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Marlene Dietrich als Idol der Homosexuellen – eine Ausstellung im Schwulen Museum Von Wolfgang Theis „Marlene Dietrich! Wer ist Marlene Dietrich?“ So bissig soll die „göttliche Garbo“ auf die Frage nach ihrer größten Rivalin im Film wie auch im Privaten reagiert haben. Getroffen haben sich die beiden Diven nie – dennoch gibt es viele Berührungspunkte. Zeitweise teilten sie sich die gleiche Geliebte: Mercedes de Acosta. Von Greta Garbo verstoßen, von der Dietrich gehätschelt, sorgte diese Mesalliance für reichlich boshaften Klatsch – sowohl in Marlenes Bekanntenkreis als auch in dem der Garbo. Zwei konkurrierende Hofstaaten beäugten sich, jeder Schritt wurde registriert, kommentiert und mit Lust kolportiert. Noch war die Garbo Hollywoods größter Star. Marlene setzte ihren ganzen Charme ein, um von Cecil Beaton, dem engen Freund und Leibfotografen der Garbo, fotografiert zu werden. Nach anfänglichem Sträuben ergab sich Beaton diesem Sperrfeuer. Was die Garbo davon hielt, ist nicht überliefert. Solche Storys und die beiden geradezu revolutionären Auftritte als „kesser Vater“ in Josef von Sternbergs Filmen „Marokko“ und „Blonde Venus“ waren es, die Marlenes Status als lesbischer Kultstar begründeten. Obwohl der beiläufige Kuss einer Frau und das Tätscheln der Revuegirls nicht mal zwei Minuten in Anspruch nahmen, waren sie für das lesbische Selbstverständnis von enormer Bedeutung. Marlenes androgyne Reize, durchaus
schon in ihren Berliner Jahren vorhanden, wurden von Sternberg raffiniert
verfeinert. Er verstand es, mit Hilfe eines Heeres von oft schwulen Kostümbildnern,
Friseuren und Fotografen, das Bild einer emanzipierten, gefährlichen
Frau zu kreieren, die sowohl auf Männer als auch auf Frauen erotisch
wirkte. Gerade der Camp-Charakter ihrer Sternberg-Filme, die ironische
Berechnung des herrschenden Frauenbildes im kunstvollsten Melodram, der
Glamour und die übergroßen Gefühle in äußerst
reduzierten Gesten machen bis heute starken Eindruck auf Marlenes wohl
größten Verehrerkreis: schwule
Sie liebte es zeitlebens, in Männerkleidern aufzutreten. Darin war sie zwar nicht die Erste, wohl aber die Konsequenteste, Eleganteste und Erfolgreichste. Bis auf den heutigen Tag werden ihre Posen nicht nur von Schauspielern und Showstars, sondern auch von bildenden Künstlern zitiert und imitiert. Ihr selbst waren die ständigen Huldigungen ein Gräuel: „Immer diese albernen Strumpfbänder und diese Tonne – einfach furchtbar“, klagte sie. Auch die Homosexuellen blieben nicht verschont. In ihren Memoiren geißelte sie deren trauriges Schicksal. Aber die Fans waren nicht nachtragend, stillschweigend übergingen sie die Altersbosheiten – zumal bekannt war, dass sie es liebte, stundenlang mit Schwulen und Lesben am Telefon zu tratschen. In Berliner Künstlerkreisen wurde Dietrichs Verhältnis mit Claire Waldoff leidenschaftlich erörtert. Der Song „Meine beste Freundin“, den sie 1928 zusammen mit Margo Lion sang, entwickelte sich schnell zum Hit der Saison. Die lesbischen Zwischentöne seien, so sagte Marlene später, nicht wirklich beabsichtigt gewesen. In Hollywood hat sie dann gerne ganze Abendgesellschaften mit ihren Fraueneroberungen schockiert. Marlene, die fröhliche Bisexuelle, hat sich kaum eine erotische Gelegenheit entgehen lassen. Während ihrer Beziehung mit Jean Gabin pflegte sie eine keineswegs nur platonische Freundschaft mit Edith Piaf. 1935 trug sie auf einem Kostümfest in Hollywood das legendäre Partykostüm „Leda und der Schwan“, und ihre Begleiterin Elizabeth Allan kam als Marlene im Frack – die Sensation war perfekt. Vielen galt dieser Auftritt als lesbisches Coming out oder doch als ein Eingeständnis ihrer Bisexualität. Schon Ende der 20er Jahre hatte die Dietrich, wohl auf einem Maskenball, das damals beliebte Kostüm des „Knaben in Blau“ – nach einem Gemälde von Gainsborough – getragen. In schwulen Kreisen galt der Besitz einer Reproduktion dieses Bildes als eindeutiges Zeichen der Zugehörigkeit. Solche Freizügigkeit begeisterte natürlich ihre vielen schwulen Freunde. Briefe belegen, dass die Schauspielerin durchaus Spaß an der gesteigerten männlichen Hysterie ihrer Verehrer hatte. Der emigrierte Schauspieler Hans von Twardowski und sein Freund Martin Kosleck gehörten Anfang der 30er Jahre zum Hausinventar und waren als Zuträger von Klatsch ebenso willkommen wie Clifton Webb, der die Kunst der Anzüglichkeit auf hohem Niveau beherrschte. Travis Banton, alkoholsüchtig, schwul und genial, entwarf in enger Zusammenarbeit mit Marlene alle Kostüme für ihre Filme bei Paramount und nebenbei auch Roben zum privaten Gebrauch. Mitchell Leisen, einer der erfolgreichsten Frauenregisseure Hollywoods, unterstützte sie, als ihre Karriere einen Tiefpunkt erreicht hatte. Mit Noël Coward verband sie eine lebenslange Freundschaft, die trotz Krisen bis zum Tode Cowards anhielt. Jean Cocteau und sein Liebhaber Jean Marais vergötterten die Dietrich – überhaupt war sie mit fast allen schwulen Filmgrößen ihrer Zeit befreundet, und der Rest hat sie hemmungslos verehrt. Der Autor ist Kurator der Ausstellung „Marlene und das dritte Geschlecht“ im Schwulen Museum Berlin (Süddeutsche Zeitung vom 7.12.2001) |