Von Peter Nics: Die älteste Beschreibung "Angusta vallis levibus adsurgit jugis, / Quae patula fagus, et nigrans pinus tegunt / P/acidum silentes.Rarus hic collem terit / Viator. Aedes insidet colli Sacra, / Quae subter audit rivuli streperam fugam. / Circum camini fossilem calcem coquunt „Johann Michael Denis, 1797. "Ein enges Tal, von Hügeln sanft umschlungen - / weit spannen Buchen ihr Geäst; / es ist, als ob die Stille schwarzer Föhren / sich fast mit Händen greifen lässt . / So steht gedankenschwer in sich versunken,/ der Wald in feierlicher Ruh', / und selten nur erbebt der Waldesboden / vom Tritt durch eines Wandrers Schuh. / Vom hohen Hügel grüßt ins Tal die Kirche, / ein steingewordenes Gebet, / und ihr zu Füßen rauscht ein munt'res Bäch1ein / ohn' Unter/aß von früh bis spät. / Und ringsherum, da herrscht geschäf­t'ges Treiben: Der Kalkstein aus der Felsenwand / wird emsig in den roten Feueröfen / von Meisterhand zu Kalk gebrannt. " (Nachdichtung Hannelore Nics, 1997) Die Wiese bei der Kaltenleitgebin Es ist gut und gern viertausend Jahre her, dass unsere jungsteinzeitlichen Urahnen in dieses Tal gekommen sind und hier die ersten Spuren in Form von Steinwerkzeugen hinterlassen haben. Dass auch zweitausend Jahre später das Tal nicht in Vergessenheit geraten ist, bezeugt der Fund von Römermünzen. Aber erst nach weiteren tausend Jahren taucht das erste schriftliche Zeugnis auf: 1002 wird die "Durra Liezniecha", die Dürre Liesing, die dieses Tal durchfließt, urkundlich erwähnt. Eine richtige Niederlassung darf aber deshalb noch lange nicht gegründet werden, weil das Gebiet seit dem frühen Mitte1alter zur so genannten Waldmark (später Wienerwald genannt) gehört, welche landesfürstliches Jagdreservat ist und nicht ohne weiteres besiedelt werden darf. Daher gibt es auch vorerst nur die Erwähnung einzelner Projekte: 1345 wird eine neue (!) Mühle errichtet. 1439 werden Kalksteinbrüche im Tal der Dürren Liesing verzeichnet. 1521 wird der Name Kaltenleutgeben erstmals bezeugt, vorerst allerdings nur als vage Lokalisierung einer Wiese "bei der Kaltn Leitgebin". Wenn man nun jene Erklärung bevorzugt, dass es sich um eine Wiese bei einer Quelle handelt, dann könnte - auch wenn am Südosthang des Tales mehrere Quellen nahe beieinander liegen - die Quelle beim Kirchenfe1sen, zu dessen Füßen später der Ort entsteht, gemeint sein und mit der Wiese die heutige Eiswiese. Ein Ort namens Kaltenleutgeben Erst 1601 taucht erstmals “Khaltenleuthgeben" als Ortsname auf; aber auch das vertraute "Khaltleuthge­bin" - nun ebenfalls solo - lebt weiter und zwar im Zusammenhang mit dem so genannten Pantaiding (-Büchel), einem Ortsrechtsbuch, das für Kaltenleutgeben, Purkersdorf, Laab i.W. und Gablitz erlassen wird. Es ist dies eine schriftliche Festlegung des für diese Orte des kaiserlichen Waldamtes (gegründet 1500) gültigen Rechtes. Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass jedem dieser Orte ein Richter und vier Vierer (Geschworene) zugestanden werden, was modern ausgedrückt bedeutet, dass von nun an ein Bürgermeister (alte Bezeichnung “Ortsrichter") und vier Gemeinderäte die Verantwortung tragen. Hans Landtschin d Ä. ist 1620 und 1625 der erste uns namentlich bekannte Ortsrichter. 1625 stehen 31 Häuser hier. Die Kalkbrenner kommen Indirekt verdankt die Siedlung Kaltenleutgeben ihre Entstehung der Ersten Türkenbelagerung 1529. Als die Belagerer erfolglos abziehen, gilt es gewaltige Schäden an Wiens mittelalterlicher Stadtbefestigung auszubessern. Dafür bedarf es enormer Kalkmengen., die von den bislang Weißkalkerzeugenden östlichen Wienerwaldrandorten (Rodaun, Kalksburg, Perchtoldsdorf usw.) nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden können. Nicht zuletzt auch wegen der riesigen Holzmengen, die zum Kalkbrennen benötigt werden, wird es nun unvermeidlich, die Kalkgewinnung auf den inneren Wienerwald, also ins landesfürstliche Jagdgebiet hinein, auszudehnen. Bei den "welschen" Kalkbrennern, die nun samt ihren Familien zur Unterstützung geholt werden., dürfte es sich um Ladiner (Rätoromanen) aus Friaul (Norditalien) handeln. Und so wird der Überlieferung nach ein Martin Valantin 1538 der erste Siedler im Dürrliesingtal. Aber auch Einheimische - und darunter sind sicherlich nicht nur Kalkbrenner, sondern wohl auch Holzarbeiter und Fuhrleute, ja vielleicht sogar schon Bauern - lassen sich bald hier nieder, was 1572 aus dem ersten erhaltenen Grundbuch, dem Urbar des Waldamtes Purkersdorf (als der zuständigen Verwa1tungsbehörde), hervorgeht, in welchem die Besitzer der bereits 20 Häuser umfassenden Ansiedlung namentlich angeführt werden. Insgesamt leben etwa 160 Personen hier. Allerdings gilt immer noch als Bezeichnung der Flurname “ bei der Khalt leuthgebin " oder "bei der Kalten Leitgebinn", wie es ein Jahr zuvor (1571) heißt. Das ist sogar noch 1590/91 der Fall als im Zuge einer Häuserzählung in Niederösterreich 28 Kleinhäuser "bei der Kaltleitgebin" angeführt werden. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Die Kalkbauern Die Wallfahrten, die nun bereits seit fast hundert Jahren Tradition sind, hören nach und nach ganz auf, nicht zuletzt als Folge der Reformen Kaiser Josephs II. Und zur Franzosenzeit 1806/1809 werden gar die vielen silbernen Opfergaben der Wallfahrer eingezogen und eingeschmolzen. 1809 müssen die Bewohner unter der französischen Besatzung viel erdulden. 1825 leben in 75 Häusern etwas mehr als 500 Menschen, d. h., dass die Zahl der Einwohner in den letzten 50 Jahren nur unwesentlich gestiegen ist, während sich die Anzahl der Häuser beträchtlich vermehrt hat. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kehrt in Kaltenleutgeben ein gewisser Wohlstand ein; fast jeder Bauer besitzt einen Kalkofen, der als Nebengewerbe betrieben wird, weshalb diese Bauern auch als Kalkbauern bezeichnet werden. Allerdings beginnt noch vor der Jahrhundertmitte der Übergang von privater Kleinproduktion zu industrieller Kalkerzeugung. Die ersten Kalk-Hochöfen 1846 wird der erste Kalk-Hochofen bei der Waldmühle errichtet, bald darauf einer bei Kaltbrunn. 1850, Kaltenleutgeben hat rund 650 Einwohner, finden auch die ersten freien Gemeinderatswahlen statt, der Ortsvorsteher heißt ab nun Bürgermeister und - unabhängig davon - der Lokalkaplan Pfarrer. 1871 erwirbt Emanuel Tichy das Werk Kaltbrunn und bald darauf auch die Kalkgewerkschaft Stollwiese. 1872 ist das Gründungsjahr des Männergesangsvereines und 1873 das der Freiwilligen Feuerwehr. 1874 wird der Friedhof bei Kaltbrunn aufgelassen, um dem Kalkwerk mehr Raum zu geben, und auf der Stierwiese wird der neue, noch heute existierende Waldfriedhof eingeweiht. 1875 löst ein längst fälliger Schulneubau auf dem Gelände des ehemaligen Forsthauses die viel zu klein gewordene alte Schule in der Promenadegasse unterhalb der Kirche ab (das Gebäude steht noch heute). Die Einwohnerzahl hat bereits die Tausendermarke überschritten: 1.266 Personen sind es im Jahre 1880. "Perlmooser" 1886 wird das Kalkwerk Stollwiese vom Werk Kaltbrunn wieder abgetrennt und untersteht als Kaltenleutgebener Cementfabrik der Geschäftführung von Theodor Pierus. Bereits 1894 wird sie mit anderen Zementbetrieben zu den Perlmooser Zementfabriken vereinigt. Die Kalkgewerkschaft Kaltbrunn bleibt weiter bestehen und stößt erst nach dem Ersten Weltkrieg zur "Perlmooser". 1889 wird ein Gendarmerieposten errichtet, 1898 ersetzt das Rathaus das alte Amtshaus der Gemeinde (vormals Forsthaus). Im selben Jahr wird eine Kinderbewahranstalt (=Kindergarten) eröffnet, 1900 die öffentliche Gasbeleuchtung eingeführt. Die Einwohnerzahl ist bereits auf 2. 119 Personen angewachsen, die in 264 Häusern leben. Bereits 1903 muß das einstöckige Schulhaus aufgestockt werden. Die ,,gute alte Zeit" geht nun langsam, aber sicher zu Ende. Nur noch für wenige Jahre des neuen Jahrhunderts werden Ruhe, Ordnung und relativer Wohlstand herrschen, wird das "alte" Kaltenleutgeben die Früchte genießen können, die tüchtige Zuwanderer und bodenständiger Fleiß reifen haben lassen. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Der erste Kirchenbau 1624 stiftet ein Hans de Vallentin testamentarisch 50 Gulden für die Errichtung einer Kapelle und ebenso­viel für deren Altar. Bei dieser Kapelle kann es aber nicht lange geblieben sein, denn für 1658 ist bereits ein Gotteshaus zu Ehren des heiligen Jakobus d. Ä - ein im Waldamt beliebter Kirchenpatron - bezeugt. Dazwischen liegt 1632 die erste Bezeichnung Kaltenleutgebens als Dorf. Zumindest seit 1683, vielleicht sogar schon seit 1652, gehört Kaltenleutgeben zur Pfarre Perchtoldsdorf (vorher zu Gaaden) . Wie grund­bücherlich feststellbar ist, haben sowohl die Gegenreformation (Stichjahr 1625) als auch die Zweite Tür­kenbelagerung 1683 umfang-reiche Umsiedlungen und/oder Vertreibungen zur Folge. Es ist zwar nicht be­kannt, wie groß 1683 die Schäden an der Kirche sind, aber anband der in den Kirchenrechnungen 1687 bis 1694 aufscheinenden Beträge für diverse Reparaturen dürften sie beträchtlich sein. Es gibt auch bereits Schulunterricht (wohl vorwiegend im Winter) , denn für 1699 ist erstmals ein Schulmeister namens Lorenz Godina nachgewiesen. Und damit auch alle Dorfbewohner wissen, wie viel es gerade geschlagen hat, wird 1703 eine Turmuhr angeschafft: Kaltenleutgeben wird Wallfahrtsort und bekommt eine Barockkirche Zwischen 1707 und 1710 wird dem Gotteshaus eine Kopie der Schwarzen Madonna von Alt-Ötting ge­schenkt, was dazu führt, dass immer mehr Wiener Pfarren Wallfahrten zu dieser Gnadenstatue veranstal­ten. Besonders die letzte große Pest von 1713, die auch in Kalten1eutgeben ihre Opfer fordert, bewirkt eine verstärkte Wallfahrtstätigkeit. Zur geistlichen Betreuung der Wallfahrer wird 1719 von einem Augustinere­remiten in unmittelbarer Kirchennähe eine Einsiedelei gegründet. In kürzester Zeit nimmt das Bergkirchlein den Charakter einer Wallfahrtskirche an, wird zu klein und noch dazu immer baufälliger. So beginnen sich die Dorfbewohner mit dem Gedanken anzufreunden, ein neues, größeres und schöneres Gotteshaus, eben­falls auf dem Felsenhöhle, zu errichten. Und so trifft es sich gut, dass der in Wien lebende Baumeister (Jo­hann) Jakob Oeckhl (1669/1670 - 1754), der wahrscheinlich aus beruflichen Gründen (Steinbrüche) nach Kaltenleutgeben gekommen ist und hier seit 1717 ein Haus besitzt, sich in Erfüllung eines Gelübdes seiner verstorbenen Frau Maria Anna 1728 bereit erklärt, nicht nur Planung und Bauausführung einer neuen Kir­che zu übernehmen, sondern das Gotteshaus auch mitzufinanzieren. 1729 wird mit dem Bau begonnen, und bereits Ende 1732 sieht eine schmucke Barockkirche auf rund drei Dutzend Häuser und deren Bewohner herab. Die Innenausstattung erfolgt nach und nach. 1738 wird die Einsiedelei zum Pfarrhof umgebaut, und die Mutterpfarre Perchtoldsdorf stellt einen so genannten Benefi­ziaten (Hi1fspriester) zur Verfügung, zu dessen Unterhalt die Bewohner einen kräftigen Beitrag leisten müssen. Solche Hilfspriester übernehmen zwar die seelsorgliche Betreuung, dürfen aber keine Taufen, Trauungen und Beerdigungen durchführen, die dem zuständigen Pfarrer vorbehalten bleiben. 1754 wird der Ort von einer Typhusepidemie heimgesucht. Der beste Beweis dafür, dass Kalten1eutgeben bereits ein beliebter Marienwallfahrtsort geworden ist, besteht darin, dass es inzwischen "Maria Kalten/eutgeben" ge­nannt wird, was auch 1755 urkundlich festgehalten ist. Etwa zu dieser Zeit (1751) verfügt der Ort über 43 Häuser. 30 Jahre später, 1782/83, leben in 57 Häusern 91 Familien mit insgesamt 489 "Seelen". Maria Kaltenleutgeben wird selbständige Pfarre Der letzte Benefiziat ist seit 1764 Jakob Willvonseder. Er darf bald auch schon taufen, trauen und beerdi­gen. Im Zuge der josephinischen Pfarrregulierung 1783 wird auch Kalten1eutgeben mit pfarrlichen Rechten ausgestattet, zur Lokalkaplanei erhoben (diese verfügt im Unterschied zur Vollpfarre über geringere Ein­künfte) und Jakob Willvonseder zu ihrem ersten Lokalkaplan ernannt. Im Laufe des fortschreitenden 18. Jahrhunderts errichten Adelige und vornehme Bürger aus Wien in die­sem reizvollen Waldtal, das noch dazu in relativer Nähe zur Residenz liegt, ihre Sommersitze. Und es stört sie offensichtlich nicht im Geringsten, dass die vielen kleinen Kalkbrennereien dem Dorf ihr Gepräge geben. Um die Wende zum 19. Jahrhundert beginnen Wanderer und motivsuchende Künstler die Gegend zu erfor­ schen, und so kommt es auch zu den ersten bildlichen Darstellungen des Dorfes (Veduten) und der näheren Umgebung. Die ersten Ortsansichten stammen vom Wiener Maler Lorenz Janscha. Die Mehrheit der Bevölkerung ist arm. Man lebt von der Landwirtschaft, die aber Klima bedingt nur be­scheidene Erträge abwirft, und/oder als Kalkbrenner, Steinbrecher, Forstarbeiter. 1804 wird der zwischen Kirche und Pfarrhof gelegene, zu klein gewordene älteste Friedhof aufgelassen und auf die so genannte Gemeindehutweide unterhalb Kaltbrunn verlegt. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Die segensreichen Kaltwasserkuren Die wirtschaftliche Lage ändert sich aber auch deshalb zum Besseren, weil man im Laufe des 19. Jahrhunderts damit beginnt, die vielen und reichen Wasserquellen des Tales medizinisch zu nützen. So wandelt sich Kaltenleutgeben von einem kleinen Kalkbrennerdorf, in dem kaum mehr als 500 Menschen leben, innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem international bekannten Kurort, aber auch zu einer beliebten und insbesondere von Wienern gern aufgesuchten Sommerfrische mit über 2000 Einwohnern. Stilvolle Villen, große Kurhäuser und geschmackvolle Landsitze verdrängen die alten, eher bescheidenen Behau­sungen. Hat man bislang vom Kalkbrennen, Steinbrechen, Holzfällen und etwas Viehzucht gelebt, wird nun der Fremdenverkehr zur Haupterwerbsquelle. Bereits im Biedermeier (1815 - 1848) kann Kaltenleutgeben mit zwei Badeanstalten aufwarten, die sich die heilende Kraft des Wassers zunutze machen. Die erste errichtet ein gewisser Adolf Weiß dort, wo vormals das Landhaus Jakob Oeckhls, des Erbauers der spätbarocken Pfarrkirche, gestanden hat. Das genaue Entstehungsjahr ist nicht überliefert, es gibt aber ein Tableau, das angeblich aus dem Jahr 1810 stammt, und auf dem drei Ansichten der Badeanstalt wiedergegeben sind sowie eine Kurzbeschreibung dieser Anlage aus dem Jahr 1839: Eben so besitzt Herr Adolf Weiß ein elegantes Landhaus, mitten in Gartenanlagen, das er mit allen Bequemlichkeiten für die Wasserkur versah. Ein geräumiges Bassin mit Springstrahl begrüßt gleich beim Eingang den Wasserfreund; in der Nähe sind 2 Vollbäder mit zu- und abfließendem Wasser neben dem Wohnzimmer, eine zierliche Breterhütte enthält die künstliche Douche und Apparate zum Regenbad (Zeitschrift ,,Adler", 2. Jahrgang, Nr. 139). Die zweite Badeanstalt gründet der Hesse Johann Emmel (1796 - 1868) im Jahr 1835. Zuvor erwirbt er in Wien das Diplom für Wundarzneikunde und Geburtshilfe (=Praktischer Arzt) und geht anschließend zu Vinzenz Prießnitz nach Gräfenberg in Österreich-Schlesien, um sich an dessen neu entwickelter Naturheilmethode zu orientieren. Über die Emmel'sche Anstalt steht bei ,,Adler“ (Im selben Heft): Ganz nahe ist man da an den Quellen, die ihr Krystallwasser aus einem rothen Marmorfelsen von nur 6 1/2 Grad (= 80 C) unausgesetzt in zwei Vollbäder und zwei Natur-Douchen, letztere von 20 Fuss Fall (= 6,5 m) liefern. Die ganze Anstalt ist mit Obstgärten, Bergwiesen und von den Häusern der Dorfleute zum Theil umgeben. Johann Emmel rührt bereits kräftig die Werbetrommel und gibt eine Zeitungsannonce auf: Den fünften Jahrgang (= 1840) der Kaltbad-Anstalt zu Kaltenleutgeben bey Wien, eröffnet der Unterzeichnete (=Johann Emmel, Landarzt) mit dem frohen Bewußtseyn, durch sein zweckmäßiges Unternehmen nicht nur so manchen seiner Mitmenschen wohlthätigen Dienst erwiesen, sondern auch der Menschheit überhaupt in augenscheinlicher Darlegung der im Kaltwasser befindlichen herrlichen Kräfte wesentlich genützt zu haben. Es gibt schon einen regelmäßigen Personenverkehr von Wien nach Kaltenleutgeben: Täglich zweimal fährt vom Spitalsplatz (heute: Lobkowitzplatz) ein Stellwagen ab, und zwar um 6 Uhr früh und um 4 Uhr nachmittags (um 6 Uhr morgens und um 7 Uhr abends geht es von Kalten1eut­geben nach Wien). Zwar gäbe es seit 1839 auch schon die Möglichkeit, die Wien-Gloggnitzer Ei­senbahn zu benützen, aber diese Art zu reisen ist noch gewöhnungsbedürftig. Das Winternitz-Imperium Der ganz große Aufschwung setzt allerdings erst 1865 ein, als Dr. med. Wilhelm Winternitz (1835 - 1917) aus Böhmen die alte Badeanstalt des Adolf Weiß als Standort für seine Wasserkuranstalt wählt. Nach einem Medizinstudium an der Prager Universität und einigen Jahren ärztlicher Tätigkeit geht auch er nach Gräfenberg, um die Anwendungsmöglichkeiten von kaltem Wasser kennen zu lernen. Allerdings beschreitet er dann eigene Wege, die ihn zum wissenschaftlichen Begründer der Hydrotherapie werden lassen, für die er sogar einen eigenen Lehrstuhl an der medizinischen Fakultät der Wiener Universität erhielt. Dr. Winternitz wählt ganz bewusst Kaltenleutgeben aus, das ihm wegen der vielen reichen Quellen von hervorragender Wassergüte, der Nähe zur Haupt- und Residenzstadt - nunmehr gut erreichbar mit der Südbahn bis Liesing, dann weiter mit Stellwagen - und nicht zuletzt wegen des bereits vorhandenen Bekanntheitsgrades, sowohl als Kurort als auch als Sommerfrische, besonders geeignet erscheint. In nur wenigen Jahren macht Dr. Winternitz seine Wasserkuranstalt zu einem renommierten und mustergültigen Institut, das weit über die Grenzen Österreich-Ungarns bekannt ist. Zu seiner Blütezeit im ausgehenden 19. Jahrhundert umfasst das Winternitz-Imperium drei große Kurhäuser (Altes Kurhaus, Morizhof (Heinrichshof) und an die zwanzig Dependancen und Villen (wie Hedwig-Heim, Schweizerhaus, Lidiehof, Villa Fanni, Clara-Haus, Gottes-Heil, Mutter-Segen, Thespis-Hütte, Posthof) und ist für gut und gern 300 gleichzeitig kurende Gäste ausgelegt. Alle Ordinationsräume sind mit den neuesten medizinischen, chirurgischen und elektrischen Apparaten - ein eigenes kalorisches Kraftwerk erzeugt den benötigten Strom - ausgestattet. Ein schwedisch-heilgymnastisches Institut ist ebenfalls vorhanden. Auch für die Zerstreuung der Kurgäste ist bestens vorgesorgt. Ein eigenes Theatergebäude mit einem 250 Personen fassenden Theatersaal und angeschlossener großer Konditorei steht zur Verfügung. Den ganzen Sommer über finden, meist freitags, abwechselnd Schauspiel-, Operetten und Konzertaufführungen statt. Im geschmackvoll angelegten und sorgfältig gepflegten Kurpark mit seinen Springbrunnen und einem prachtvollen alten Baumbestand spielt während der Saison dreimal täglich die Kurmusik in einem eigenen Musikpavillon. Im Kursalon, der mit Lese-, Spiel- und Billardzimmern ausgestattet ist, liegen alle Wiener Zeitungen und Zeitschriften sowie die interessantesten ausländischen Blätter auf. 1868 wird zur Bequemlichkeit der Kurgäste im Verwaltungsgebäude ein Postamt mit Fahrpost eingerichtet. Die Post geht täglich fünfmal von Kaltenleutgeben ab und wird ebenso oft ausgetragen. 1883 kommen ein Postsparkassendienst und 1888 ein Telegraphen- und Telephondienst dazu. Bereits um 1890 sind die wichtigsten Gebäude mit elektrischem Licht ausgestattet. Die Geh- und Fahrwege im unmittelbaren Ortsgebiet werden aufgespritzt, um lästige Staubbildung zu vermeiden. Da entsprechende Bewegung in der freien Natur zum Kurprogramm gehört, hat speziell Prof. Winternitz dafür gesorgt, dass die Kurgäste auf seinem weitläufigen Besitztum dazu ausreichend Gelegenheit erhalten. So führt direkt vom Kurpark weg ein Serpentinenpfad den Hang hinauf zu einer schönen, sonnigen Wiese, die nach ihrem Besitzer Doktorwiese genannt wird. Der Pfad hat sich bis heute, wenn auch versteckt, erhalten, auf der Wiese steht heute die Siedlung Doktorberg. Auf der anderen Talseite erreicht man über eine etwa 2,5 km lange und auf 200 Höhenmeter ansteigende Waldstraße die in idyllischer Lage im Schweizerstil erbaute Gaisbergmeierei. Selbst Kaiserin Elisabeth macht dort des Öfteren auf ihren ausgedehnten Spaziergängen Rast und erfreut sich an der herrlichen Fernsicht. Wer sich dagegen eher für Sport begeistert und gern Tennis spielt, der hat die Möglichkeit, dafür den Rasenplatz auf der Eiswiese zu benützen. 1910 wandelt Hoftat Winternitz seine „Wasserheilanstalt Professor Wilhelm Wintenitz“, deren einziger Besitzer er seit nunmehr 45 Jahren ist, in eine Aktiengesellschaft um, die unter dem Titel "Wasserheilanstalt Professor Wilhelm Winternitz A.G." (W.W.A.G.) ins Handelsregister eingetragen wird.neben den beiden Kuranstalten gibt es den Großbetrieb der k. k. Forst- und Domänen­-Direktion Wien (heute Österreichische Bundesforste) mit 3 Förstern im Ort, 22 Bauern und Kleinbauern und sogar einen Rinderzuchtverein; an industriellen Betrieben 2 Zementfabriken (Stollwiese und Kardinalwald - beide wurden im Ersten Weltkrieg stillgelegt und nie mehr in Betrieb genommen), 1 Kalkwerk (Kaltbrunn) und 3 Steinbruche sowie jede Menge Geschäfte und Handwerker (darüber weiter unten). Karl Emmel Wesentlich bescheidener nimmt sich Emmels Wasserheilanstalt aus. Nach Johann Emmels Tod (1868) übernimmt sein Sohn Kar! (1840 - 1918) - er erwirbt sein Arztdiplom an der Karl Franzens- Universität in Graz - die Leitung. Obwohl er die Anlage im Laufe der Jahre ausbaut, bringt er es „nur“ auf insgesamt sieben selbständige Häuser, die sich fast alle in einer hübschen, sehr schattigen Parkan1age befinden. Das heute noch bestehende und vor einigen Jahren revitalisierte Gebäude ist bei weitem das größte und wird deshalb auch jenseits von Bach und Straße errichtet. Auch Emmel verfügt über ein Institut für schwedische Heilgymnastik und über ein Theater, das aber nicht professionell bespielt wird, sondern von den Kurgästen für selbst gestaltete Laienaufführungen benutzt werden kann. . Für Kurgäste, die eine etwas persönlichere Note bevorzugen, und für Sommerfrischler stehen rund 100 private Wohnungen bzw. Zimmer zur Verfügung. Alles in allem beträgt die Jahresfrequenz um die Jahrhundertwende im Schnitt 3.000 Gäste bei etwa 70.000 Übernachtungen. Prominente Kurgäste Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass sich zahlreiche bekannte Persönlichkeiten des In- und Auslandes zeitweilig in Kalten1eutgeben aufhalten: Der polnische Dichter und Literaturnobelpreisträger von 1905 Henryk Sienkiewicz (1846-1916) kommt zwischen 1885 und 1896 elfmal und schreibt hier auch an seinem berühmten Roman "Quo vadis?"; der amerikanische Dichter Mark Twain (1835-1910) - wer kennt nicht Tom Sawyer und Huckleberry Finn! - wohnt den Sommer 1898 über in der Villa Paul-Hof: Karlsgasse 3; der österreichische Dichter Ferdinand von Saar; zahlreiche Schauspielerinnen und Schauspieler des Hofburgtheaters wie Helene Odilon, Auguste Wilbrandt-Baudius, Charlotte Wolter,Ernst Hartmann, Josef Lewinsky, Adolf Sonnenthai, Hugo Thimig; der Operettenkomponist Franz von Suppe; der stilprägende Maler Hans Makart; die Fürstin Pauline Metternich... und als eine der letzten Berühmtheiten der weltbekannte polnische Tenor Jan Kiepura (1902-1966), der häufig Gast im Haus Dr.Tennenbaum auf Promenadegasse 37 ist. Der Überlieferung nach gibt es im ,,Promenadenkaffee“ des Herrn Trost einen Pfeiffenklub, dem die führenden Sozialdemokraten Dr. med. Viktor Adler - er ist ein Studienkollege von Professor Winternitz , Engelbert Pernerstorfer, Ludwig Bretschneider und der spätere Wiener Bürgermeister Karl Seitz als Mitglieder angehören. ################################################################################# ################################################################################# Chronik von Kaltenleutgeben Um 2000 v.Chr. Jungsteinzeitliche Siedlungen auf den Höhenzügen am Ostrand des Wienerwaldes vor 400 n.Chr. Römer verloren Münzen (Funde bei der Karolinen- und Katharinenquelle, Ellinggraben) 1002 Erstmals Nennung der Dürren Liesing; als Grenzbezeichnung (Durra Liezniecha). Kaiser Heinrich II schenkt dem Baben- berger, Markgraf Heinrich I, das Gebiet zwischen der Dürren Liesing und der Triesting. Dieses Gebiet ist mit der Ur-Pfarre Alland identisch. Die spätere Tochterpfarre Gaaden erfaßte das Gebiet bis zur Dürren Liesing. 1345 Die neue Mühle im Tale der Dürren Liesing „beim Schranpern“ (Mautschranken) 1350 Die große Pest rottet die halbe Bevölkerung aus 1354 Gründung der Waldherrschaft Purkersdorf einschließlich Dürrliesing 1439 Steinbrüche im Tal der Dürren Liesing genannt 1500 Kaiser Maximilian gründet das kaiserliche Waldamt (12Forstämter) 1521 Erste Nennung der Gegend: Khalt Leutgebin 1529 Erste Türkenbelagerung Wiens: Umgebung verheert 1538 Erste namentliche Erwähnung eines Bewohners: Martin Valantin 1569 Welsche Kalkbrenner „bei der Khaltleutgebin“ verkaufen (neu- gerodete Wiesen zu überhöhten Preisen 1572 Erste grundbücherliche Erfassung der Bewohner (im Urbar des Waldamtes Purkersdorf): 28 Häuser 1590 Bereitung (Abreiten der Grenzen) des Waldgebietes zwecks Überprüfung des Besitzstandes 1590 Gesundheitsbrunnen unterhalb des Kirchenfelsens 1601 Pantaiding: Schriftliche Festlegung aller amtlichen Vorschriften, die jährlich verlesen werden mußten 1602 Erfassung des Besitzstandes erstmals in den Gewährbüchern: Käufe, Verkäufe, Vererbungen 1605 Einfall der Ungarn unter dem siebenbürgischen Fürsten Stefan Bocskay: Perchtoldsdorf und Umgebung verwüstet 1613, 1625, 1634, 1645, 1654, 1679 bis 1681 Pestjahre Aus der Vergangenheit 1624 Erste Erwähnung einer Kapelle in Kaltenleutgeben 1625 Auffällig starker Besitzwechsel: vermutlich infolge Abwanderung der protestantischen Bewohner 1625 Erstmals Nennung eines Ortsrichters: Hans Landtschin 1626 23. April: Starkes Erdbeben 1632 Kaltenleutgeben erstmals Dorf genannt 1663 Entstehungsjahr der Dreifaltigkeitssäule: wurde aus Perchtoldsdorf um 1715 übertragen, stand anfangs am Fuß der Eiswiese 1683 Zweite Türkenbelagerung Wiens: weitgehende Vernichtung Kaltenleutgebens, Flucht oder Gefangennahme der Bewohner 1687 Anfänge der Ansiedlung von (vornehmen) Wienern (Jagd?) 1699 Erstmals ein Schulmeister nachzuweisen: Lorenz Godina 1703 Uhrreparatur an der Kirche (1664 erbaut?) 1710 Abbild der schwarzen Madonna von Altötting in Bayern von einem Wiener nach Kaltenleutgeben gebracht: zu ihr ab 1712 Wallfahrten aus Wien (St. Ulrich, Paulaner, Penzing u.a.), damals (bis 1783) „Maria Kaltenleutgeben“ 1713 Letzte Pest: Zahlreiche Einwohner gestorben 1716 Tuffsteine vom Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach für die Karlskirche in Wien ausgewählt 1717 Baumeister Jakob Oeckhl aus Wien kauft sich an 1729 Beginn des Kirchenbaues durch Oeckhl (kirchliche Bewilligung vom 5. September 1729), offizieller Abschluß Jänner 1733, wahrscheinlicher Beginn der Innenausstattung 1734 Priesterliche Dienste von Carl Preyer, Pfarrer von Perchtoldsdorf, versehen 1738 Einsetzung eines Beneficiaten für alle kirchlichen Angelegenheiten. Umbau der Einsiedelei zum Pfarrhof 1766 Taufen und Trauungen nunmehr statt in Perchtoldsdorf in Kaltenleutgeben selbst (Begräbnisse schon früher) 1782 Seelenbeschreibung erfaßt auch alle Kinder, Dienstpersonal und sonstige Besitzlose 1783 Errichtung der Pfarre Kaltenleutgeben In die Gegenwart 1790 Seit ungefähr dieser Zeit Entdeckung des Ortes und der Umgebung durch Zeichner und Maler: erste Ortsansichten von Lorenz Janscha, Maler aus Wien 1804 Neuer Friedhof beim Kaltbrunn (bis 1874 belegt; vorher Friedhof bei der Kirche, zum Teil derzeit Pfarrgarten) 1809 Ausschreitungen während der Franzoseneinfälle 1836 Errichtung einer Prießnitz`schen Wasserheilanstalt durch den ansässigen Wundarzt Johann Emmel 1846 Errichtung des ersten Kalk-Hochofens (durch Brückner); schon 1845 Liefervertrag für Kalk zwischen der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn und Josef Schöny, Kaltenleutgeben Nr. 43, für den Südbahnhof in Wien 1848 Revolution, Regierungsantritt von Kaiser Franz Josef I. 1850 Erstmals Bürgermeister: Friedrich Angerer (vorher Ortsrichter: letzter Ortsrichter Leopold Hochkogler) 1865 Gründung der Wasserheilanstalt von Dr. Wilhelm Winternitz (1938 zu einer SA-Kaserne umgewandelt, 1945 zerstört) 1868 – 1870 Josef Schöffels Kampf um die Erhaltung des Wienerwaldes (unterstützt in der Presse von Ferdinand Kürnberger, im Wiener Gemeinderat von Josef Klemm) 1872 Gründung des Männergesangvereins und der Freiw. Feuerwehr 1874 Errichtung des neuen Friedhofes (Waldfriedhof) 1875 Schulneubau (1903 zweites Stockwerk) 1883 Eröffnung der Zweigbahn Liesing-Kaltenleutgeben sowie des Kurtheaters 1894 Gründung der Kalk- und Zementfabrik AG Kaltenleutgeben 1914 – 1918 Erster Weltkrieg (Gedenktafel in der Kirche) 1918 Ende der Monarchie; Umwandlung des Kurtheaters in ein Kino 1924 Elektrische Beleuchtung (vorher Gasbeleuchtung seit 1900 Ortswasserleitung (Anschluß an die Hochquellenleitung) 1939 – 1945 Zweiter Weltkrieg (Gedenkstein am Friedhof) 1945 April: Zerstörungen beim Einfall der Russen; 80 Ziviltote (Gedenktafel am Friedhof); unter den Opfern unser Pfarrer Dechant Johann Wolf Kaltenleutgeben bis heute 1951 Einstellung des Personenverkehrs auf der Zweigbahn Liesing - Kaltenleutgeben und Umorientierung des öffentlichen Nahverkehrs auf Busse 1954 Wiedererlangung der Selbständigkeit 1955 und 1956 Legendäre Skispringen im Kerschgraben und Eisgrabenrennen am Gaisberg und Wienerblick, jeweils ca. 20.000 Zuschauer und auch in Anwesenheit von Bundeskanzler Ing. Julius Raab 1971 Erwerb der Grundstücke aus dem ehemaligen Kurhausbesitz von der Republik Österreich 1977 und 1979 Bau der Turnhalle, Bau des Kindergartens, Raika, Mutterberatung und Gemeindebücherei, Renovierung der Professorenvilla 1982 Erhebung zur Marktgemeinde 1988 - 1990 Revitalisierung des Hauptgebäudes der ehemaligen Kuranstalt Emmel 1988 - 1998 Bau von rund 18 km Abwasser- und Fäkalkanal, damit Herstellung eines zeitgemäßen sanitären Standards 1988 Ausbau der Gasversorgung um die umweltfreundliche Umstellung von Öl- auf Gasheizungen zu ermöglichen 1996 Fertigstellung eines Volksschulzu- und umbaus 1998 Fertigstellung des Wohnbaus Promenadegasse 41 - 45 mit 85 Wohneinheiten; damit konnten in den Jahren 1966 - 1998 (Promenadegasse 26 a, Karlsgasse 10 A - 11 B, Hans Czettelhof, Hauptstraße 62 - 70, 89, 110, 112, 114, 115, Waldmühlgasse 1 und eben Promenadegasse 41 - 45 ) durch Förderung seitens der Gemeinde ( insbesondere Grundbeistellung ) 408 Wohnungen errichtet werden ################################################################################# ################################################################################# 1. Einleitung ####################### Der Ort Kaltenleutgeben liegt inmitten des Wienerwaldes, am Nordrand des Höllensteingebirgszuges. Obwohl die Bezeichnung "Gebirgszug" im Wienerwald etwas übertrieben wirkt, so ist sie doch nicht falsch. Immerhin ist der Höllenstein, der sich von der Perchtoldsdorfer Heide bis nach Sulz im Wienerwald zieht, einer der letzten Ausläufer der Kalkalpen! Zu beiden Seiten des Tales gibt es viele Quellen, die sich in der "Dürre Liesing" vereinigen. Das Gemeindegebiet erstreckt sich über eine Fläche von etwa 17,5 km2 die zu einem grossen Teil bewaldet ist. Neben den knapp 3000 Einwohner, gibt es auch viele Zweitwohnungsbesitzer die hier ihre Wochenenden geniessen. Wenig bekannt ist heute, dass der Ort vor 100 Jahren ein bekannter Kurort (und kurzzeitig auch Wintersportort) war. Da leider die meisten Bauten dieser Zeit verschwunden sind weist heute nur mehr wenig auf diesen interessanten Abschnitt in der Geschichte dieses kleinen Ortes hin. So soll mit diesem kurzen Text Kaltenleutgeben und seine Vergangenheit dem Leser etwas näher gebracht werden. 2. Von den Anfängen bis 1700 ####################### Das östliche Randgebiet des Wienerwaldes wurde schon in der Jungsteinzeit, um 2000 v.Chr. besiedelt. Ob sich die Menschen damals jedoch tiefer in die Wälder vorwagten ist nicht bekannt. Münzfunde bei der Karolinen- und Katharinenquelle sowie im Ellinggraben belegen, dass um 400 n.Chr. Römer das Gebiet durchstreiften. Die ersten schriftlichen Quellen, die mit Kaltenleutgeben in Zusammenhang gebracht werden können, stammen aus dem Mittelalter. Im Jahre 1002 scheint die Dürre Liesing erstmals als Grenzbezeichnung (Durra Liezniecha) in einer Schenkungsurkunde Kaiser Heinrich II. auf. 1345 findet sich eine neue Mühle im Tale der Dürren Liesing beim Schranpern (Mautschranken) erwähnt. Verwaltungsmässig gehört das Gebiet Kaltenleutgebens zur 1354 gegründeten Waldherrschaft Purkersdorf. Im Jahre 1439 werden erstmals Steinbrüche im Tal der Dürren Liesing erwähnt. 1521 scheint die Gegend erstmals als 'Khalt Leutgebin' auf. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es vermutlich zur Besiedlung des Tales. Grund dafür war die erste Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1529. Nach dem Abzug der Türken brauchte man viel Kalk (und Holz für die Kalköfen) um die Schäden an der Stadtbefestigung auszubessern. Die ersten Einwohner Kaltenleutgebens waren Einheimische und die 'welschen' Kalkbauern, vermutlich Ladiner aus Friaul, die mit ihren Familien angesiedelt wurden. Als erster Einwohner wird um 1538 ein Martin Valantin 'bei der Kalten Leitgebinn' genannt. Im Jahr 1572 kam es zur erste grundbücherliche Erfassung der Bewohner, hauptsächlich Waldbauern, und Häuser im Urbar des Waldamtamtes Purkersdorf. Kaltenleutgeben bestand damals aus 28 Häuser mit insgesamt 160 Einwohnern. Ab dem Jahr 1583 wird der Ort oftmals von der Pest heimgesucht, so auch in den Jahren 1613, 1625, 1634, 1645, 1654, 1679-1681 und 1713. Ein 'Gesundheitsbrunnen' wird erstmals 1590 genannt, als Flurnahmen tauchten nun oft 'bei der Khalt Leutgebin' oder 'bei der Kallten Leitgebinn' auf. Am 15. und 16. September desselben Jahres gibt es in der Gegend ein schweres Erdbeben. Aus dem Jahr 1601 ist erstmals ein Banntaiding (oder Pantaiding) bekannt, eine schriftliche Festlegung aller amtlichen Vorschriften, die jährlich verlesen werden musste. In Kaltenleutgeben fand dies vermutlich jeweils am 18. September statt. Das Oberhaupt der Gemeinde war der Ortsrichter. Ihm zur Seite standen die 'Vierer' (Geschworene). Der erste namentlich bekannte Ortsrichter war in den Jahren 1620 und 1625 ein Hans Landtschin. Ein Verzeichnis der Besitzer (in den sogenannten Gewährbüchern) existiert seit 1602. Unruhige Zeiten gibt es im Jahr 1605 als die Ungarn unter dem siebenbürgischen Fürsten Stefan Bocskay in Ostösterreich einfallen. Perchtoldsdorf und dessen Umgebung werden dabei schwer verwüstet. 1624 stiftet ein Hans de Vallentin testamentarisch je 50 Gulden für die Errichtung einer Kapelle und deren Altar. 1625 kam es, vermutlich infolge der Abwanderung protestantischen Bewohner, zu einem auffällig starker Besitzwechsel. Am 23. April 1626 erschüttert ein starkes Erdbeben die Gegend. 1632 wird Kaltenleutgeben erstmals als Dorf bezeichnet. Im Jahr 1658 wird erstmals eine kleine Kirche erwähnt, die an der Stelle der heutigen Pfarrkirche stand. Fünf Jahre später, 1663, ist das Entstehungsjahr der Dreifaltigkeitssäule. Allerdings gehört sie bis 1715 Perchtolddorf und wird erst danach am Fusse der Eiswiese aufgestellt. Vermutlich 1664 wird die Turmuhr angeschaft. Während der zweite Türkenbelagerung Wiens, 1683, kommt es auch zur weitgehenden Vernichtung Kaltenleutgebens, dessen Bewohner zum Teil in andere Gegenden flüchten oder von den Türken gefangen genommen werden. Der Ort gehört inzwischen zur Pfarre Perchtoldsdorf. Ab 1687 beginnen sich die ersten (vornehmen) Wienern in Kaltenleutgeben anzusiedeln, vermutlich um sich an der Jagd zu erfreuen. Die erste Schule wird im Jahre 1699 eröffnet, der erste Schulmeister heisst Lorenz Godina. 3. Das 18. Jahrhundert ####################### Im Jahr 1710 bekommt Kaltenleutgeben von einem reichen Wiener eine Nachbildung der Schwarze Mutter Gottes von Altötting (Bayern), wodurch es ab 1712 zuviele Wahlfahren, vorwiegend aus Wien, kommt. Bis 1783 wird der Ort daher als "Maria Kaltenleutgeben" bezeichnet. Zur Betreuung der Wahlfahrer wird von einem Augustinereremiten in Kirchennähe eine Einsiedelei gegründet. Um 1716 verwendet Fischer von Erlach Tuffsteine aus Kaltenleutgeben für die Kuppel der Wiener Karlskirche. Der vermutlich ebenfalls am Bau der Karlskirche beteiligte Wiener Baumeister Jakob Öckel (oder Oeckhl) erwirbt in dieser Zeit ein Haus in Kaltenleutgeben. 1729 beginnt Öckel (aufgrund des Testaments seiner Frau) mit dem Bau der heutigen Kirche, offizieller Abschluss des Baues ist der Jänner 1733. Die seelsorgerischen Dienste werden vorerst vom Pfarrer von Perchtoldsdorf, versehen. Erst 1738 kommt es zur Einsetzung eines eigenen Seelsorger, die vorhandene Einsiedelei wird daraufhin (ebenfalls durch J. Öckel) zum Pfarrhof umgebaut. Taufen und Trauungen müssen aber bis 1766 in Perchtoldsdorf durchgeführt werde. Auch Beerdigt wird zuerst nur in Perchtoldsdorf, aufgrund des langen Weges überlässt man das bald dem Benefiziaten, Jakob Willvonseder. Dieser seit 1764 tätige Benefiziat darf ab 1766 auch trauen und taufen und wird später der erste Pfarrer. 1783 wird Kaltenleutgeben im Zuge der josephinischen Pfarrregulierung zur eigenen Lokalkaplanei ernannt. Bei der im gleichen Jahr durchgeführten Seelenbeschreibung (= Volkszählung) werden erstmals auch Kinder, Dienstpersonal und sonstige Besitzlose erfasst. Kaltenleutgeben hat zu dieser Zeit 489 Einwohner in 58 Häusern. Am Ende des 18. Jahrhunderts beginnen Maler und Zeichner den Ort und die Umgebung zu 'entdecken'. Es entstanden die ersten Ortsansichten (z.B. vom Wiener Maler Lorenz Janscha). 4. Das 19. Jahrhundert ####################### 1804 wurde der Friedhof vom heutigen Pfarrgarten auf die Gemeindeweide unter dem Kaltbrunn verlegt. Zwischen 1806 und 1809, während der Franzosenkriege, wurde die Bevölkerung durch in Perchtoldsdorf einquartierte Soldaten belästigt. Im darauffolgenden Jahr errichtet ein Adolf Wei"s an der Stelle des öckel'schen Landhauses die erste Badeanstalt in Kaltenleutgeben. 1835 eröffnete der Gemeindearzt Johann Emmel seine Badeanstalt, die er bald darauf, nach einem Besuch bei Vinzenz Priessnitz, zu einer Kaltwasserheilanstalt (siehe Anhang) ausbaute. Kaltenleutgeben hat zu dieser Zeit 560 Einwohner. Seit 1845 besteht zwischen der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn und dem Kaltenleutgebner Josef Schöny ein Liefervertrag für Kalk zum Bau des Südbahnhofs in Wien. Infolge dessen kam es 1846 zur Errichtung der ersten Kalkhochöfen, zuerst bei der Waldmühle und dann bei Kaltbrunn. Als Folge des Revolutionsjahres 1848 und des Regierungsantritts von Kaiser Franz Josef I. kommt es 1849 zur Konstituierung der Ortsgemeinde. Anstelle des letzten Ortsrichters, Leopold Hochkogler wird Friedrich Angerer erster Bürgermeister von Kaltenleutgeben. 1857 zählt man im Ort schon 784 Einwohner. 1865 kommt es zur Eröffnung der 2. Kaltwasserheilanstalt Kaltenleutgebens durch Prof. Dr. Wilhelm Winternitz. Dieser wählt die alte Badeanstalt des Adolf Wei"s für seine Wasserkuranstalt. Winternitz, der ebenfalls bei Vinzenz Priessnitz war und seit 1864 einen Lehrstuhl für Hydrotherapie an der Universität Wien hällt, gilt als wissenschaftlicher Begründer der Hydrotherapie (Wasserheilkunde). Binnen kürzester Zeit etabliert sich die Kuranstalt und bekommt internationalen Ruf. Während die Emmel'sche Kuranstalt von den Wienern besucht wird, finden sich bei Wintenitz Kurgäste aus aller Herren Länder, unter ihnen auch im Jahr 1998 der bekannte Schriftsteller Mark Twain. Zwischen 1868-1870 kämpft der Mödlinger Bürgermeister Josef Schöffel um die Erhaltung des Wienerwaldes und bewahrt damit auch die Wälder rund um Kaltenleutgeben vor der Abholzung. Am 21. Dezember 1873 wird die Freiwillige Feuerwehr Kaltenleutgeben gegründet. Im darauffolgenden Jahr kommt es (auf Betreiben Prof. Winternitz's nochmals zu einer Verlegung des Friedhofes auf seine heutige Stelle. Die feierliche Einweihung des jetzigen Friedhofes findet am 30. August 1874 statt. Am 22. Februar 1875 erwirbt die Gemeinde das Schulgrundstück, dessen Widmung im Grundbuch festgehalten wird. Man beginnt mit dem Bau eines vorerst einstöckigen Schulgebäudes. Im darauffolgenden Jahr verlegt man die Promenade, welche früher quer durch die Kuranstalt des Johann Emmel (jetziger Emmelpark) verlief, an ihren heutigen Platz neben dem Bach. 1878 lässt der inzwischen mit seiner Kuranstalt erfolgreiche Dr. Winternitz die Gaisbergmaierei errichten. Als weitere Folge des Erfolges der Kuranstalt wird am 18. August 1883 die (Flügel-) Eisenbahnlinie Liesing-Kaltenleutgeben eröffnet und das Kurtheater seiner Bestimmung übergeben. 1894 kommt es zur Gründung der Kalk- und Zementfabrik AG Kaltenleutgeben. Bedingt durch den hohen Briefverkehr der Kurgäste erhält Kaltenleutgeben 1897 ein eigenes, Postamtes. Gleichzeitig beginnt man mit dem Bau des heutigen Rathauses, das im darauffolgenden Jahr eingeweiht wird. 5. Der Beginn des 20. Jhdt. und die beiden Weltkriege ####################### Das Jahr 1900 bringt für Kaltenleutgeben viel Fortschritt: Eine Gasbeleuchtung und ein Gasverteilungsnetz wird durch die Wienerberger Gasbeleuchtungsgesellschaft errichtet. Im gleichen Jahr entsteht eine Ortswasserleitung. Die Volkszählung ergibt 2119 Einwohner und die beiden Kuranstalten werden pro Jahr von über 1800 Kurgäste besucht. Man zählt über 110.000 Nächtigungen! In die Zeit des I. Weltkrieges fallen der Tod Prof. Winternitz's (1917) und Karl Emmels (1918). Die Winternitz'sche Wasserheilanstalt wird daraufhin von seinem bisherigen Stellvertreter, Dr. Strasser weitergeführt, jene des Karl Emmel als Pension weiter genutzt. Allerdings bringt der Krieg einen drastischen Rückgang der Nächtigungszahlen mit sich. 1918, nach Ende des Krieges wird das Kurtheater in ein Kino umgewandelt. Am 29. November 1924 kommt es zur Elektrifizierung des Ortes. Die gesammten elektrischen Leitungen befindet sich zu dieser Zeit im Besitz der Gemeinde. In den Jahren 1930 und 1931 lässt Pfarrer Johann Wolf die Pfarrkirche restaurieren. 1935 übernimmt die Wienerberger Gasbeleuchtungs AG die elektrischen Leitungen und deren Instandhaltung und der Kindergarten wurde in einen Landeskindergarten umgewandelt. Beides bedeutete für die Gemeinde eine gro"se finanzielle Erleichterung. Am 8. August beginnt man mit dem Ausbau der Wasserversorgung, die am 17. Mai 1936 in Betrieb genommen wurde. Um diese Zeit ist Kaltenleutgeben auch ein beliebter Wintersportort. So kommen im Winter 1936/37 an den sogenannten "Wintersportsonntagen" bis zu 20.000 Leute mit der Bahn nach Kaltenleutgeben. Auch das Kurhaus verzeichnet wieder Zuwächse und man hat im Sommer 1937 82.112 Nächtigungen. Wie viele andere Ortschaften auch verliert Kaltenleutgeben 1938 seine Selbständigkeit und wird in den 25. Bezirk von Gross-Wien eingegliedert. Zur gleichen Zeit wird auch die Kuranstalt als solche aufgelöst und die Gebäude als Truppenunterkünfte verwendet. Nach dem Kriegsende sind die meisten Gebäude so stark beschädigt, das eine Wienderverwendung unmöglich ist. Die berühmte Kuranstalt Kaltenleutgeben ist nurmehr Geschichte. Der II. Weltkrieg endet für Kaltenleutgeben mit der Einnahme durch russische Soldaten von 5. bis 7. April 1945, dem Osterwochenende. Neben vielen gefallenen Soldaten muss der Ort auch den Tod von 80 Zivilisten, darunder des Pfarrers Dechant Wolf, hinnehmen. Zur Erinnerung an alle Opfer befindet sich heute ein Gedenkstein am Friedhof. 6. Von den Nachkriegsjahren bis heute ####################### Nach dem Krieg wird die Kaltenleutgebner Flügelbahn für den Personenbetrieb unrentabel und so kommt es 1951 zur Einstellung des Personenverkehrs und zur Umorientierung des öffentlichen Nahverkehrs auf Busse. Personenzüge verkehren nur noch, wie an den Wintersportsonntagen, bei Bedarf. Am 1. September 1954 wird Kaltenleutgeben wieder eine eigenständige Gemeinde. In den Jahren 1955 und 1956 organisiert der Kaltenleutgebner Schiklub gut besuchte Skispringen im Kerschgraben und Alpinschirennen, die sogenannten 'Eisgrabenrennen', am Gaisberg und dem heute grossteils abgetragenen Wienerblick. Den Schisprungbewerb am 13. März 1955 gewinnt der Ex-Weltmeister Sepp Bradl mit einer Höchstweite von 48 Metern. Die Veranstaltung lockte nach inoffiziellen Schätzungen an die 20.000 Zuschauer nach Kaltenleutgeben. Ähnlich erfolgreich ist auch das Schiwochenende am 25. und 26. Februar 1956, an dem fast die komplette österreichische Olympiaschimannschaft von Cortina d'Ampezzo teilnimmt. Unter den Zusehern befindet sich auch Bundeskanzler Julius Raab. 1956 kommt es zur Abtrennung von Weissenbach, der Tirolerhofsiedlung und der Giesshübler Weide von Kaltenleutgeben. Zwei Jahre später wird der jetzige Friedhof vergrö"sert. 1963 wird die Hauptstrasse ausgebaut, 1967-68 die Siedlung am Doktorberg und zwischen 1977-79 eine Turnhalle, und ein Gebäudekomplex errichtet, sowie die Professorenvilla renoviert Am 17. Juni 1982 kommt er zur feierlichen Erhebung Kaltenleutgebens zur Marktgemeinde mit eigenem Wappen. Ab dem Jahr 1988 kommt es zu grossen Bauvorhaben, darunter dem Bau von rund 18 km Abwasserkanal, dem Ausbau der Gasversorgung, Revitalisierung des Hauptgebäudes der ehemaligen Kuranstalt Emmel zu einem Wohhaus, Zubau der Volksschule und vielen neuen Wohnhäuser. ################################################################################# ################################################################################# Aufgezeichnet von Ök.Rat Architekt Rudolf Weiß (1890 - 1980) Begründung der Gemeinde Kaltenleutgeben Das Jahr 1538 ist das Jahr der Begründung der Gemeinde, des Ortes Kaltenleutgeben. Martin Valantin wurde wahrscheinlich mit anderen Kalkbrennern "allhero berueffen" und es wurde ihnen das alleinige Recht der Lieferung von Weisskalk zum Bau der Burg und der Burgfestung in Wien erteilt. Dies geht aus Beschwerdeakten der Kaltenleutgebner Kalkbrenner im Hofkammerarchiv K/9 hervor. der Grund zur Beschwerde war, daß zu dieser Zeit auch Kalkbrenner aus anderen Orten Kalk zum Burgbau lieferten. Zu den ersten Ansiedlern zählen auch die Landtschin, auch Lenntschin geschrieben. 1571 - In einer Eingabe des Waldmeisters Urban Meyringer muß dieser feststellen, daß " die Wällschen Kalch Prenner, bei der Kalten Leitgebinn, das Tagwerch Wissmadt, um 24 f Verkhauffen ....." statt der üblichen 5 Gulden (Hofkammerarchiv W 65/E,f. 1298 f) 1572 - Im Urbar des Waldamtes Purkersdorf, zu welchem Kaltenleutgeben gehörte, sind die bereits seßhaften Waldbauern des geschlossenen Ortes verzeichnet, welche nicht nur Kalkbrenner waren, sondern auch Holzarbeiter, Landwirte und Fuhrleute. Aus der obigen Feststellung des Waldmeisters geht hervor, daß der Wald gerodet wurde, " abgeramt " , es entstanden der " lange Ram ", der " hohe Ram ", der " Hans Jörgl Ram ", das " Ramaseck " u.s.w., und daß das neugewonnene landwirtschaftliche Land in den Besitz des Waldbauern überging. Besitz ist zu viel gesagt, denn der Grund blieb im Besitz der Waldamtsherrschaft Purkersdorf des Landesherrn, also des Kaisers, und der Untertan empfing mittels Gewährsauszug " Nutz und Gewähr " von " Tagwerk Wiesengrund ", " einem Häusel mit Garten " etc. und hat an die Herrschaft jährlich eine Steuerleistung in Geld - Kreuzer und Gulden - zu leisten. Es gab Hausgrund und Überländgrund. Ersterer war unteilbar, letzterer konnte verkauft werden. Im Urbar 1572 sind 20 Häuser verzeichnet und die Bewohner genannt (Siehe Familiennamen in Kaltenleutgeben (1538 - 1788) von Dr. Heinz Schöny). 1575 ist zum ersten Mal ein Bewohner von Kaltenleutgeben als Besitzer eines Weingartens bei Rodaun nachweisbar, als der Kalkbrenner Hans Lenntschin zwei Rösser und einen Wagen gegen einen Weingarten eintauscht und damit Grund zu weiterer Wohlhabenheit legt. 1538 - Pest, auch 1613, 1625, 1634, 1654, 1679, 1680, 1681, 1713. War es auch Pest ? 1590 - 15. und 16, September großes Erdbeben. 1601 - 18. September - Neues Banntaiding für die Orte Laab, Kaltenleutgeben, Purkersdorf und Gablitz (öst. Weistümer, Bd. I, 711). Jedes Dorf 4 Vierer und 1 Richter, " die da erkennen können, Fäll und Gebrechen des Dorffs ". In sechzig Punkten ist die Ordnung zur Erhaltung der Grenzen festgelegt, die Erhaltung der Einfriedungen, die Strafen bei unrechtmäßigem Versetzen von Grenzsteinen oder Ausgraben von Markbäumen, das Verbot, nach St. Georgstag auf Wiesen oder Felder zu grasen oder Vieh zu weiden. Im Schnitt dürfen keine Garben weggetragen werden. Wer Grundstücke oder Häuser kauft oder erbt, hat binnen Jahresfrist bei der Herrschaft " Nutz und Gewähr " zu empfangen (anzusuchen) und sich " daran schreiben "zu lassen, sonst ist " dem Herrn der Grudt verfahlen auf Gnadt ". " Wer ohne Vorwissen und Bewilligung des kaiserlichen Waldamts seine Gründt und Wissmätter über die ausgesetzte March "weiterraumt", der soll nicht allein am Gut, sondern am Leib gestraft werden. Item welcher seine Gründt, als Haus, Wiesen Äcker u. dgl. verkauft, der soll es zuerst der "Gmain" anfeilen. Es sollen im Dorf nit mehr als zwei oder drei Wirtshäuser gestattet werden, die sollen sich mit aller Notdurft versehen und Tafeln aushängen, damit der Durchreisende um sein Geld die gebührliche Notdurft bekomme. Es soll außer den Wirtshäusern "keiner keinen Wein" schenken, außer es sei sein "gebauth Guett". Wenn ein Nachbar seinen gebauten Wein "ausleuthgeben" will, sollen die Wirt keinen ausgeben, doch nichts destoweniger die Durchreisenden beherbergen und den Wein beim Nachbarn ums Geld holen. Der Nachbar, der seinen gebauten Wein ausleutgeben will, muß dies dem Richter und der Richter nachher dem Wirten acht Tag zuvor ankündigen. Wenn die Gmain ein eigenes Gmainhaus errichtet oder sonsten "leithgeben" wollte, stehet ihr dasselbe ohne "Verhindernus" bevor. Wer Holz verkauft, muß es nach der rechten "Waldklafter" auferrichten. Wer über Land reisen will, muß es dem Richter vorher anzeigen. Wer heimlich einem Andern die Dienstleut abredt und abwendig macht und darüber begriffen wird, hat der Herrschaft ein Pfund und dem Richter 72 Pfennig Strafe zu bezahlen. Verboten ist "Leithgeben" über die Zeit, das freie Laufenlassen von Vieh nach dem Georgitag. Wer sich nicht mit Weib, Kind und Gesind alle Sonntag und Feiertag fleißig in die Kirche verfügt und Gottes Wort hört, der hat es der Kirche mit Wachs und dem Richter mit Geld zu büßen, es wäre denn wegen Krankheit oder Reise übers Land geschehen. Gestraft wird auch, wer vom Richter zur Gmain oder anderswohin geladen wird und nicht erscheint. Nur Krankheit oder Überlandreise (vorher angezeigt) entschuldigen. Ebenso wird schwer bestraft wenn Fußgeher oder Handroboten für das Gijaid (Jagd) oder andere kaiserliche Roboten angesagt sind und die Aufgebotenen nicht erscheinen. Dasselbe geschiet den Besitzern von Roß- oder Ochsenzug, die für die kaiserliche Jagd oder für kaiserliche Holzfuhren aufgeboten sind und nicht erscheinen. Wenn die auferlegte Steuer nicht bald erlegt wird, ist dem Richter 24 Pfennig Strafe zu zahlen. Wenn im Notfall zu wachen ist und der eingeteilte Wächter nicht erscheint, hat er dem Richter 72 Pfennige Strafe zu zahlen. Wer sein "Gmainholz", welches ihm von der Gemeinde gegeben ist an "Ausländische" oder "Fremde" verkauft und das dem Richter vorher nicht anzeigt, dem ist das Holz an die Gemeinde verfallen und an den Richter sind 72 Pfennig zu bezahlen. Item: Gestraft wird, wer zum Wegmachen angesagt wird und nicht bald erscheint. Item: Wenn ein Feuer auskäme, so wird jeder der nicht zulauft und hilft gestraft. Item: Welcher Holz in seinem Dorf bei seinem Haus verkauft und dasselbe nicht nach der rechten Waldklafter aufrichtet, ist der Herrschaft das Holz und dem Richter zu wandlen 72 Pfennig verfallen. Item: Welcher über Land reisen will, und solches dem Richter nicht zuvor anzeigen wird, ist dem Richter 24 Pfennig verfallen. Item: Welcher einem Andern seine Dienstleut heimlich abredt und abwendig macht und darüber begriffen wird, ist der Herrschaft 1 Taler und dem Richter 72 Pfennig zu wandlen verfall Item: Welcher Innleuth einnimmt und solches zuvor dem Richter nicht anzeigt, ist der Herrschaft zur Strafe 5 Taler und dem Richter 72 Pfennig verfallen. Item: Es soll niemand ins Dorf laden Freund und Gäste zu Schaden den Gesessenen in dem Dorf mit keinerlei Wei; wer aber das widerhandeln wird, der ist verfallen dem Herrn 6 Taler 2 Pfennig. Item: Es soll auch Niemand dem Andern mit Gewalt unter sein Dachtropfen laufen, noch seine Tür aufstoßen oder seinem Feind nach durchlaufen; wer das überfert, lauft oder stoßt er das Haus auf so ist er der Herrschaft 5 Taler verfallen, lauft er aber durch, so ist er um 6 Taler 2 Pfennig gestraft. Item: Es soll auch Niemand dem Andern an seinem Fenster losen, es sei bei Nacht oder bei Tag, wer das tut, ist der Herrschaft 5 Taler, dem Richter 72 Pfennig verfallen. Item: Ob ein schädlicher Mann hergejagt wurde und hier gefangen, derselbe der ihn fahren läßt, der soll das büßen mit 32 Taler und soll ihn am dritten Tag, ohne der Gmain Unkosten und Schaden either bringen und ist dem Richter zu wandeln 72 Pfennig. Item: Ob sich zwei beim Wein miteinander zerkriegeten, stößt man den einen Teil heraus und er geht stillschweigend hinweg, so ist er Niemand nichts schuldig, schilt er aber hinein so ist er dem Richter um das Wandl 72 Pfennig, schilt aber der Innere heraus so ist auch er 72 Pfennig schuldig. Item: Ob er sich begäb, daß Einer käme an eines andern Haus und wollt das Haus mit Gewalt aufbrechen und es müßte sich der Innere seines Leibes und Lebens erwehren, und tötet den Äußeren, so ist er ihm nichts schuldig außer 3 Pfennig zu legen auf sein Herz, so hat er ihn schon gebüßt; tötet aber der Äußere en Inneren, so ist er zu richten, als schändlicher Mann. Item: Schlägt einer dem Andern sondern Ursach mit der Hand auf das Maul, so ist er der Herrschaft 6 Taler 2 Pfennig und dem Richter 72 Pfennig zu wandlen verfalle. Item: Meldet die Gerechtigkeit, ein Fall sich begäb, daß der Richter Einen in Haft nehme, es sei was für Ursach immer, und schlägt ihn in Eisen, so ist derselbe dem Richter 12 Pfennig schuldig und wenn er ihn wieder ausläßt auch 12 Pfennig. Item: So sich begäb, daß der Richter einen oder andern Nachbar, wegen des Gerichts bei Tag oder Nacht anrufet, er wäre daheim oder beim Wein und welcher ihm nicht gehorsam wäre, derist um des Wandls der Herrschaft 5 Taler. Item: Alle, die da werfen bei dem Wein mit Kandln seien der Herrschaft verfallen 6 Taler und dem Richter 72 Pfennig Item: Es sind verboten alle ehrenrürigen Wort, als Schelm, Dieb, Hurenkind und dgl., welche Treu und Ehr angreifen. Wo dieselbe Person solche Worte überwiesen wird, sei sie jung oder alt, Mann oder Weib, so ist sie verfallen der Herrschaft 6 Taler 2 Pfennig und dem Richter 72 Pfennig. Item: Wer einem Wirth sein Glas und Geschirr zerbricht oder zerstößt, der ist zu wandlen dem Richter 72 Pfennig und dem Wirt sein Schaden zu bezahlen. Item: Es soll sich ein jeder Gesessener oder Lediger aller heimlich verbotenen Wehren und Waffen, es sei bei Tag oder bei Nacht, zu tragen gänzlich enthalten; wer darüber betreten wird, der ist der Herrschaft 5 Taler, dem Richter 72 Pfennig zu wandlen verfallen. Item: Welcher Wirt läßt spielen bei der Nacht über die Zeit, der ist der Herrschaft 5 Taler, und dem Richter 72 Pfennig, die Spieler aber jeder der Herrschaft 72 Pfennig, dem Richter 12 Pfennig zu wandlen verfallen. Item: Es ist verboten, Böck, Geiß und anderes schädliches Vieh zu halten, welches im Wald die jungen, aufschießenden Stämme abfrißt, welche verderben. Wer darüber betreten wird der büßt der Herrschaft mit dem Vieh, dem Richter mit 72 Pfennig. Es ist auch verboten, daß keiner unter den Nachbarn nicht halten soll, Leuth, so an der Unehe sitzen, wer das übertritt, der ist der Herrschaft mit 5 Taler, dem Richter mit 72 Pfennig verfallen. Item: Es soll jeder Fleischhacker zweierlei Fleisch haben, und ob er das nit tät, oft zahlt er dem Richter 12 Pfennig. Item: Es soll auch jeder Fleischhacker kein mangelhaftes Vieh, es sei gleich auf der Haut oder im Innern, außer er habe es vorher angezeigt und der Gemain sehen lassen, nit schlage noch aushacken, wer das tut der ist der Herrschaft zu wandeln 5 Taler und dem Richter 72 Pfennig. Item: Es soll jeder rechtes Gewicht und Maß geben, welcher im Unrecht befunden wird, der ist das erstemal der Herrschaft 5 Taler und dem Richter 72 Pfennig verfallen, zum andermal aber soll er gestraft werden nach Gnad und Wohlgefallen der Herrschaft. Wer Brennholz zu verkaufen hat und lagert es nicht außer dem Dorf, sondern bei seinem Haus und dadurch in gefährlichen Zeiten durch "Brenner" das Dorf gefährdet, hat dem Richter 72 Pfennig zu wandlen und erwartet von der Herrschaft Straf auf Gnad! Item: Es ist auch verboten, daß man nicht Unflat auf die Gassen schütten soll, es sei Aschen und Mist, tote Hunde und Katzen nicht ausgenommen. Man sollte es nicht zu den Brünnen noch Brücken, auch nicht zu den Wegen schütten wo man reiten oder gehen muß, auch nicht vor eines Anderen Thür oder Haus, wer es aber tut, der ist dem Richter zu wandlen 24 Pfennig. Es ist verboten, krankes Vieh auf die Weiden zu treiben; es soll auch keiner selbst pfänden! Wenn jemand einen säumigen Schuldner hat, so soll er zum Richter gehen und die Schuld bekanntgeben. Der Richter soll den Schuldner verhören, befindet er die Schuld richtig, so soll er dem Schuldner die Bezahlung in "landbräuchiger" Form auferlegen; zahlt er dann auch nicht, soll der Richter ein Pfand nehmen und dreizehn Tage bewahren. Löst der Schuldner das Pfand in dieser Zeit nicht aus, so erhält es der Gläubiger nach Rat und Schätzung durch Richter und Vierer. Essende Pfänder haben ihren Termin bis zum dritten Tag, wie Tiere und auch Wein wurde zu "Essenden Pfändern" gezählt, wegen der Verderblichkeit "Vermerkht dahs Panthädting auf Kaltenleuthgebin" Panthading Biechl über Kaltenleuthgeben (Pergament Umschlag) Die Satzungen im Banntaiding, welche vor der ganzen Gemeinde bekanntgegeben wurden, wahrscheinlich auch jährlich beschlossen wurden, bewahrten also die Rechtsordnung, waren der Anfang der Gemeindeordnung, der Feuer- und Sittenpolizei, der Gesundheitspolizei, der Grundbuchs- ordnung, der Marktpolizei, des Flurrechtes. Der Urproduzent hatte noch das Vorrecht vor dem Handelsmann (Verbot des Weinausschankes durch den Wirt, wenn ein Nachbar "ausleithgeben" will). Das Strafrecht und das Hausrecht ist in einzelnen Bestimmungen sehr kraß angewendet und auch der Kirchenbesuch ist nicht dem Bedürfnis und dem Gewissen allein überlassen. Das Leben im Dorf kann man sich danach gut vorstellen, die Selbstverwaltung ging in manchen Dingen weiter als heute! Aber auch die Unfreiheit! Wie kann man sich das Leben in der jungen Gemeinde vorstellen? Die Kalkbrennerfamilien kamen in den langen Waldgraben und begannen zunächst, den steilen Nordhängen am Gaisberg den Waöd zu roden, den Fahrweg von Perchtoldsdorf her fahrbar zu machen, das Holz diente zunächst dazu, um Hütten zu bauen, Kalk zu brennen, aus dem gerodeten Wald wurden Baustellen, Hausgärten, Wiesen und Weideflächen, Äcker. Die notwendigen Lebensmittel mußten ja aus den errungenen Flächen erzeugt werden, so wurden bis zur Erstellung des Grundkatasters um 1820, also in nicht ganz 300 Jahren ca. 600 Hektar Wiese-, Weide-, Acker-, und Gartenland gewonnen, welches zu dieser Zeit 19 Bauern, 13 Hüttler und 64 Kleinhäusler ernährte. Es war ein unendlich mühevolles Beginnen, welches nur dadurch möglich war, daß der Gutsherr, der Landesfürst, vertreten durch die Waldamtsherrschaft Purkersdorf I "keinen Zehent" von seinen Untertanen einhob und II, die Abnahme des erzeugten Kalkes durch ein Privilegium der alleinigen Lieferbefugnis zum Bau der Wiener Hofburg und der Burgbefestigung sicherstellte. Kaltenleutgeben war wahrscheinlich die nächstgelegene Stelle der Kalkerzeugung im kaiserlichen Besitz. Kann sich heute ein Kaltenleutgebener vorstellen, was es heißt, aus Wald eine Wiese zu gewinnen, wo heute das Mähen einer Wiese nicht mehr gewinnbringend genug ist, wo kaum noch 5 Bauern vorhanden sind und 100 Joch Wiesen jährlich stehenbleiben? Bäume fällen, Wurzeln ausgraben, Steine abklauben, Gruben einebnen, Erde umbrechen, Grasnarbe aussähen und mindestens 1 Jahr auf die Ernte warten und alle Arbeit mit Krampen und Haue und Schaufel und Beil und Säge und Schiebekarren und Scheibtruhe mit eigenen Händen. Gleichzeitig ist die notdürftige Unterkunft zu bauen, Ställe für das Nutz- und Zuchtvieh, der Kalkofen ist zu errichten, die Steine zu brechen, der Kalk zu brennen, und nach Wien zu schaffen, denn die erste Zeit müssen die Lebensmittel dort gekauft werden und zugeführt ebenso. Der Kalkofen war ein sogenannter Grubenofen. In der Nähe des Steinbruches wurde unterhalb an geeigneter Stelle eine Grube ausgehoben, die am unteren Teil die Feuerung und die Öffnung zum Ausräumen des gebrannten Kalkes enthielt, also terrassenförmig angelegt war und nahe eines fahrbaren Weges lag. Die Grube wurde innen mit sogenannten "Glasauersteinen" ausgewölbt. Glasauersteine sind plattenförmige Sandsteine, welche sich nördlich der Liesing auf der Hochwiese etc. fanden. Diese haben die Eigenschaft, daß sie beim ersten Brand "verglasen", das Gewölbe mit einer Glasschichte überziehen, und so die Höhlung vor Einsturz bewahren und für fernere Brände sichern und reineres Arbeiten möglich machen. Im Ofen wurde Holz aufgeschichtet und von oben dann die Kalksteine aufgefüllt. Ein Brand brauchte 48 Stunden Zeit. Um drei Fuhren Weisskalk zu brennen waren 41/2 Klafter weiches Holz notwendig. Das war die gewöhnliche Füllung eines Ofens. Das weiche Holz wurde in späterer Zeit als Gegenfuhr aus Wien zugeführt. In der ersten Zeit wird es im Ort geschlägert worden sein. Eine Fuhre Weisskalk dürfte etwa 1500 kg gewogen haben, so daß zum Brennen von 1000 kg Weisskalk ungefähr 1 Klafter Holz erforderlich war. Die Kalkbrenner, "Kalchbauern", waren in der "Gmain" jedenfalls die maßgeblichen Leute. Der Ort hatte bis 1604 an 30 Häuser erbaut und diese wurden in den Büchern des Waldamtes Purkersdorf verzeichnet. Die Besitzer waren nur zum Teil Kalkbauern oder Bauern, sondern die Bewohnerschaft gliederte sich nach der Besitzgröße in Bauern, die zum Haus mehr als 12 Joch Eigengrund hatten, in Kleinhäusler, die meistens als Arbeiter im Wald oder bei den Kalköfen oder als Schuster, Schneider etc. ihren Haupterwerb fanden und in eine Mittelgruppe der "Hüttler" die einen Grundbesitz zwischen 3 und 12 Joch als Eigentum hatten und ein Gewerbe ausübten oder sonstigen zusätzlichen Verdienst fanden, da die Arbeitskraft nicht voll in der Landwirtschaft ausgeübt wurde und auch das Erträgnis die Familie nicht ernährte. Wie der Wegzug von Personen war natürlich auch der Zuzug durch die Waldamtsherrschaft geregelt, da ja nur sie den Boden, abgerodet oder ungerodet, zuteilen konnte und "Nutz und Gewähr" verlieh. Die Bewohner waren ja "Untertanen", zwar keine Sklaven, aber sie konnten doch nicht kommen und gehen wie sie wollten. Die Gutsherrschaft plagte ihre "Kaltenleutgebener" nicht zu zuviel, der herrschaftliche Dienst beschränkte sich auf gelegentliche Treiberdienste bei herrschaftlichen Jagden und den Grundzins als Steuer an die Herrschaft. Von Zehent (Naturalabgabe) ist nichts bekannt. Allerdings waren die Lebensbedingungen durch die Gewinnung des Bodens für die landwirtschaftliche Kultur, durch die notwendigen Bauten usw. so, daß auch nichts geleistet werden konnte. Dann waren ja auch noch für gemeinschaftliche Einrichtungen der Gemeinde Opfer der Bewohner erforderlich. Innerhalb eines Jahrhunderts, welches durch den dreißigjährigen Krieg und den Türkeneinfall 1683 gekennzeichnet wird, erwarb die Gemeinde das Gemeindegasthaus, die Gemeindeschmiede, die Schule, die Gemeindefleischbank und ein Halterhaus. Aus der Verpachtung des Gasthauses, der Schmiede und der Fleischbank wurden dann zum größten Teil die Gemeindeausgaben bestritten. Es ist nicht bekannt, wie die Rodungsarbeiten vor sich gingen, wahrscheinlich aber so, daß alle Arbeitsfähigen der Siedlung unter Anleitung der Organe der Herrschaft an einer Stelle eingesetzt wurden. Nach welchen Richtlinien dann die Zuteilung von Land an die einzelnen Familien bzw. Höfe erfolgte, ist auch nirgends ersichtlich. Seit 1602 ist der einzelne Besitz in den Haus- und Wiesengrundbüchern der Waldamtsherrschaft verzeichnet und regelmäßig geführt. Unruhige Zeiten folgten im XVII. Jahrhundert. 1605 Einfall der Ungarn unter Bocskay welche im September bis Perchtoldsdorf kamen. 1613 forderte die Pest Opfer, so auch 1625 und in der Folge noch öfter. Der dreißigjährige Krieg wirkte sich anscheinend durch Kriegshandlungen im Ort nicht aus, doch erscheinen in den Grundbüchern 1625 eine auffallende Menge neuer Namen, deren Ursache durch Auswanderung von Evangelischen oder aber auch durch die Verluste der Pest gefunden werden kann. Am 23.4.1626 wurde ein Erdbeben verzeichnet. 1658 muß es schon eine kleine Kirche an der Stelle der heutigen gegeben haben nach einem Umschlag zu einer "Kürchen Reittung St. Jakobi Gotteshaus zu Kaltenleuthgeben von Anno 658 - 670" (lt. Hofkammerarchiv, W 50/l.f.1240). Vielleicht stellt das Relief an der Südwand der Pfarrkirche mit dem Einsiedler das alte Kirchlein dar. Der Stein war im Garten des Wiedenhauses unter der Kirche (jetzt Parkanlage) und wurde 1932 von Pfarrer Johann Wolf anläßlich des Kirchenjubiläums erworben und zuerst an der Aufgangsstiege und während des Krieges an der Südwand der Kirche zwischen Sakristeieingang und Haupteingang eingemauert. 1683 war ein schicksalhaftes Jahr für unsere Gemeinde. Im Juli kamen die Raubscharen der Türken auch in unser Waldtal, brannten die Häuser nieder und erschlugen die Männer soweit sie überrascht wurden und verschleppten Frauen und Kinder. Ein großer Teil der Bewohner konnte in die Wälder flüchten, angeblich diente auch die Gaisberghöhle als Notunterstand. der Ortsrichter Christof Aichinger ging in diesem Jahr zu Grunde. Das Kirchlein wurde niedergebrannt (siehe Festschrift mit Rechnung zur Wiederherstellung) und in den nächsten Jahren blieben Grundstücke unbearbeitet und die Wildplage (Wildschweine) nahm überhand. Perchtoldsdorf wurde in diesen Tagen niedergebrannt, die Bevölkerung erschlagen und verschleppt und die Burg Wildegg wurde gleichfalls ein Raub der Flammen, die Bewohner erschlagen oder verbrannt. In der Folgezeit kamen Neusiedler zugewandert und langsam lebte der Ort wieder auf, bis 1713 die Pest wieder eine große Anzahl von "Nachbarn" hinraffte. Darunter auch den ehemaligen Ortsrichter Matthias Benedickt. In dieser Zeit, nach dem Erlöschen der Pest, wurde von der Nachbargemeinde Breitenfurth, aus Dankbarkeit, daß die Gemeinde von der Seuche verschont blieb, das "Rote Kreuz" an der Gemeindegrenze gesetzt. Das gleiche geschah auch an der Gemeindegrenze von Laab, wo auch die Krankheit ihre Opfer fand. Die Sage vom "Pfarrer Friedl" ist eine freie Erfindung des Albrecht von Teschenberg und in einem Heftchen "Alte und neue Geschichten aus Kaltenleutgeben" veröffentlicht. Die Zeit der Handlung und die Angaben über die Besitzverhältnisse in der erfundenen Geschichte beweisen, daß sich der Verfasser für die Tatsachen nicht interessiert hat. Die Dreifaltigkeitssäule trägt die Jahreszahl 1663 und die Initialen G.L., welche sich auf Georg Lantschin aus der Kalkbrennerfamilie beziehen können. Sie trägt auf einem viereckigen Pfeiler mit Sockel und Kapitel eine originelle Darstellung der hl. Dreifaltigkeit umschwebt von Engelsköpfchen. Die Säule stand ursprünglich am Fuß der Eiswiese, etwa an der Westgrenze des Gartens vom Hause Promenadegasse 45, und wurde in den Achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf den heutigen Dreifaltigkeitsplatz übertragen und 1959 von der Gemeinde Kaltenleutgeben gründlich renoviert. Um die Wende zum XVIII. Jahrhundert wird Kaltenleutgeben vorübergehend von Wiener Adeligen, Künstlern und Bürgern bewohnt, zu welchem Zwecke sie sich Häuser errichteten, so die Grafen Kollowrat, Thalmann, Kammermusices der Majestät - Herr von Ehrental, de Phelimin, Höllinger, Niederlagsverwalter Herr Jakob Eckel, Rat der Stadt Wien - Graf Slavatin, Johann Dettlof - geheimer Kammerjuwelier u.v.a. (siehe Schöny - Familiennamen). Um 1710 wurde die Nachbildung des Gnadenbildes von Alt Ötting im alten Kirchlein aufgestellt, die "schwarze Muttergottes". (siehe Festschrift zum Kirchenjubiläum). Die Wallfahrten aus Wien und Umgebung zu dem Gnadenbild nahmen rasch zu und auf allgemeinen Wunsch und auf Anregung durch seine Gattin legte Jakob Eckel, auch Öckel geschrieben, einen Plan vor, welcher nach Genehmigung durch das erzbischöfliche Konsortium und Accordierung durch die kaiserliche Ministerial Banco Deputation mit 6750 Gulden auch ausgeführt wurde. Die Gesamtkosten betrugen 10.053 Gulden und 23 Kreuzer. Öckel ließ sich jedoch nur die bedungenen 6750 Gulden ersetzen. Jakob Öckel war ein gebürtiger Salzburger, hatte in Salzburg die dortigen Werke Fischer v. Erlachs kennengelernt und lebte und schuf seit 1695 in Wien, war hier in Wien Hausbesitzer und Mitglied des äußeren Rates. Er siedelte sich in Kaltenleutgeben an und erbaute ca. 1720 sein Landhaus C.No.32, das "alte Kurhaus". Der Baumeister war beim Bau der Karlskirche beschäftigt und dürfte durch die Lieferung von Tuffsteinen zum Bau der Karlskirche nach Kaltenleutgeben gekommen sein. Der Tuffstein wurde bei der Kaltbrunnerquelle gebrochen und als Wölbmaterial zwischen den Rippen der Kuppel verwendet. Auch Fischer v. Erlach war zweimal in Kaltenleutgeben, zur Besichtigung des Materials. Jakob Öckl hat außer der Kaltenleutgebner Kirche auch die in St.Leopold in Wien II. und die Pfarrkirche in Nieder-Hollabrunn gebaut. Die zwei letztgenannten sind wesentlich größer, reichen aber in keiner Weise an die klassische Reife und gestalterische Größe unserer Pfarrkirche heran. (Vortrag und besprochenes Band über die Pfarrkirche Kaltenleutgeben). Der einfache Grundriß, das Raumverhältnis 1:1, der wunderbare Triumpfbogen mit dem Altar in seiner meisterhaften Komposition, der wunderbare Canon der gesamten Anlage und dieses selbst, lassen ahnen, daß der Schöpfer der große Fischer von Erlach ist und daß der Plan aus der Werkstatt dieses Theoretikers stammt. Er hat in Rom das Pantheon gesehen, die römischen Ruinen und ist den Geheimnissen der Proportionen nachgegangen. Ist der Plan woher immer, wir erkennen es freudig an, daß der Schöpfer ein ganz großer Baukünstler war und freuen uns noch mehr, daß das Kunstwerk in unserem Heimatort steht. Otto Wagner, der unerreichte Meister des Grundrisses an der Wende zum XX. Jahrhundert ist in seiner Steinhofkirche zu einer frappierend ähnlichen Lösung gekommen, obwohl er von St.Jakob in Kaltenleutgeben nicht die geringste Ahnung hatte! Jakob Öckel, dessen Bild in Öl sich im Pfarrhof befindet wird noch 1751 als Besitzer seines Landhauses genannt, stiftete Messopfer für seine Gattin und am jährlichen Anbetungstag zu Jakobi wird die hl.Messe für ihn aufgeopfert. Während der Bauzeit der Kirche war der Schulmeister Johann Georg Ferstl Ortsrichter bis 1750. Die Bauzeit selbst dauerte von 1729 - 1733. Auch der Pfarrhof soll noch von Jakob Öckel stammen. Seit der Aufstellung des Gnadenbildes der Mutter Gottes haben sich gemeinsam Wallfahrten von verschiedenen Wiener Pfarren eingewöhnt und es kamen natürlich auch viele einzelne Wallfahrer, so daß zahlreiche Opfergaben anfielen und auch bedeutende Einnahmen für die Kirche vorhanden waren, damit die Baukosten abgezahlt werden konnten, denn die Bewohner der kaum drei Dutzend Häuser waren es nicht in der Lage. (siehe Festschrift-Jubiläum). Im Jahre 1732 wurde der damals bestehenden Gemeinde die Hutweide mit 162 Joch zum Nutzgenusse im Hinblick auf die so erwünschte Hebung der Viehzucht im Wiener Walde, sowie zur leichteren Ernährung des zum Holztransport nötigen Zugviehs von Seiten des k.k. Waldamtes als Grundherr und Forstbesitzer übergeben. Die Grundlage der örtlichen Landwirtschaft wurde dadurch wesentlich verbessert. Der Großteil der landwirtschaftlichen Kulturflächen war zu dieser Zeit schon gerodet, denn die Weideflächen befanden sich auf dem Flössel (östlich Kaltbrunn), am langen Berg, am Toten Kopf (Sulzerhöhe) und am vorderen und hinteren Brand (lt.Rustcal Fassion von 1751). 1742 zerstört ein Brand das Gemeindegasthaus und die Gemeindeschmiede. 1751 waren in der Gemeinde ansässig: 19 Bauern, 14 Hüttler und 4 Kleinhäusler. Das Gemeindeeigentum: Grundbesitz der Weide, "Gemain Hauss", in welchem der Kais.Königl.Jäger sein Quartier hat, "Gemain Gasthauss" und dazugehöriges "Fleischbänkel", "Gemeinde-schmiedten", Schulhaus und "Halterhäusl". Die Gemeindeeinkünfte: Vom Jägerhaus 15 Gulden, vom Gasthaus und der Fleischbank 264 Gulden, 48 Kreuzer, von der Schmiede 44 Gulden, von der Gemeindewiesen 23 Gulden, das sind zusammen 364 Gulden, 48 Kreuzer. Die Gemeindeausgaben: 351 Gulden, 30 Kreuzer für die Erhaltung der Häuser, der Beneficatenwohnung, Schul- und Halterhäusels, dann auf Besoldung des Beneficaten, Schulmeisters und Anderer, sowie für andere bei der Gemeinde vorfallenden Unkosten. Da überdies die Gemeinde zur Erbauung des 1742 abgebrannten Gemeindegasthauses und der Schmiede noch 1308 Gulden Schulden hatte, konnte ein Ertrag nicht ausgesetzt werden. An Bauern wurden 1751 verzeichnet. (die Nummern entsprechen den heutigen C.No.) No. 4 Siglin Theresia No. 5 Herr von Ehrental No. 7 Hornschall Gabriel No. 10 Schöny Josef No. 11 Thumer Josef, Ortsrichter No. 12 Tromayer Josef No. 13 Ecker Paul No. 15 Müllerin Maria Anna No. 16 Eckerin Maria No. 21 Hueber Georg Anton No. 26 Oppitz Anton Josef No. 29 Herr Wahler Carl No. 30 Kiermaör Michael No. 32 Eckel Jakob, Baumeister No. 35 Hornschall Johann No. 40 Schöny Johann No. 43 Götze Georg No. 45 Müller Johann No. 46 Premin Magdalena An Hüttler wurden im Jahre 1751 folgende verzeichnet: No. 6 Landtschin Michael No. 8 Ponz Christian No. 9 Ponz Christian No. 17 Schöny Josef No. 18 Ecker Johann No. 20 Karnerin Cordula No. 22 Stäuglin Theresia No. 23 Oberdorfer Moyses No. 25 Harsch Anton No. 36 Heyschak Simon No. 39 Hiess Michael No. 41 Schöny Johann No. 42 Auerin Magdalena No. 44 Tromayer Josef Schließlich gab es in Kaltenleutgeben im Jahre 1751 noch 4 Kleinhäusler: No. 27 Steinschnapp Georg No. 28 Edlinger Lorenz No. 47 Schwarzenecker Georg No. 48 Seitlhofer Leopold Die Fassion ist unterfertigt von dem Waldamtsdelegierten Franz Josef Münichsdorfer, dem Förster Georg Anton Hueber, dem Richter Josef Thumer und den Geschworenen Johannes Schöny und Josef Tromayer. Seit dem Jahre 1756 wirkte im Ort ein Katholischer Seelsorger (Beneficat). Er war durch den Besuch der neuen Wallfahrtskirche, der wachsenden Bewohnerzahl und durch die Wallfahrten notwendig geworden. Auch die Jagd- und Sommergäste werden dazu beigetragen haben. Die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde in der Nachkriegszeit des Türkensturmes hängt mit der großen Bautätigkeit in Wien zusammen (Wiener Barock) und den großen Bedarf an Weißkalk, dem damals alleinigen Bindemittel des Mauerwerks. Es waren damals fast so viele Kalköfen vorhanden als es Bauern gab! Die Kalköfen standen: Einer im Emmelpark ober der Quelle, zwei Öfen befanden sich zwischen den Häusern 4 Wallner und 5 Thumer, ungefähr dort, wo jetzt das Holzhaus aufgestellt wurde, mehrere im Kaltbrunn und 8 bis 10 rund um den Löwenkopf bis zur Stollwiese. Sichtbar sind die Stellen im Parzellenplan des Hauses Thumer und im Originalkataster des Jahres 1818 für die Gemeinde Kaltenleutgeben. Der Ortsrichter Lorenz Hiess - Bäckermeister, Johann Tobias Oppitz - Förster und besonders der Schulmeister Johann Georg Ferstl von 1729 bis 1750 dürften sehr umsichtig gewirkt haben, ebenso Matthias Benedict, unter welchem die erste Schule entstand mit dem Schulmeister Lorenz Godina 1699. Die Gemeinde hatte für seine 19 Bauern und 14 Hüttler die große Kirche mit einem eigenen Priester, die Schule mit einem Schulmeister, das Gemeindegasthaus, die Gemeindeschmiede, die Gemeindefleischbank, ein Halterhaus mit dem Halter und Gemeindewiesen und die Gemeindeweide mit über 160 Joch in ihrem Besitz. In dieser Zeit dürfte der allergrößte Teil der heutigen Wiesen, Weiden und Äcker schon gerodet gewesen sein und das Lansschaftsbild dem heutigen schon ähnlich. Die Bauern hatten in ihrer Wirtschaft Helfer und Zugvieh genug, um das schwierige Gelände bearbeiten zu können, denn sie brauchten diese ja auch zum Betriebe der Kalköfen, zum Transport des Kalkes nach Wien und zur Zufuhr des weichen Brennholzes von den Lagerstätten in Wien zu den Kalköfen. Unter den 14 Hüttlern waren jene Hilfskräfte und Professionisten vorhanden, welche zum Betrieb und Leben notwendig waren; sie landwirtschafteten ihre Grundstücke daneben. Wie wohlhabend die Bauern in der 2.Hälfte des XVIII Jahrhunderts waren, geht aus einer Eingabe an das Kreisamt im Viertel unter dem Wienerwald hervor, nach welcher in der Zeit vor den Franzosenkriegen stets an die 118 Stück Hornzugvieh (Ochsen) vorhanden waren und zwar in 6 großen Häusern je 8 Stück, in 7 mittleren Häusern je 6 Stück und bei 6 kleineren Bauern je 4 Stück. Der Großteil des Rindviehs wurde vom Frühjahr bis Herbst geweidet, die Jungochsen blieben die ganze Zeit draußen, die Kühe wurden mittags und abends in den Stall getrieben. Auch die Schweine kamen auf die Weide. Einzelne Rieden wurden danach bezeichnet: Ochsenweide (Sulzerhöhe), Kuhstand (Flösselweide und Ried hinter jetzigem Halterhaus), Sauweide (Rücken an der Hauptstraße gegenüber Haus Tromayer bis in die Langwiese). Da nun der Kulturboden für die Landwirtschaft gewonnen war, das Kalkgeschäft blühte, der Robot auf gelegentliche Jagden und Wegherstellungen beschränkte, die ersten Sommerfrischler in eigenen Häusern sich anzusiedeln begannen und auch die Wallfahrten den Ort belebten, mag das Leben der Kaltenleutgebner erträglich gewesen sein! Eine Sache mag der Gemeinde hie und da Sorgen gemacht haben: Die Gemeinde Kaltenleutgeben, Hütteldorf und Baumgarten hatten zusammen jedes Jahr einen Soldaten zu stellen, bei 16 jähriger Dienstzeit!! Das war so eingeteilt, daß jedes 3. Jahr Kaltenleutgeben einen Soldaten aufzubringen hatte. Ich habe in den Gemeindeakten eine Verrechnung über die Aufbringung eines Rekruten in Händen gehabt. Daraus ging hervor, daß ein Bauernknecht bei einer Zecherei, die in Rechnung gestellt war, 20 Gulden Handgeld erhielt, ferner ein Paar neue Stiefel und dann durch das Fuhrwerk (wahrscheinlich betrunken) in die Kaserne nach Wien geführt wurde und dort sofort vereidigt wurde (vor der Ausnüchterung). Als der Mann zu sich kam, war er schon Soldat und wäre im Falle einer unerlaubten Entfernung als Deserteur behandelt worden. Die Kosten wurden unter den drei Gemeinden nach der Häuserzahl aufgeteilt. Im Jahre 1780 kam Kaiser Josef II. zur Regierung. Seine Ideen wirkten sich auch hier aus. Im Jahre 1783 wurde Kaltenleutgeben eine eigene Pfarrei. Bis zu dieser Zeit waren wir in Perchtoldsdorf eingepfarrt. Die Votivgegenstände aus Edelmetall, welche von den Wallfahrern gespendet worden waren, wie Kreuze, Statuen. Hände, Füße etc. wurden vom Staate eingezogen, dafür wurde der Religionsfond zur Erhaltung der Kirchen und Pfarren geschaffen, wo kein Gutsherr oder Patron vorhanden war. In Kaltenleutgeben hatte die Waldamtsherrschaft Purkersdorf, später der Rechtsnachfolger, die Staatsforste, die Patronatslasten zu tragen und die Gemeinde hatte Hand- und Zugrobot bei Kirchen- und Pfarrhofbauten zu leisten, sowie an den Pfarrherrn verschiedene Zuwendungen zu geben um seine Lebensmöglichkeit zu sichern. Zur Hebung des kulturellen Lebens trug die Tätigkeit des eigenen Pfarrherrn naturgemäß sehr viel bei, und die Gemeinde, jetzt auch Pfarrgemeinde, wurde gefestigt. Allerdings wurden von Kaiser Josef auch die Wallfahrten zur schwarzen Muttergottes eingestellt. Aus der Zeit Kaiser Josefs II. habe ich unter den alten Gemeindepapieren auch eine "Dienstbotenordnung" und eine "Spitalsordnung" gefunden, beide waren in Druck der Gemeinde zugegangen und hatten außerordentliche fortschrittliche und menschenwürdige Bestimmungen. Mit der Schaffung der Pfarrei und der Führung der Matriken beginnen auch die Zählungen der Einwohner und der Häuser. So finden wir 1783 in Kaltenleutgeben 58 Häuser und 489 Einwohner. Die Leistung der Gemeinde an den Pfarrherrn betrugen jährlich 150 Gulden und den Gegenwert für 8 Klafter Brennholz. *********************************************************** Am 20. Juli 1914 waren in Kaltenleutgeben folgende Betriebe vorhanden: In der Land- und Forstwirtschaft: 1 Großbetrieb der k.k. Forst und Domänen Direktion Wien mit drei Förstern im Ort. 22 bäuerliche und kleinbäuerliche Betriebe 1 Rinderzuchtverein. An industriellen und gewerblichen Betrieben: 2 Zementfabriken (Stollwiese und Kardinalwald) 1 Kalkwerk Kaltbrunn 3 Steinbruchbetriebe (Fellner, Endweber, Freundschlag) 2 Kuranstalten (Winternitz und Emmel) 16 Gasthäuser 14 Kaufleute, Gemischtwaren- und Delikatessenhändler 3 Fleischhauer 2 Bäcker 2 Baugeschäfte 2 Zimmermeister 2 Schlosser 2 Tischler 2 Anstreicher 2 Maler 1 Spengler 3 Grünwarenhändler 2 Blumengeschäfte 1 Gärtner 2 Uhrmacher 2 Sattler 1 Wagner 1 Schmied 22 Fuhrwerker, davon 8 Fiaker 12 Einspänner 1 Stellwagen 12 Schuster 4 Schneider 2 Friseure 1 Kalkhändler 3 Damenschneider 3 Musikschulen 3 Kapellmeister unterhielten Musikkapellen. Eine 6 klassige Volksschule und 1 Kindergarten mit 3 geistlichen Schwester sorgten für die Erziehung der Jugend.