Ukraine-Krieg und Russisch-Roulette:

Der Westen zerstört sich mit Sanktionen selbst

von GUIDO GRANDT (Wochenblick, 20. März 2022)

Kürzungen und Anmerkungen: Nikolas Dikigoros

Die massiven Wirtschafts- und Finanz-Sanktionen, die der Westen Russland aufgrund des Angriffs auf die Ukraine auferlegt hat, entwickeln sich immer mehr zum Bumerang. Schon spricht Bundesfinanzminister Christian Lindner von einem hiesigen „volkswirtschaftlichen Wohlstandsverlust.“ Doch nicht nur das: Experten unken, dass die Russland-Sanktionen sogar zur Zerstörung des Euro-Systems führen könnten. Ganz zu schweigen von Milliardenkosten, Lebensmittelengpässen, Preisexplosionen bei Energieträgern und Nahrungsmitteln für die europäischen Bürger.

Neben dem militärischen Krieg zwischen Russland und der Ukraine tobt ein Finanzkrieg zwischen EU/USA und Putins Riesenreich. Durch massive Sanktionen soll Russlands Wirtschaft destabilisiert, größtenteils von der Kapitalwelt abgeschnitten und die Kriegskasse trockengelegt werden.

Ein zweischneidiges Schwert

Auch wenn die ersten Auswirkungen für viele Russen bereits spürbar sind, könnte Russland mit einer Golddeckung des Rubels einen Alternativweg finden, um sich so vor einer Wirtschafts- und Finanzkatastrophe abzusichern. Dabei könnte die russische Zentralbank einen Teil des Goldes seiner Devisenreserven gegen Rubel eintauschen, um den Währungsbedarf zu decken, sowie den Rest zu ihren Goldreserven hinzufügen. Das würde de facto zur Einführung eines Goldstandards führen. Auch der russische Staatsfonds hält etwa ein Fünftel seines Vermögens in Gold.

Ohnehin ist die russische Wirtschaft nicht auf ausländische Währungen angewiesen, weil sie relativ gesund und stabil ist. (Anm. Dikigoros: Na ja, alles ist relativ. Aber sie ist seit einiger Zeit mehr oder weniger autark, d.h. von Importen unabhängig.) Die Staatsverschuldung beträgt weniger als 20% vom Bruttoinlandsprodukt (Deutschland: 72,5%). Nur der Verlust aller Öl- und Gas-Einnahmen könnte Putin nachhaltig schaden. Bekanntermaßen verhängte US-Präsident Joe Biden einen entsprechenden Importstopp.

Würde die EU nachziehen, wäre dies allerdings ein zweischneidiges Schwert, denn dadurch wäre die Energiesicherheit Europas anhaltend gefährdet. Der deutsche Wirtschaftsminister sprach diesbezüglich von einem verheerenden Wirtschaftseinbruch von 5%. Und das ist wohl noch eine konservative Schätzung. [Anm. Dikigoros: 10-15% dürften realistischer sein, zumal ja noch andere Rohstoffe, die bisher von Rußland und/oder der Ukraïne geliefert werden, hinzu kommen.]

Russisches Roulette für die EU

Das europäische Wirtschaftssystem befindet sich selbst in einer Krise: Die Währungsabwertung führt zu nachlassender Kaufkraft und damit zu steigenden Preisen. Ganz abgesehen davon, dass das aktuelle Fiat-Geldsystem stetig durch die Ausweitung von Bankkrediten finanziert wird, sprich durch massenhaft gedrucktes „Helikopter-Geld.“ Bereits jetzt wirken sich die Sanktionen negativ auf den europäischen Bankensektor aus. Anfang März 2022 fror etwa die italienische Unicredit ihr Russland-Engagement von 14 Milliarden Euro ein. Ähnlich die französische Société Générale.

Auch deutsche und österreichische Geschäftsbanken sind in Russland stark exponiert. Aufgrund des Lizenzentzuges der russischen Sberbank muss der österreichische Steuerzahler über die Einlagensicherung der Finanzmarktaufsicht knapp 1 Milliarde Euro für die geschädigten Kunden abdrücken. In Deutschland belaufen sich die Forderungen der Banken gegenüber Russland auf rund 6 Milliarden Euro.

Durch eventuelle Gas- und Ölbeschränkungen aus Russland und den damit steigenden Energiepreisen, erhöhen sich auch die Risiken der europäischen Geschäftsbanken. Dann müssten die überschuldeten Institute wohl vom Zentralbankennetzwerk des Eurosystems gestützt werden. So warnt die Goldmoney-Holding bereits: „Wir sehen jetzt, wie die Finanzsanktionen des Westens nach hinten losgehen und zunächst das Eurosystem und seine Währung zerstören werden.“ Wahrlich „Russisch Roulette!“ [Anm. Dikigoros: Ein zweifelhafter Vergleich. Beim "russischen Roulette" beträgt die Überlebenschance zu Beginn wenigstens 5:1;

Wohlstandsverlust

Der Bundesfinanzminister erklärte bezüglich eines Gas- und Öl- und Kohleembargos oder Exportstopps aus Russland, dass dies dramatisch steigende Preise nach sich ziehen könnte. „Spätestens im nächsten Herbst und Winter hätten wir Versorgungsengpässe und müssten sehr einschneidende Maßnahmen diskutieren.“ Und auch die Preisexplosionen an den Tankstellen könne der Staat nicht auffangen. „Es wird einen volkswirtschaftlichen Wohlstandsverlust geben [...] so dass wir alle ärmer werden.“

Sanktionsbumerang

Doch nicht nur das europäische Finanzsystem und die Energiesicherheit sind gefährdet, sondern auch der Rohstoff- und Lebensmittelsektor. Wochenblick berichtete über Engpässe bei den Getreidelieferungen: Russland und die Ukraine sind mit die wichtigsten Exporteure von Hafer, Roggen, Gerste und Weizen. Angesichts der massiven Verknappung von Grundnahrungsmitteln hat Ungarn bereits seine Getreideexporte unterbunden. Deutsche Landwirte schlagen schon jetzt Alarm: Mehr als 75% der Getreidevorräte sind aufgebraucht!

Ganz zu schweigen von den Tausenden Mitarbeitern in der Automobilbranche, die aufgrund der Russland-Sanktionen vor dem Jobverlust stehen. In Russland und in der Ukraine gibt es fast 50 Fertigungsstandorte von Zulieferern. Bei VW in Zwickau und Dresden standen wegen ausbleibender Materiallieferungen bereits tagelang die Fahrzeugfertigungen. In der Chemie-Branche sieht es auch nicht besser aus: Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie mahnte ebenfalls vor einer problematischen Lage, sollte Gas knapp werden. Und das wird es ganz bestimmt. Schon jetzt steigen Öl-, Gas- und Benzinpreise ins Uferlose, sind kaum mehr zu bezahlen.

Kurzum: Die großen Verlierer bei den westlichen Russland-Sanktionen sind die hiesigen Verbraucher, die sich nicht nur stark einschränken müssen, sondern noch weiter finanziell ausgebeutet werden.


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