Bodenreuth: Söhne am anderen Ufer


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Deckblatt

Bodenreuth, Friedrich: Söhne am anderen Ufer. Berlin: Hans von Hugo Verlag. 1940, 417 S. geb.

Ausstattung: Paquita Kowalski-Tannert

Reclam-Druck Leipzig. M/0800



Um es gleich zu sagen, es ist ein unsägliches Buch, Nazi-Propaganda reinsten Wassers, angeboten von zahlreichen Antiquariaten. Scheint so etwas wie ein „Bestseller” gewesen zu sein. Es fehlt allerdings in der Aufstellung von Nazi-Propaganda-Literatur unter http://www.idc.nl/catalog/down/395_395.pdf .


Es stand bei meinen Großeltern im Schrank, da der Bruder meiner Großmutter, Otto Dietz, es während eines Lazarettaufenthaltes im Winter 1941/42 geschenkt bekam:


Seinem verwundeten Kameraden

aus Rußland

der 2. Zug 1./15(mot).

Kriegsweihnacht 1941.


Das Buch ist ein umfängliches; 412 Seiten Text verteilen sich auf 24 Kapitel. Und so beginnt es mit dem ersten Absatz:

Auf den Felsblöcken buk das Moos. Zerknüllten Lappen gleich hing das Laub an den Sträuchern. Aus den Poren der Fichtenstämme schmorte der harzige Schweiß und troff auf das graue Heidekraut. Aus einem verdursteten Rinnsal wagte sich eine Libelle in die kochende Luft, aber nach wenigen Flügelschlägen brach sie ins Gras zurück mit fast zerschmolzenen Schwingen. Es klang, als schlüge ein Ast in dürres Stroh. Die Rinde der Felder barst, aus den Rissen stachen die Wurzeln des Korns wie versengtes Haar. Reglos, einer Schlange mit zum Sprung gespannten Windungen des Leibes gleich, lauerte die Straße und zielte ihr Gift nach einem gelähmten Dorf. Dort wimmerte eine kleine Glocke auf in der Mittagsnot, aber ihr Atem versiegte nach dem ersten Ton. Der Kamm des Gebirges jenseits des Tals, eine bleiche Linie nur, zitterte wie eine schlaffe Saite, unfähig, den Notruf der Glocke aufzunehmen und an das Ohr des Retters weiterzutragen. Irgendwo fand noch eine Vogel die Kraft zu einem letzten Schrei, dann aber erstarrte alles, Gras und Halm, Strauch und Wald und Getier in Sand und Geäst, und gab sein Wesen in der Angst vor dem nächsten Schritt der Stunde hin und in der Erwartung des Unbekannten, das endlich von jenseits der Gerge käme oder aus den weißen Fäden herniederbräche, die eine unsichtbare Spinne langsam an den Himmel wob.” (S. 5-6)


Die Protagonisten sind eine Familie mit dem (programmatischen?) Namen „Karg” (Vater Helge, Mutter Trude, die Söhne Karl, Kurt und Hans sowie des letzteren Freundin Gudrun). Bodenreuth schildert am Beispiel dieser Familie den „Volkstumskampf” im Sudetenland, wobei er eine streng nationalsozialistische Deutung abliefert, nicht besonders logisch, aber voll gemeiner Tschechen und leidender Deutscher, mit viel Pathos.


Bodenreuth läßt Kurt Karg so über Böhmen denken:

‘... Böhmen liegt inmitten und nicht am Rande der alten Welt, wo Fata Morgana haust ... Denn obgleich dieses Land schon seit tausend Jahren brennt, sind die Menschen, die hier leben, doch des feurigen Rostes gewohnt und bewahren eine kühles Hirn inmitten der Glut. Vielleicht liegt es an ihren Augen, daß vor ihnen die Gebirge bloß wie aus Glas sind und durchsichtig für die Blicke in Land und Vergangenheit. Wohin immer ins Land sie auch wortlos weisen, überallhin zeigen sie gleichzeitig in ihr Blut und in seine tausend Jahre. -- Auch das sehen sie von überall, denn ihre Sicht ist scheinbar ohne Grenzen: Sie sehen die Donau entspringen und sich mit der March vermählen, sie sehen die Regnitz und die Saale, die Elbe und die Oder von den Quellen bis zu ihrem Heimgang ins Meer durch väterliches und mütterliches Land pflügen und an Gräbern der eigenen Ahnen vorbeigehen. Sie wissen, daß Wiegen immer Gräber und Gräber immer Wiegen sind, und was immer sie sehen und wenn sie auch bloß in Böhmens Becken zeigen -- immer sagen sie: Deutschland. Denn dieser Boden ist Deutschlands Herz.’ Kurt Karg hieb die Faust aus dem Schatten und griff in vergilbte Nesseln wie in eine Falmme. Laut stieß er es hervor, so daß der Bruder aus seiner taumelnden Schlaffheit emporschrak.’Aber in der Mitte des deutschen Raumes wohnt ein fremdes Volk! Deutschlands Herz glüht an diesem Volk von einem fremden Gift! Wird Deutschland einmal erkennen, woran sein Herz seit tausend Jahren krankt?’ Er riß die Nessel aus der Erde und schleuderte das Büschel gegen die Sonne. Unsichtbar fern schlug es irgendwo auf, vielleicht erst jenseits der Berge inmitten des fremden Volkes. ‘Deutschland muß endlich an Böhmen genesen!’ Und er stammelte es noch einmal wie einer, dem die Inbrunst das Gebet zerpflückt: ‘ -- An Böhmen -- genesen!’” (S. 6-8)


Das klingt nicht nur ganz schön verquast, hier steckt das politische Programm dieses Buches drin, die Tschechen als Krankheit, tausendjährige Perspektiven, der Glaube an die Sache darf die ganze Zeit über den gesunden Menschenverstand siegen.


Überhaupt die Tschechen: „ ... die Tschechen ... brachen in unser Land. Sie drangen in die Straßen und schossen in die Häuser. Sie werfen uns aus den Betten. Sie stoßen uns von den Feldern. Sie rauben uns das Brot. Denn das Land gehöre ihnen mit aller Frucht, und der Deutsche ist ihnen weniger als ein Hund.” (S. 11)

Und dabei sind die Tschechen nur „Mieter” in Böhmen, meint Kurt Karg (und mit ihm Bodenreuth): „’Es kann doch einstens die Macht wieder aufstehen, die schon einmal vor fast zweitausend Jahren die Völker aus ihren Räumen und aus der Ruhe der Sattheit hinaus nach anderen Räumen trieb. Damals hatte manch ein Volk ein Haus erhalten, groß genug, einen Teil davon einem zweiten kleineren Volk zur Miete zu leihen. Wächst aber die Familie und wird dem Hausherren der Platz zu eng, muß der Mieter weichen.’ ” (S. 12)

Das ist eine tolle (toll ist hier durchaus doppeldeutig gemeint) Sache: Das Mietrecht und seine Relevanz für die Völkerwanderung. Falls der Tscheche das mit der schriftlichen Kündigung nicht so hinnehmen will, auch darauf hat Kurt Karg eine Antwort: „’Zwischen Völkern gilt kein bürgerliches, kein privates Recht. Das Recht zwischen Halm und Halm, Strauch und Strauch, Tier und Tier entscheidet allein auch zwischen Volk und Volk. Das Schwache muß dem Starken, das Müde dem Drängenden, die Lebensarmut dem Lebensreichtum weichen. Und der Glaube ist das Zeichen der Kraft! Wir müssen immer wieder ‘Trotzdem!’ sagen können, Hans. Darauf kommt es an.’” (S. 12f.)

Nazi-Ideologie in Reinkultur.


Kapitel 1-2: Auftritt von Kurt und Hans Karg; Wanderung kurz nach Ende des 1. Weltkrieges, Kurt ist ein weltanschaulich gefestigter Nationalist (für Bodenreuth so eine Art „Idealjungmann”), sein jüngerer Bruder Hans eifert ihm nach, hat aber nicht dessen Stärke des Glaubens; Überfall durch einen tschechischen Legionär.

Kapitel 3: Auftritt Trude und Helge Karg, die Eltern. Helge, ein „typischer” Sudetendeutscher, arbeitet in der Verwaltung und versucht, sich mit den tschechischen Herren zu arrangieren. Von seinen Söhnen als „aus einer anderen Zeit” (S. 31) charakterisiert. Die Mutter Trude hat „besonderes Blut” (S. 28), sie ist wortkarg, aber von scharfem Verstand, unbestechlich; Eigenschaften, die sie an ihre Kinder weitervererbt hat.


Kapitel 4: Familiengeschichte der Kargs; darin der Verrat der Habsburger (und auch der der katholischen Kirche) an Deutschland; so muß, wer durch und durch deutsch ist (d.h. u.a. antihabsburgisch, antiklerikal), leiden. Im Volkstumskampf muß am Stellung beziehen, so die Botschaft, denn mit den hinterhältigen Tschechen ist kein Auskommen. Helge Karg ist der erste, der nicht zum Opfer im Volkstumskampf werden will. Seine Haltung ist am Anfang des Buches ist eine durchaus rationale: „’Knechtschaft? Selbstbestimmungsrecht der Völker? Von großen Worten ist noch niemand satt geworden. Alle Dinge sind übrigens im Fluß, und die Bedeutung der Begriffe verschiebt sich stündlich. Europa, ja die Welt ordnet sich neu. In wenigen Jahren wird kein Mensch mehr sein Leben einsetzen, damit Staatsgrenzen einige Kilometer verschoben werden. ... Die Völker wollen Friede, Brot und ein wenig Vergnügen. Das ist das ganze Geheimnis. An der Wirtschaft krankt und gesundet die Welt. Der Wirtschaft dienen heißt, die Menschheit auf Erden zum Segen zu führen. ... Wie es eine Religionsfreiheit gibt, kann es auch eine Volkstumsfreiheit geben. Für ein jedes Volk und in einem jeden Staat.’” (S. 64f.) Das ist es, wogegen Bodenreuth auch dieses Buch geschrieben hat. Keine Frage, daß Helge für diese moderate Haltung bestraft wird.


Kapitel 5: Hochwasser. Helge schreckt davor zurück, tollkühn zwei Menschen aus den Fluten zu retten. Ein anderer wagt und stirbt. Seine Frau zeigt ihm, daß ihr ein Held lieber gewesen wäre ...


Kapitel 6: Schicksal von Karl Karg, Helges ältestem Sohn, der sich nach der Demobilisierung einem deutschen Freikorps angeschlossen hatte, das im Baltikum eingesetzt war. Stirbt in Hamburg-Harburg im Kampf gegen die „Roten” (vom Mob wie Schlachtvieh erschlagen, S. 122f.).

Eine Art Buch im Buch, ein Exkurs, erzählt von dem „Grauen”, eine Eloge auf das Soldatentum und das Führerprinzip, daß Deutschland seine Frontsoldaten vergessen habe, daß die republikanischen Politiker Verräter seien, vier Jahre Kampf dürften nicht sinnlos gewesen sein usw. Es gibt eine Reihe von interessanten Stellen in diesem Kapitel. So läßt Bodenreuth Karl Karg folgendes zu einem Kriegskameraden sagen: „’Aus den Löchern die Kadaver kratzen’, sagt Karl zu mir. ‘Die Knochen in die Seifenfabriken! Kapital, Mensch! Wirtschaft! Alles andere ist Blödsinn.’ ... Und er fragt mich, ob ich von Kapital etwas verstünde und von der Wirtschaft, und ob ich etwa daheim jetzt einen Handel mit Seife aufmachen wolle, da ich doch Sachverständiger wäre und den Produktions- und Verbrauchsweg der Ware genau kennte: von der Leiche bis zum Waschtisch.” (S. 88)

Oder der „Verrat” der Hohenzollern; wieder Karl Karg: „Ob wir denn gehört hätten, daß der Adel aus Brandenburg und anderen Provinzen bereit sei, mit dem Kaiser als letztes Aufgebot zu Feld zu ziehen, noch einmal das Kriegsglück zu versuchen und nicht anders zurückzukehren als mit dem Sieg?” (S. 88) Interessante Variante der „levée en masse” der Französischen Revolution; habe ich so noch nirgendwo anders gelesen. Der Kaiser kommt natürlich nicht. Konsequenz: „Kaiser sei Kaiser, wir aber brauchten einen Herzog, oder so. Wir müßten also in Deutschland nach irgendeinem suchen, der eben so etwas wie ein Herzog wäre. Finden Sie erst einmal unter ein paar Millionen den richtigen heraus! -- Aber gerade unter Millionen muß es doch einen einzigen Mann geben, wenigstens einen einzigen, dem man glauben kann! Dem man gern gehorchen möchte!” (S. 91)

In dem Hohelied auf den Kampf der deutschen Soldaten und Freikorpsleute im Baltikum darf auch das „Baltenlied” nicht fehlen:

„Ihr Brüder, schließet dicht die Reihen,

Und hat die Heimat uns verbannt,

Wir in der Fremde sind die Freien,

Wir sind allein noch Reich und Land.

Wir sind die eisernen Soldaten,

Wir stehn im Osten Wacht und Wehr.

Wir tragen heut auf unseren Fahnen

Das ganze Deutschland uns sein Heer.”

Helge Karg hat (noch) kein Verständnis für den „Opfertod” seines Sohnes. Mit der Haltung, daß Frieden das wichtigste sei, steht er allein am Ende dieses Kapitels.


Kapitel 7: Wie die Familie mit dem Verlust umgeht; Generationenkonflikt: Helege Karg versteht nicht, daß der Kampf weitergehen muß: „’Ob Deutschland es jetzt deshalb so schwer hat, weil die Väter zu Hause blieben, als die Söhne marschierten?’” (S. 140f.). Helge Karg leidet an seiner Rationalität, die Bodenreuth so konterkarkiert. Helge Karg wird von den Tschechen als Deutscher vom Dienst supendiert. Seine moderate Haltung - sinnlos.


Kapitel 8: Mißhandlung und Benachteiligung der Deutschen (z.B. In der Ausstattung der Schulen); Exkurs: Ein armer Slowake beschreibt sein Leben und seinen Haß auf die Tschechen (der Slovake als positives Gegenbild); Helge Karg läßt sich überreden, den Treueeid auf die Tschechoslowakische Republik zu leisten (Alternative: Verlust der Pension).


Kapitel 9: Hans Karg verliebt sich in Gudrun; für die ist Kurt Karg der Soldat, aber Hans ein Dichter. Geiselung des Moralunterrichts, durch den Anstand und Sitte zerstört und die Mädchen zur Empfängnisverhütung verleitet werden sollen.


Kapitel 10: Kurt Karg hat seinen Militärdienst absolviert; natürlich werden Deutsche und Slovaken beim Militär körperlich mißhandelt, besonders Kurt, der für einen Slovaken eingetreten war. Vater Helge zeigt nur mangelndes Verständnis.


Kapitel 11: Schilderung einer Versammlung mit einem nationalsozialistischen Redner, der die Trennung von Deutschen und Tschechen und den Anschluß an das Deutsche Reich fordert, erst dann könne es wirklich Frieden geben. Das ganze endet in einer Saalschlacht mit tschechischen Polizisten. Kurt Karg bewährt sich und nimmt Kontakt mit den Nazis auf.


Kapitel 12: Helge Karg hadert wieder einmal mit sich sich und seinem bürgerlich bescheidenem Wohlstand. Aber er beginnt sich zu wandeln und heißt es gut, daß Kurt seine eigenen Wege gehen will. Der flieht.


Kapitel 13: Tschechische Kriminalpolizei durchsucht die Wohnung der Kargs; sie wollen Kurt Karg verhaften; dabei verwüsten sie die Wohnung und verhöhnen Helge Karg.


Kapitel 14: Helge Karg kommt seiner Entlassung zuvor und tritt aus dem Staatsdienst aus und nimmt so seinem Gegner Spina (der einer deutsch-tschechischen Ehe entstammt) den Triumph; über den heißt es u.a.: „Mischblut ist stets auf der Flucht vor sich selbst. Das Bekenntnis zu einem Teil entscheidet nichts, es beschleunigt nur die Geburt des Hasses und bestimmt seine Richtung gegen das andere, das Unscheidbare.” (S. 250)

Helge Kargs Wandlung geht weiter: „Helge erkannt ..., daß alle Bescheidung, ein jeder Rückzug in das Privateste und sogenannte Persönlichste doch nur dem Verkriechen in einem Schlupfwinkel gleichkam, in den das Giftgas dieses Hasses nachsickerte, auch wenn ihm diese schleichende Macht noch so eindringlich abgesprochen ward.” (S. 250f.)


Kapitel 15: Endlich ist Helges Frau mit ihm rund herum zufrieden; Helge Karg verdingt sich als Kohlenhändler, der die Säcke selbst schleppen muß. Kurt hat sich der „Bewegung” angeschlossen, Hans macht Abitur.


Kapitel 16: Hans Karg hilft dem Vater im Kohlengeschaft. Er erzählt, daß er Kurt Karg in Wien besucht hat, der dort für den Anschluß an das Deutsche Reich kämpfe (incl. einer ersten Eloge auf Hitler und der Verdammung von Bundeskanzler Dollfuß). Hans hat einen Unfall, bei dem er schwer verletzt wird.


Kapitel 17: Hans Karg kommt mit dem Leben davon, allerdings schwerbeschädigt. Kurt Karg wird in Wien der Prozeß gemacht; die Todesstrafe ist wahrscheinlich. Helge Karg reist heimlich nach Wien, um dem Sohn – auf dessen Wunsch hin – noch einmal nah zu sein.


Kapitel 18: Helge Karg in Wien; er trifft den “Grauen” wieder, den Freund seines Sohnes Karl; der “Graue” hat sich der Nazi-Bewegung angeschlossen und kämpft in Österreich für den Anschluß. Nun ist er auch der Freund und Kamerad von Kurt Karg. Der “Graue” erzählt dem Vater von den “Heldentaten” seines Sohnes und daß der Prozeß eine abgekartete Sache ist.


Kapitel 19: Helge Karg besucht seinen Sohn Kurt noch einmal im Gefängnis. Kurt wird aufgehängt und somit zum “Märtyrer” der Bewegung. Der “Graue” erzählt dem Vater: “'Bevor sie sterben, grüßen sie alle den Führer', sagte der Graue. Und er sagte: 'Wir haben kein Recht, die Opfer zu betrauern, aus denen sie ihr Deutschland bauen.'” (S. 334)


Kapitel 20: Eloge auf Hitler. Hans Karg erhält einen Geheimauftrag, er soll so tun, als sei er ein Verräter an der Bewegung, und es mit den Tschechen halten. Nicht einmal seinem Vater darf er es sagen. Der bricht mit seinem Sohn.


Kapitel 21: Anschluß Österreichs; Eloge auf Hitler. Hans ist verschwunden; sein Vater sucht ihn heimlich. Hans' Freundin Gudrun hilft des Kargs. Der Anschluß Österreichs führt zu Unruhen im Sudetenland, u.a. schreibt Bodenreuth von menschlichen Schutzschilden: “In Schlingen und Fesseln werden die Gefangenen als Geiseln auf Prag zu geschleift. Man hat einen Plan! Die Leiber der Deutschen sollen als Schutzschild vor Deutschlands Fliegern an Prags Mauern stehen.” (S. 361) Helge muß Zwangsarbeit leisten und Barrikaden bauen; da sein Sohn als Verräter gilt, hilft ihm niemand, und er wird fast totgeschlagen von den tschechischen Wächtern. Gudrun rettet ihn.


Kapitel 22: Helge Karg im Fieber. Das Abkommen von München. Gudrun bekennt, daß sie auch für die Bewegung tätig ist.


Kapitel 23-24: Sudetenland bei Großdeutschland; Helge Karg kommt langsam wieder auf die Beine. Von Hans keine Spur. Aber die bösen Tschechen und die zionistische Weltverschwörung ruhen – natürlich – nicht: “... über dem Becken des inneren Böhmens braute das Unheil weiter. Von jenseits der noch kaum im neuen Boden verwurzelten Grenzpfähle wetterleuchteten Drohungen: von Rückeroberung, Zerstückelung des Reiches, Vergeltung und Rache im hussitischen Geist, dem Blut wie Bier zu Munde stehe, der nichts von Pflug und nichts von Kelle wisse, der mit Morgensternen aus den Sklaven keltern und über brennenden Städten kochen werde, wessen er bedürfe. Prag? Was liege schon an Prag und den Domen und Burgen im Land? ... Was an einem Volk? Gold ist alles! In Händen einiger Wissender, Rechnender, Lüsterner: Herrschaft über die Welt, alles! Gold! - Hussitischer Geist? Ahasver kann in tausend Masken tauchen, um tausend Völker in seine Fron zu locken. In Böhmen behängt er sich mit Hussens Kleid. Der Morgenstern, von der Moldau gegen Deutschland getragen, wird einst als Zionstern über den Zinnen der Prager Burg schweben und seine kalten, saugenden Strahlen in den Nacken auch dieses ermatteten Volkes stechen.” (S. 394f.) Puh, so geht es immer weiter, bis es da heißt: “Der Führer befahl. Und Deutschlands Heere marschierten.” (S. 395) In Notwehr, selbverständlich. Die sogenannte Zerschlagung der Resttschechei. Helge Karg wird über den Geheimauftrag seines Sohnes Hans unterrichtet. Helge Karg stirbt, nachdem er eine Heldentat vollbracht hat, indem er ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet hat. Sterbeszene: “Da schrie Helge auf, schrie alle Qual von sich und jauchzte: 'Das Ufer! -- Das andere Ufer!' Es verklang, als lande ein singender Vogel im ersehnten Ziel. Und dann, als spräche er aus einem tiefen und freundlichen Traum: 'Ich habe es nun doch erreicht, Mutter. Das Ufer und die Jungen.' Und er fragte: 'Sie haben mich das Leben gelehrt, weißt du?, die Jungen.' Er sagte: 'Ich lebe. Ja. Ich lebe!' -- -- -- So starb Helge Karg.” (S. 415)


Stichworte: Bodenreuth hat zumindest in diesem Buch die Neigung, seine Überzeugungen plakativ darzustellen in Gleichnissen, Aphorismen usw. Einige Beispiele:


Adel

Böhmischer Adel: „Der Fürst war Österreicher, und das hieß bei dem Adel in Böhmen, den Kaiser nach dem Papst zu verehren. Politisch bekannte er sich zu den Tschechen, obgleich ihre Sprache nicht beherrschte und sich auch um die Erlernung nicht bemühte. In diesen Kreisen galt eine Sprache bloß als ein Verständigungsmittel, das zu nichts verpflichtete wie das Kauderwelsch des Esperanto oder Volapük.” (S. 44)



Bauernsöhne

Erst- und Zweitgeborene: „Zweite Bauernsöhne werden nicht ins Haus, sondern aus dem Haus hinausgeboren. Schon der erste Schritt, den sie lernen, führt sie vom Hofe fort. Wenn sie auch auf dem Acker und der Wiese spielen dürfen, ohne daß sie jemand aus der Frucht zu jagen wagt, sind sie doch bloß geduldet. Der Erstgeborene kann mit dem ersten Schrei in der Geburt den Acker anrufen und empfängt seine Antwort. Ihm wird der Acker untertan sein bis in den Lebensabend hinein, und auch dann, wenn der Erstgeborene einst nur mehr durch das Fenster des Ausgedinghauses nach ihm blicken darf, wird das Feld vor ihm noch die Halme als vor dem Herren neigen. Vor dem zweiten Sohn aber ist der Acker blind und taub wie vor einem Fremdling, der bald wieder von dannen zieht und ... bloß ein Knecht werden kann.” (S. 33)


Frauen

Wenn es Streit mit dem Mann gibt: „Die Frau schloß ihre Wehmut in jenen Schrein, den ein jedes echte Weib in seiner Güte für Dinge bereit hält, die vergessen werden sollen.” S. 31)


Glück

Kein Glück ist umsonst, sondern ein jedes Glück will verdient und eropfert sein.” (S. 43)


Schacht-Gleichnis

Doch wer einem Schacht entflieht, blickt nicht zurück, wenn ihn die Tiefe anruft. Er greift nach der Spinnenwebe eines Strahles von oben, vertraut ihr, daß sie ihn halte und höbe, und vollbringt mit seinem Vertrauen das Wunder, das einem Faden zu Halt und Hub die Kraft eines Taus verleiht.” (S. 263)




Schluß: Ein schrecklich schwülstiges Buch voller Geschichtsklitterung und Nazi-Propaganda. Heute fast unlesbar. Und zugleich ein sehr buntes Buch, in dem zahlreiche Standardthemen der Nazi-Literatur zusammengeführt werden: Dolchstoßlegende, Freikorps, Führerkult, Volkstumskampf usw. Ich frage mich allerdings, ob nicht zu dieser Stunde wieder solche Bücher geschrieben, in denen der Verstand dem Hohelied des Fanatismus unterliegen muß.



Frank Schuffert, im Januar 2003

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