die Frauen. Ein Versuch soll Klarheit schaffen. Zwei Männer und zwei Frauen, die isoliert aufwuchsen, werden aufeinander losgelassen zurück zur Übersicht Josef Bilous |
Punta Grande (1996, Kino) Inhalt: Die vergnügte Urlaubsreise durch Argentinien wird für eine kleine Familie zur Katharsis, als sie in dem entlegenen Hotel "Punta Grande" absteigt. Fred (Josef Bilous), sonst immer in Angst, ein Seitensprung könnte seine Ehe zerstören, beginnt eine leidenschaftliche Romanze mit Ines, einer Minnesängerin. Lilian, Freds Ehefrau, die ihre dunklen Leidenschaften nicht verleugnen kann, bringt Fred durch eine Affäre mit dem Barmann zur Raserei. Luzi, die zehnjährige Tochter, versucht verzweifelt, den Amoklauf in den Herzen ihrer Eltern zu stoppen. Der Padron, Chef des Hotels und Liebhaber seiner Zwillingsschwester, betrachtet das Treiben verwirrt. Mit Lichtgeschwindigkeit nähert sich sowohl die Katastrophe als auch das Happy End. Darsteller: Kritik aus "Die Welt" |