Das "Hoßbach-Protokoll"

Hitlers Ansprache vor den Oberbefehlshabern
der Wehrmacht am 5. November 1937

Das sogenannte »Protokoll« ist weder im Original noch als Abschrift greifbar oder greifbar gewesen. Es existiert lediglich die Fotokopie einer Schreibmaschinen-Abschrift, die ohne Unterschrift im Jahre 1945 den Amerikanern aus privater Hand (Quelle blieb unbekannt) zugeschoben worden ist. Diese Fotokopie gilt seitdem der Wahrheit zuwider als "in den Archiven der deutschen Regierung aufbewahrt und auch dort erbeutet". Diese Fotokopie wurde zum Anklagedokument aufgewertet und erhielt die Signatur »386 PS-Beweisstück US 25«.

Der "Protokollant" Oberst Hoßbach, Angehöriger des Widerstandes gegen Hitler, steht nach eigener Angabe "nicht für jedes Wort ein" und hat sich geweigert, die von der IMT-Anklagebehörde vorgelegte "Fotokopie der Schreibmaschinenabschrift" - PS 386 - als identisch mit seiner originalen handschriftlichen Aufzeichnung zu beglaubigen. Er erklärte als Zeuge im IMT-Prozeß:

"Auf welche Weise eine oder mehrere Schreibmaschinenabschriften meiner einmaligen handschriftlichen Niederschrift zustande gekommen sind, entzieht sich meiner Kenntnis."

Die Öffentlichkeit weiß es heute noch nicht. Tatsache ist, daß offiziell kein Protokoll geführt worden ist und daß Oberst Hoßbach erst fünf Tage nach der Besprechung die Ausführungen Hitlers aus dem Gedächtnis handschriftlich aufgezeichnet hat. Aus welchem Grunde er dies tat, blieb ungeklärt; einen Auftrag hatte er nicht. Hoßbach konnte nicht stenographieren, er hatte auch keine Notizen während der Besprechung gemacht und war somit zu einer wortgetreuen und vollinhaltlichen Wiedergabe der Sitzung nicht in der Lage. Er blieb auf sein Gedächtnis angewiesen, wie er in seiner eidesstattlichen Erklärung vom 18.6.1946 selbst bekannte. Diese "sinngemäße Niederschrift" ist um so zweifelhafter, als bereits am gleichen 5.11.1937 Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Reichskriegsminister v. Blomberg und dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Generaloberst Göring, darüber bestanden, was Hitler eigentlich gesagt und gewollt hat. Die Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Marine, Göring und Generaladmiral Dr. h. c. Raeder, waren bereits vor der Besprechung darüber informiert worden, daß Hitler lediglich die Mängel der Heeresrüstung energischer beheben wollte. Der Generaloberst und spätere Generalfeldmarschall v. Brauchitsch hat von der Unterredung überhaupt erst in Nürnberg 1945 erfahren. Weder der Chef des Generalstabs des Heeres, Generaloberst Beck, noch der Oberbefehlshaber des Heeres (bis 1938), Generaloberst v. Fritsch hatten diese Unterredung für gewichtig genug gehalten, um v. Brauchitsch als nachfolgenden Oberbefehlshaber des Heeres davon zu unterrichten. Ein nachträgliches Aufbauschen der Bedeutung dieser Unterredung wird allein schon hierdurch unglaubwürdig.

Die Ausführungen Hitlers beruhen auf hypothetischen Erwägungen, die aus einem eventuellen Krieg zwischen Großbritannien und Italien für eine deutsche Politik erwachsen könnten. Von der Planung eines Angriffskrieges oder gar eines Weltkrieges war keine Rede. Daher konnte auch den Oberbefehlshabern keine Entscheidung für ein derartiges Ziel auferlegt worden sein. Ein konkreter Plan wurde weder angeregt noch entworfen. Nicht einmal die außenpolitischen Richtlinien für die kommenden Jahre wurden festgelegt, sondern lediglich Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt und Reaktionen hierauf angedeutet.

Im übrigen hatte Reichskriegsminister v. Blomberg die Initiative für diese Besprechung ergriffen, "um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Reichskriegsminister und dem Beauftragten des 4-Jahres-Planes hinsichtlich der Zuteilung von Rohstoffen an die drei Wehrmachtteile zur Entscheidung Hitlers zu bringen". Die Behauptung, daß Hitler diesen Anlaß und dieses Gremium (v. Blomberg, v. Fritsch, Raeder, Göring, Reichsaußenminister Freiherr v. Neurath) für "testamentarische Hinterlassenschaften" gewählt habe, ist nicht überzeugend. Der vom IMT vorgelegten Fotokopie zufolge soll Hitler einleitend die Anwesenden gebeten haben, seine Ausführungen als "testamentarische Hinterlassenschaft für den Fall seines Ablebens anzusehen". Es ist jedoch sinnwidrig, daß sich Hitler, der sich nur einiger Notizen bediente, ausgerechnet den Kreis der fünf (einschließlich Hoßbach sechs) Anwesenden ausgesucht haben sollte - nicht einmal seinen Stellvertreter Rudolf Hess -, um ihnen ohne schriftliche Fixierung ein "Vermächtnis" zu übermitteln, das auf wesentliche Fragen noch nicht einmal eine Antwort vorsah. Hermann Göring:

"Soweit das Wort ,Testament‘ gebraucht worden ist, widerspricht dieses völlig der Auffassung des Führers."

Gleichermaßen sinnwidrig dem ausgewiesenen Inhalt nach ist, daß Hitler zweimal abgelehnt hat, Hoßbachs Aufzeichnungen zu unterzeichnen, da er "vorderhand keine Zeit habe."

Ferner finden sich - in auffallendem Gleichklang - sowohl im »Hoßbach-Protokoll« als auch in anderen »Schlüsseldokumenten« Zusammenhänge, die zur Zeit der betreffenden Konferenz noch gar nicht vorlagen, sondern sich erst später ergeben haben: Wenn hier im »Hoßbach-Protokoll« z. B. unterstellt wird, Hitler habe davon gesprochen, daß sich eine französische Offensive voraussichtlich an unseren West-befestigungen festlaufen werde, so hätte er so etwas erst nach der Fertigstellung des Westwalles sagen können. Der Bau dieses Westwalles, der zwar schon 1936 eingeleitet und 1937 mit einer Laufzeit von 12 Jahren begonnen wurde, sollte jedoch erst auf Grund der tschechischen Mobilmachung im Mai 1938 beschleunigt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte von einem Schutzwall noch keine Rede sein.

Ein weiteres Kennzeichen für die Fälschung dieser Fotokopie ist darin zu erblicken, daß sie inhaltlich nicht mit der ohnehin von keinem Regierungsmitglied gekannten, geschweige denn gegengezeichneten Original-Niederschrift identisch sein kann, weil sie, abgesehen von der entstellten Wiedergabe und einigen erfundenen Zusätzen, auch noch inhaltlich gekürzt ist. So fehlt z. B. die Debatte zwischen Göring, v. Blomberg und v. Fritsch.

Warum hielt Hitler die Konferenz ab? Diese Frage wurde in Nürnberg nicht gestellt. Sie wurde auch nicht von den Historikern gestellt.

Diese Konferenz am 5.11.1937 war eine seltsame Versammlung. Nur Göring war ein Nazi. Die anderen waren Konservative alten Stils, die in ihrem Amt geblieben waren, um Hitler unter Kontrolle zu halten. Alle, mit Ausnahme von Raeder, sollten innerhalb von drei Monaten von ihren Posten entlassen werden. Hitler wußte, daß alle, mit Ausnahme von Göring, seine Opponenten waren.

Warum offenbarte er seine inneren Gedanken Männern, denen er mißtraute und die er kurz darauf entlassen sollte? Diese Frage hat eine einfache Antwort: er offenbarte nicht seine inneren Gedanken. Es gab keine außenpolitische Krise, die eine breite Diskussion oder klärende Entscheidung herausgefordert hätte. Die Konferenz war ein Manöver in inneren Angelegenheiten."

Aus dieser Analyse ist ersichtlich: Das sogenannte »Hoßbach-Protokoll« liefert keinen Nachweis dafür, daß Hitler eine "Verschwörung gegen den Frieden" geplant hat; es ist im Gegenteil ein Musterbeispiel dafür, wie die Nachkriegs-'Justiz' und ihre Propaganda-'Historiker gezwungen waren, auf Niederschriften von deutschen Widerständlern zurückzugreifen und diese noch zu verfälschen und aufzubauschen um einer solchen Anklage einen Schein des Rechts geben zu können. (U. Walendy)


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